#25 Kaum Trophäen, viele Geschichten: Das FC St. Pauli-Museum und seine Exponate
Shownotes
In der 25. Folge FCSP-Geschichte(n) sprechen Celina, Christoph, Christopher und Thomas über (Lieblings-)Exponate im FC St. Pauli-Museum. Es geht um historische Dokumente, Flutlicht, "Raubkunst" und eine besondere Ahnengallerie.
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00:00:00: Oberst a.D. von Gärtner hatte den erstaunten Gründungsversammelten erklärt,
00:00:07: er sei, Zitat, "nach wie vor süß". Nee, nee. Das erstaunt mich. Nein, falsch,
00:00:15: Ich fang noch mal an. Nach wie vor süß.
00:00:22: Auch Stalingrad konnte nicht verhindern, dass ich süß bleibe.
00:00:30: Nein, das steht nicht, das steht anders. Ja okay ja,
00:00:34: Cut.
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00:00:48:
00:00:53:
00:00:57: Herzlich willkommen zu FCSP-Geschichte(n), das n in Klammern,
00:01:01: dem offiziellen Podcast des FC St. Pauli-Museums.
00:01:04: Ich heiße Celina und ich sitze hier mit meinen Kollegen Christopher, Thomas und
00:01:08: Christoph. Sagt doch mal kurz hallo. Hallo. Hallo. Hallo.
00:01:11: Das habt Ihr so seit vielen Monaten nicht mehr gehört, denn es ist tatsächlich so,
00:01:16: dass wir das erste Mal in diesem Jahr hier in der originalen FCSP-Geschichte(n)
00:01:20: Podcast-Besetzung wieder sitzen, auf die Gründe gehen wir jetzt nicht
00:01:24: genauer ein, es gab Gründe.
00:01:26: Genau. Und worüber sprechen wir denn heute,
00:01:28: Christoph? Es geht um eine Graswurzelfolge, könnte man sagen, wir gehen dahin,
00:01:32: wo das Museum herkommt oder auch gerade nicht herkommt,
00:01:35: denn als dieses Museum gegründet wurde, war eigentlich einer der häufigsten
00:01:39: Kritikpunkte, was wollt Ihr denn eigentlich ausstellen,
00:01:42: Ihr habt doch gar keine richtigen Pokale und Meisterschalen ja auch nicht.
00:01:45: Wie man weiß, haben wir inzwischen eine Meisterschale,
00:01:48: den einen oder anderen Pokal, Oddset-Pokal, haben wir natürlich auch,
00:01:52: und tatsächlich haben wir ja doch festgestellt,
00:01:55: dass man Ausstellungsstücke ganz wunderbar dann ausstellen kann,
00:01:59: wenn man sie auch mit einer Geschichte verbindet. Aber Ausstellungsstücke,
00:02:03: das ist das Wort des Tages, darum soll es heute mal gehen. Im Museum
00:02:07: sind ja tatsächlich viele Originalstücke, in unserem Archiv noch viel, viel mehr.
00:02:11: Die Ausstellung, die man also sehen kann im Erdgeschoss
00:02:14: der Gegengerade, es ist ja nur die Spitze des Eisberges,
00:02:18: wir haben ja zugleich parallel zum Museum tatsächlich das erste professionell
00:02:22: gemanagte Archiv in der Vereinsgeschichte aufgebaut.
00:02:25: Dieter Rittmeyer hat zum Beispiel schon sehr viel Vorarbeit gemacht,
00:02:29: und jetzt gibt es aber richtig mit Datenbanken und was alles dazu. Das heißt,
00:02:32: man findet die Stücke dann auch wieder, sie sind sehr ordentlich gelagert,
00:02:36: jedes hat eine Nummer und Thomas, wie viele Stücke haben wir jetzt im
00:02:39: Archiv, ich glaube, es ist richtig viel. Das ist jetzt eine Frage,
00:02:43: die mich jetzt gerade etwas, ich glaube die wirklich anfassbaren
00:02:46: Objekte würde ich mal grob schätzen, an die 2.000 jetzt mal sehr grob geschätzt,
00:02:50: das kann auch mehr sein.
00:02:51: Oder weniger. Aber das ist so, die Nummerierung in der Datenbank ist in
00:02:55: der Hinsicht etwas irreführend, weil da ja durchaus auch Digitalisate und
00:02:59: Ähnliches erfasst sind. Insofern kann man das nicht ganz genau
00:03:03: eingrenzen, aber das sind reichlich. Der leider viel
00:03:05: zu kleine Archivraum ist sehr voll bis unter die Decke sind die Regale voll.
00:03:10: Wenn Du alle Fanzines mitzählst, dann kommen wir locker genau,
00:03:13: also wir haben genau, es gibt ja auch noch Zeitungs- und
00:03:16: Bücherregale mit Objekten, das sind ja letztlich auch
00:03:20: Archivobjekte und und und. Genau da kommt schon einiges zusammen,
00:03:23: wenn man jetzt auch Fotos noch zuzählen möchte.
00:03:25: Jedes einzelne Foto ist im Zweifel ja auch ein Objekt und dann kommen wir da
00:03:28: auch in deutlich höhere Zahlen, auf jeden Fall, ja.
00:03:31: Also wirklich eine große Menge und das bedeutet für uns natürlich auch,
00:03:34: wenn wir einen neuen Ausstellungsbereich machen,
00:03:36: eine neue Sonderausstellung planen, können wir da tatsächlich jetzt aus einem
00:03:40: wirklich ziemlich vollen Bestand da unten dann auch schöpfen,
00:03:43: denn man braucht als Museum tatsächlich auch wesentlich mehr
00:03:46: Ausstellungsstücke, als man in diesem einen Moment parallel
00:03:48: zeigen kann.
00:03:50: Und das bedeutet also auch, schickt uns auch weiterhin,
00:03:52: wenn Ihr Schätze habt, macht uns darauf aufmerksam.
00:03:55: Wenn Ihr nicht sicher seid, ob irgendwas ein Schatz ist.
00:03:58: Dann schickt uns trotzdem ne Mail. archiv@1910-museum.de wäre die Adresse, wir freuen uns immer,
00:04:03: denn manchmal ist es genau das, was man vielleicht denkt,
00:04:06: das ist gar nicht so wichtig, das kann mal das sein,
00:04:09: was auch genau gerade gesucht wird, also sagt uns gern Bescheid,
00:04:13: wir bauen weiter auf und auch wenn es eng ist
00:04:16: in unseren Lagerräumen. Uns fällt immer schon was ein und wir
00:04:19: lieben das eben auch, neue Archivstücke dann auch zu Ausstellungsstücken
00:04:23: natürlich zu machen. Es ist wahnsinnig spannend,
00:04:25: was man dann so alles entdeckt, da könnte man also auch ne ganze Folge
00:04:29: draus machen zum Thema Ausstellungsstücke und wisst
00:04:32: Ihr was? Das machen wir heute auch einfach.
00:04:35: Spontan, spontan, genau. Und wir machen es halt so,
00:04:38: dass wir jetzt mal nicht das erstaunlichste,
00:04:41: älteste oder wie auch immer Stück als Briefing ausgegeben haben,
00:04:45: sondern einfach erstmal, was bedeutet Dir besonders viel?
00:04:49: Das kann natürlich, wir werden uns gleich überraschen,
00:04:53: auch irgendeinen Superlativ erfüllen, das schwerste vielleicht, das teuerste,
00:04:58: das am weitesten gereiste, lassen wir uns mal überraschen.
00:05:02: Jedenfalls hat jeder von uns und in diesem Fall tatsächlich auch wir alle vier,
00:05:07: glaube ich, etwas vorbereitet, was sich auf ein konkretes
00:05:10: Ausstellungsstück aus unserem Museum bezieht.
00:05:12: Und dazu wiederum wollen wir dann die Geschichte erzählen.
00:05:16: Was man dazu sagen kann, ist, dass wir natürlich alle nicht wissen,
00:05:19: was die anderen ausgesucht haben, was ich aber trotzdem weiß, ist,
00:05:23: was Thomas ausgesucht hat, und da würde es sogar Sinn machen,
00:05:27: wenn Thomas vielleicht einfach mal anfängt.
00:05:29: Einen kleinen Beitrag wollte ich jetzt also auch beisteuern.
00:05:32: Und wenn wir jetzt von den liebsten Ausstellungsstücken sprechen,
00:05:36: dann ist das für mich etwas schwer einzugrenzen auf nur ein Objekt,
00:05:39: denn alles hat ja irgendwie seinen Wert. Sowohl für das Museum an sich,
00:05:43: aber auch aus archivarischer Sicht für die Vereinsgeschichte.
00:05:46: Ich für mich muss sagen, dass mich besonders die alten Objekte,
00:05:49: Fotos, Dokumente wie auch immer faszinieren,
00:05:51: einfach weil sie so selten sind in der Regel und es immer wieder ein kleines
00:05:55: Wunder ist,
00:05:57: dass die Sachen dann 100 oder auch mehr Jahre überdauert haben und nun
00:06:01: auf den verschiedensten Wegen in unsere Obhut gekommen sind.
00:06:05: Da ich ja bei uns auch für das Archiv und besonders auch für das digitale Archiv
00:06:09: zuständig bin, liegen mir solche Sachen dann schon
00:06:12: besonders am Herzen und ich habe jetzt mal geschaut,
00:06:15: was wir da alles so im Bestand haben, an sehr historischen Dingen.
00:06:19: Diese haben dann ob ihres Alters naturgemäß mit unserem Ursprungsverein,
00:06:23: dem hier doch hin und wieder schon erwähnten
00:06:25: Hamburg-St. Pauli Turnverein zu tun. Und dazu an dieser Stelle mal ein lieber
00:06:30: Gruß und auch ein herzlicher Dank an den Turnverein,
00:06:33: der ja heute weiterhin existiert in der Neustadt. Und schon bei den Recherchen zur
00:06:38: Jubiläumsausstellung und auch zum Jubiläumsbuch 2010 hat der Verein die
00:06:42: damals aktiven Personen sehr unterstützt.
00:06:45: Und auch wir hatten vor etwa zwei Jahren müsste es gewesen sein,
00:06:49: noch mal die Gelegenheit, im berühmten Archivschrank des Vereins zu
00:06:53: stöbern. Und zum Glück ist dort wirklich noch
00:06:55: einiges aus der Frühgeschichte erhalten geblieben und das ist nun als freundliche
00:07:00: Leihgabe bei uns gut verwahrt. Und erst einmal,
00:07:03: da wir ja auch über Ausstellungsstücke oder Objekte sprechen wollen,
00:07:07: die im Museum direkt zu sehen sind, geht es da besonders um Protokolle und um
00:07:11: Chroniken.
00:07:14: Und zwar liegen die aktuell, wenn Ihr sie sehen möchtet,
00:07:17: gleich im ersten Raum in einer Bodenvitrine.
00:07:20: Noch, müssen wir vielleicht sagen, aber aktuell sind sie noch zu sehen.
00:07:24: Für uns besonders wertvoll sind da zwei eigentlich eher unscheinbare Büchlein,
00:07:28: schwarz mit etwas lädiertem Einband, die Aufschrift "Hamburg-St. Pauli
00:07:32: Turnverein - Spielabteilung - Protokoll Spielausschuss", klingt jetzt nicht
00:07:36: besonders spektakulär, ist es aber.
00:07:39: Eines dieser Bücher reicht von 1896 bis 1906, das zweite von 1907 bis 1916.
00:07:44: Und da drin finden wir die frühesten Spuren von Fußball in unserem Verein und
00:07:49: so konnten wir darüber handelnde Personen identifizieren.
00:07:53: Wer hat in den Anfängen Leitungsfunktionen inne gehabt,
00:07:57: wer hat hier Fußball gespielt, das ist auf jeden Fall schon ein sehr,
00:08:01: sehr wertvolles Objekt, kann man sagen.
00:08:04: Auch wenn es jetzt einfach ein normales Schreibheft aus dem Handel war
00:08:08: wahrscheinlich damals, aber es hat halt einen inhaltlichen Wert.
00:08:11: Mein besonderes Hobby, nenne ich es jetzt mal, ist es ja auch, eine möglichst lückenlose
00:08:15: Chronik der Pflichtspiele und vor allem auch Mannschaftsausstellungen zu haben,
00:08:19: da wiederum enttäuschen diese Protokolle dann doch ein wenig,
00:08:22: denn lückenlos ist in dieser Hinsicht da leider gar nichts, aber immerhin,
00:08:26: wir konnten hieraus zum Beispiel damals,
00:08:28: damals ist jetzt auch ein bisschen weit, aber zwei Jahre ist es auch schon wieder her,
00:08:33: für unsere Sonderausstellung über den jüdischen Fußballer Max Kulik sehr
00:08:36: wertvolle Details entnehmen. Nämlich zum Beispiel,
00:08:39: dass er überhaupt bei uns gespielt hat und welche Rolle er im Verein eingenommen
00:08:43: hat. In der gleichen Bodenvitrine ist übrigens zu sehen ein großes,
00:08:47: sehr dickes, ledergebundenes Buch mit einer Aufschrift
00:08:49: "Chronik des Hamburg-St. Pauli Turnverein 1900". Satte 765 Seiten dick, ja,
00:08:53: ich habe sie einzeln durchgezählt, nein, habe ich nicht,
00:08:56: sie sind doch mal professionell gescannt worden,
00:08:59: daran kann man das dann sehen anhand der Dateien.
00:09:03: Aber immerhin sehr, sehr dick, führt diese vor allem
00:09:05: handschriftlich geführte Chronik von Anfang des Jahres 1900 bis Ende 1903.
00:09:10: Auch das ist natürlich sehr wertvoll, gibt es halt doch sehr viele Einblicke in
00:09:14: das Vereinsgeschehen, zum Beispiel wird dort sehr ausführlich
00:09:17: über den Bau der neuen Turnhalle berichtet, die dann 1902 eröffnet wurde.
00:09:21: Zum Beispiel ist dabei auch ein Foto der Grundsteinlegung. 15 Männer im feinen
00:09:26: Zwirn, alle natürlich mit Hut, alle natürlich mit Bart,
00:09:29: stehen auf dem Heiligengeistfeld. Teilweise mit Schaufeln oder mit
00:09:33: Bauplänen und tun aber mal so gar nicht gestellt
00:09:36: so, als wenn sie nun die Baubrigade wären und gerade anfangen,
00:09:39: den Boden aufzugraben. Wie bei allen alten Dokumenten ist es hier auch natürlich oft
00:09:44: der Fall, man muss sich auf die alte Schrift
00:09:46: einlassen. Bei der Druckschrift, also in Zeitungen zum Beispiel, ist
00:09:50: das mit etwas Routine ganz gut zu entziffern
00:09:53: alles. Handschriftliches ist dann doch schon manchmal etwas schwerer.
00:09:57: Besonders wenn Menschen dann doch etwas sehr eigentümliche Handschriften haben.
00:10:01: Aber das gehört nun mal dazu, wenn man historische Forschung betreibt,
00:10:04: und das tun wir ja nun neben vielen anderen Dingen hier auch recht intensiv.
00:10:08: Das sind also Sachen, die jetzt aktuell wirklich auch zu sehen
00:10:11: sind, also natürlich nicht durchzublättern,
00:10:13: dafür sind sie dann doch zu empfindlich, aber zu sehen sind sie auf jeden Fall.
00:10:17: Ich habe dann auch mal geschaut, was sind denn wohl so die ältesten
00:10:20: Dokumente in unserem Archiv, doch was du vorhin meintest,
00:10:22: nicht das Älteste, doch, ich habe mal nach dem
00:10:25: Ältesten geschaut.
00:10:27: Das dürfte tatsächlich eine Satzung vom 7. September 1860 und eine Mitgliederliste
00:10:32: vom 7. November 1860 sein, also satte 165 Jahre alt mittlerweile.
00:10:37: Diese Unterlagen stammen vom Turnverein St. Pauli und vor dem Dammthore. Dammtor,
00:10:42: damals noch mit th geschrieben, also noch einem der beiden
00:10:46: Vorgängervereine, die dann 1862 zum St. Pauli Turnverein fusioniert sind.
00:10:51: Das ist also schon
00:10:53: jetzt nicht spannend. Es ist einfach nur ein bisschen Papier,
00:10:57: sehr dünn auch, aber es ist halt sehr, sehr, sehr alt. Auch spannend
00:11:00: zum Beispiel ein Mitgliederbuch des Turnvereins von 1874,
00:11:04: da hat auf etwa 60 Seiten jemand mit einer glücklicherweise sehr,
00:11:07: sehr akkuraten Handschrift die damaligen Vereinsmitgliedern notiert inklusive Beruf,
00:11:12: Geburtsort, leider nicht das genaue Geburtsdatum,
00:11:15: nur das Alter, aber immerhin, Adresse und Eintrittsdatum.
00:11:19: Etwa ab 1900 sind dann zum Glück doch zahlreiche Dokumente vorhanden. Satzungen,
00:11:25: Jubiläumsschriften, Mitgliederlisten, Eintrittsbücher und ab 1904 haben wir
00:11:30: auch eine lückenlose Sammlung von Vereinszeitungen bis zur vorübergehenden
00:11:34: kriegsbedingten Einstellung 1915. All dies hat uns ungemein geholfen,
00:11:39: die Frühgeschichte des Vereins deutlich umfassender als zuvor nachzeichnen zu
00:11:44: können.
00:11:45: Wie eben schon erwähnt, oftmals sind neben dem Namen auch
00:11:48: zusätzliche Informationen bekannt, wie eben Geburtstag, Wohnort, Beruf.
00:11:52: Was die weitere Recherche zu einzelnen Personen dann natürlich doch etwas
00:11:56: vereinfacht. Datenschutz war damals noch nicht
00:11:58: wirklich bekannt, aus unserer Sicht natürlich zum Glück.
00:12:01: Was auch zu sehen ist an diesen ganzen Dokumenten, die wir da haben,
00:12:05: neben dem Turnen und dem vermehrten Sporttreiben dann auch später,
00:12:09: standen festliche Zusammenkünfte sehr hoch im Kurs.
00:12:12: Da sind zahlreiche Programme erhalten, oft von den jährlichen sogenannten
00:12:16: Stiftungsfesten zum Vereinsgeburtstag. Sehr detailliert,
00:12:19: exakt vorgegeben ist da die Folge von turnerischen Darbietungen, Liedern,
00:12:23: kleinen schauspielerischen Vorführungen sowie Tänzen und deren Reihenfolge,
00:12:27: oft inklusive genauem Musiktitel, ist alles im Vorwege schon bereits
00:12:30: vorgegeben, auch die Liedtexte, die dann da vorgetragen werden,
00:12:34: werden vorab schon bekanntgegeben, damit im Zweifel auch jeder mitsingen
00:12:38: kann, ich weiß es nicht, aber auf jeden Fall
00:12:41: hat das dann doch sehr gewöhnungsbedürftige
00:12:44: Lyrics aus heutiger Sicht. Ganz kurzer Einschub mal.
00:12:47: Also zum Beispiel, eben erwähnt, 1902 wurde die neue Turnhalle eröffnet
00:12:52: und dazu gab es natürlich auch ein großes Fest im Januar 1902. Ein ganz
00:12:57: kurzes Zitat aus einem Festgedicht zur Eröffnung: "Ja, aufgerichtet steht das neue
00:13:02: Haus, erreicht ist nun das lang ersehnte Ziel.
00:13:05: Zur schönen Wirklichkeit ward unser Hoffen.
00:13:09: Oh, neues Heim, wie schaust du prächtig aus,
00:13:11: wie lädst zur Arbeit du, zu frohem Spiel, wie ward doch was wir planten übertroffen."
00:13:16: Ich will Euch jetzt nicht weiterquälen, also das geht noch zehn Verse weiter.
00:13:21: Aber der Flow ist also wirklich sehr locker, kann man problemlos mitsingen.
00:13:25: Also das wurde doch eher vorgetragen, es ist eigentlich Spokenword. Auf jeden
00:13:30: Fall übrigens ein Punkt in der Festfolge ist übrigens auch
00:13:34: "Begrüßung der Damen", also das wurde noch mal
00:13:37: formvollendet extra ins Programm aufgenommen. Einen ganz kleinen
00:13:41: Schatz möchte ich hier noch erwähnen, den wir haben, nämlich auch im besagten
00:13:45: Archivschrank des Turnvereins fand sich ein altes Fotoalbum.
00:13:49: Erstellt wurde dieses 1890 anlässlich einer Hochzeit eines Vereinsmitgliedes
00:13:53: und zu diesem Zweck hatten sich viele der bekannteren Mitglieder fotografieren
00:13:57: lassen.
00:13:59: Erfreulicherweise sind auch alle Fotos mit Namen versehen,
00:14:02: sodass wir zahlreichen Namen dann auch erstmals ein Gesicht zuordnen konnten.
00:14:07:
00:14:07: Gemacht wurden diese Aufnahmen vermutlich im Atelier Hamann,
00:14:10: denn Johann Hamann und auch sein Sohn Heinrich waren nicht nur bis heute
00:14:14: bekannte Hamburger Fotografen, sondern auch Turnvereinsmitglieder und
00:14:17: ihrem Nachlass verdanken wir zahlreiche Aufnahmen von Sportler*innen auf dem
00:14:21: Heiligengeistfeld und auch von der imposanten Turnhalle.
00:14:24: Auch diese Bilder sind natürlich ein wertvoller Archivschatz,
00:14:27: denn so können wir uns auch ein Bild machen,
00:14:29: wie es damals in und um die Halle und auf dem Heiligengeistfeld aussah,
00:14:32: wie die Menschen aussahen, die Sport getrieben haben.
00:14:36: Und in diesem Zusammenhang, das hatte Christoph eben schon kurz
00:14:39: erwähnt, auch von mir aus noch mal der Aufruf,
00:14:42: den platziere ich halt immer gerne mal wieder hier und da,
00:14:45: wenn Ihr eben auch gerade nicht nur Objekte,
00:14:47: sondern auch alte Fotos und Dokumente bei euch in der Familie,
00:14:50: im Freundeskreis findet, die eben mit dem FC St.
00:14:52: Pauli oder eben auch mit dem St. Pauli Turnverein zu tun haben.
00:14:55: Meldet Euch bei uns. Es geht nicht zwingend darum,
00:14:58: dass wir das alles jetzt bei uns ins Archiv aufnehmen
00:15:01: auch, auch eine kurzzeitige Überlassung zum Scannen würde uns schon sehr,
00:15:04: sehr weiterhelfen.
00:15:06: Dafür schon mal vielen Dank. Ja, und wenn Ihr für Eure
00:15:09: Dauerkartenbewerbung noch eine ehrenamtliche Betätigung im Vereinsumfeld
00:15:13: braucht, dann meldet Ihr Euch auch gerne, wenn ihr 700 Seiten Sütterlin für uns
00:15:17: transkribieren wollt. Zum Beispiel. Auch das, auch das.
00:15:20: Aber tatsächlich kann man sich ja der Archiv AG beispielsweise anschließen,
00:15:24: die ja sehr rührig ist. Und dabei findet man ja auch so einiges
00:15:27: interessante aus den Schätzen des Archivs, denn man darf ja auch mal Kartons
00:15:31: auspacken, bei denen man nicht genau weiß, was drin ist.
00:15:35: Da findet sich dann ja auch sehr spannendes. Nachlässe von Vereinslegenden durchwühlen.
00:15:40: Absolut, man darf natürlich auch Datenbanken
00:15:43: befüllen, was auf jeden Fall sehr nachhaltigen
00:15:46: Nutzen für uns hat, weil dann findet man die Sachen ja auch
00:15:49: wieder. So sieht das aus. Und Thomas kann jetzt
00:15:52: mal auch etwas Historisches machen, und zwar das erste Mal in diesem Jahr für
00:15:57: Christoph, Celina und mich losen. Ja, das kann ich machen. Genau für alle,
00:16:01: die das noch nicht kennen.
00:16:03: Das kann ich gerne machen, weil dann wissen wir wer.
00:16:07: Dass wir alle gleichzeitig Geschichten erzählen. Ja,
00:16:10: das wäre natürlich eine Idee. Dann sind wir natürlich schneller fertig,
00:16:15: aber es ist etwas schwieriger zuzuhören, Das wird nachher beim Bearbeiten
00:16:19: sicherlich gut rausgefiltert dann. Nein, ich lose jetzt einfach mal und ich habe
00:16:24: wie immer die berühmten Zettel mit den entsprechenden Namen
00:16:28: hier, immer noch die alten, und lose beziehungsweise ziehe Celina.
00:16:33: 1878 war ein großes Jahr für den Fußball. Wisst Ihr warum? Ich weiß es so,
00:16:38: also es ist mir zu Mainstream. 1878 wo? Fußball weltweit.
00:16:42: Wo? Fußball. In der Fußballwelt und für die Fußballwelt. Erstes
00:16:47: Ligaspiel in England. Ich glaube die englische Liga gab es glaube ich schon
00:16:52: oder so, also auf jeden Fall im Zweifel in England,
00:16:56: weil da war eigentlich immer alles als erstes, oder?
00:17:00: England, Schottland sowas. Also ich spanne Euch nicht weiter auf die Folter.
00:17:05: Erstes Spiel mit rundem Ball. Fast, in Nottingham benutzte ein Schiedsrichter erstmals eine
00:17:11: Trillerpfeife. In Deutschland gründete sich der älteste,
00:17:17: heute noch bestehende Rasensportverein, der Deutsche Fußballverein Hannover,
00:17:22: heute Deutscher Sportverein Hannover von 1878 eV und, worauf ich eigentlich hinaus
00:17:28: will, in Sheffield
00:17:30: fand das erste Flutlichtspiel der Fußballgeschichte statt. Ach guck.
00:17:34: Gab es denn elektrischen Strom? Mit Kerzen, das finde ich gut. Ich sag mal,
00:17:38: England hatte ja schon früh so Dampfmaschinen und ähnlich, wahrscheinlich
00:17:42: röhrte das ums Stadion herum und mit der Dampfmaschine wurde das Licht betrieben.
00:17:46: Ich stell stell mir das mit den Kerzen vor, so lange bis Du uns das genau
00:17:50: erklärst. Ja, ich erkläre Euch das genauer, die Bramall Lane,
00:17:53: also das ist das Stadion von Sheffield United heute.
00:17:57: Ist übrigens das älteste Stadion der Welt, in dem immer noch Fußball gespielt wird.
00:18:02: Bramall Lane wurde 1855 gebaut, das erste Fußballspiel fand dort
00:18:06: allerdings erst im Dezember 1862 statt, vorher gab es da nur Cricket,
00:18:11: aber seit 1889 ist das Stadion die Heimspielstätte von Sheffield United.
00:18:16: Ich hoffe die Sanitäranlagen wurden mal umgebaut. Nee,
00:18:20: das sind immer noch die originalen von 1855.
00:18:24: Wisst Ihr, was der Spitzname von Sheffield United
00:18:28: ist? Ja, The Blades. Und weißt du auch warum?
00:18:31: Weil sie, weiß ich nicht, Messermacher waren. Die Fußballer?
00:18:35: Weil sie Schwerter im Wappen haben,
00:18:39: aber wahrscheinlich. Das hängt zusammen. Ja eben. Sheffield hatte eine sehr
00:18:44: führende Rolle bei der Besteckherstellung.
00:18:48: 1867 wurde an der Bramall Lane übrigens auch das Finale des allerersten
00:18:53: Fußballturniers um eine Trophäe ausgetragen.
00:18:56: Das war der Youdan Cup. Schon mal gehört? Nee. Guck mal, was Ihr heute alles lernt.
00:19:01: Also Ihr merkt schon, Bramall Lane ist ein
00:19:04: Ort von fußballhistorischer Bedeutung, übrigens auch das erste Stadion,
00:19:08: das 1872 Drehkreuze eingeführt hat anscheinend, habe ich gelesen.
00:19:14: Und dort fand 1878 das erste Flutlichtspiel statt. Mein Gott,
00:19:17: und irgendwie zwei Jahre später Rasenheizung, das ist ja fast schon unheimlich.
00:19:21: Ein Jahr bevor Thomas Edison seine Glühbirne erfunden hat übrigens,
00:19:25: und elektrisches Licht wurde ja durch Edisons Glühbirne im Prinzip erst für die
00:19:30: Allgemeinheit nutzbar.
00:19:32: 1878 gab es in England noch nicht mal ein nationales Stromnetz,
00:19:35: elektrische Lichter wurden mit Batterien oder mit Dynamos betrieben und waren
00:19:39: extrem unzuverlässig. Sie waren also gerade erst im Begriff,
00:19:43: sich als ernsthafte Konkurrenz zu Gaslampen durchzusetzen und zu etablieren.
00:19:48: Fußballspiele und andere Freiluftsportarten fanden Ende des 19.
00:19:51: Jahrhunderts ausschließlich bei Tageslicht statt.
00:19:54: Und wenn man sich die Sportberichterstattung aus dieser Zeit,
00:19:57: ich möchte sagen aus der anarchischen Frühzeit des englischen Fußballs, anschaut,
00:20:01: findet man regelmäßig Berichte über Partien,
00:20:03: die im Herbst und Winter wegen fortschreitender Dunkelheit abgebrochen
00:20:07: werden mussten. Fußballvereine hatten also durchaus ein
00:20:10: kommerzielles Interesse an Außenbeleuchtung,
00:20:12: sie versprachen sich von elektrischem Licht mehr Zuschauer*innen und höhere
00:20:16: Einnahmen.
00:20:17: Und für die Elektronikunternehmen waren beleuchtete Fußballspiele wiederum eine
00:20:22: großartige Werbemaßnahme, weil sie den Mehrwert von elektronischem
00:20:26: Licht bei Outdoor-Veranstaltungen demonstrieren konnten. Also Win-Win.
00:20:30: Industrie und Fußball Hand in Hand. Zu diesem weltweit ersten Fußballspiel unter
00:20:35: Flutlicht in Sheffield, das an einem Oktoberabend,
00:20:38: genauer gesagt am 14. Oktober 1878 um 19:30 Uhr angepfiffen wurde,
00:20:42: kamen 20.000 zahlende Zuschauer*innen.
00:20:45: 6.000 zusätzliche Beobachter*innen sollen sich in der Dunkelheit eingeschlichen
00:20:50: haben. Ich weiß jetzt nicht, was das über die Qualität der
00:20:53: Flutlichtanlage aussagt, wahrscheinlich waren einfach die Wege und
00:20:56: die Umgebung und die Drehkreuze nicht beleuchtet,
00:20:59: Vermutlich ja, alle Kraft aufs Spielfeld
00:21:01: sozusagen. Genau, das Spielfeld jedenfalls war den Zuschauer*innen schon fast zu
00:21:05: hell.
00:21:06: Einige versuchten sogar, sich mit Regenschirmen vor den
00:21:09: ungewohnten Lichtstrahlen zu schützen. Insgesamt war das Experiment aber ein
00:21:13: großer Erfolg, wie ein Reporter des "Sheffield
00:21:15: Independent" tags darauf berichtete, und dazu habe ich euch einen kleinen
00:21:19: Einspieler vorbereitet, nicht weil es original Tondokumente von
00:21:23: 1878 gibt. Das hätte mich jetzt auch gewundert. Sondern weil ich dachte,
00:21:26: ich erspar euch das, dass ich jetzt diesen Zeitungsartikel
00:21:29: komplett auf Englisch vorlese und deswegen habe ich mir einen KI-Engländer
00:21:33: gesucht, der das jetzt für euch einmal vorliest.
00:21:36: Ui, auch ne Premiere. Modernste Technik.
00:21:39: Jetzt merken alle, dass es viel cooler ist der KI zuzuhören
00:21:42: als uns. "It would have been difficult to select a ground more suitable than Bramall Lane
00:21:46: for a display of the illuminator. Those who have seen the enclosure under
00:21:50: the blaze of a midsummer sun, with thousands of excited spectators
00:21:54: witnessing the performances of Yorkshire's favorite cricketers, can hardly possess a
00:21:58: complete idea of the black wilderness it presents by night when there is no moon
00:22:03: or the heavens are overcast.
00:22:05: To walk there is literally like wandering over a bleak moor. At each corner
00:22:10: of the ground marked off for the players a wooden stage was erected some ten
00:22:14: yards high for carrying the lamp and reflector. Behind each goal was placed a
00:22:19: portable engine, each of which drove two Siemens dynamo machines - one for each
00:22:24: light. The illuminating power equalled 8.000 standard candles. As if endeavouring
00:22:29: to rival the artificial illuminator, the lunar orb stood high and bright in the
00:22:33: heavens.
00:22:35: The atmosphere was pure and pleasant, and it was generally admitted that everything
00:22:39: indeed appeared favourable for the occasion. At first the light was certainly too powerful
00:22:44: to be looked at with comfort but everyone seemed highly pleased with the result of
00:22:49: the experiment, the light being most brilliant and effective.
00:22:52: It may be stated that the experiment turned
00:22:55: out a great financial success, the novelty of the thing drawing together and
00:22:59: an immense attendance, reaching, in our estimation, nearly twenty thousand people.
00:23:04: When everything was in readiness, at 7.30,
00:23:07: the distinguished colours of the two sides were clearly visible, spectators could
00:23:12: distinguish with ease the faces and figures of football players at the distance
00:23:16: of perhaps 200 yards". Also in den Jahren nach dem diesem auch sehr erfolgreichen,
00:23:20: wie Ihr gerade gehört habt, sehr erfolgreichen Sheffield-Experiment
00:23:24: gab es vor allem in England immer wieder auch weitere Experimente mit
00:23:28: unterschiedlichen Flutlichtanlagen, übrigens auch mit Petroleumlampen.
00:23:32: Der Erfolg war sehr unterschiedlich ausgeprägt und weil alle Techniken
00:23:37: insgesamt als unsicher galten, wurden sie mit Beginn der ersten Football
00:23:42: League Season 1888/89 offiziell verboten und erst Mitte der 1950er-Jahre dann
00:23:47: wieder erlaubt. Das ist ein langer Zeitraum. Ich dachte,
00:23:51: das Experiment wäre geglückt. Ich bin auch ein bisschen verwirrt,
00:23:56: warum wurde das verboten?
00:23:58: Unsicher und unzuverlässig, nur weil es einmal geklappt hat,
00:24:01: heißt es ja nicht, dass es immer geklappt hat.
00:24:04: Es gab da wie gesagt noch ein paar weitere Experimente. Naja,
00:24:07: Computer stürzen auch ab, wurden aber nicht verboten.
00:24:10: Wären sie allerdings in Flammen aufgegangen und hätten ein ganzes Wohnhaus
00:24:13: quasi dem Erdboden gleich gemacht, dann wäre das 1950 ne andere Nummer
00:24:17: gewesen. Also ich habe jetzt quasi, ich habe natürlich sehr viele englische
00:24:21: Texte dazu gelesen, die Originalformulierung war "not sanctioned".
00:24:24: Ich hab das mal übersetzt mit verboten. Das erste Football League Spiel unter
00:24:30: Flutlicht fand dann erst wieder im Februar 1956 statt im Fratton Park
00:24:35: Portsmouth gegen Newcastle United und Ihr dürft jetzt mal raten wo und wann das
00:24:40: erste bekannte Flutlichtspiel in Deutschland stattgefunden hat. Tja.
00:24:45: In Deutschland? Da war Concordia glaube ich relativ weit vorne was das anging,
00:24:50: aber ich glaube deutschlandweit, schwierig.
00:24:54: Concordia Hamburg. Aber in Hamburg? Deutschlandweit meinst du,
00:24:57: dass Concordia die ersten deutschlandweit waren,
00:25:00: das hätte sich glaube ich Concordia irgendwann mal so in das Vereinswappen so
00:25:03: rein. Vermutlich, aber man kann ja auch einfach mal...
00:25:06: Ich könnte mir vorstellen, im weitesten Sinne irgendwo im Ruhrpott,
00:25:10: weil da sehr viel Industrie und das einfach technisch eher möglich ist.
00:25:13: Wir machen mal Bundesland, genau das ist doch gut,
00:25:16: also Christoph sagt Hamburg, Du sagst Nordrhein-Westfalen und du?
00:25:20: Bayern. Wirklich glaube ich das ja nicht mit Hamburg, aber ich bleib dabei.
00:25:24: Alles falsch. Niedersachsen, genauer gesagt 1926 in Hannover im
00:25:29: damaligen Stadion von Hannover 96, der Radrennbahn an der heutigen
00:25:34: Hans-Böckler-Allee und zu Gast war die türkische Nationalmannschaft.
00:25:40: Die spielte gegen eine Auswahl des norddeutschen Südbezirks,
00:25:44: zu dem Hannover gehörte.
00:25:47: Also das erste Flutlichtspiel in Deutschland war gleichzeitig ein
00:25:50: internationales Ereignis. Da sind so viele Sachen,
00:25:53: die überhaupt nicht zusammenpassen. Pionierarbeit, Internationalität,
00:25:57: Hannover? Hannover. Ist das so? Ja, das hatte einen naheliegenden Grund würde
00:26:01: ich sagen, weil dieses Stadion beziehungsweise
00:26:04: diese Radrennbahn sowieso mit Bogenlampen ausgestattet war,
00:26:07: nämlich um ausgefallene Radrennen unter der Woche nachholen zu können und für die
00:26:12: Fußballpartie wurde die Anlage dann noch ein bisschen modifiziert.
00:26:16: Anpfiff war um 20:05 Uhr. Ich zitiere mal aus der Sportausgabe des
00:26:21: "Hannoverischen Anzeigers": "Die aus 34 Lampen bestehende
00:26:25: Beleuchtungsanlage, welche das Licht von 51.000 Kerzen
00:26:29: erzeugte, wurde umgebaut.
00:26:32: Hinter den Toren wurden neue Masten ausgerichtet und mit Lampen
00:26:35: versehen. Diese wurden mit Reflektoren ausgestattet,
00:26:38: so dass Laufbahn und Spielfeld genügend erhellt waren.
00:26:40: Die Zuschauer können sämtliche Vorgänge genau wie am Tag verfolgen,
00:26:44: ohne durch grelles Licht, welches durch die Reflektoren
00:26:46: ausgeblendet ist, gestört zu werden." Da war man also schon einen Schritt
00:26:50: weiter als damals in Sheffield, obwohl auch in Hannover Bogenlampen
00:26:53: eingesetzt wurden, da musste sich immerhin aber niemand mehr
00:26:56: mit Schirmen schützen wegen den Reflektoren.
00:27:00: Etabliert hat sich die Flutlichtanlage aber trotz des gelungenen Experiments
00:27:05: auch in Deutschland nicht. Das passierte dann erst Jahre nach Ende
00:27:09: des Zweiten Weltkriegs. Die erste Stadionflutlichtanlage in
00:27:12: Deutschland wurde am 31. Dezember 1949 anlässlich des Abschiedsspiels für den
00:27:17: Dresdner Fußballprofi Richard Hofmann im Dresdner Heinz-Steyer-Stadion eingeweiht,
00:27:22: die SG Friedrichstadt spielte gegen eine DDR-Auswahl. 22.000 Zuschauer*innen sahen
00:27:27: diese besondere Silvesterpartie.
00:27:30: Was in dem Fall, SG Friedrichstadt war der vormalige Dresdner SC
00:27:35: zu dem Zeitpunkt, also das war dann der Verein,
00:27:38: wo dann auch die ganzen Dresdner, die bei St. Pauli spielten herkamen.
00:27:42: Korrekt. Was waren denn die ersten drei westdeutschen
00:27:46: Stadien mit einer Flutlichtanlage? Ich bleib dabei,
00:27:49: ich bleib irgendwo in Nordrhein- Westfalen. Ich sag auch,
00:27:54: ich sag Nordrhein-Westfalen, Rote Erde bestimmt. Oder
00:27:58: eben so Glückauf-Kampfbahn oder sowas, aber wahrscheinlich ist es irgendwas
00:28:02: abseitiges möglicherweise. Was man jetzt nicht mehr kennt.
00:28:06: Eintracht Frankfurt. Also die ersten drei Stadien soweit ich das
00:28:09: recherchieren konnte, es gibt da so ein bisschen
00:28:12: widersprüchliche Angaben, weil mehrere Vereine quasi für sich
00:28:16: reklamieren, dass sie die ersten waren, aber ich habe mal versucht dem auf den
00:28:20: Grund zu gehen und mein aktueller Wissensstand ist, dass also die ersten
00:28:25: Stadien mit Flutlichtanlagen in Westdeutschland: Das Augsburger
00:28:29: Rosenaustadion, der Bieberer Berg. Kickers Offenbach.
00:28:33: Das ist die Spielstätte der Offenbacher Kickers, genau,
00:28:37: und die Essener Hafenstraße waren. Ja Rot- Weiss Essen hätte ich auch, ja,
00:28:43: da war ich aber nicht ganz so verkehrt in der Ecke da ja.
00:28:47: Aber ist ja Nordrhein-Westfalen. Ja ja, deswegen war ich nicht ganz so verkehrt.
00:28:53: Augsburg war 1955.
00:28:55: Dann Offenbacher Kickers und Essener Hafenstraße 1956 und dann kamen Dortmund
00:29:01: und Schalke. Dortmund damals aber noch Rote Erde.
00:29:06: Ja, das Westfalenstadion wurde erst zur WM 1974
00:29:10: gebaut. Ja und Fun Fact, 1957 und 1958 gab es sogar den deutschen Flutlichtpokal.
00:29:17: Ein privater Einladungswettbewerb, an dem nur Teams teilnehmen durften,
00:29:21: die eine Flutlichtanlage hatten, gestiftet von Ludwig Mohler,
00:29:25: dem Präsidenten von Kickers Offenbach. Also drei Vereine haben teilgenommen oder
00:29:30: ist ja auch ein spannender Kampf. 1957 haben Eintracht Frankfurt,
00:29:35: FSV Frankfurt, Kickers Offenbach, FC Schalke 04, TSV 1860 München,
00:29:39: Preußen Münster, Fortuna Düsseldorf, Viktoria 89 Berlin.
00:29:44: Ja, teilgenommen und gewonnen hat übrigens
00:29:46: Kickers Offenbach. Sehr hessenlastig. Kann man ja aber insgesamt sagen,
00:29:50: dass so ab Mitte der 50er das sozusagen sich ausgebreitet hat,
00:29:54: dass die Vereine... Genau, das kann man so sagen.
00:29:59: Beim Flutlichtpokal 1958 haben dann
00:30:03: Kickers Offenbach, Wuppertaler SV, SC Concordia Hamburg, Holstein Kiel,
00:30:08: Preußen Münster, Eintracht Braunschweig, Phönix Lübeck,
00:30:11: Eintracht Frankfurt und Viktoria 89 Berlin teilgenommen.
00:30:15: Wie kamst du denn jetzt doch auf Concordia?
00:30:18: Ich hatte es irgendwann mal gelesen, dass Concordia ziemlich früh Flutlicht
00:30:22: hatte im Zusammenhang mit
00:30:24: dem Flutlicht am Millerntor irgendwie mal. Ja,
00:30:27: Concordia war tatsächlich das erste Hamburger Stadion,
00:30:30: was eine Flutlichtanlage hatte.
00:30:32: Ich muss mich übrigens noch mal eben korrigieren.
00:30:35: Sieger des Flutlichtpokals 1957 war Eintracht Frankfurt.
00:30:40: Hui, gerade noch.
00:30:44: Entschuldige, hast Du gerade Kickers Offenbach mit
00:30:49: Eintracht Frankfurt verwechselt? Ja ich hab... Da drehen sich aber gerade um
00:30:54: im Grab, könnte eventuell Reaktionen hervorrufen. Naja egal, Entschuldigung. So,
00:31:00: kommen wir ans Millerntor. Ach ja da war ja was eigentlich.
00:31:07: Der FC St. Pauli sollte seine erste Flutlichtanlage
00:31:10: eigentlich im Zuge des Stadionneubaus 1960/61 bekommen.
00:31:13: Der Hamburger Senat hatte sich im Oktober 1960 bereit erklärt,
00:31:17: entsprechende Pläne des Vereins finanziell zu unterstützen,
00:31:21: statt einer neuen Anlage im Volkspark.
00:31:24: Der FC St. Pauli hatte nämlich sich im Gegenzug bereit erklärt,
00:31:27: auch anderen Hamburger Vereine die Nutzung der Lichtanlage und des Stadions zu
00:31:31: erlauben, also andere Vereine am Millerntor spielen
00:31:33: zu lassen, die dann Licht brauchten.
00:31:36: Oder nur die Anlage? Ich fand das ganz gnädig, ne,
00:31:39: also man kann doch mal da ein Abendspiel austragen,
00:31:43: warum denn nicht. Europacup am Millerntor, nur leider ohne St.
00:31:47: Pauli-Beteiligung, aber immerhin. Also nach Protesten des HSV und der
00:31:51: politischen Opposition kam es dann natürlich anders,
00:31:54: am Ende bewilligte der Senat die Flutlichtfinanzierung für den Volkspark
00:31:59: und das Millerntor ging leer aus. Ja, der FC St.
00:32:02: Pauli musste danach noch 30 Jahre
00:32:04: weiter ohne Flutlichtanlage auskommen, fast 30 Jahre. Erstens,
00:32:08: weil die erste Flutlichtanlage bekam der FC St. Pauli dann erst 1989 naja, bekam.
00:32:12: Also das klingt, als hätten wir die geschenkt bekommen.
00:32:15: Das war natürlich nicht so, leider nicht, wir sind ja nicht der HSV,
00:32:19: Flutlicht war eine Auflage für die Bundesliga,
00:32:22: der Verein musste sie also nach dem Klassenerhalt 1988/89 zwangsweise
00:32:26: anschaffen. Konnte er sich das leisten? Natürlich nicht,
00:32:29: es waren finanziell schwierige Zeiten.
00:32:33: Dazu Geschäftsführer Manfred Campe: "Wir hatten keine Flutlichtanlage,
00:32:37: ganz klare Auflage, wenn Bundesliga, dann Flutlichtanlage. Die Flutlichtanlage
00:32:42: wurde auch bestellt bei ABB, die Trafostation hat Herr Weisener bezahlt,
00:32:46: Flutlichtmasten aufgestellt, alles wunderbar,
00:32:49: kommt eine Rechnung, 600.000 oder 650.000 Mark glaube ich war das. Rufe ich
00:32:53: Paulick an und so Mensch, Herr Paulick, hier ist eine Rechnung über eine Flutlichtanlage.
00:32:58: Ja ja, rufen Sie mal bei der Dresdner Bank an.
00:33:02: Mach ich, ruf bei der Dresdner Bank an. Der ist fast vor Lachen vom Stuhl
00:33:06: gefallen, Herr Campe ganz ehrlich,
00:33:09: natürlich finanzieren wir das nicht. Dann ruf ich Herrn Weisener an,
00:33:13: Mensch Herr Weisener, hier, Flutlichtanlage. Ja, ja.
00:33:17: Jetzt ist die Rechnung gekommen, jetzt müssen wir die bezahlen. Ah sagt er,
00:33:21: ja, ja, ja, dann müssen wir uns was einfallen lassen.
00:33:25: Ich sag, ich habe eine Idee, ich weiß nicht ob die funktioniert,
00:33:28: aber aus meiner Zeit bei
00:33:31: der Privatbank, in der ich vorher gearbeitet habe,
00:33:34: ist eine Leasinggesellschaft gegründet worden mit 50% Privatbank, 50%
00:33:39: ein Leasingunternehmer aus Hamburg, Berthold Schlage,
00:33:43: den kannte ich ganz gut, den habe ich auch geduzt,
00:33:46: mit dem hatte ich in der Bankzeit noch zu tun, ich kann den mal anrufen. Ja,
00:33:51: machen Sie das mal. Und dann habe ich gesagt, du, Berthold,
00:33:55: wir haben hier eine Flutlichtanlage.
00:33:59: Können wir nicht bezahlen. Dann machen wir das.
00:34:02: Aber ich brauche die persönliche Bürgschaft von Herrn Weisener.
00:34:05: Wer jetzt da in diesem Bankwesen gearbeitet hat, der weiß, dass dem FC St.
00:34:09: Pauli, dem hätte man keine 600.000 finanziert,
00:34:12: aufgrund der Zahlen, der Bilanzen etc.
00:34:14: Dann rufe ich Herrn Weisener an und sage, Mensch, Herr Weisener, ich glaube,
00:34:18: ich habe eine Lösung, aber da gibt es einen Haken.
00:34:21: Da sagt er ja, welchen denn? Die wollen die persönliche Bürgschaft von
00:34:25: Ihnen.
00:34:26: Ach so, ja, die können die haben, überhaupt kein Problem.
00:34:30: Dann haben wir das ja gelöst. Und dann habe ich aufgelegt.
00:34:34: Dann habe ich gedacht, okay, ich hätte es nicht gemacht persönlich und
00:34:39: dann ist die CDL Leasing, so hieß die, hat quasi die Flutlichtanlage
00:34:44: gekauft, bezahlt und an uns vermietet, Sail and Lease Back, so ein Fachbegriff,
00:34:49: und so war mit einem Schlag dieses unüberwindliche Problem
00:34:55: irgendwie aus dem Nichts gelöst. Da sind wir haarscharf an
00:34:59: einem großen Problem vorbeigeschrammt." Sale and Lease Back,
00:35:02: meine Damen und Herren, der FC St. Pauli ganz vorne,
00:35:05: eines Tages haben wir noch eine Zeitzeugen- Stimme, die irgendwie feststellt,
00:35:10: dass Cum Ex bei uns entwickelt wurde, wer weiß,
00:35:12: so bei Finanzlösungen jedenfalls früh und kreativ dabei.
00:35:16: Ja, was die Anzeigetafel dann gekostet hat,
00:35:18: wissen wir leider nicht. Die ist natürlich auch ein,
00:35:21: gibt es auch als Ausstellungsstück im FC St. Pauli-Museum, und zwar das Original.
00:35:24: Ich würde sagen, wahrscheinlich sogar unser größtes
00:35:26: Ausstellungsstück. Mit Sicherheit, von der Fläche
00:35:29: sozusagen ist es definitiv das größte, ja. Kommt vorbei, guckt sie Euch
00:35:33: an, genau, aber die Flutlichtanlage jedenfalls hat
00:35:37: 600.000 D-Mark gekostet, haben wir gerade gehört und die wurde
00:35:40: dann anlässlich eines Punktspiels gegen den VfL Bochum im Februar 1989 offiziell
00:35:46: eingeweiht, wohlgemerkt eingeweiht, aber noch nicht eingeschaltet,
00:35:50: weil war ein Nachmittagsspiel. Das erste Abendspiel mit Flutlicht fand
00:35:54: dann am Millerntor erst am 7. April 1989 gegen Bayer Leverkusen statt,
00:35:58: das war ein Freitagabend.
00:36:00: Freitagabend, Flutlichtspiel, Millerntor, Heimsieg, Fußballherz, was willst du mehr?
00:36:06: Es ist so. Sicherlich kein Finanzskandal. Der kam dann leider trotzdem.
00:36:10: Leider sorgte die Flutlichtanlage dann rund zehn Jahre nach ihrer Einweihung für
00:36:15: Negativschlagzeilen, Vereinspräsident Heinz Weisener wurden im
00:36:19: Zusammenhang mit dem in der Tat etwas merkwürdigen Geflecht aus Kauf,
00:36:23: Verkauf und Leasingverträgen
00:36:25: für Flutlichtanlage und Gegengeraden-Tribüne auf der Jahreshauptversammlung im
00:36:29: November 1999 Bilanzfälschung beziehungsweise Bilanzierungsfehler
00:36:33: vorgeworfen. Die Mitgliederversammlung verweigerte
00:36:36: daraufhin dem Präsidium die Entlastung.
00:36:39: Ein später eingeholtes Gutachten attestierte zwar dem Verein erhebliche
00:36:43: finanzielle Einbußen durch die Weisener- Transaktionen und sprach auch von
00:36:47: Bilanzfehlern, doch vorsätzliche Bilanzfälschung konnte
00:36:51: nicht festgestellt werden. Dazu noch mal Campe: "Zu meiner Zeit ganz
00:36:54: klar, Leasinggeschäft ist in den Aufwand gebucht
00:36:57: worden und nicht bilanziert oder aktiviert wie man sagt,
00:37:00: definitiv nicht, also da mache ich mich jetzt mal
00:37:04: gerade. Dass die dann übernommen wurde vom Verein,
00:37:08: das wusste ich auch, weil das hat eine begrenzte Laufzeit,
00:37:11: so ein Leasinggeschäft und über diese Leasinggebühr kann man ja amortisieren,
00:37:16: einen Teil amortisieren, das heißt, man zahlt die auch ab,
00:37:20: man zahlt nicht nur die Leihgebühr oder den Zins, aber das ist eine Geschichte,
00:37:25: da kann ich nichts weiter dazu sagen, es ist halt nur so,
00:37:29: dass wir die damals nicht bezahlen konnten, das ein Betrag war,
00:37:34: der von den Banken auch überhaupt nicht finanziert worden wäre,
00:37:38: und dass das halt ein privater Leasing- Unternehmer auf seine Kappe genommen hat
00:37:43: mit der persönlichen Bürgschaft von Herrn Weisener,
00:37:46: der über eine glänzende Bonität und Auskünfte verfügte."
00:37:50: Nach dem Motto glänzende Bilanzen, ja, und jetzt haben wir natürlich den Bock
00:37:55: so ein bisschen von hinten aufgezäumt, aber...
00:38:00: Wie sagt man? Vielleicht auch zum Gärtner gemacht haben,
00:38:03: den Gärtner zäumen wir auch gerne auf. Wir haben irgendwas von hinten aufgezäumt,
00:38:08: wie heißt denn das richtig? Pferd glaube ich schon. Pferd, das klingt ja komisch.
00:38:12: Gaul aufzäumen, naja, Ihr wisst was ich meine. Also die Frage
00:38:16: die sich jetzt natürlich stellt im Anschluss an diesen Vortrag über
00:38:20: Flutlicht ist, was hat das mit dem Museum zu tun und
00:38:23: welche Teile dieser Flutlichtanlage befinden sich denn bei uns in der
00:38:27: Ausstellung?
00:38:29: Gute Frage, war das jetzt auch eine Quizfrage? Ja,
00:38:31: jeder von Euch sagt jetzt einen Teil der Flutlichtanlage,
00:38:35: der sich heute im FC St. Pauli-Museum befindet.
00:38:37: Auf jeden Fall gegenüber von der Anzeigetafel, die schon erwähnt wurde,
00:38:41: hängt eben an der Wand des Millerntorstadions ein Stück Flutlicht-
00:38:45: Scheinwerfer, ich weiß nicht genau, wie viele Einzel-
00:38:49: Scheinwerfer. Vier sind das. Ja, jedenfalls, die haben weiland dann also solche
00:38:53: Highlights wie
00:38:55: vielleicht die Pokalspiele, Halbfinale oder so weiter
00:38:58: bestrahlt. Jetzt hängen sie bei uns, aber das ist ja nicht das einzige an
00:39:03: Flutlicht, was wir haben. Ja, also auf jeden Fall haben wir, das sehen
00:39:07: die wenigsten wahrscheinlich, wir haben es aber mittlerweile auch
00:39:11: beschriftet, nämlich der Tresen vorne im Foyer,
00:39:13: die vier Ecken des Tresens.
00:39:15: Die haben jeweils einen Teil eines Flutlichtmastes in sich, also Beton.
00:39:20: Wenn man da genau hinguckt, das ist Beton und alle vier Ecken bestehen
00:39:24: aus Teilen eines alten Flutlichtmastes. Und dann, zwar nicht ganz
00:39:29: im Museum, aber trotzdem natürlich gern gesehenes,
00:39:32: genommenes Element einer Stadionführung ist das zwischen Nord und Gegengerade auf
00:39:37: dem Platz ein Stück Flutlichtmast übrig geblieben ist. An dem ehemaligen Standort.
00:39:43: Es ist nicht das Fundament, sondern ein Stück oben vom Mast.
00:39:48: Und dieses ist übrig geblieben von dem letzten Spiel am Millerntor mit Flutlicht.
00:39:54: Das war gegen? Müsste das Pokalspiel gegen Dortmund,
00:39:59: weil danach wurde dann ja die Nord umgebaut, nein, dann weiß ich es nicht.
00:40:05: Es war eine
00:40:06: 3:1-Heimniederlage gegen den 1. FC Heidenheim. Ja, das ist doch ein gelungener Abschluss.
00:40:11: Zweite Liga, was willst du mehr? Ja, das war jetzt natürlich die
00:40:16: Bonusantwort, aber wir haben tatsächlich auch noch ein
00:40:19: drittes Exponat im Museum mit Flutlichtbezug. Es gibt einen Tisch,
00:40:23: der doch aus einem Stück Flutlicht gemacht wurde, genau, genau,
00:40:27: es gibt einen Stehtisch, der aus einem Strahler der
00:40:30: Flutlichtanlage besteht. Genau, da liegt das Gästebuch der
00:40:34: Ausstellung drauf, genau.
00:40:36: Also wer sich da schon mal eingetragen hat, hat es vielleicht nicht gesehen,
00:40:40: aber es wurde auf einem Flutlichtstrahler geschrieben sozusagen.
00:40:44: Und wenn Ihr Euch jetzt fragt, warum ich mir die Flutlichtanlage
00:40:47: ausgesucht habe und warum mir dieses Exponat so viel bedeutet,
00:40:51: dann muss ich Euch ganz ehrlich sagen, ich habe die Aufgabenstellung glaube ich
00:40:55: nicht richtig verstanden. Ich dachte eigentlich... Flutlicht ist Dir
00:40:58: vollkommen egal? Schocker. Ich dachte ich soll einfach über
00:41:01: irgendein Exponat aus der Ausstellung sprechen und
00:41:05: hab dann festgestellt, ich hab Lust über Flutlicht zu sprechen. Ist doch schön.
00:41:08: Das erklärt sich eigentlich von selber, das ist ja ganz schön,
00:41:11: du hättest gar nicht groß erklären müssen, Flutlicht finden eigentlich alle toll,
00:41:15: Flutlicht ist doch super. Also ich erinnere mich noch,
00:41:17: ich erinnere mich noch lebhaft komplett verschwommen an meine jungen
00:41:21: Regionalliga Nord-Zeiten, als der Verein aus Kostengründen immer dafür gesorgt hat,
00:41:24: dass nur ein Viertel des Flutlichts an ist
00:41:26: kurz vor Anpfiff und dann mit Glück zum Anpfiff die Hälfte des Flutlichts.
00:41:31: Die ja auch die ikonische Zahnbürstenoptik hatten. Ja,
00:41:34: Flutlicht ist teuer, deswegen hat Concordia auch keins mehr,
00:41:38: ich glaube 2009 wurde das wegen nicht mehr Finanzierbarkeit eingestellt.
00:41:43: Ich sag mal, auch im Amateurfußball sind Abendspiele
00:41:46: auch eher selten. Aber jetzt schnell weiter losen, damit
00:41:50: Christopher seinen Friseurtermin schafft. Genau, ich lose und
00:41:55: ich ziehe Christoph.
00:41:58: Na gut, dann also ich habe meinen Friseurbesuch
00:42:01: zum Glück vor kurzem schon hinter mir. Meine Story des heutigen Tages heißt
00:42:06: "Gestohlenes Glück oder eigentlich war Klinsi Schuld",
00:42:09: denn ein Aspekt, bei dem das FC St. Pauli-Museum im Vergleich mit
00:42:14: Institutionen wie dem British Museum in London immer wieder ausgesprochen positiv
00:42:19: abschneidet, das ist der Umgang mit Raubkunst.
00:42:23: Stücke unklarer Provenienz, schamlos gestohlene Schätze aus der
00:42:26: Kolonialzeit. Nicht mit uns, aber wie das immer so ist,
00:42:29: Ausnahmen bestätigen die Regel und so ist mein heutiges Podcast-
00:42:33: Lieblingsausstellungsstück tatsächlich Diebesgut, und zwar glasklar.
00:42:37: Während es zur sagenumwobenen Totenkopffahne Doc Mabuses auch von ihm
00:42:41: selbst variierende Auskünfte zwischen auf dem Dom gekauft und auf dem Dom gezockt
00:42:46: gibt, scheidet ein Kauf bei meinem
00:42:48: Ausstellungsstück aus, weil es sowas gar nicht zu kaufen gibt.
00:42:52: Seine Geschichte beginnt auf jeden Fall vor seiner eigentlichen Geschichte.
00:42:57: So viel Zeit muss sein. Aus meiner Sicht beginnt die
00:43:00: Vorgeschichte meines Ausstellungsstücks in den frühen Achtzigern und klingt
00:43:04: ungefähr so: "Aus dem Studio 4 des Hessischen Rundfunks überträgt nun das
00:43:08: Deutsche Fernsehen die öffentliche Ziehung der Gewinnzahlen im deutschen
00:43:12: Lottoblock für die 21. Ausspielung. Der Aufsichtsbeamte hat sich vor dieser
00:43:16: Sendung von dem ordnungsgemäßen Zustand des Ziehungsgerätes und der 49 Kugeln
00:43:21: überzeugt.
00:43:47: Neun." Und ja, diese Musik muss man auch etwas hören,
00:43:49: weil sie so toll ist und Ihr werdet Euch
00:43:52: sicherlich dazu bewegt haben. Das ist also eine ganz natürliche
00:43:55: Reaktion, so viel Groove hat sonst übrigens
00:43:58: höchstens der Deutschlandfunk in seinen Zwischenmusiken,
00:44:01: die ich übrigens auch sehr empfehlen kann. Ja absolut genau, hier blieb also wirklich
00:44:05: kein Bein unbewegt und kein Arm.
00:44:08: Neun. Ja, vielen Dank an Karin Tietze-Ludwig, Das war, Ihr habt es sicher erkannt,
00:44:13: die Ziehung der Lottozahlen im ersten Programm, 28. Mai 1983. Hier war schon alles
00:44:18: präsent, was eine gute Auslosung ausmacht. Bombenmusik, notarielle Aufsicht,
00:44:23: jede Menge Zufall und natürlich Lottokugeln.
00:44:27: Ehe Kenner des Schweizer
00:44:31: Zahlenlottos einen Shitstorm lostreten. Im SRF gab es solche öffentlichen
00:44:35: Ziehungen schon im Januar 1970.
00:44:38: Mit dem FC St. Pauli haben solche Ziehungen natürlich
00:44:41: erstmal wenig zu tun. Erstmal. Er holt sich seinen Zufall bekanntlich
00:44:45: beim Fußballgott, manchmal auch miesen Schiedsrichtern. Und
00:44:49: die einzige Fußballveranstaltung, wo Auslosungen mal wirklich eine Rolle
00:44:53: spielen, die hat das Fachmagazin "Der Übersteiger"
00:44:56: einmal in einem Tweet, als das noch so hieß, wie folgt,
00:44:59: beschrieben: "DFB-Pokal ist für den geneigten St.
00:45:02: Pauli-Fan ja immer die Veranstaltung von Juli bis August."
00:45:07: Ja, ich glaube, der diensthabende schlagfertige
00:45:10: Twitterer ist inzwischen ein Podcaster, aber auf jeden Fall,
00:45:13: die Aussage stimmt fast immer, aber wie wir wissen nur fast.
00:45:17: Denn da gab es doch auch dieses Jahr, wo sich der Mannschaftskapitän des FC St.
00:45:22: Pauli in der zweiten DFB-Pokalrunde zusammen mit Wolf Schmidt ans Mikrofon
00:45:26: des AFM-Radios setzte.
00:45:29: "So, voll kalt erwischt. Wir haben bis eben noch gefummelt,
00:45:32: sind auch jetzt startklar. Ich geb Dir einfach mal ein Mikro. Fabio,
00:45:36: moin, schön, dass Du da bist. Kannst auch gleich irgendwie,
00:45:40: hau gleich rein." Richtig, das war 2005, Fabio Morena war gerade
00:45:43: verletzt, Thomas Meggle übrigens auch, der FC St.
00:45:46: Pauli war Drittligist. Im Pokal hatte er sich mit Ach und Krach
00:45:50: und 3:2 in der vorletzten Verlängerungsminute gegen
00:45:53: Wacker Burghausen durchgesetzt.
00:45:55: Das sollte, so die landläufige Meinung, den Vorrat an Wundern wohl schon
00:46:00: aufgebraucht haben, zumal mit dem VfL Bochum jetzt in
00:46:03: Pokalrunde Zwei der seit zig Spielen ungeschlagene
00:46:06: Spitzenreiter der 2. Bundesliga ans Millerntor kam.
00:46:09: Fabio Morena war trotzdem optimistisch: "Heute kann es im Endeffekt nur
00:46:14: einen Sieger geben, und das sind wir. Alles andere wäre sowieso keine
00:46:18: Überraschung und deshalb
00:46:20: glaube ich, dass wir, sag ich mal, die Vorteile bei uns liegen.
00:46:23: Also wie gesagt, heute geht es gegen den ungeschlagenen
00:46:26: Tabellenführer der Zweiten Liga und Rein van Duijnhoven hat glaube ich auch schon
00:46:30: einige Zeit kein Tor mehr gekriegt, aber sein Vorname sollte heute Programm
00:46:34: sein, der schreibt sich nämlich tatsächlich
00:46:36: r-e-i-n, also rein.
00:46:38: Herr van Duijnhoven, da muss jetzt einer rein."
00:46:41: Freund*innen des gepflegten Wortspiels freuen sich. Rein genau und ja irgendwie
00:46:46: mehr oder weniger war das dann auch gar nicht so falsch geraten,
00:46:50: denn dann passierte schon ziemlich früh das folgende: "Also so wie ich das sehe,
00:46:55: spielen wir mit der Viererkette von rechts Florian Lechner, Ralph Gunesch,
00:46:59: Robert Palikuca... Toooor!"
00:47:08: Genau, Minute 6 gegen den VfL Bochum, das 1:0 durch Michel Mazingu-Dinzey
00:47:13: vielleicht der Moment, wo das Bokalwunder erst so richtig begann,
00:47:17: denn das Ach und Krach gegen Burghausen sag ich mal,
00:47:20: fiel noch nicht ganz so unter Wunder. Was ich schön fände,
00:47:24: wenn als kleiner Wettbewerb, falls irgendeine Hörer*in
00:47:28: uns transkribieren kann, was Wolf kurz vor Tor, Tor, Tor, Tor,
00:47:31: Tor gesagt hat. Ich hab wirklich, ich hab es mir mehrmals
00:47:34: angehört, ich weiß es immer noch nicht was er da
00:47:37: gesagt hat. Wahrscheinlich wüsst er das selber nicht mehr.
00:47:39: Auf jeden Fall merkt man auch an der Reaktion, das Tor kam jetzt nicht so ganz
00:47:43: erwartet.
00:47:45: Ja, aber es ging ähnlich gut weiter. Wobei die Frage, fing das Pokalwunder als
00:47:51: Wunder mit diesem Tor an oder vielleicht doch erst eine Stunde später,
00:47:56: als es dann so klang: "Der Ball am 16er-Eck, quer auf
00:48:02: Brückner. Brückner, die Bochumer verschieben sich jetzt
00:48:06: schnell, Schuss aus der zweiten Reihe und Tor, Tor, Tor, Tor.
00:48:11: Lechner, Tor, Tor, Tor, Tor,
00:48:14: Lechner. Ich seh Spieler, ich seh Spieler, ich seh Spieler Hechtsprünge machen, drei
00:48:21: Meter durch die Luft wie beim Bodenturnen ohne Matte. Lechner aus 28 Metern haut das
00:48:28: Ding zum 3:0 von der halbrechten Seite 28 Meter Torentfernung mit rechts
00:48:35: einfach in die Maschen. 3:0."
00:48:45: Reportage für die Ewigkeit vielen, vielen Dank Wolf. Ich seh Spieler. Drei Meter,
00:48:49: genau drei Meter. Inzwischen steht es tatsächlich 3:0
00:48:53: und das war ja noch nicht mal das Ende, wie wir alle wissen.
00:48:57: Das Endergebnis lautete bekanntlich 4:0 und dabei,
00:49:00: ich hatte das wirklich vergessen, konnte sich Mazingu-Dinzey sogar noch
00:49:05: einen verschossenen Elfmeter erlauben und das gegen mehr oder weniger damals den FC
00:49:10: Bayern der zweiten Liga, das war der VfL Bochum
00:49:13: im Oktober 2005 die waren wirklich absolut on Top of the Zweitliga World.
00:49:19: Nach diesem Spiel also war klar, hier war etwas ganz Besonderes am Start,
00:49:24: das dann noch viel besonderer wurde, wie wir alle wissen,
00:49:28: denn jetzt kamen ja erst die Bundesligisten,
00:49:31: das unfassbare 4:3 nach Verlängerung gegen Hertha BSC im Dezember 2005 kurz vor
00:49:36: Weihnachten und das skurril schöne Schneeflockenspiel gegen Werder Bremen im
00:49:41: Januar 2006, 3:1.
00:49:43: Der FC St. Pauli stand im Halbfinale des DFB-Pokals
00:49:47: und plötzlich begann mit dem Wundern auch das Wünschen,
00:49:51: denn die anderen drei Mannschaften, die es ins Halbfinale geschafft hatten,
00:49:56: das waren Eintracht Frankfurt, aus Bokalgründen Bankfurt getauft,
00:50:01: Arminia Bielefeld, passenderweise sowieso ein B-Team,
00:50:05: damals aber erstklassig, und genau Bayern München.
00:50:10: Karin Tietze-Ludwig war zwar nicht dabei, aber Lottokugeln, vier Stück,
00:50:14: die gab es bei der Auslosung des Halbfinales dann schon.
00:50:18: Die ganze Mannschaft war im Aktuellen Sportstudio präsent,
00:50:22: als das Schicksal seinen Lauf nahm, und das klang dann so:
00:50:26: "Vier Kugeln für das Halbfinale, da befinden sich drei Bundesligisten und St.
00:50:31: Pauli als Regionalligist dabei, St. Pauli hat auf jeden Fall Heimrecht.
00:50:39: Jetzt wird es langsam unruhig auf der Tribüne. Pauli,
00:50:42: die ganze Mannschaft und da sind wir schon. FC St. Pauli."
00:50:47: Ja, Ihr könnt diese Auslosung übrigens auch sehen in der sehr empfehlenswerten
00:50:54: NDR-Doku "FC St. Pauli - aus der Pleite ins DFB Pokal-
00:50:58: Halbfinale", die gibt es in der ARD-Mediathek und auf
00:51:02: YouTube. Macht wirklich Spaß sich das alles noch
00:51:06: mal anzugucken.
00:51:08: So jedenfalls war das bei der Auslosung ja, also St.
00:51:11: Pauli schon mal gleich als erstes gezogen und da ging es natürlich jetzt um den
00:51:16: Gegner. Timo Schultz, damals Pokalheld, später Trainer,
00:51:19: erinnert sich an seine gemischten Gefühle und tja, das hören wir uns mal an,
00:51:24: was er dann über die Ziehung so zu sagen hat und hören dann uns an,
00:51:28: wie die Ziehung dann tatsächlich selber auch klang.
00:51:31: "Du sitzt da jede Runde. Bayern, Bayern, Bayern.
00:51:34: Bayern so als Drittligist denkst du, komm, richtig geil und dann sitzt du das erste
00:51:39: Mal davor und denkst, jetzt nicht Bayern,
00:51:42: jetzt nicht Bayern, jetzt Frankfurt, Bielefeld, beide im Abstiegskampf,
00:51:46: also die waren für uns wie gemacht eigentlich und dann wären wir nach Berlin
00:51:51: gefahren, wie geil wäre das denn gewesen, also als Spieler nach Berlin auf dem Feld,
00:51:56: das wäre das i-Tüpfelchen für uns alle gewesen.
00:51:59: FC Bayern München.
00:52:07: Herr Littmann, FC Bayern, ist das ein genehmes Los?
00:52:10: Wir sind gute Freunde geworden in den letzten Jahren.
00:52:13: Würden sie noch mal drüber nachdenken, eventuell fürs Halbfinale
00:52:17: dann in die AOL-Arena umzuziehen? Nein, unter keinen Umständen,
00:52:20: wir bleiben am Millerntor." Das ist immerhin vernünftig. Genau,
00:52:23: also es war auf jeden Fall, auch das ist mit Bild dann in dem Fall
00:52:27: auch ganz interessant, weil man dann so diese,
00:52:29: diese eben so ein bisschen, wie wenn man Weihnachten was geschenkt
00:52:33: kriegt von jemandem, den man gern mag, man muss sich irgendwie
00:52:37: freuen, aber so richtig gefreut haben sie sich ja
00:52:40: alle nicht, weil natürlich die Chance, tatsächlich ins Finale zu kommen,
00:52:45: bei einem anderen Gegner mit höchster Wahrscheinlichkeit größer gewesen wäre.
00:52:50: Der Rest ist mehr oder weniger Geschichte, aber es gibt noch zwei kleine Twists.
00:52:55: Also der erste ist: Auf irgendeinem verschlungenen Weg
00:52:59: haben die Originalauslosungskugeln von 2006 ihren Weg ins FC St. Pauli-Museum
00:53:04: gefunden. Ja, absolut.
00:53:06: Und ja, Halbkugeln aus durchsichtigem
00:53:08: Plastik, Vereinswappen inklusive. Das ist mein Lieblingsausstellungsstück
00:53:12: für diese Sendung, weil einfach diese Pokalserie auch
00:53:15: wirklich zum Wunderbarsten gehört, was ich als Fan erleben durfte,
00:53:19: und ich bekenne mich dazu, nach allem, was wir wissen, es ist Diebesgut,
00:53:23: also das Fernsehen hat das, glaube ich, niemals offiziell geschenkt, ich glaube,
00:53:27: es wurde irgendwie mitgenommen. Das ist, glaube ich, die richtige Formulierung.
00:53:32: Und ihr könnt also dieses stibitzte Ausstellungsstück bestehend aus zwei
00:53:36: Halbkugeln jederzeit, also während der Museumsöffnung
00:53:38: jederzeit, in unserem wunderbaren Raum "Vom Abgrund bis zur Schale" ansehen. Naja,
00:53:42: vielleicht sind die ja auch irgendwie vom Tisch gerollt und irgendjemandem in die
00:53:46: Tasche, das kannst du ja jetzt ja nicht so.
00:53:48: Ich würde auch annehmen, dass einfach wegen der Unfallgefahr,
00:53:51: die dann natürlich bestand, dass zum Beispiel möglicherweise das
00:53:54: Teammanagement dann eingeschritten ist und gesagt hat, das geht nicht,
00:53:58: das können wir nicht mit unserem Berufsethos vereinbaren,
00:54:01: wir nehmen das jetzt mal mit.
00:54:02: Und dann konnten alle wieder safe durch das Sportstudio laufen und sich
00:54:07: freuen. Kommt denke ich hin in die Richtung.
00:54:09: Also wer Lust hat auf eine kleine Meditation, macht Spaß sich in den
00:54:14: Raum zu setzen, die Meisterschale so als ja, doch das
00:54:17: haben wir wirklich, mit dem was wäre wenn der Kugeln zu vergleichen,
00:54:21: die aber natürlich auch gleichzeitig einen Riesenerfolg bedeuten,
00:54:25: denn die Pokaleinnahmen damals, das wisst Ihr sicher alle,
00:54:28: haben eben ermöglicht das überhaupt der FC St. Pauli schuldenfrei
00:54:32: werden konnte, dass er das Stadion rekonstruieren konnte.
00:54:36: Dass er damit weiter Profifußball spielen durfte am Millerntor,
00:54:39: das war also wirklich enorm wichtig. Tja, nicht auszudenken,
00:54:43: was hätte geschehen können, wenn bei der Auslosung die Kugel einfach
00:54:47: ein paar Millimeter anders gerollt werden, tja.
00:54:50: So viel zu dem einen Twist, dass sie halt gestohlen wurden.
00:54:53: Es gab jetzt halt noch ein Sensationsspiel mehr gegen Bayern,
00:54:57: das war ja sicher und ein Bündel Hoffnungen aufs Pokalfinale in Berlin
00:55:01: weniger trotz des trotz des Weltpokalsiegerbesiegerspiels
00:55:05: von 2002, Bayern ist halt eine Klasse für sich. Im Fernsehvorbericht machte Thomas
00:55:10: Meggle noch das Beste draus und sagte, es könnte sein,
00:55:13: dass Bayern uns eine Chance gibt, da müssen wir sie aber auch erst mal
00:55:17: selbst verwerten.
00:55:19: Womit aber niemand gerechnet hatte und
00:55:23: was ich selbst auch vergessen hatte und erst bei der Vorbereitung für diese Folge
00:55:27: wiederentdeckt hatte. Das war eine extra Motivationsmaßnahme
00:55:31: des damaligen Bundestrainers für den Gegner des FC St. Pauli,
00:55:34: der Bundestrainer hieß 2006 bekanntlich Jürgen Klinsmann und hatte, sagen wir mal,
00:55:39: mit einigen geschickten Maßnahmen für ein gehöriges Reizklima unter seinen beiden
00:55:44: Top-Keepern gesorgt, und das waren damals,
00:55:47: Thomas? Jens Lehmann und Oliver Kahn. Richtig nett.
00:55:50: Mad Jens Lehmann. Das war also das damals heißeste Duell überhaupt im Sport,
00:55:54: würde ich fast vermuten, es gibt einen schönen Text zum Thema von
00:55:58: Ben Redelings über diese Phase,
00:56:01: den lese ich mal kurz vor: "Als es schließlich endgültig in die
00:56:05: finale Phase vor der Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land ging,
00:56:08: wurde der Ton zwischen diesen beiden rauer.
00:56:11: Bis es Anfang Februar endgültig eskalierte.
00:56:14: Vorgelegt hatte dabei Oliver Kahn, als er auf die Feststellung einiger
00:56:18: Experten, Lehmann sei vielleicht der bessere
00:56:20: Fußballer von den beiden, mit blank gezogenem Visier
00:56:23: gekontert hatte. "Naja, es gibt auch Leute, die sagen, es gäbe Außerirdische".
00:56:28: Das wiederum ließ Jens Lehmann nicht auf sich sitzen.
00:56:31: In einem großen Interview mit einem Sportmagazin im Februar vor also langer
00:56:35: Zeit damals also eben, äußerte er sich zuerst allgemein sehr
00:56:38: optimistisch, dass er es sein würde, der beim Eröffnungsspiel im Sommer der WM
00:56:42: in München im deutschen Kasten stehen würde,
00:56:45: um dann noch mit einer eindeutigen Spitze in Richtung Kahn den Satz zu platzieren
00:56:49: "Ja, ich weiß nur, dass ich als Torhüter einen linken und
00:56:52: einen rechten Fuß haben sollte, um meinen Verteidigern die Möglichkeit zu
00:56:56: geben, mir ihren Drucksituationen den Ball
00:56:58: zurückzuspielen."
00:57:00: So also Jens an Olli Kahn, wie gesagt, Reizklima noch dazu dadurch angefacht,
00:57:04: dass die deutsche Nationalmannschaft mit Lehmann im Testspiel gegen Italien 1:4
00:57:10: verlor, mit Kahn gegen die USA aber ich glaube auch 4:1 gewann. Ja USA
00:57:14: Italien Vergleichbarkeit. Also auf jeden Fall war es aber wohl so,
00:57:19: dass der Bundestrainer einen Plan hatte, das Leben aber nicht ganz den Plan
00:57:23: konform sich verhielt und so
00:57:26: kam es dann Anfang April zu einer Szene, die ein Boulevardblatt mit der zeitlos
00:57:31: schönen Schlagzeile betitelte, "Klinsi Killt King Kahn" und auch wenn man
00:57:35: aus solchen Zeitungen normalerweise nicht vorliest,
00:57:38: das war schon eine ziemlich schöne Sache, auch textlich gute Schlagzeile also,
00:57:43: es stand da ungefähr das: "Oliver Kahn (36) hat mit Vogts,
00:57:47: Ribbeck und Völler drei Bundestrainer als Nummer 1 der Nationalelf überlebt,
00:57:51: Klinsi nicht.
00:57:53: Jürgen Klinsmann (41) rief Kahn Freitag Vormittag aus dem Hotel
00:57:57: Dorint Sofitel am Münchner Hauptbahnhof an. Komm doch bitte mal vorbei,
00:58:01: wir müssen mal was besprechen. Der Tag der Entscheidung war gekommen. In
00:58:05: einem angemieteten Konferenzraum des Hotels saß Kahn (Jeans, grauer Pullover),
00:58:10: dem DFB-Trainerteam mit Klinsi..." Danke für die Info. Absolut wichtig,
00:58:14: immer die wichtigen Details nennen. "Er saß also Klinsi,
00:58:17: Assistent Löw und Torwarttrainer Köpke gegenüber.
00:58:21: Klinsi rückte direkt damit heraus. Jens Lehmann wird bei der WM die Nummer 1.
00:58:26: Kahn total geschockt, obwohl er versuchte, sich wenig anmerken zu lassen,
00:58:31: ein Teilnehmer: mit Stühlen hat er nicht geworfen."
00:58:34: Ansonsten kann man übrigens tatsächlich in Kahns Biografie
00:58:38: nachlesen, was er fühlte, wie er da mit dem Auto zu diesem Treffen
00:58:41: fuhr. Wie hieß noch mal die Biografie von
00:58:45: Oliver Kahn, ich? Ich glaube die hieß "Ich", also irgendwie sowas in der Art und also
00:58:49: wirklich Freunde unfreiwilliger Komik, Freund*innen, lest Euch das durch,
00:58:52: dass wenn Ihr mal irgendwie Zeit zu verschwenden habt, die Leseprobe gibt es
00:58:56: sogar kostenlos glaube ich bei manchen Online-Buchhändlern.
00:59:00: Das ist schon sehr so lustig das denn, beste Stelle,
00:59:03: ich hätt sie auch nicht umsonst weggegeben, Oliver natürlich total locker,
00:59:07: auch schon auf dem Weg dahin kann man sich denken,
00:59:09: also dieser Artikel der datiert vom April 2006, der 8.
00:59:12: April genau, und dass Oliver Kahn nach dieser Schmach nicht direkt mit dem
00:59:16: Goalkeeping aufhörte, das haben wir dem Vernehmen nach wohl
00:59:19: seinem langjährigen Torwarttrainer Sepp Maier zu verdanken und eine SMS von Maier
00:59:24: mit dem Inhalt "Du kannst dir doch nicht von diesem schwäbischen Dingsbums
00:59:28: da deine 12 Jahre als Weltklasse-
00:59:30: Torhüter kaputt machen lassen," das hat dann wohl gewirkt.
00:59:33: Oliver Kahn machte weiter bei Bayern und in der Nationalelf, auch hinter Jens
00:59:38: Lehmann, das gab er dann zwei Tage später, also 10. April 2006 bekannt,
00:59:43: und was war das nächste Spiel, Kahns nächste Bewährungsprobe,
00:59:47: was war die Chance es nach dieser Demütigung durch Killer Klinsi allen,
00:59:52: aber auch allen zu zeigen?
00:59:54: Richtig, das DFB Pokal-Halbfinale am Millerntor am
00:59:57: 12. April 2006, ausgelost mit Hilfe unseres Ausstellungsstücks des
01:00:01: Tages. Hype, wie immer man es nennen will,
01:00:04: die Welle der Erwartung war auf jeden Fall vor diesem Spiel enorm.
01:00:08: Also erinnern sich sicherlich sehr viel dran,
01:00:11: selbst bei Erstliga-Derbys war das Millerntor nicht ausverkaufter, ein großes
01:00:16: Public Viewing am Fischmarkt sollte alle trösten die keine Karte bekommen
01:00:20: konnten. Bayern- und St. Pauli- Fans glühten schon mal vor.
01:00:25: "Also ich möchte, dass es ein geiles Spiel wird,
01:00:28: aber wir werden gewinnen. Es sind zwei Kultvereine, St. Pauli,
01:00:33: Bayer und das ist das geilste, feiern ohne Ende."
01:00:37: Jo. Genau, ihr demonstriert Verbrüderung. Bayern,
01:00:40: dieser berühmt berüchtigte Kultverein. Richtig,
01:00:44: da waren auf jeden Fall Fans mit verschiedenen Schals bei dieser
01:00:49: Veranstaltung.
01:00:50: Am Millerntor, werden sich auch wieder erinnern,
01:00:53: ging es dann natürlich auch zur Sache mit Pyro,
01:00:56: Leidenschaft und auf Bayern Seite Olli Kahn. Es hat dann auch so seinen Grund,
01:01:00: dass der Fernsehnachbericht voll auf Kahn fokussierte: "Wer hätte gedacht,
01:01:04: dass die Bayern bei St. Pauli allein dank Olli Kahn ins Finale
01:01:07: einziehen würden. Zwei Tage nach seiner WM-Entscheidung zeigte
01:01:11: der zuletzt schwächelnde wieder sein altes, kämpferisches Gesicht.
01:01:15: Allein ihm verdanken die Bayern gegen den besseren Drittligisten die
01:01:19: Endspielteilnahme. Kahn ist offenbar wieder der Alte,
01:01:22: seit die Zentnerlast WM ihm vom Herzen gefallen ist."
01:01:25: Danke auch. Genau, keine Podcast-Folge ohne riesen Enthüllung,
01:01:28: da habt ihr es, Klinsi war es.
01:01:31: Der hat den Kahn also aus dem Zombieland wieder zurückgeholt ins Land der Lebenden
01:01:36: und ja, St. Pauli hatte Chance um Chance,
01:01:38: Olli Kahn hielt und hielt und durch den ein oder anderen geschickten Konter
01:01:42: konnten die Bayern drei Tore selbst schießen. Ja, vielen Dank für die extra Motivation,
01:01:46: Jürgen.
01:01:47: Was wäre wenn, was hätte sein können? Könnten wir heute vielleicht einen DFB-
01:01:51: Pokal neben der Zweitligameisterschale ausstellen,
01:01:54: ohne diese Maßnahme von Klinsmann? Ich denke mit an Sicherheit grenzender
01:01:58: Wahrscheinlichkeit ja. Der Rest ist träumen, wir alle wissen, St.
01:02:02: Pauli gewann das Spiel, doch das Endergebnis lautete 0:3. Wie gut
01:02:06: St. Pauli war, das sagt uns zum Schluss am besten der
01:02:09: Torwart-Titan selbst: "Riesen Kompliment was die hier aufgezogen
01:02:12: haben, wie die hier gefightet haben, wie die um ihr
01:02:15: Leben gerannt sind.
01:02:17: Also ich muss lang zurückdenken, wenn ich an diese 20 Minuten nach der
01:02:21: Halbzeit denke, was die da für einen Druck entwickelt
01:02:24: haben." Ja, Kahn auch, wie man merkt, wieder ganz in sich ruhend und
01:02:28: wiederhergestellt, also gern geschehen Olli mehr oder
01:02:31: weniger oder vielleicht auch nicht, aber weißt du was, Olli,
01:02:34: du hättest es aber auch einfach ein bisschen ruhiger angehen lassen können.
01:02:38: Tja, das war die Geschichte von meinem
01:02:40: Lieblingsausstellungsstück, bestehend aus zwei wertlosen Plastikkugeln.
01:02:45: Und die auch noch geklaut sind. Aber hübsch,
01:02:48: mittlerweile hübsch drapiert in einer beleuchteten kleinen Vitrine in der Wand,
01:02:53: sehr hübsch dargeboten. Absolut, also das adelt das Ganze enorm,
01:02:57: gefällt mir auch sehr, also tatsächlich auch nicht nur ein
01:03:00: Lieblingsausstellungsstück, sondern auch eine Lieblingsstelle,
01:03:04: da bin ich wirklich immer sehr gerne und freue mich. Ja, ihr wisst ja,
01:03:09: was man sagt, Flutlichtanlage 600.000 D-Mark,
01:03:11: Plastikkugeln unbezahlbar. Das ist so der
01:03:15: ganz bekannte Spruch. Ich hätte hier noch ein Los,
01:03:19: da steht überraschenderweise Christopher drauf. Ja,
01:03:22: insofern, ich nenne also diese Geschichte hier "Bis zu seinem freiwilligen
01:03:27: Ausscheiden oder die Ahnengalerie". Ein sehr neues Ausstellungsstück. Genau, im FC
01:03:32: St. Pauli-Museum gibt es nun seit einiger
01:03:35: Zeit von uns einen neuen Raum, der nennt sich "Aufbruch und Widerstand".
01:03:41: Es geht um Fanproteste, um Stadionumbenennung,
01:03:43: um den Beginn von Fanstrukturen innerhalb des Vereins und um windige Präsidenten
01:03:48: des FC St. Pauli. Und dort, in dem Raum gegenüber des Nachbaus des
01:03:52: alten Fanladens, haben wir auch erstmals eine Ahnengalerie
01:03:56: aufgebaut. Wir denken ja auch mal klassisch bei uns
01:03:59: im Fußballmuseum, eine Galerie also, eine Galerie von Personen,
01:04:02: die für eine gewisse Zeit ab 1910 den Vorsitz des FC St.
01:04:06: Pauli beziehungsweise des Hamburg-St. Pauli Turnvereins innehatten.
01:04:10: Für jeden Vorsitzenden, bewusst nicht gegendert, ein Foto.
01:04:13: Kurze Frage dazu ist aber natürlich noch, was ist eigentlich ein Vereinspräsident?
01:04:18: Und weil wir heute so modern unterwegs sind und Celina sich schon englische
01:04:22: Berichte von 1878 vorlesen lässt von einer KI, hab ich einfach mal Chat GBT
01:04:26: gefragt, was ist denn eigentlich ein
01:04:27: Vereinspräsident?
01:04:30: "Ein Vereinspräsident ist das zentrale Mitglied des Vereinsvorstands und
01:04:34: repräsentiert den Verein nach außen. Er führt den Vorstand und ist für die
01:04:38: Koordination und Leitung der Vereinsgeschäfte verantwortlich.
01:04:41: Zusätzlich zu repräsentativen Aufgaben wie Auftritten bei Veranstaltungen und in
01:04:45: den Medien ist der Präsident auch für die Verhandlung mit externen Partnern und die
01:04:50: langfristige Planung des Vereinslebens zuständig."
01:04:54: Das klingt wie ein angenehmer Job, ja, klingt auch nach relativ wenig Aufgaben,
01:04:59: die man da hat, meistens ehrenamtlich. Wir sind ja auch ein Enthüllungspodcast,
01:05:03: und deshalb erzähle ich euch jetzt aber keine News, wenn ich sage,
01:05:07: unser aktueller Präsident heißt Oke
01:05:10: Göttlich, denn am 16. November 2014 wurde der Musikunternehmer
01:05:14: Göttlich mit 831 von 1.064 möglichen Stimmen zum Vereinspräsidenten gewählt.
01:05:19: Der FC St. Pauli befand sich zu diesem Zeitpunkt auf Platz 17 der Zweiten Liga
01:05:24: und war akut abstiegsgefährdet, zur Winterpause war man endgültig
01:05:29: Schlusslicht geworden, dies blieb auch dem neugewählten
01:05:32: Präsidenten nicht verborgen und wir hören jetzt mal einen ganz frischen
01:05:37: flotten... Das hat er nicht gewusst.
01:05:41: Also was manche Präsidenten schon laut eigener Aussage nicht gewusst haben,
01:05:45: als sie, kurz bevor sie Präsident geworden sind,
01:05:48: schon gesehen. Von daher bin ich ja schon mal froh,
01:05:51: wenn die Präsidenten wissen, auf welchem Platz wir stehen.
01:05:54: "Ich freue mich total über das Ergebnis und freue mich,
01:05:57: dass die Mitgliedschaft vom FC St. Pauli dem neuen Weg eine Chance gibt und
01:06:01: dass wir hier auf jeden Fall neue Dinge bewegen können.
01:06:05: Was sind denn die dringlichsten Sachen, die sie jetzt anpacken wollen? Na,
01:06:08: ich denke, dass jedem beim Blick auf die Tabelle
01:06:11: sehr deutlich wird, dass wir hier direkt ansetzen müssen und
01:06:14: wir auch dort direkt in die ersten Gespräche gehen und so wie ich es in
01:06:18: meiner Rede auch sagte, wir dort auf jeden Fall schon in der
01:06:21: Planungsgruppe und auch mit dem Trainer und dem Sportdirektor in Teamgesprächen
01:06:25: erstmal entwickeln, was wir in den nächsten drei bis vier Wochen
01:06:29: anschieben werden," Und Oke behielt Recht. Politiker wollte ich gerade sagen,
01:06:33: Vereinspräsidenten versprechen etwas und halten das dann auch,
01:06:37: denn die erste große Amtshandlung des neuen Präsidiums um Oke Göttlich war
01:06:42: genau drei bis vier Wochen später: Sportdirektor Rachid Azzouzi wird entlassen,
01:06:46: Cheftrainer Thomas Meggle wird dessen Nachfolger und Ewald Lienen wird Trainer
01:06:50: und Chefmotivator in einem, eine wilde Rochade,
01:06:53: die es so am Millerntor nur selten zu bestaunen gab.
01:06:58: Nach einem Krimi in Darmstadt konnte Lienen den FC St.
01:07:01: Pauli auf den rettenden 15. Rang führen und genoss im Anschluss mit Präsident Oke
01:07:07: Göttlich die Sonderzugfahrt aus Darmstadt zurück nach Hamburg.
01:07:11: Ewald Lienen rettete somit also eine komplett verkorkste Saison,
01:07:14: die unter Göttlichs Vorgänger Stefan Orth begann.
01:07:18: Stefan Orth, Inhaber der Ute Orth Bekleidungs- und
01:07:21: Technik GmbH, wiederum hatte noch zwei Monate vor seinem
01:07:24: Abgang, also im November, als er nicht mehr wiedergewählt wurde,
01:07:28: die ehrenvolle Aufgabe, die Entlassung des amtierenden
01:07:32: Cheftrainers Roland Vrabec zu verkünden. "Das Präsidium,
01:07:35: die Geschäftsführung, in Abstimmung mit dem Aufsichtsrat des FC St.
01:07:39: Pauli, haben sich nach intensiver Analyse und mehrstündiger Diskussion dazu
01:07:44: entschlossen,
01:07:46: Cheftrainer Roland Vrabec mit sofortiger Wirkung zu beurlauben. Der Auftritt der
01:07:51: Mannschaft in den letzten Spielen, ja sogar saisonübergreifend, und auch die
01:07:56: damit verbundenen Ergebnisse konnten und haben uns gar nicht mehr gefallen und so
01:08:02: mussten wir und wollten auch die Reißpläne jetzt sofort,
01:08:06: auch Anfang der Saison,
01:08:08: ziehen." Ja, also man musste dann direkt die Reißleine
01:08:12: ziehen. Stefan Orth... es konnte und hat mir gar
01:08:15: nicht gefallen. Aber in PKs mit Entlassung war Orth
01:08:19: schon geübt, denn im November 2013 musste er dann
01:08:23: wiederum folgendes verkünden und zwar: "Das Präsidium des FC St.
01:08:28: Pauli und Sportchef Rachid Azzouzi in Abstimmung mit unserem Aufsichtsrat haben
01:08:34: heute Morgen Cheftrainer Michael Frontzeck
01:08:38: mit sofortiger Wirkung beurlaubt. Wir sahen uns zu diesem drastischen Schritt
01:08:46: gezwungen, da Michael Frontzeck mit der Forderung
01:08:50: einer sofortigen Vertragsverlängerung uns so unter Druck gesetzt hat,
01:08:57: dass wir diesen Weg nicht gehen konnten und wollten. Der FC St.
01:09:04: Pauli wird sich niemals
01:09:06: einem Ultimatum oder auch einem zeitlichen Druck untersetzen.
01:09:12: Er wird immer selber das Heft des Handels in der Hand haben und deswegen mussten
01:09:19: wir leider diesen Weg gehen. Dankeschön." Stefan "knallhart" Orth also zur
01:09:25: Entlassung von Michael Frontzeck im November 2013 und Ihr wisst, Routine kommt
01:09:31: durch Wiederholung.
01:09:34: Denn bereits ein Jahr zuvor, im September 2012,
01:09:37: durfte Orth auch wieder an die Presse treten und Folgendes verkünden,
01:09:41: die Entlassung von Cheftrainer André Schubert. "Der Höhepunkt war eigentlich das
01:09:46: gestrige Spiel, wo unsere Mannschaft höchst verunsichert
01:09:50: und planlos aufgetreten ist. Das können und wollen wir uns nicht
01:09:54: weiter ansehen und mussten deswegen auch in dieser Kürze und dieser Schärfe
01:09:59: handeln. Interimsweise werden unsere Co-Trainer
01:10:02: Thomas Meggle, Timo Schultz und Matze Hain das Training und die Mannschaft leiten
01:10:08: und wir werden uns dann jetzt zeitnah auf die Suche machen,
01:10:12: einen Trainer für unseren Club, einen passenden Trainer für unseren Club
01:10:17: zu suchen und zu finden." Ja, Stefan Orth, also auf der Suche nach einem, äh, Trainer und
01:10:23: Orth holte damit aber nur das nach, was man vier Monate zuvor plante.
01:10:27: Denn im Mai 2012 sollte eigentlich bereits André Schubert unter dem
01:10:31: Präsidium Orth entlassen werden und Sportdirektor Helmut Schulte war mit der
01:10:35: Suche nach einem Nachfolger beauftragt. Diesen hatte er bereits in Marco Kurz
01:10:39: quasi stehbereit. Schubert wiederum wurde zum Präsidium zitiert,
01:10:42: zur Überraschung aller Beteiligten, vor allem von Helmut Schulte,
01:10:46: entschied sich das Präsidium spontan um, nun durfte also Schubert bleiben,
01:10:50: aber Helmut Schulte musste gehen
01:10:52: und wurde durch den bereits erwähnten Rachid Azzouzi ersetzt.
01:10:56: Fast so denkwürdig wie die Trainer- Manager-Rochade im Dezember 2014 unter
01:11:01: Neupräsident Oke Göttlich also. Orths Vorgänger übrigens war ein gewisser
01:11:06: Corny Littmann,
01:11:08: dessen Werk und Schaffen beim FC St. Pauli eher etwas für eine Spezial-
01:11:12: Doppelfolge FCSP-Geschichte(n) wäre. Zu dessen Vorgängern wiederum, Reenald Koch,
01:11:17: Heinz Weisener, Otto Paulick und Ernst Schacht haben wir
01:11:20: bereits in diversen Folgen auch drüber gesprochen,
01:11:23: hört das gerne nach und die Frage die Ihr Euch jetzt ja auch stellt,
01:11:27: denn ich kann in Eure Köpfe reingucken,
01:11:31: ist ja nicht nur, was macht eigentlich ein Vereinspräsident,
01:11:35: denn diese Frage hat uns Chat GBT erklärt, sondern auch,
01:11:38: wer war denn eigentlich der erste Präsident,
01:11:41: muss ja irgendwann mal einen ersten
01:11:46: gegeben haben. Ab jetzt nur noch Podcast mit
01:11:49: Aluhut bevor er uns überhaupt reinguckt. Genau, der erste Präsident des FC St.
01:11:54: Pauli wurde im Mai 1924 gewählt und jetzt werdet Ihr Euch fragen, was, der
01:12:00: FC St. Pauli hatte von 1910 bis 1924 keinen Präsidenten? Ja und nein,
01:12:05: aber dazu gleich mehr, nur so viel: Am 5. Mai 1924 war es soweit,
01:12:10: die Fußballabteilung des Hamburg-St. Pauli Turnvereins machte sich von seinem
01:12:15: Mutterverein, dem Hamburg-St. Pauli Turnverein,
01:12:19: unabhängig. Die Sitzung wurde im Hotel Mau am
01:12:22: Holstenwall abgehalten, ein historischer Ort
01:12:26: der Vereinsgeschichte. Und tatsächlich existiert dieses Gebäude
01:12:30: noch bis heute und ist ein fester Bestandteil unserer historischen
01:12:35: Stadtteilrundgänge. Hier jetzt ein: Jetzt auch als
01:12:38: Gruppenführung buchbar. Genau. millerntour.com, macht es,
01:12:42: es lohnt sich. Und hier mal ein kleiner Exkurs zum Hotel Mau,
01:12:47: denn es ist einer der wichtigsten
01:12:51: noch existierenden Orte außerhalb des Millerntor-Stadions,
01:12:54: die mit dem FC St. Pauli und seiner Geschichte zusammenzubringen sind.
01:12:57: Vereinsmitglied Friedrich Mau stellte dem Verein frühzeitig sein gleichnamig nach
01:13:02: ihm benanntes Hotel Mau als Stätte für Vereinsversammlungen zur Verfügung,
01:13:06: das Hotel war während des Zweiten Weltkrieges sogar kurzzeitig die
01:13:09: offizielle Anschrift des FC St. Pauli. Das Hotel Mau war für Vereine und Gruppen
01:13:14: ein beliebter Ort für Bankette, Versammlung und Tagung.
01:13:18: So beliebt, dass neben den MV des FC St. Pauli in
01:13:20: den 20er Jahren auch die Kegelabteilung des FC St. Pauli dort alle zwei Wochen
01:13:25: sich zum Stammtisch traf. Vermutlich sind sie dann auch mal auf die
01:13:28: Gruppe "Seemänner für Adolf Hitler" getroffen,
01:13:31: die dort ab 1932 regelmäßig tagte oder der NSDAP Ortsgruppe Holstentor,
01:13:35: die das Hotel Mau zu ihrem Hauptquartier machte.
01:13:39: Dass dort 1932 auch regelmäßig Wahlveranstaltungen für Hitler
01:13:43: stattfanden, kann daran gelegen haben, dass Hotelinhaber und FC St. Pauli-
01:13:47: Mitglied Friedrich Mau seit bereits 1931 NSDAP-Mitglied war.
01:13:51: Das Hotel Mau bestand auch nach dessen Tod 1937 noch bis in die 50er-Jahre.
01:13:59: Nach dem Krieg diente das Hotel teilweise als Umkleidekabine für die Spieler der
01:14:03: ersten Mannschaft des FC St. Pauli, die von dort dann durch Planten un Blomen
01:14:08: zum Millerntor gehen mussten und November 1946 fand dort auch die erste
01:14:13: Mitgliederversammlung des FC St. Pauli nach dem Zweiten Weltkrieg statt,
01:14:17: laut Vereinszeitung die größte Mitgliederversammlung,
01:14:20: die der Verein bis dato gesehen hatte. 1948 fand noch ein ganz besonderes
01:14:25: Event im Hotel Mau statt.
01:14:27: Und da könnte ja vielleicht Thomas mal aus dem "Spiegel" von 1948 berichten.
01:14:33: Das kann ich durchaus machen. Zitat: "Kriegserinnerungen und Landserjargon
01:14:38: durchzogen das Hamburger Hotel Mau während der Gründungsversammlung des
01:14:43: Verbandes ehemaliger Deutscher Kriegsteilnehmer.
01:14:48: Nach den Verbandsstatuten soll jeder frühere Angehörige des Heeres,
01:14:52: der Kriegsmarine, der Luftwaffe, der Waffen-SS,
01:14:54: des Reichsarbeitsdienstes und der Organisation Todt sich wieder mit alten
01:14:59: Kameraden zusammentun dürfen. Voraussetzung ist", immerhin,
01:15:02: "dass er keine Kriegsverbrechen begangen hat.
01:15:05: Hamburgs Kommunisten wittern eine Wiedergeburt des Stahlhelm.
01:15:09: Zitat: "Wir wollen nur den Aufbau einer kameradschaftlichen Nothilfe und
01:15:13: Verständigung mit ausländischen Kriegsteilnehmern",
01:15:16: beschwichtigt Ex-Unteroffizier Hans Wernicke.
01:15:18: Er hat zu seinem Geschäftsführerposten bei der Deutschen Partei jetzt noch einen
01:15:23: Sitz im Kriegsteilnehmergründungskomitee übernommen.
01:15:26: Oberst a.D. von Gärtner hatte den erstaunten Gründungsversammelten erklärt,
01:15:30: es sei, Zitat, "nach wie vor süß, fürs Vaterland zu sterben".
01:15:34: Nun... "Die Hamburger Militärregierung gab
01:15:37: bekannt, eine Lizenzierung des Verbandes werde
01:15:40: unter keinen Umständen erfolgen." Ja, das riecht doch nach guter deutscher
01:15:45: Aufarbeitung. Vielleicht noch ein kleiner Fun Fact.
01:15:48: Christoph, weil du ja auch das Thema Lotto erwähnt
01:15:52: hast. Kurze Preisfrage, vielleicht könnt Ihr Euch das fast schon
01:15:56: selber beantworten, am 9. Oktober 1955 passierte im Hotel Mau noch
01:16:01: etwas sehr historisches.
01:16:04: Ziehung der Lottozahlen. Die Ziehung der Lottozahlen durch Lottofee Elvira Hahn
01:16:11: im Hotel Mau am Holstenwall. Nimm das, Schweizer Fernsehen 1970. So, zurück ins
01:16:18: Hotel Mau, aber ins Jahr 1924. Am 5. Mai 1924 ergaben die Vorstandswahlen,
01:16:25: dass Henry Rehder der erste Präsident des FC St. Pauli sein sollte.
01:16:33: Henry Rehder, geboren am 6. Juli 1889 in Hamburg,
01:16:36: war einer der Pioniere des Fußballs am Millerntor. Bereits 1906
01:16:39: trat Rehder dem St. Pauli Turnverein bei,
01:16:42: er war Mitbegründer der Spiel- und Sportabteilung des Turnvereins, in
01:16:45: der sich bald die Fußballabteilung als größtes Zugpferd herausbilden sollte.
01:16:50: Rehder war Spieler der ersten Mannschaft, als man erstmals ab 1909 in Braun-Weiß
01:16:54: auflief und er war Spieler der ersten Mannschaft,
01:16:57: als man erstmals 1910 in der Liga um Punkte spielte.
01:17:00: Und mit Anfang 20 wurde er dann der Leiter des Fußballausschusses und somit
01:17:06: auch für die Aufstellung der ersten bis zur dritten Herren mitverantwortlich.
01:17:11: Die Wahl Rehders war also keine wirkliche Überraschung. Zum stellvertretenden
01:17:16: Schriftführer im Mai 1924 wurde übrigens Amandus Vierth gewählt, der Mann,
01:17:21: der die braun-weißen Vereinsfarben erfand. Sechs Jahre nach seiner Wahl
01:17:26: verließ Henry Rehder beruflich Hamburg in Richtung Berlin und ein neuer Präsident
01:17:33: musste her. Im November 1931, wurde im Hotel Mau,
01:17:37: also der Ort einer guten Präsidentenwahl, ein neuer Präsident gewählt:
01:17:43: Wilhelm Koch, die Geschichte zu Wilhelm Koch findet ihr in den Folgen 4 und Folge
01:17:49: 21.
01:17:50: Und um meine rhetorische Frage vom Beginn aufzugreifen.
01:17:54: Natürlich gab es auch einen Vereinsvorsitzenden,
01:17:57: bevor sich die Fußballer des FC St. Pauli selbstständig machten,
01:18:02: also von 1910 bis 1924, den Vorsitzenden des Hamburg St.
01:18:06: Pauli Turnvereins, zu Gründungszeiten, 1862 noch Turnvater oder Turnrat genannt,
01:18:12: wurde bald der erste Vorsitzende daraus.
01:18:15: Von 1912 bis 1920 ist dieser Vorsitzende Ludwig Nathan,
01:18:20: ein jüdischer Brauereidirektor aus Hamburg,
01:18:23: und wir haben mal seinen Urenkel Hermann Bredl gefragt,
01:18:27: dass er uns etwas über Ludwig erzählen kann.
01:18:31: "Ludwig Nathan ist in den Jahren 1850, ich glaube 53 geboren, die Familie kam aus,
01:18:37: richtig so aus Norddeutschland.
01:18:41: Und hat dann in Hamburg zusammen auch mit anderen Familien sich dann hauptsächlich
01:18:46: als Zigarrenmacher und Zigarrenfabrikanten beschäftigt.
01:18:49: Natürlich waren das wahrscheinlich keine Fabrikanten in unserer Vorstellung,
01:18:54: sondern ich nehme an, die hatten halt am Hafen Tabak gekauft
01:18:58: und haben das mit der Hand gerollt, aber was ich eben dann weiß, dass
01:19:03: Ludwig Nathan als sehr dynamischer Mann ne Chance bekommen hat mit der
01:19:07: Assimilierung, mit der Öffnung, der rechtlichen Öffnung
01:19:10: für die Juden gerade in Hamburg und Altona.
01:19:13: Dass er dann erstmal ins Finanzgewerbe eingetreten ist, wie viele eben,
01:19:18: das war die einzige Möglichkeit, überhaupt mehr zu machen
01:19:22: für sich und die Familie. Und aus dem hat er dann die Chance
01:19:26: bekommen, als Angestellter der damaligen Löwen-
01:19:29: Brauerei in Hamburg zu arbeiten als Brauereidirektor,
01:19:33: und das hat ihm natürlich die ganz große Möglichkeit gegeben,
01:19:37: dass er Teil der anerkannten Hamburger Bürgerschaft war."
01:19:41: Ja, das war also Hermann Bredl, der Urenkel von Ludwig Nathan.
01:19:45: Die Frage hier ist ja auch, gab es denn überhaupt Verbindung zwischen
01:19:49: dem ersten Vorsitzenden des Turnvereins und den so autark agierenden,
01:19:53: anarchischen Fußballern? Ja, die gab es. Während des Ersten Weltkrieges
01:19:57: zum Beispiel wurden über 70 Mitglieder der Spielabteilung eingezogen und an die
01:20:02: Front geschickt, von dort schrieben die großen Stars vom
01:20:05: Millerntor regelmäßig Feldpostbriefe, um Familie zu Hause oder Clubkameraden im
01:20:09: Feld zu grüßen.
01:20:11: Ob Mannschaftskapitän Heinrich Schwalbe, Jungstar Max Kulik,
01:20:15: der spätere Präsident Hans Friedrichsen oder Dribbelkünstler Nete Schmelzkopf. Sie
01:20:19: alle grüßten explizit immer einen Mann: Ludwig Nathan. Bereits 1907
01:20:24: ermöglichte Ludwig Nathan als Beisitzer des Vorstandes die Gründung der
01:20:28: Fußballabteilung.
01:20:30: Als Vorsitzender dann ab 1912 war er Fürsprecher,
01:20:33: um den Fußballern einen eigenen Platz am Heiligengeistfeld zu ermöglichen.
01:20:38: 1924 stemmte sich Nathan gegen die Abspaltung der Fußballer, denn er wusste,
01:20:42: der Turnverein braucht junge Menschen und junge Menschen in der Weimarer Republik
01:20:47: wollen vor allem eins, Fußball spielen. Doch noch konkreter werden die
01:20:52: Verbindungen zwischen Nathan und dem FC St. Pauli im Mai 1930.
01:20:57: Der FC St. Pauli feierte sein 20-jähriges Bestehen,
01:21:00: denn man hatte sich auf das Jahr 1910 zurückdatiert.
01:21:04: Und wie soll es anders sein, man feierte das im Hotel Mau am
01:21:08: Holstenwall in einem großen Bankett mit geladenen Ehrengästen.
01:21:12: Ehrengast war auch Ludwig Nathan. Lesen wir doch mal in der Vereinszeitung
01:21:17: des FC St. Pauli zu diesem Anlass.
01:21:20: Übrigens auch ein wunderbares Stück aus unserem Archiv,
01:21:23: das wir aus dem Nachlass des leider verstorbenen Hamburger Fußballhistorikers
01:21:28: Uwe Wetzner bekommen haben. Wir haben es also im Original auch
01:21:32: vorliegen, ich zitiere aus der Vereinszeitung: "Einen
01:21:36: Rückblick auf unsere Festwoche. Unser Jubiläum liegt hinter uns,
01:21:40: der Glanzpunkt dürfte aber der erste Abend gewesen sein,
01:21:43: zuerst der Fackelzug und das Treuegelöbnis der Jugendabteilung.
01:21:48: Dann der wirklich erhebende Festabend bei Mau.
01:21:50: Herr Ludwig Nathan überreichte uns ein prachtvolles Geschenk in Gestalt eines
01:21:54: Fußballspielers, er fand vortreffliche Worte und gedachte
01:21:57: der Zeit, als wir wilden Jungs noch die
01:21:59: Spielabteilung des St. Pauli Turnvereins waren.
01:22:03: Wir glauben aber auch, dass er jetzt innerlich mit Befriedigung
01:22:06: auf die geleistete Arbeit seiner Sprösslinge denkt,
01:22:09: die er zu dem gemacht hat, was sie heute sind, der FC St.
01:22:13: Pauli. Unsere Wurzeln lagen im St. Pauli Turnverein und viele von uns sind
01:22:17: noch heute Mitglied, Herr Direktor Nathan und der Turnverein
01:22:20: werden für den FC St. Pauli immer eine besondere Rolle spielen."
01:22:24: So schrieb also Henry Rehder in der Vereinszeitung des FC St.
01:22:28: Pauli vom Mai 1930. Ja, und wie ging es denn nach 1930 mit dem
01:22:33: Jüdischen Vorsitzenden des Hamburg-St. Pauli Turnvereins weiter?
01:22:37: Ich hatte vorhin gesagt, von 1912 bis 1920 war er erster
01:22:40: Vorsitzender, 1925 wurde er dann erneut zum
01:22:43: Vorsitzenden gewählt. Wir fragen noch mal bei seinem Urenkel
01:22:47: Hermann Bredl nach:
01:22:49: "Was ich weiß aus Erzählungen, dass sein bester Freund,
01:22:52: ein Senator aus Hamburg war, aus der Familie Stubakoff,
01:22:56: wo man auch gut verbunden war, und es gibt so ein Dicton aus der
01:23:00: Familie, dass meine Großmutter sagte, das muss also wirklich so 1932 Ende gewesen
01:23:06: sein, dass die Frau von dem damaligen Senator
01:23:09: Stubakoff so "Wir werden, Hitler wählen,
01:23:12: denn der nimmt unser Geld nicht weg."
01:23:15: Ob jetzt die Nathans selber auch Hitler gewählt haben, das weiß ich nicht,
01:23:20: aber man war sehr weit weg von seiner, von der eigenen jüdischen Tradition.
01:23:25: Man lebte auch so, dass nach dem Motto, so wollen ja alle Eltern,
01:23:30: unseren Kindern soll es besser gehen, dass Ludwig seine Kinder
01:23:35: alle hat taufen lassen." Und obwohl Ludwig Nathan laut Aussage seines Urenkels also
01:23:39: keine jüdische Identität pflegte, wurde er durch die nationalsozialistische
01:23:44: Rassenideologie als "Volljude" eingestuft und verfolgt.
01:23:47: Der Ausschluss jüdischer Sportler*innen aus ihren paritätischen Vereinen im April
01:23:52: 1933 traf somit auch Ludwig Nathan, den amtierenden ersten Vorsitzenden des
01:23:56: St. Pauli Turnvereins. Aber wie lief das genau ab?
01:24:01: Aufschluss darüber gibt ebenfalls ein Archivstück,
01:24:05: was wir zwar nicht im Original hier liegen haben, aber in einem Scan.
01:24:10: Denn am 28. Februar 2023 besuchten Celina und ich gemeinsam mit Hermann Bredl,
01:24:16: Ludwig Nathans Urenkel, die Bibliothek des Jüdischen Museums
01:24:20: Berlin, denn dort befinden sich Protokollbücher
01:24:23: des St. Pauli Turnvereins von 1924 bis 1933.
01:24:28: Wir blätterten also bis April 1933, wo in einem kurzen Vermerk steht,
01:24:33: Zitat: "Ausscheidende Juden: Ludwig Nathan, Julius Heilbut, Martin Feldt."
01:24:38: Drei jüdische Funktionäre mussten den Turnverein im April 1933 verlassen,
01:24:43: dazu noch mal Hermann:
01:24:46: "Ich kann mir so Dialoge nur vorstellen. Ludwig verstehe, wir schätzen dich,
01:24:51: aber du kannst das nicht mehr machen oder wurde es ihm auch direkt von den
01:24:56: Nazis so, sie gehen jetzt da raus, das wissen wir nicht und er macht dann
01:25:01: aber etwas so was gesichtswahrendes und was unendlich verlogenes auch im Dokument,
01:25:07: im Protokoll der Sitzung, dass er aus freien Stücken, wie es heißt,
01:25:11: zurücktritt, in einer eher sogar noch mal
01:25:14: Liebeserklärung an Deutschland so irgendwo,
01:25:17: ich habe es doch richtig gemacht und ich bin doch eigentlich auf eurer Seite,
01:25:22: das ist die Hauptnachricht und er verbringt große Anteile seiner Zeit,
01:25:27: wo auch viele Familienmitglieder dabei sind mit dem St.
01:25:31: Pauli Turnverein und dann heißt es dein Lebenswerk, wenn es Jahrzehnte sind,
01:25:36: Bau einer Turnhalle, Pflege, Entwicklung dieses Vereins
01:25:40: zu immer mehr Mitglieder.
01:25:44: Und dann heißt es Schluss aus. Brauchen wir nicht,
01:25:47: dass das alles fertig ist. Also ich glaube, dieser Bruch,
01:25:50: das kann man sich gar nicht vorstellen." Ja, was Hermann da erwähnt,
01:25:54: Ludwig Nathan schrieb also eine Art Abschiedsbrief an die Mitglieder seines
01:25:58: Vereins, in patriotisch triefendem Pathos dankt
01:26:01: er Deutschland für alles, was es, was es ist.
01:26:04: Zwei Jahre nach seinem vermeintlich, Zitat: "Freiwilligen Ausscheiden"
01:26:08: stirbt Ludwig Nathan in Hamburg. Trotz 58 Jahren Mitgliedschaft und einer goldenen
01:26:13: Ehrenmitgliedschaft findet sein Tod beim Turnverein keine Erwähnung mehr.
01:26:18: Auch beim FC St. Pauli wird Ludwig Nathan nach 1933 nie
01:26:21: wieder erwähnt und nun, 92 Jahre nach seinem Ausschluss, hängt
01:26:25: Ludwig Nathan mit Menschen wie Henry Rehder, Wilhelm Koch, Heinz Weisener,
01:26:29: Corny Littmann oder Oke Göttlich dort,
01:26:32: wo er hingehört, in der Ahnengalerie der Präsidenten und
01:26:36: ersten Vorsitzenden des FC St. Pauli von 1910. Genau richtig. Ja,
01:26:39: kommt zur Ahnengalerie, kann man nur sagen, guckt Euch das eine oder andere an,
01:26:44: vielleicht lasst Ihr uns einfach auch mal wissen, was eure Lieblingsstücke sind,
01:26:48: das wäre ja auch mal spannend. Uns bleibt glaube ich,
01:26:51: dann wie immer nichts mehr zu sagen, außer vielen Dank fürs Zuhören.
01:26:55: Wenn Euch diese Podcast-Folge gefallen hat,
01:26:58: dann lasst uns eine Bewertung auf der Plattform Eurer Wahl da, das
01:27:02: hilft uns sehr weiter und hilft uns dabei,
01:27:05: noch weitere interessierte Menschen zu erreichen. Und genau, bleibt süß,
01:27:09: aber sterbt nicht fürs Vaterland. Das möchte ich so bitte betonen.
01:27:13: Ja guter Tipp, genau Mitglied werden dürft Ihr auch bei
01:27:16: uns. Das wäre sehr süß, damit haben wir glaube ich sehr, sehr
01:27:20: viele gute Ratschläge, süßer geht's nicht. Dann noch zum Friseur, bis bald. Tschüss
01:27:25: Tschüss.
01:27:31:
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