#24 Fahr'n zu jedem Spiel, na klar: Der FC St. Pauli auswärts

Shownotes

Bemalt eure Fan-Hüte und packt die Tröten ein, in der 24. Folge von FCSP-Geschichte(n) nehmen Thomas, Christoph und Christopher euch mit auf eine akustische Sonderzugfahrt mit Halt in Hamburg, Berlin und Rostock. Christoph erklärt, wie aus Heimspielen plötzlich Auswärtsspiele wurden, Thomas erzählt von einer Tour des FC St. Pauli im Jahr 1948 und Christopher reist in die 90er-Jahre zurück um endlich die drängende Frage zu beantworten: War es Tränengas oder doch nur eine Rauchbombe?

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00:00:00: Dessen Vater in Altona ist der Friseur von Olaf Scholz. Ach ja. Ja gut.

00:00:07: Also Grüße auch nach Altona.

00:00:13:

00:00:19:

00:00:26:

00:00:33: Herzlich willkommen zur 24. Folge FCSP- Geschichte(n),

00:00:38: das n in Klammern, der offizielle Podcast des FC St.

00:00:43: Pauli-Museums. Wie ich schon sagte, Folge 24. Heute mit mir hier im Millerntor-

00:00:50: Stadion in der Gegengerade, da wo sich das Museum befindet, sind

00:00:57: einmal Thomas. Ja, guten Morgen. Und nach langer Zeit auch

00:01:00: endlich mal wieder Christoph. Ja, hallo. Und ich bin Christopher. Kurz

00:01:04: noch mal dazu. Celina ist heute nicht dabei,

00:01:06: die ist dann aber beim nächsten Mal wieder mit von der Partie hier.

00:01:10: Ihr kennt ja aber vielleicht die Spielregeln,

00:01:13: wenn nicht, dann erklär ich sie noch mal. Wir drei werden jetzt also verschiedene

00:01:17: Geschichten zu einem Überthema erzählen, was wir uns überlegt haben.

00:01:21: Und Thomas wird auch eine eigene Geschichte erzählen.

00:01:25: Normalerweise ist er ja unser Schiedsrichter,

00:01:29: aber Thomas hat natürlich auch genug selber zu erzählen,

00:01:33: dass wir ihn da in seinem Erzähldrang nicht stoppen wollen.

00:01:38: Unser Überthema heute sind Auswärtsspiele und Auswärtsspiele sind etwas,

00:01:43: wovon "11 Freunde" mal gesagt hat, es ist die Seele des Fußballs.

00:01:49: Und vielleicht nicht die Auswärtsspiele an sich, sondern natürlich die Fans.

00:01:55: Genau, und wer von Euch noch nicht bei

00:01:57: Nieselregen ein 0:4 in Darmstadt gesehen hat und "Samba

00:02:02: de Janeiro" als Tormusik gehört hat, hat also Fußball noch nie so wirklich

00:02:07: geliebt. Ich habe auch gerade gelesen, in der Auswärtsfahrer*innenstatistik der

00:02:12: Bundesliga-Saison 2024/25 ist der FC St. Pauli auf Platz 6 mit durchschnittlich

00:02:18: etwa

00:02:19: 4.500 Auswärtsfans, also sehr stabil. Ja, wir haben uns auf jeden Fall heute

00:02:24: überlegt, mal über dieses Thema zu sprechen,

00:02:27: über Auswärtsspiele, und das kann natürlich in allen möglichen

00:02:31: Formen und Farben jetzt hier dargelegt werden. Thomas,

00:02:35: möchtest Du vielleicht einfach

00:02:38: direkt starten mit einem Los. Ja, wir haben einfach mal,

00:02:40: wir dachten, wir losen mal wieder aus, haben wir glaube ich auch länger nicht

00:02:44: mehr gemacht, weil es ja auch ein paar andere Formate

00:02:47: zwischendurch gab hier mit Gästen und so, aber wir losen jetzt einfach mal, wer

00:02:51: anfängt mit seiner Geschichte. Dazu habe ich dann die alten Lose

00:02:54: tatsächlich wiedergefunden und habe als erstes Christoph.

00:02:59: Zeige ich einmal in die Runde damit alle sehen, dass es richtig ist. Ja, ja,

00:03:02: und zwar fange ich dann schon mal gleich damit an,

00:03:05: dass ich die Regeln ein bisschen ausdehne, wenn schon, denn schon.

00:03:09: Weil ich möchte nämlich ein Stück weit auch über Heimspiele sprechen,

00:03:12: weil ich das Thema einfach interessant finde.

00:03:15: Mein Thema lautet "Home away from Home, die Auswärts-Heimspiele des FC St.

00:03:19: Pauli" und damit möchte ich halt über ein Phänomen sprechen,

00:03:22: das zum Glück ja selten geworden ist. Das

00:03:24: Auswärts-Heimspiel-Phänomen, also Heimspiele,

00:03:27: die aus welchen Gründen auch immer, nicht am Millerntor ausgetragen werden,

00:03:32: sondern eben anderswo und vor der Stadionrekonstruktion war das durchaus

00:03:36: gang und gäbe. Gibt ja noch ein anderes Stadion mit mehr

00:03:40: Plätzen mehr oder weniger in der Stadt Hamburg. Gibt ja auch noch andere,

00:03:44: zum Beispiel das Hoheluftstadion des SC Victoria.

00:03:48: Dahin zog der FC St. Pauli bei seinem mit Abstand längsten Auswärts-

00:03:52: heimgastspiel ab Juni 1962. Grund, wie viele Hörerinnen und Hörer

00:03:56: wahrscheinlich wissen, die fehlende Drainage im Untergrund des

00:04:00: Stadionschmuckkästchens, das die Stadt Hamburg dem FC St. Pauli

00:04:04: gebaut hatte, damit er Platz macht für die

00:04:06: internationale Gartenbauausstellung.

00:04:09: Nach einigen Schlammschlachten am verwüsteten Millerntor hieß es dann aber

00:04:14: Umzug und halt Drainagennachbau. Und das ausgerechnet in einer Zeit,

00:04:18: in der es um die begehrten Startplätze in der Bundesliga ging,

00:04:22: weil die ja 1963 an den Start ging.

00:04:25: Tja, am Ende der Saison 1962/63 voller

00:04:27: Auswärts-Heimspiele hatte der FC St. Pauli ganze 48 Tore erzielt,

00:04:31: das waren 24 weniger als in der Schlammsaison am drainagefreien

00:04:35: Millerntor, finde ich schon ziemlich interessant.

00:04:38: Wenn man Bilder aus der Zeit sieht, die sind da wirklich durch Schlamm

00:04:42: gewatet in der zweiten Saisonhälfte und haben trotzdem besser gespielt als im

00:04:47: Hoheluftstadion. Das sah wirklich sehr verwüstet aus zum

00:04:50: Teil, also man war da wirklich erstaunt,

00:04:53: dass da überhaupt angepfiffen wurde

00:04:55: zum Teil. Ja, also würde heute vermutlich nicht mehr,

00:04:58: außer wenn Werder Bremen da ist. Das bedeutete jedenfalls insgesamt eben

00:05:02: nur Tabellenplatz 6 und das war dann ein Argument mehr für den DFB,

00:05:05: keinen zweiten Hamburger Club in die Bundesliga zu lassen. Eine Regel,

00:05:09: die nirgendwo so ganz offiziell stand, habe ich jedenfalls bis heute noch nie

00:05:13: gefunden, dass das so ausgesprochen wurde, wurde hinterher immer gerne gesagt,

00:05:17: aber letzten Endes den begehrten Startplatz aus dem Norden,

00:05:20: der noch frei war bei der Bundesliga Premiere, den

00:05:24: bekam dann statt des FC St. Pauli Eintracht Braunschweig.

00:05:27: Die waren damals Dritter. Ja, Präsident Wilhelm Koch musste das

00:05:30: natürlich dann irgendwie auch den Mitgliedern erklären und erzählte den

00:05:34: Mitgliedern des FC St. Pauli auf der Mitgliederversammlung die

00:05:38: Misere der Auswärtsheimspiele noch mal so richtig. Er brachte sie auf den Punkt:

00:05:42: "Das Spielen auf dem fremden Victoria- Platz bereitet unserer ersten Mannschaft

00:05:47: Schwierigkeiten, da bekanntlich das Fluidum auf dem

00:05:50: eigenen Platz ein weitaus besseres ist."

00:05:52: Und das finde ich bis heute einen wirklich schönen Ausdruck. Was? Heute

00:05:57: würde man wahrscheinlich sagen, der Flow, und da merkt man mal,

00:06:01: dass Wilhelm Koch also schon ein Sprachpionier war.

00:06:05: Auf jeden Fall Fluidum, darum geht es natürlich und das ist ja

00:06:09: auch

00:06:10: ein Ding, was immer gerne mal so ein bisschen

00:06:12: erforscht wird, aber so 100% hat es noch keiner auf den

00:06:14: Punkt gebracht, warum es zu Hause auch dann besser

00:06:17: funktioniert, wenn es Vereine sind, die zum Beispiel weniger Heimfans haben.

00:06:20: Das ist dann trotzdem oft so, dass es zu Hause besser funktioniert,

00:06:24: manchmal aber eben auch gerade nicht. Es gibt ja auch Spielzeiten,

00:06:27: wo es auswärts viel besser läuft als zu Hause.

00:06:29: Also haben wir ja nun gerade letzte Saison,

00:06:31: haben wir auswärts mehr Punkte geholt als zu Hause,

00:06:34: obwohl leer ist es ja nicht zu Hause insofern und leise in der Regel auch

00:06:37: nicht unbedingt, also das, ja.

00:06:39: Ich glaube auch wenn man nachguckt, es gab früher irgendwann auch schon mal so ein-zwei

00:06:44: solche Phasen, wo man so den Eindruck hatte,

00:06:46: dass also gerade so vielleicht das Gefühl, es besonders gut machen zu wollen,

00:06:50: auch mal lähmen kann. Keine Ahnung, aber grundsätzlich ist statistisch gilt

00:06:54: ja schon der Heimvorteil als gegeben. Kurz danach, nach der Geschichte

00:06:58: jetzt, ging es dann eben darum, doch noch mal vielleicht in die

00:07:01: Bundesliga zu kommen. Das war ja damals so,

00:07:04: dass es in den 60ern diese Aufstiegsrunden gab und noch bis in die

00:07:07: 70er natürlich hinein.

00:07:10: Und in der Saison 1963/64 erreichte der Verein nach seiner Rückkehr ans

00:07:14: Millerntor immerhin souverän und mit vielen Toren die Aufstiegsrunde.

00:07:18: Was machte die Vereinsführung nach Wilhelm Koch, Fluidum, wir haben alle

00:07:22: zugehört, nein, das Präsidium ließ dann also die

00:07:25: Heimspiele, Fluidum hin oder her, im Volksparkstadion austragen,

00:07:29: in der Hoffnung auf mehr Zuschauer als ins Millerntor passten und damit höhere

00:07:34: Einnahmen.

00:07:35: Und so erlebte zum Beispiel ein junges Fußballtalent namens Franz Beckenbauer

00:07:39: sein erstes Punktspiel nicht etwa am Millerntor, sondern am

00:07:42: 6. Juni 1964 im Volkspark von 26.000 Zuschauern.

00:07:45: Das wird ihn lebenslang gereut haben, denke ich mal. Also ist ihm,

00:07:49: dem Kaiser also doch ein Zacken aus der Krone schon gebrochen, muss man sagen,

00:07:53: das fehlte einfach, der Anfang war nicht ganz perfekt,

00:07:56: am Ende stand es immerhin 4:0 für die Gäste,

00:07:59: und mit dem Aufstieg wurde es dann auch insgesamt für den FC St. Pauli nichts.

00:08:04: Deutlich besser klappte die Sache dann 1966,

00:08:06: als die Vereinsführung bewusst entschied, für die Heimspiele der Aufstiegsrunde

00:08:10: dann aber bitte jetzt endlich mal am Millerntor zu bleiben.

00:08:13: Das ärgerte zwar die Feuerwehr, die behauptete,

00:08:16: am Millerntor seien allenfalls 18.000 Zuschauer sicher unterzubringen,

00:08:19: aber es funktionierte. Zum Beispiel beim 1:0 vor 23.000 Zuschauern gegen Rot-Weiss

00:08:23: Essen, von vielen als stärkster

00:08:25: Aufstiegskonkurrent bezeichnet, das waren dann ja auch die,

00:08:28: die dann tatsächlich aufstiegen und nicht der FC St. Pauli.

00:08:32: Letzten Endes reichte es eben ganz knapp nicht.

00:08:35: Nie war es so knapp wie in diesem Jahr. Warum, das könnt Ihr Euch in unserer 1.

00:08:39: Folge "Die wichtigste Mannschaft aller Zeiten" übrigens anhören,

00:08:43: die es auch überall zu hören gibt, wo es Podcasts gibt und auf YouTube.

00:08:47: Wie wir alle wissen, dauerte es bis 1977, ehe dem FC St. Pauli endlich der Sprung

00:08:52: in die Bundesliga gelang, vom Präsidium als "Gewaltschuss" bezeichnet.

00:08:56: "Wir bleiben", hieß es dann überall in der Werbung.

00:08:59: Ja, nur am Millerntor, da blieben die Boys in Brown leider nicht,

00:09:03: und das lag nicht nur am Präsidium und an Hoffnung auf höhere Ticketverkäufer, wie

00:09:07: Ex-Spieler Gino Ferrin einst Michael Pahl im Interview für "FC St.

00:09:11: Pauli - Das Buch" verriet: "Jedenfalls der Vorstand, der hat also uns befragt,

00:09:16: wo wir dann lieber spielen würden und weil wir eben halt die Bedingungen am

00:09:20: Millerntor von dem Rasen her, der war immer eine Katastrophe,

00:09:24: ist ja nicht mehr so wie heute.

00:09:26: Heute ist ja der Platz ganz gut, aber damals wurde ja drauf trainiert und

00:09:30: dann spielten da zig Mannschaften drauf und der war dann, also spätestens nach

00:09:34: Weihnachten war der Platz hinüber und da haben wir natürlich gesagt, na,

00:09:37: im Volksparkstadion haben wir ja auch schon

00:09:41: ein paar Mal gespielt und die Spiele, die wir gemacht haben,

00:09:44: die waren dann immer auf einem, also perfekten, das kann man fast sagen,

00:09:47: Wembley-Rasen, der war wirklich immer super und da

00:09:50: spielt man als Fußballer natürlich lieber drauf."

00:09:54: Hätten sie mal lieber nicht auf die Spieler gehört, ganze fünf Spiele,

00:09:59: ganze fünf Heimspiele muss man sagen, der Saison 1977/78 wurden am Millerntor

00:10:04: ausgetragen, da war dann das erste gegen Werder Bremen,

00:10:08: das haben sie dann noch gewonnen 3:1. Spieltag 9 gegen Hertha BSC, 3:0.

00:10:14: Spieltag 27 FC St. Pauli gegen Duisburg 2:2. Eine kleine

00:10:18: Pause. Allerdings, da hat man mal richtig auf Karten

00:10:22: spekuliert.

00:10:23: Spieltag 29 FC St. Pauli gegen Eintracht Frankfurt 5:3 und

00:10:27: Spieltag 31 FC St. Pauli gegen VfB Stuttgart 1:1. Ich glaube,

00:10:31: voll war es tatsächlich nur am ersten Spieltag gegen Bremen, war ja durchaus,

00:10:36: also klar, alle neugierig, Bundesliga und so,

00:10:38: aber danach ging es dann auch in beiden Stadien glaube ich rapide bergab mit den

00:10:43: Publikumszahlen. So war das, ja. Laut DFB-Datencenter waren

00:10:48: gegen Duisburg gerade mal 4.000 Leutchen da am Millerntor.

00:10:52: Gegen Hertha immerhin 12.000. Tatsächlich gegen Werder, das waren dann 20.000.

00:10:56: Ist natürlich auch mehr oder weniger eine Art Derby, ja auch noch mal

00:10:59: zusätzlich interessant. Gegen Osnabrück sind ja auch immer schon

00:11:03: gerne viele Leute gekommen, auch wegen der Unterstützung,

00:11:06: das war früher auch schon, ja das ging immer ganz gut.

00:11:08: Gegen Stuttgart am Schluss waren es 9.000, eben dieses Super-Spiel gegen

00:11:12: Frankfurt 5:3 haben 5.000 Leute gesehen und das ist glaube ich schon auch

00:11:16: ziemlich cool, wenn man so ein Ticket davon zu Hause hat.

00:11:19: Thomas hat wahrscheinlich zwei mindestens.

00:11:22: 1977? Nein, mit Sicherheit nicht. Nein, das war deutlich vor meiner Zeit,

00:11:27: also auch altersmäßig, aber vor allem überhaupt auch fanmäßig.

00:11:30: Aber schon ein echtes Sehnsuchtsspiel, das hätte sicherlich großen Spaß gemacht,

00:11:35: sich das anzugucken, auch wenn die Kulisse, sagen wir mal,

00:11:38: etwas gewöhnungsbedürftig ist. Mit 5.000 verlorenen Seelen am Millerntor.

00:11:41: Wie das Ganze dann war für die Frankfurter,

00:11:44: das hat Gino Ferrin dann auch noch mal beschrieben,

00:11:47: das können wir uns auch noch mal eben anhören: "Ja, der

00:11:50: Grabowski mit Eintracht Frankfurt bei uns war, gegen die haben wir also am

00:11:55: Millerntor gespielt und der fragte dann unten im Keller in den Umkleidekabinen,

00:11:59: wo dann die Toiletten sind, und da sagte der Platzwart dort, naja,

00:12:03: das ist so, naja, ich müsste mal ein größeres Geschäft

00:12:06: machen, dann musste der da oben, da wo die ganzen Fans,

00:12:09: die wahnsinnig da auf der Toilette rumkrakeelt haben,

00:12:13: der kam mit einem blassen Gesicht runter und hat gesagt, ja,

00:12:16: da oben kann ich doch nicht auf die Toilette gehen und

00:12:20: so hat er dann auch gespielt." Ja, also durch quasi konsequenten Sanitär- und

00:12:24: Luxus-Entzug hat man also die Gegner komplett fertig gemacht.

00:12:28: Psychologische Kriegsführung oder so. So war das. Es war ja aber auch bis zum

00:12:32: Abriss des Clubheims hatte das ja auch nicht geändert. So ist das. Fast.

00:12:36: Es wurden ja irgendwann in den Achtzigern tatsächlich mal auch Klos unten eingebaut,

00:12:41: also dieses Spieler müssen mit den Fans pinkeln, das war dann irgendwann

00:12:45: nicht mehr das Problem, aber insgesamt natürlich schon.

00:12:49: Oder du standest halt trotzdem einfach mal neben Stefan Effenberg am Pissoir.

00:12:54: Nicht, dass ich ihn erkannt hätte.

00:12:57: Bei echten Auswärtsspielen gab es übrigens durchaus Erfolge,

00:13:01: man denke nur an das aus braun-weißer Sicht natürlich legendäre 0:2 im

00:13:06: Volksparkstadion für uns, also 2:0 gegen die Europapokalsieger vom HSV am

00:13:11: sechsten Spieltag.

00:13:12: Ja, nur leider direkt danach am siebten

00:13:16: Spieltag zum Heimspiel ging es dann eben nicht ans Millerntor,

00:13:21: sondern es ging wieder in den Volkspark und das klang dann im TV-Nachbericht so:

00:13:27: "St. Pauli nun von allen guten Geistern

00:13:30: verlassen, scheiterte kläglich im Angriff, nicht nur im Angriff,

00:13:35: es mangelte an Zuspiel, Übersicht, Bindung, kurz, es mangelte an allem.

00:13:42: Borussia Dortmund dagegen wie ein Meister. Chancen über Chancen."

00:13:45: Also immerhin Schuhe hatten sie sich angezogen,

00:13:48: kann man anhand der zeitgenössischen Fotos nachvollziehen.

00:13:52: Halt nach 50 Minuten waren wir dann schon bei 5:0 für Dortmund

00:13:56: angekommen und dann wurde es dann aber noch mal kurios und man musste sich doch

00:14:01: noch mal überlegen, ob heim-auswärts/auswärts-heim nicht

00:14:04: vielleicht doch noch ein bisschen was ging: "Dass St.

00:14:07: Pauli trotz dieses Debakels nicht resignierte,

00:14:10: ja jetzt verstärkt angriff

00:14:12: und plötzlich wieder zu spielerischer Linie zurückfand,

00:14:14: das zeugt von der Moral dieser Mannschaft, für die Neumann das hier nicht gezeigte

00:14:19: 1:5 markierte." Ja, und das war ja nicht alles.

00:14:21: Das hier nicht gezeigte? Ja, warum sollte man das im Fernsehen auch

00:14:25: zeigen, das kann man sich doch auch vorstellen,

00:14:27: St. Pauli schießt ja so viele Tore, da kann man auch mal eins weglassen,

00:14:31: es kam aber tatsächlich eben noch wirklich noch was dazu,

00:14:34: es war also in der 65. das nicht gezeigte 1:5.

00:14:36: Dann das 2:5 in der 66., das 3:5 in der 69., also das war schon

00:14:41: ziemlich kuriose Dramaturgie, die man auch so wirklich sehr selten

00:14:46: sieht. Hätte noch was werden können, ja dann war leider aber Schluss in der 78.

00:14:52: Minute, hier passt glaube ich das Wort humorlos

00:14:55: ganz besonders gut, zeigte sich Wolfgang Vöge als übler Spielverderber und

00:15:00: markierte den 3:6-Endstand.

00:15:05: Also an den Spieltagen 11 und 16 zeigte der FC St.

00:15:08: Pauli dann übrigens gegen 1860 München und Fortuna Düsseldorf,

00:15:13: dass er auch im Volkspark ein Heimspiel gewinnen kann.

00:15:16: Die Ergebnisse 4:1 und 2:1, die Zuschauer*innenresonanz immerhin 13.000

00:15:22: zahlende Gäste gegen München, ganze 6.700 gegen Düsseldorf.

00:15:26: So richtig Zahltag... 6.500 im Volksparkstadion?

00:15:29: Hat sich richtig gelohnt, ist natürlich in der Schüssel noch viel

00:15:33: atmosphärischer. Das brodelt auf jeden Fall. Ja absolut,

00:15:36: da konntest du wirklich so richtig, also für Zwischenrufer natürlich ein

00:15:40: Traum, vom finanziellen Standpunkt her natürlich komplettes Desaster und ich

00:15:44: frag mich auch welcher, gut es war ja auch das Rasenargument, wir haben es von Gino

00:15:48: Ferrin vorhin gehört.

00:15:50: Abgesehen davon kann man ja nicht wirklich erwartet haben,

00:15:53: dass ausgerechnet Fortuna Düsseldorf in Hamburg dann jetzt dermaßen zieht,

00:15:57: dass da irgendwie 50.000 Plätze oder so dann voll sind.

00:16:00: Oder sei es auch nur 20.000, 30.000. Wenn St. Pauli zu dem Zeitpunkt nicht 18.

00:16:04: sondern Zweiter gewesen wäre, wer weiß. Ja, das ist natürlich richtig,

00:16:08: dass generell die sportliche Entwicklung nicht ganz so in Richtung europäischer

00:16:12: Fußball zeigte, das muss man natürlich auch anerkennen,

00:16:15: denn St. Pauli war längst im Tabellenkeller

00:16:18: angekommen.

00:16:19: Und ja, was aber trotzdem immer zieht, ist natürlich Derby und deswegen Zahltag.

00:16:25: Wurde allein das Auswärtsheimderby gegen den HSV an Spieltag 23,

00:16:30: denn auch das wurde natürlich im Volksparkstadion ausgetragen.

00:16:34: "Zur Pause eine schmeichelhafte 2:1- Führung des HSV vor 36.000 Zuschauern,

00:16:39: die dem FC St. Pauli endlich eine Einnahme von gut

00:16:43: 300.000 Mark erbrachten." 300.000

00:16:45: Mark, damit kann man doch schon mal was

00:16:47: anfangen. Habe ich endlich da rausgehört? Ja, ja,

00:16:50: weil es war dann ja auch gang und gäbe, in jedem Spielbericht darauf hinzuweisen,

00:16:55: dass das Stadion jetzt nicht unbedingt voll ist und dann mal so eine

00:16:58: ordentliche Börse vermelden zu können, da freute man sich als Reporter glaube

00:17:03: ich mit. Endstand war dann halt trotzdem 2:3.

00:17:05: Also auch das Heimauswärtsspiel wurde dann entsprechend verloren,

00:17:09: aber immerhin so einigermaßen erhobenen Hauptes.

00:17:12: Richtig deprimierend, so richtig deprimierend wurde es dann

00:17:15: gegen Gladbach und das Folgende finde ich schon, glaube ich,

00:17:18: die traurigste Zuschaueraussage, die mir jetzt jedenfalls so in

00:17:22: aufgenommenen Medien bekannt ist über den FC St.

00:17:25: Pauli: "Ganze 6.000 Zuschauer davon 5.000 mit Freikarten und 400 aus Dänemark,

00:17:29: die wegen Simonsen gekommen waren, verloren sich zur Abschiedsvorstellung

00:17:33: des FC St. Pauli im Volksparkstadion, ein trauriger

00:17:36: Rekord."

00:17:37: Wow. Finde ich jetzt aber auch, 6.000 davon 5.000

00:17:40: verschenkt und 400 kamen wegen Simonsen. Das sind immerhin noch 600 zahlende Gäste. Die

00:17:44: ganz beinharten St. Pauli-Fans waren auch noch da.

00:17:46: Man muss sagen, dass beim DFB stehen etwas höhere Zahlen,

00:17:49: ich habe es nicht genau im Kopf, aber da stand etwas mehr als 6.000, aber

00:17:53: trotzdem man muss sich dazu dann auch noch vorstellen,

00:17:56: dass das Stadion dann auch noch so zugefroren war,

00:17:59: also der Platz war eingeschneit, aber nicht so richtig so dass es schön

00:18:02: aussah, sondern irgendwie so die ungemütliche

00:18:05: Sorte Schnee.

00:18:06: Zugefroren war es auch noch. So sah das aus.

00:18:09: Spieltag 25 gegen, muss man ja sagen, immerhin Borussia Mönchengladbach, jetzt

00:18:14: auch nicht der uninteressanteste Gegner eigentlich,

00:18:17: aber wollten halt wirklich wenige Leute sehen, ist dann auch 0:1 ausgegangen,

00:18:22: also so richtig doll viel hat man hier nicht verpasst. 400 Dänen. Ja das muss allerdings. Wie

00:18:27: zählt man das denn? Pass

00:18:29: vorzeigen an der Kasse, ich weiß es nicht. Ganz normal.

00:18:32: Vielleicht haben die das irgendwie über so ein dänisches Reisebüro gebucht oder

00:18:36: so und darüber konnte man das vielleicht oder ich weiß,

00:18:38: Allan Simonsen-Tours, hat er wahrscheinlich selber ein

00:18:42: Reisebüro aufgemacht, seine Familie. Man war damals ja auch sowieso schon ein

00:18:45: bisschen existenzialistisch, Schrägstrich apokalyptisch unterwegs.

00:18:49: Das hatte übrigens auch die vereinseigene Stadionzeitung schon bemerkt.

00:18:53: Also jetzt so mit fröhlichen Schlagzeilen vielleicht nicht mehr so ganz

00:18:57: die Lage passend zu beschreiben wäre und an

00:19:00: Spieltag 21 gegen Saarbrücken, auch so ein Spiel wo man sich denkt,

00:19:03: klar FC St. Pauli - Saarbrücken, großes Stadion, ganz großes Stadion,

00:19:07: da hieß dann die ganz große Schlagzeile der Stadionzeitung, ganz einfach erzählte das

00:19:12: das Fernsehen, hielt die dann auch

00:19:14: richtig in die Kamera: "Die Stadionzeitung meinte, dies sei ein

00:19:18: Schicksalsspiel.

00:19:19: Das erste Mal schlug das Schicksal in der dritten Minute zu.

00:19:23: Stegmayer hatte geschossen, eine Minute später war das Schicksal

00:19:26: wieder da, diesmal hieß es Heck. Schicksal, eine nicht zu bändigende Macht oder eben

00:19:31: doch nur Abwehrschwächen und mangelnde Konzentration zum Auftakt."

00:19:35: Man hört da im Hintergrund aber auch eine gewisse Unruhe und einen gewissen Unmut

00:19:40: irgendwie.

00:19:42: Das waren Zeiten. Allerdings, deswegen war es dann auch mir

00:19:46: wichtig, vorhin auch das mit der Moral und so

00:19:48: weiter noch mal zu bringen. Also das war jetzt nicht alles schlecht

00:19:52: was die da auf dem Rasen gemacht haben. Dann kam so ne Phase des Besinnens,

00:19:56: warum auch immer, vielleicht hatte sich der Rasen im Millerntor

00:19:59: so weit erholt, dass die filigranen Füßchen der damaligen

00:20:02: Kiezkicker dann doch den Teppich dort mal wieder betreten

00:20:06: wollten an Spieltag 27, 29 und 31, da blieben die Kiezkicker dann tatsächlich

00:20:10: zu Hause und hatten wir vorhin ja auch schon mal angesprochen,

00:20:13: holten je einen Punkt gegen Duisburg und Stuttgart und den erwähnten 5:3-Sieg

00:20:17: gegen Frankfurt. Dann kam noch mal ein legendäres Spiel,

00:20:20: aber nicht wirklich unseretwegen, denn

00:20:23: beim Saisonfinale gegen Köln, da hieß es dann nochmals Kasse machen.

00:20:26: "Da haben wir wirtschaftlich noch mal richtig zugeschlagen",

00:20:30: erinnerte sich der damalige Präsident Ernst Schacht.

00:20:33: "Die Kölner wollten über 20.000 Karten haben",

00:20:35: die Kölner haben dann wohl nur 5.000 Abnehmer für die Karten gefunden.

00:20:39: FC St. Pauli hatte das aber schon eingezogen,

00:20:41: das Geld und gab es nicht wieder her.

00:20:44: Na gut, aber was soll es? Die Kölner kriegen zwar nicht alle Karten

00:20:48: verkauft, aber dafür gab es einen Meistertitel und

00:20:52: das, obwohl Konkurrent Borussia

00:20:54: Mönchengladbach parallel in Dortmund satte 12:0 Tore schoss,

00:20:58: aber die Kölner schafften es eben schon mit einem vergleichsweise mageren 5:0

00:21:03: gegen den FC St. Pauli und so schafften sie die bessere

00:21:06: Torbilanz, das war damals tatsächlich etwas Neues,

00:21:10: hatte es so noch nicht gegeben.

00:21:13: "Köln, ständig über Gladbachs Torflut unterrichtet, hatte

00:21:17: daher beim Absteiger St. Pauli mit drei Toren Vorsprung gewinnen

00:21:21: müssen. Der 5:0-Sieg langte. Erstmals wurde der Meister mit Hilfe der

00:21:25: Tordifferenz ermittelt, Köln plus 45, Gladbach plus 42.

00:21:30: Die Bundesliga hatte das spannendste Finale ihres Bestehens erlebt."

00:21:33: Und wir waren dabei, ha. Genau, wir waren dabei.

00:21:35: Spannendste Finale des Bestehens der Bundesliga.

00:21:38: St. Pauli aber stieg sang- und klanglos als 18. ab, man erinnert sich,

00:21:41: diese ganzen Fanfreundschafts-Schals, die hatten einiges mit diesem Tag dann

00:21:45: auch zu tun, die es eine Zeit lang gab, Köln und St. Pauli.

00:21:48: Das kann mir aber auch niemand erzählen, dass das Spiel Gladbach gegen Dortmund,

00:21:52: dass das irgendwie nicht geschoben war, oder? Es ist unglücklich gelaufen für

00:21:56: Dortmund, ja.

00:21:58: Wenn du in so einen Strudel reingerätst,

00:22:01: dann kann das schon mal zweistellig werden. Das kennt man ja.

00:22:04: Dortmunder Trainer war damals ja Otto Rehhagel und hieß danach dann Otto

00:22:08: Torhagel. Sehr schön.

00:22:09: Ja, tatsächlich haben das auch die Spieler

00:22:11: thematisiert. Also in dem Fernsehbericht, den ich da eben zitiert hab.

00:22:14: Da kamen auch dann Stimmen von Spielern drin vor,

00:22:17: dass die St. Paulianer sich ja immerhin hier noch richtig aufopferungsvoll

00:22:20: reingeworfen hätten, während ja die Konkurrenz in Dortmund

00:22:23: sich ja einfach offensichtlich komplett aufgegeben hätte.

00:22:25: Das Wort Schiebung wurde nicht in den Mund genommen, ne,

00:22:28: aber haben sich aufgegeben oder haben sich nicht gewehrt oder was auch immer,

00:22:31: unsportlich, das kam dann schon dran. Also ich mein, zweistellig muss man

00:22:35: wirklich erstmal schaffen, selbst wenn du gar keinen Bock hast.

00:22:37: Das ist schon

00:22:39: schwer zu erreichen. Das sind ja wirklich alle, bei dem

00:22:43: Ergebnis ist es ja alle neun Minuten ein Tor. Mehr, alle sieben. Da muss schon viel passieren,

00:22:48: definitiv. Ja so war das, Köln freut sich über den Meistertitel,

00:22:52: St. Pauli stieg sang- und klanglos als 18.

00:22:55: ab und zelebrierte dann auch später noch so manches Auswärtsheimspiel.

00:22:59: Das 1:2 von 1988 gegen den HSV zum Beispiel,

00:23:02: als Sonny Wenzel die Kiezkicker mit seinem späteren Tor des Monats in Führung

00:23:07: brachte.

00:23:08: Oder natürlich das 2:2 gegen Hertha BSC im März 1991,

00:23:12: das diverse St. Pauli-Fans aus Protest per Radiopaadie am Millerntor erlebten,

00:23:17: davon gibt es jetzt auch noch ein sehr schönes Zeitdokument. Der Filmer Klaus

00:23:22: Wildenhahn nämlich, der konnte Sven Brux bei den Vorbereitungen für diese

00:23:27: Radiopaadie im Fanladen am Telefon aufnehmen. Wir hören mal kurz rein,

00:23:32: Sven Brux am Telefon: "Ja, also

00:23:34: die Brisanz dieses Spieles liegt halt darin,

00:23:37: dass die Berliner einen sehr berüchtigten Hooligan-Anhang haben und die HSVer sich

00:23:41: das nicht nehmen lassen werden, dort auch aufzumarschieren.

00:23:44: Das heißt, es ist doppelt und dreifach gefährlich als wenn es ein normales

00:23:48: Lokalderby wäre. Ja, wir werden uns alle auf der Gegengeraden-

00:23:51: Tribüne des Millerntor-Stadions treffen, da ist eine Anlage, wird da aufgebaut sein,

00:23:56: dort werden wir der Radioübertragung lauschen.

00:23:59: Und die normale Infrastruktur von Würstchen- und Bierbuden wird auch

00:24:02: vorhanden sein. Und so versuchen wir halt wenigstens den

00:24:05: Rest des Erlebnisses eines Fußballnachmittages zu retten."

00:24:09: Das bis auf weiteres vorletzte große Auswärtsheimspiel,

00:24:12: das gab es ja dann 2002 gegen den HSV, will ich nicht zu viel drüber sagen.

00:24:16: Haben wir nämlich schon mal gemacht. Gab ja schon mal ne Folge über das größte

00:24:20: Derby aller Zeiten, reinster Stadionumzug damals.

00:24:23: Spielertunnel per Tieflader aus dem Millerntorstadion geholt,

00:24:26: "Hells Bells" beim Auflaufen, Bild des Millerntorstadions ans

00:24:29: Membranendach, der bald schon wieder abzureißenden,

00:24:32: muss man heutzutage sagen, Arena produziert. Blaue Flächen mit

00:24:35: brauner und schwarzer Pappe abgedeckt, Rauten mit St. Pauli-

00:24:38: Emblemen überklebt.

00:24:39: 200 Meter Werbebanden ausgetauscht und Millerntor-Anzeigetafel abgefilmt mit

00:24:44: allen möglichen Spielständen bis 5:5, ja, 0:4 war auch dabei.

00:24:49: Wir wollten doch nicht drüber sprechen, aber wir haben ja auch eine

00:24:53: Chronist*innenpflicht. Wie gesagt Podcast Folge 3 "Das ultimative Derby",

00:24:58: da hört ihr den ganzen Spaß. Jedenfalls einen Umzug haben wir noch zu berichten.

00:25:04: Und zwar hat er etwas mit Geschirr zu tun. Ein Becherwurf gegen Schalke.

00:25:09: Wir werden uns erinnern, in der ersten Bundesliga,

00:25:12: der führte dann dazu, weil dummerweise der Becher einen

00:25:15: Linienrichter niederstreckte, dass der FC St. Pauli noch mal umziehen

00:25:20: musste und das Millerntor wurde dann ganz nach Lübeck verlegt.

00:25:23: Also nach dem Abstieg in die zweite Bundesliga ging es an Spieltag 1 in der

00:25:28: zweiten Bundesliga 2011/12 an die Lohmühle,

00:25:31: direkt neben den Max Bahr-Baumarkt.

00:25:33: Immerhin, St. Pauli siegte dann gegen Ingolstadt

00:25:36: 2:0. Ultrà Sankt Pauli sparte nicht an Kritik.

00:25:39: Hier ein Auszug aus dem Aufruf: "16. Juli 2011 - Lübeck hamburgisieren",

00:25:44: den es bis heute im Netz zu finden gibt.

00:25:47: "Ein Schelm, wer Böses denkt, aber bereits die sensationsgeile

00:25:50: Medienberichterstattung ließ damals schon vermuten, dass der Wurf eines

00:25:54: 0,5 Liter Plastikbechers auf den Linienrichter eben nicht als bloßer

00:25:57: Emotionsausbruch ohne schwerwiegende Folgen auch im Hinblick auf die

00:26:00: gesundheitliche Verfassung des Geschädigten gewertet werden sollte,

00:26:04: sondern vielmehr eine Spirale der Skandalisierung in Gang gesetzt hat.

00:26:07: Der Täter, in Anführungszeichen, der einigen Boulevard-Medien absurde und

00:26:11: reißerische Schlagzeilen einbrachte, wurde in der Folge derart kriminalisiert,

00:26:15: dass er sogar seinen Arbeitsplatz verlor.

00:26:17: Wohingegen der Aufschub der Strafe für den FCSP noch als gnädig gewertet wurde.

00:26:22: Das Spiel in Lübeck ist aber keine Gnade, keine gute Lösung,

00:26:26: es ist ein Skandal." Und hatte ja durchaus auch finanzielle Einbußen zur Folge,

00:26:30: weil dieser ganze Umzug ja auch Geld gekostet hat. Das hat eine Menge gekostet,

00:26:35: genau, ich glaube, Schätzungen sagen so um die 450.000 €

00:26:39: hat das gekostet, also

00:26:41: im Vergleich zu anderen Dingen, die im Fußball so passieren,

00:26:44: schon nicht unbedingt mild, was da ausgesprochen wurde.

00:26:48: Wie auch immer, damals hieß es dann auf einer Tapete,

00:26:51: die dann in Lübeck hochgehalten wurde auch "Die Moral von der Geschicht - volle

00:26:56: Biere wirft man nicht" und weil ja keine unserer Geschichten ohne eine gute Moral

00:27:00: aufhört, sei es dann mal diese. Also leere eigentlich auch nicht,

00:27:04: aber volle erst recht nicht.

00:27:06: So ist es, ein leeres Bier, und jetzt wird es richtig philosophisch,

00:27:09: ist ja so ein bisschen das Getränkegegenstück zu der einen Hand,

00:27:13: die im Wald klatscht, "What's the Sound of One Hand Clapping". Das

00:27:16: leere Bier hat zumindest ja noch einen Körper, auf den es aufprallen kann. Ja.

00:27:20: Ich sage,

00:27:23: wann ist ein Bier ein Bier, wenn es leer ist, eigentlich nicht mehr,

00:27:27: dann ist es nur noch ein Becher. War das von Herbert Grönemeyer?

00:27:30: Ursprünglich, er hat das dann später noch mal

00:27:32: umgetextet und dann ist ein Hit draus geworden.

00:27:36: Aber den Song kenne ich. Ja gut. Bitte losen Sie. Zweite Story. Genau,

00:27:42: wir haben noch zwei Lose hier, logisch, und ich werde eins davon öffnen und

00:27:48: habe mich da drauf. Ja genau, das Thema ist ja heute

00:27:52: Auswärtsfahrten oder Auswärtsspiele, darunter verstehen wir ja im Allgemeinen

00:27:59: auch vor allen Dingen die Reisen der Fans zu den Auswärtsspielen.

00:28:05: Ich möchte da allerdings mal eine andere Art von Auswärtsfahrt vorstellen,

00:28:09: nämlich eine Reise der Mannschaft nebst Trainer und Vorstandsbegleitung zu einem

00:28:14: Spiel außerhalb Hamburgs. Und dazu gehen wir mal eine ganze Weile

00:28:18: zurück, nämlich genau in das Jahr 1948.

00:28:20: Ja, der Fußball in Deutschland der

00:28:22: direkten Nachkriegszeit ist ja von recht viel Durcheinander und Unklarheiten

00:28:25: geprägt. Verbandsstrukturen sind kaum noch

00:28:28: vorhanden, Vereine dürfen sich zunächst teilweise

00:28:30: gar nicht wieder neu gründen oder beziehungsweise nur unter anderem Namen.

00:28:33: Das galt jetzt für unseren Verein beziehungsweise für Hamburg an sich nicht,

00:28:37: aber in anderen Gegenden Deutschlands war das tatsächlich so,

00:28:40: da gibt es dann auch die ersten Tabellen und so der Nachkriegszeit mit etwas

00:28:43: merkwürdigen Namenskonstruktionen, die dann später wieder zurückgenommen

00:28:47: wurden.

00:28:49: Schnell entwickelt sich aber wieder ein Spielbetrieb,

00:28:52: wenn auch vielerorts eher sehr lokal und lediglich auf freundschaftlicher Basis.

00:28:56: Noch nicht in einem festen Ligasystem. Das wird zuerst im Süden Deutschlands

00:29:00: wieder in Schwung gebracht, bereits November 1945 ging die Oberliga

00:29:04: Süd an den Start, dort vertreten waren zunächst

00:29:07: Mannschaften der US-Amerikanischen Besatzungszone aus Bayern,

00:29:10: Hessen sowie dem nördlichen Baden und Württemberg,

00:29:13: trotz erheblicher Reisestrapazen wurde die Liga direkt zu einem Erfolg.

00:29:17: Und ausnahmsweise mal kurz eingeschoben, ein aktueller Buchtipp. Das Anfang dieses

00:29:22: Jahres erschienene Buch "Herbergers Kandidaten" von Autor Fabian Siegel

00:29:26: behandelt diese Zeitspanne zwischen Kriegsende und dem ersten Länderspiel der

00:29:30: DFB-Auswahl nach dem Krieg im November 1950 und gibt einen sehr guten Einblick

00:29:34: in die damaligen Verhältnisse. Und auch der FC St.

00:29:37: Pauli beziehungsweise einige seiner Spieler kommen in diesem Buch vor,

00:29:41: denn unser Verein zählte in der Nachkriegszeit bekanntermaßen zu den Top-

00:29:45: Teams des Landes.

00:29:47: Diese Tatsache hatten wir auch schon in einigen Podcast-Ausgaben angerissen.

00:29:52: Diese plötzliche Leistungssteigerung war eine direkte Folge des Krieges und der

00:29:56: privilegierten Stellung von St. Pauli- Urgestein Karl Miller als Nationalspieler.

00:30:01: In diese Rolle war er als Soldat gekommen und als sogenannter Kriegsgastspieler vor

00:30:07: allem beim Dresdner SC holte er zwei deutsche Pokalsiege und lernte vor allem

00:30:11: auch einige Topspieler kennen, die er dann 1945 nach Hamburg lockte.

00:30:15: Auch Dank,

00:30:17: auch bekannte Geschichte, die Schlachterei von Vater Miller, aber diese Geschichte

00:30:21: ist eine andere, erzählen wir vielleicht auch noch mal

00:30:24: ausführlicher. Aber jetzt soll es um die erste Saison

00:30:27: der Oberliga Nord gehen, die 1947 an den Start ging.

00:30:30: Die beiden Spielzeiten zuvor wurde nur lokal in der Hamburger Stadtliga gekickt,

00:30:35: der FC St. Pauli schloss die Liga punktgleich mit

00:30:38: dem Hamburger SV ab, es gab ein Entscheidungsspiel um die

00:30:41: Oberligameisterschaft, und das entschied der HSV am

00:30:44: 2. Mai 1948 mit 2:1 für sich.

00:30:46: Was denn noch alles? Ach ja, das geht noch weiter,

00:30:49: denn anschließend wurde auch noch eine Meisterschaft der Britischen

00:30:54: Besatzungszone ausgetragen, nach Siegen über die westdeutschen Teams

00:30:58: von STV Horst-Emscher aus Gelsenkirchen und

00:31:01: Borussia Dortmund hieß der Gegner im Finale erneut HSV und am 13. Juni 1948

00:31:06: verlor der FC St. Pauli sogar 1:6. Wieder wurde auf neutralem Platz im

00:31:10: Victoria-Stadion gespielt, hatten wir schon gehört heute.

00:31:15: Aber das war noch nicht das Saisonende, denn jetzt kommen wir dann doch schon zum

00:31:19: eigentlichen Inhalt meiner Geschichte. Denn erstmals nach dem Krieg sollte eine

00:31:23: Deutsche Meisterschaft ausgetragen werden, damals auch noch mit Vertretern aller vier

00:31:28: Besatzungszonen und im Viertelfinale bekam der FC St.

00:31:31: Pauli den Gesamt-Berliner Meister Union Oberschöneweide zugelost.

00:31:36: Kurz dazu: Union wurde 1906 gegründet und stand 1923 schon mal im Finale um die

00:31:41: Deutsche Meisterschaft, das gegen den, da ist er schon wieder, den HSV verloren

00:31:47: wurde. Ja, irgendwie kommt der ständig vor hier.

00:31:50: Seit 1920 war der Verein dann in der Köpenicker Wuhlheide zu Hause und über

00:31:55: einige Umwege wurde daraus zum einen der West-Berliner SC Union 06 und vor allem

00:32:00: der heutige Bundesligist 1. FC Union Berlin. Köpenick liegt im Westen? Nein,

00:32:05: deswegen wurde da, ein Teil dieses Vereins hat sich dann in,

00:32:09: wenn man so will, in den Westen abgesetzt nach der Teilung der Stadt und hat dann

00:32:14: im Westteil einen neuen Verein gegründet. Gibt's den noch? Union 06, glaub schon,

00:32:19: ja ja, also jetzt nicht oberklassig sehr,

00:32:21: aber grundsätzlich schon, ja. Das wär ja ein richtiges Derby. Union gegen Union, genau ja.

00:32:27: Genau. Aber zurück ins Jahr 1948, am 18. Juli

00:32:29: sollte das Meisterschafts-Viertelfinale in Berlin stattfinden,

00:32:33: allerdings nicht in Köpenick, sondern im Olympiastadion,

00:32:36: das ausnahmsweise von der britischen Militärregierung zur Verfügung gestellt

00:32:40: wurde. Das Stadion lag nämlich im britischen

00:32:42: Sektor Berlins, das war nach den Kriegszerstörungen

00:32:45: mittlerweile wieder einigermaßen hergestellt.

00:32:47: Die Größe reichte aber dennoch nicht aus,

00:32:50: angeblich, laut Presseschlagzeilen, gab es 160.000 Kartenwünsche,

00:32:53: am Ende waren wohl um die 80.000 Zuschauer*innen im Stadion.

00:32:57: Die aufgrund eines Stromausfalls bei der S-Bahn zumeist zu Fuß zum Stadion pilgern

00:33:01: mussten. Wie viel - ja ach so, jetzt sahst Du so aus, als wenn Du was sagen

00:33:05: wolltest. Nein, gut. Wie viele von diesen etwa 80.000

00:33:07: Menschen im Stadion wirklich St. Pauli Fans waren,

00:33:10: besonders aus Hamburg angereist, ist uns leider unbekannt. Aufgrund der

00:33:14: schwierigen Reiseumstände vermutlich nicht allzu viele.

00:33:17: Ein anwesender Anhänger unseres Vereins ist uns allerdings bekannt,

00:33:21: jedenfalls hat er uns das mal geschrieben.

00:33:24: Horst Sydow aus Templin in der brandenburgischen Uckermark.

00:33:27: Jetzt schaut Ihr, genau. Sein Name taucht in diversen

00:33:30: Vereinszeitungen, besonders in den 1950ern und 1960ern

00:33:33: auf. Vor allem wurden viele seiner Kartengrüße

00:33:35: aus der DDR da abgedruckt, aber zum Beispiel wird auch über seine

00:33:39: bestandene Friseurmeisterprüfung informiert,

00:33:41: und da es einen Friseursalon Sydow noch heute in Templin gibt,

00:33:45: habe ich da mal hingeschrieben vor einiger Zeit.

00:33:48: Und daraufhin schrieb der nun schon über 90-jährige Herr Sydow unter anderem

00:33:52: zurück, dass er bei besagtem Spiel in Berlin im

00:33:54: Stadion war und sich da die Liebe zum FC St. Pauli entwickelt hat.

00:33:58: Er hatte sogar noch das Spielprogramm seit damals aufbewahrt.

00:34:01: Einen Namen machte sich Horst Sydow ansonsten übrigens als Friseur von Angela

00:34:06: Merkel, aber das nur ganz am Rande dieser

00:34:08: Geschichte. Aber das sind die Fakten, die ich hören will. Aber was macht Angela Merkel in Templin?

00:34:13: Aus der Uckermark, da ist sie doch her, ja,

00:34:17: also ursprünglich einmal aus Hamburg, wie wir ja wissen,

00:34:20: aber danach aus der Ecke da, ja.

00:34:24: Also wenn du den direkten Link zwischen FC St. Pauli und Angela Merkel suchst,

00:34:27: dann ist er in Templin zu suchen oder zu finden. Ja genau.

00:34:30: Ist sie ihrem Friseur dann auch treu geblieben?

00:34:33: Also es gibt tatsächlich einen Zeitungsbericht aus irgendeiner Berliner

00:34:36: Zeitung, auch schon jetzt 20 Jahre her oder so,

00:34:38: aber da wurde das mal, dass auch die Familie und ihr Ehemann und

00:34:41: bla und so ja, ja. Vor 20 Jahren ist sie gerade

00:34:43: Bundeskanzlerin geworden. Ja, deswegen war das wahrscheinlich die

00:34:46: Geschichte, die sie da dann ausgepackt haben oder so.

00:34:49: Also alles Gute in den Friseursalon nach Templin.

00:34:51: Ja, genau, Friseur. Aber das wie gesagt nur sehr am Rande

00:34:55: eigentlich. Interessanter ist natürlich an der ganzen Geschichte,

00:34:58: wie ist das Team des FC St. Pauli und die Begleitpersonen dann

00:35:01: eigentlich nach Berlin gekommen, das war nämlich gar nicht so einfach.

00:35:05: Denn am 24. Juni, also gut drei Wochen vor diesem Spiel,

00:35:08: hatte die sowjetische Blockade Berlins begonnen,

00:35:11: es gibt einen diesbezüglichen Schriftverkehr im Staatsarchiv Hamburg.

00:35:16: Sechs Tage vor dem Spiel schreibt der FC St. Pauli in Person von Präsident Wilhelm

00:35:20: Koch an den Hamburger Bürgermeister Max Brauer.

00:35:23: Koch war übrigens erst wenige Wochen zuvor wieder zum Vereinsvorsitzenden

00:35:27: gewählt worden, nach den knapp drei Jahren Zwangspause wegen

00:35:30: seiner NSDAP-Mitgliedschaft, das Thema hatten wir ja auch erst

00:35:34: kürzlich im Podcast Folge 21, aber auch nur das am Rande. Koch schreibt also an

00:35:38: Brauer und zwar im Auftrag der in Altona geborenen damaligen Berliner

00:35:42: Oberbürgermeisterin Louise Schroeder und

00:35:44: jetzt zitiere ich mal aus diesem Brief von Koch: "Frau Oberbürgermeisterin Louise

00:35:48: Schroeder hatte die Absicht, Sie heute Morgen telefonisch anzurufen

00:35:52: und Sie zu bitten, unter allen Umständen ihren Einfluss

00:35:55: dahingehend geltend zu machen, dass die Fußballmannschaft des FC St.

00:35:58: Pauli nebst Begleitung auf dem Luftwege am 17.

00:36:01: Juli nach Berlin gebracht und nach Beendigung des Spiels am 18. oder am 19.

00:36:05: Juli wieder nach Hamburg auf dem Luftwege zurückbefördert wird.

00:36:08: Frau Oberbürgermeisterin Louise Schroeder legt den größten Wert darauf,

00:36:12: dass die vorgesehene Veranstaltung, das Vorrundenspiel um die Deutsche

00:36:15: Fußballmeisterschaft, in Berlin unter allen Umständen stattfindet. Sie bedauert,

00:36:19: dass es ihr aus politischen Gründen nicht möglich war,

00:36:22: Sie heute Morgen persönlich zu sprechen, da sie Telefongespräche nur in

00:36:25: Anwesenheit eines russischen Offiziers hätte führen können." Ja.

00:36:30: Am gleichen Tag schreibt auch der Hamburger Sportbund mit der gleichen

00:36:34: Intention an Bürgermeister Brauer. Denn für die Vergabe von Flugzeugplätzen

00:36:38: in Richtung Berlin waren alleine die Hamburger Behörden zuständig.

00:36:41: Und auch hier wird noch die, Zitat, "staatspolitische Wichtigkeit" des Spiels

00:36:45: hervorgehoben. Senatsdirektor Erich Lüth antwortet

00:36:48: daraufhin dem Hamburger Sportbund schon am nächsten Tag und verweist unter

00:36:52: anderem auf die engen Taktungen der Flugzeuge nach Berlin aufgrund der

00:36:55: Versorgungsflüge, die nach Beginn der Blockade nötig wurden,

00:36:58: Stichwort Luftbrücke.

00:37:00: Auch ging es darum, dass die wenigen freien Passagierplätze

00:37:03: schon lange ausgebucht waren und es diesen Menschen gegenüber unzumutbar

00:37:07: gewesen wäre, diese Plätze zugunsten des FC St. Pauli

00:37:10: zu nutzen. Und da zitiere ich jetzt mal aus diesen

00:37:12: Brief: "Obgleich der Senat die Überführung einer

00:37:14: Hamburger Fußballmannschaft nach Berlin auf das wärmste begrüßt hätte,

00:37:18: könnte er es doch nicht verantworten,

00:37:21: die einzige Luftverbindung zwischen Hamburg und Berlin am Tage des Anflugs

00:37:25: dieser Mannschaft und am Tage des Rückflugs für die bereits zugelassenen

00:37:29: Reisenden unter Annullierung der Buchungen völlig zu blockieren.

00:37:32: Die Vornahme einer solchen Buchung stellt bereits eine Art Vertrag dar,

00:37:36: dessen Durchbrechung dem im Dritten Reich so oft beleidigten Rechtsgefühl eine neue

00:37:41: Verletzung zugefügt hätte." Ja.

00:37:44: "Die Schwierigkeiten der Überführung der Hamburger Fußballmannschaft sind mit

00:37:47: anderen Worten zu groß gewesen, als dass sie sich überwinden ließen.

00:37:51: Ich würde es in dieser Situation für verfehlt halten,

00:37:54: über das Bedauern anlässlich des Scheiterns aller Bemühungen hinaus

00:37:57: irgendwelche Vorwürfe zu erheben, außer gegen diejenigen,

00:38:00: die Berlin von den Westzonen unter Verletzung aller Gesichtspunkte der

00:38:04: Menschlichkeit abgeschnitten haben. Leider verfügt Hamburg über keine eigenen

00:38:08: Flugzeuge, über die es frei zu disponieren vermag."

00:38:10:

00:38:11: Ist ja verflixt, ja, also da ist richtig viel los und einen

00:38:14: Tag vor der Abfahrt schreibt dann der Hamburger Sportbund noch einmal an die

00:38:18: Pressestelle des Senats: "In Anbetracht der zweifellos bestehenden

00:38:21: Verschärfung der Lage um Berlin halte ich es für äußerst bedenklich,

00:38:25: ob die Fußballmannschaft ohne Zwischenfall Berlin im Autobus erreicht."

00:38:29: Also wir sind mitten in der Weltgeschichte angekommen. Wirklich.

00:38:32: Aber genau das ist dann passiert, nämlich eine Busreise nach Berlin und

00:38:36: offensichtlich auch erfolgreich, weil das Spiel hat ja stattgefunden.

00:38:40: Weitere Unterlagen sind da leider nicht erhalten geblieben. Jedenfalls nicht,

00:38:44: dass wir sie bisher kennen. Wir haben zwar einen Passierschein von

00:38:48: Harald Stender für die Sowjetische Besatzungszone,

00:38:50: aber der ist schon aus dem März 1948 und galt für ein Städtespiel

00:38:54: der Hamburger Auswahl in Berlin, aber einige Monate später sahen diese

00:38:57: Dokumente wahrscheinlich recht ähnlich noch aus.

00:39:00: Was es dagegen gibt, sind Bilder vom Grenzübertritt,

00:39:03: die wohl viele von Euch auch schon mal gesehen haben.

00:39:06: Team und Vereinsvorstand zu Fuß, mit dem Gepäck auf Handkarren unterwegs

00:39:10: oder aber Gruppenfotos mit sowjetischen Grenzsoldaten am Schlagbaum,

00:39:14: gemacht vom Hamburger Fotografen Hans Koch, der diese Momente festgehalten hat.

00:39:18: Die Reise verlief dann nämlich so, ein erster Bus hatte die

00:39:22: Reisegesellschaft von Hamburg aus bis an die Zonengrenze bei Herrnburg in der

00:39:26: Nähe von Lübeck gebracht.

00:39:28: Im Übrigen noch mit Panne zwischendurch, die von Autoschlosser Harald Stender

00:39:32: höchstpersönlich repariert wurde. Dann wurde das sogenannte Niemandsland zu

00:39:36: Fuß mit Gepäck auf Bollerwagen überbrückt und dort wartete dann ein zweiter Bus,

00:39:41: um die Reise nach Berlin fortzusetzen, das war wohl Bedingung der sowjetischen

00:39:45: Besatzungsbehörden, eine direkte Durchfahrt kam da

00:39:48: offensichtlich nicht in Frage. Das Spiel an sich ist schnell erzählt,

00:39:51: unter der Leitung von Schiedsrichter Huhn aus Schwaan,

00:39:54: also Schwaan mit Doppel-a, liegt irgendwo in Mecklenburg.

00:39:58: Aber ja, trotzdem ganz spaßig. Ließ der FC St.

00:40:01: Pauli den Berlinern keinerlei Chance und siegte mehr als deutlich mit 7:0. Heinrich

00:40:05: Schaffer traf dreifach, Fritz Machate doppelt,

00:40:08: Hermann Michael und Heinz Lehmann waren die weiteren Schützen,

00:40:12: die damalige Sportpresse war begeistert. Kurz zum weiteren sportlichen Verlauf,

00:40:17: eine Woche später unterlag der FC St. Pauli im Halbfinalspiel in Mannheim erst

00:40:21: nach Verlängerung mit 2:3 dem späteren Meister 1. FC Nürnberg.

00:40:25: Und wiederum drei Wochen danach

00:40:27: gewann der FC St. Pauli ein Freundschaftsspiel im

00:40:30: Volksparkstadion, da war es wieder, gegen die von den

00:40:33: Meisterschaftsfeiern offenbar etwas geschwächten Nürnberger mit einem

00:40:37: deutlichen Ergebnis von 5:0. Auch ein weiterer Fall von was wäre gewesen,

00:40:42: wenn. Es wäre zu dem Zeitpunkt gar nicht ganz unrealistisch gewesen,

00:40:45: dass in unserer Vereinschronik ein Meistertitel gestanden hätte.

00:40:49: Aber, nun. Nochmal zurück nach Berlin, denn eine Auswärtsfahrt beinhaltet ja nun

00:40:54: zwangsläufig auch eine Rückreise.

00:40:57: Diese wurde dann allerdings doch mit dem Flugzeug absolviert.

00:41:00: Die britischen Militärbehörden halfen da offenbar aus und die Maschine mit dem

00:41:04: braun-weißen Tross landete auf dem Militärflugplatz Faßberg in der

00:41:07: Lüneburger Heide. Von dort ging es dann mit einem Bus

00:41:10: zurück nach Hamburg. In Faßberg gibt es übrigens

00:41:12: offensichtlich auch ein Luftbrücken- Museum, wäre übertrieben, eine Ausstellung,

00:41:16: die daran erinnert, dass auf diesem Flugplatz halt ständig

00:41:19: die Flugzeuge nach Berlin abhoben und dann auch wieder landeten

00:41:23: natürlich und in dem Fall auch

00:41:26: das Flugzeug, wo das Team des FC St. Pauli mit drin war. Und eine Zeit später,

00:41:30: Pfingsten 1951, hat das Reserveteam des FC St.

00:41:32: Pauli in Faßberg ein Freundschaftsspiel absolviert.

00:41:35: Und auch in diesem Zusammenhang wurde dann noch mal an diese Begebenheit

00:41:39: erinnert. Ein Jahr nach dem Trip nach Berlin, also

00:41:42: 1949 dann, spielte der FC St. Pauli in der Meisterschaftsendrunde in

00:41:45: Hannover erfolgreich gegen den FC Bayern, und diese Begegnung war offensichtlich

00:41:50: besser erreichbar für die Anhänger*innen, denn da gibt es Bilder von einem Fanbus.

00:41:55: Menschen sind mit Tröten und bemalten Hüten ausgestattet und das hatte dann

00:41:59: schon etwas mehr mit dem zu tun, was wir heute unter einer Auswärtsfahrt

00:42:02: verstehen, wenn auch ganz sicher nur sehr

00:42:04: auszugsweise vergleichbar. Aber in Frankfurt hatte ich hier Tröte dabei

00:42:07: im Sonderzug. Und auch einen lustigen Hut wahrscheinlich, na ja,

00:42:11: sehr gut, ja genau, aber das ist dann eben Auswärtsfahrt,

00:42:14: aber mal anders, aber ich denke doch ein durchaus

00:42:16: spannender Teil und letztlich ja auch ein Teil der Weltgeschichte,

00:42:20: die wir da gestreift haben irgendwo. Absolut.

00:42:24: Ja, aber Hallo, das war das. Ja, gehe ich recht in der Annahme,

00:42:28: dass meine Geschichte nun die letzte ist. Das letzte Los trägt deinen Namen, ja genau,

00:42:34: ein Los, das deinen Namen trägt. Genau, ich erzähle,

00:42:38: nämlich eine Geschichte über ein Auswärtsspiel,

00:42:41: vielleicht eins der berüchtigtsten Auswärtsspiele, die der FC St.

00:42:46: Pauli jemals bestritten hat.

00:42:50: Ich nenne die Geschichte "Und außerdem war es kein Tränengas oder die lukrativste

00:42:56: Platzsperre der deutschen Fußballgeschichte".

00:42:59: Wir steigen ein mit einer kleinen Collage an Stimmen als Nachklapp eines

00:43:04: denkwürdigen Auswärtsspiels. "Die Brüder, die wollen keinen Fußball,

00:43:08: die wollen nur Randale, und deswegen zieht die Mauer wieder hoch,

00:43:13: 150 Meter, einen großen Adler und dann alles einscheißen.

00:43:17: Die ganze Republik. Wir sind friedlich, wollen St. Pauli anfeuern,

00:43:21: das ist unser Ziel. St. Pauli gehört in die erste Liga,

00:43:24: also friedlich, das ist unser Ziel, das ist das Einzige, was wir wollen,

00:43:28: mehr wollen wir nicht reden. Die scheiß St.

00:43:30: Pauli-Fans können sich nicht benehmen hier die allen,

00:43:33: das sind die letzten Nacken, sind das. Ach was, Scheiß St. Pauli ist normal.

00:43:38: Warum denn? Ja weil die irgendwie links drauf sind.

00:43:40: Punks, Bettler all so ein Scheiß bei denen, das wollen wir hier nicht sehen.

00:43:45: Ja, erstmal haben sie mit dem Stunk

00:43:47: angefangen und fingen an zu werfen mit Steinen im Stadion und das ist ja kein

00:43:52: Wunder, dass die ganzen Fans aufmobilisiert werden.

00:43:55: Nach dem Spiel kriegen wir die alle." Jo. Ja, vielleicht habt Ihr schon eine Ahnung um

00:43:59: welches Spiel es sich handelt. Eine leise Ahnung. Es ist die 72. Minute,

00:44:03: Torwart Klaus Thomforde reibt sich die Augen, kurz danach liegt er auf dem Boden.

00:44:09: Schiedsrichter Jürgen Jansen eilt zu seinem Assistenten Margenberg in die Linie.

00:44:14: Dieser reibt sich ebenfalls die Augen, klagt über ein Brennen und muss

00:44:18: minutenlang behandelt werden. Tumulte auf dem Platz,

00:44:21: Tumulte auf den Rängen, Ort des Geschehens, Ostseestadion in Rostock, es ist der 23.

00:44:26: September 1995 und wir hören noch mal rein:

00:44:29: "Gewalttäter im Hansastadion erhalten gegen den linken Feindclub St. Pauli

00:44:34: traditionell Verstärkung von auswärts.

00:44:36: In allen norddeutschen Bundesländern hatten rechtsextreme Gruppierungen

00:44:41: Anhänger mobilisiert, aber auch einfache Hansa-Fans trugen

00:44:45: Gesinnung zur Schau. Schals mit der Aufschrift "Deutsche,

00:44:49: wehrt euch, geht nicht zu St. Pauli" tauchten erstmals im Stadion auf,

00:44:54: Sprechchöre auf der anderen Seite, "ob Ost, ob West, nieder mit der Nazi-Pest".

00:44:59: Dann die ersten Krawalle, Steine, Dosen, Sitzbänke flogen über den Zaun,

00:45:04: der die Fangruppen trennte.

00:45:06: Es gab erste Verletzte. Straftaten, so die Polizei,

00:45:09: seien bisher ausschließlich von Hansa- Fans festgestellt worden.

00:45:13: Wut und Hass auf beiden Seiten. "Wenn einer Faschist ist,

00:45:17: ist er einfach dumm irgendwie und da gibt's nicht mehr zu sagen irgendwie.

00:45:22: Scheiß Zecken. Warum denn? Was wollen die denn hier, können wir nicht

00:45:26: ab, die mögen wir hier nicht, St. Pauli, die sind antinational alles.

00:45:32: Wir immerhin leben in Deutschland, also die St. Pauli,

00:45:35: die gehören normalerweise in Zoo, woanders gehören die nicht hin,

00:45:38: Das sind Wessis, asoziale Wessis. Wir sind normale Rostocker. Judenpresse.

00:45:42: Wir leben in unserem Land, und ich bin stolz drauf,

00:45:45: dass ich hier in Rostock bin" So, ja, fassen wir mal vielleicht das Sportliche

00:45:49: zusammen. Ja, warum nicht?

00:45:52: Am siebten Spieltag der Saison 95/96

00:45:54: treffen die beiden Tabellennachbarn aufeinander.

00:45:57: Der achte Rostock traf auf den fünften FC St. Pauli. Unglaublich, aber wahr.

00:46:02: Nach einem frühen 1:0 durch Stefan Beinlich führten die Rostocker früh und

00:46:07: dominierten das Spiel, St. Pauli kam mit der groben Gangart nicht

00:46:11: klar und verlor den Zugriff.

00:46:14: In der 69. Minute traf Steffen Baumgart, bekannt als ehemaliger Trainer des

00:46:19: Hamburger Sportvereins und aktueller Trainer von 1. FC Union Berlin,

00:46:23: zum verdienten 2:0. Und das soll es dann eigentlich vom

00:46:27: Sportlichen auch gewesen sein, denn drei Minuten nach dem 2:0 durch Steffen

00:46:32: Baumgart wird hinter dem Gästetor eine Rauch- beziehungsweise Tränengasbombe

00:46:36: gezündet. Torwart Klaus Thomforde erzählt bei der

00:46:40: Sportsendung "ran" seine Sicht der Dinge. "Zehn Minuten vor

00:46:43: Schluss. Dann war es mit dem Sport zu Ende,

00:46:46: eine Tränengasbombe flog aus dem Block der Rostock-Fans, Linienrichter Margenberg

00:46:50: musste minutenlang an den Augen behandelt werden,

00:46:53: aber Torwart Thomforde musste ausgewechselt werden. Jedenfalls fing es an,

00:46:57: dass der Linienrichter sich die Augen gerieben hatte und dann ging es dann

00:47:01: langsam rüber bis zum Tor und irgendwann brannten mir die Augen und ich bin

00:47:05: Kontaktlinsenträger und von daher hatte man ein starkes Fremdkörpergefühl

00:47:09: und Brennen.

00:47:10: Ich konnte die Augen gar nicht mehr aufhalten und mir blieb gar nichts

00:47:15: anderes übrig, als mich auswechseln zu lassen." Ja,

00:47:17: also der Torwart der gegnerischen Mannschaft muss aufgrund einer Rauch-

00:47:21: beziehungsweise Tränengasbombe ausgewechselt werden,

00:47:24: ein einmaliger Vorgang in Fußball- Deutschland und so ein Spiel kann

00:47:28: natürlich nicht gewertet werden, oder?

00:47:31: Oder, oder, oder? Reinhold Beckmann fragte mal bei Frank

00:47:35: Pagelsdorf nach, wie der denn das so sieht,

00:47:38: dem Trainer vom FC Hansa Rostock. "Herr Pagelsdorf,

00:47:42: Sie haben eben in der Pressekonferenz, glaube ich,

00:47:45: die Sache ein bisschen anders dargestellt, da war irgendwie das Gerücht zu hören,

00:47:51: oder die Information kam rüber, da wurde simuliert,

00:47:54: wie stehen Sie zu der Situation?

00:47:57: Der Klaus Thomforde ist ja nicht der einzige Kontaktlinsenträger.

00:48:01: Wir haben ja auch bei uns in der Mannschaft einige und es hatte keiner

00:48:06: Probleme. Außerdem war es kein Tränengas. Was war es denn?

00:48:09: War wahrscheinlich eine Rauchbombe. Mir tut der ganze Vorfall

00:48:14: natürlich leid, aber ich sage mal, ich dachte eigentlich immer,

00:48:18: dass der sportliche Bereich im Vordergrund steht und ich sage mal gegen

00:48:22: so einzelne

00:48:23: Leute kann man als Verein natürlich relativ wenig ausrichten." Ja,

00:48:27: es gab so einzelne im Block bei Rostock, die über die Stränge geschlagen sind,

00:48:31: sagt Frank Pagelsdorf. Er sagt auch, erstens, es wurde simuliert, zweitens,

00:48:35: es war gar kein Tränengas, weil es war eine Rauchbombe. Case closed,

00:48:39: würde ich mal sagen. Ein Spiel für die Geschichtsbücher und

00:48:42: der bis dahin gewaltsame Höhepunkt einer Rivalität zwischen den Fans von Hansa

00:48:46: Rostock und dem FC St. Pauli, eine Rivalität,

00:48:49: die mit Hass vielleicht sogar am treffendsten zu beschreiben ist.

00:48:53: Ein Spiel, das bis heute polarisiert. Doch bevor ich mich näher mit dem Spiel

00:48:58: und seinen Begleitumständen befasse, möchte ich irgendwie auch natürlich noch

00:49:04: mal wissen, wie ging das eigentlich los? Vorweg, in 24

00:49:07: Aufeinandertreffen der beiden Teams gab es kein einziges Unentschieden, 12 Siege,

00:49:13: jeweils, einige Rote Karten, Spielunterbrechungen durch Rauchbomben,

00:49:18: Wurfgeschosse, fliegende Bierbänke oder Toilettendeckel.

00:49:22: Da flog es sich ganz gut in den letzten Jahrzehnten zwischen Rostock und St.

00:49:28: Pauli. Das letzte Aufeinandertreffen der beiden

00:49:32: Teams war am 26. April 2024, St. Pauli hat gewonnen

00:49:36: am Millerntor mit 1:0 und stieg am Saisonende auf. Der FC Hansa stieg ab. Ja,

00:49:43: aber wie fing vielleicht eine der größten und

00:49:47: es ist, glaube ich, nicht übertrieben, wenn ich sage,

00:49:51: auch hasserfülltesten Rivalitäten des deutschen Profifußballs, wie fing das an?

00:49:56: Vielleicht hiermit: "Die zuständige Abteilung Pass- und Meldewesen der VP, der Volkspolizei-

00:50:01: Kreisämter in der DDR sind angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich

00:50:07: zu erteilen. Ab wann tritt das in Kraft? Das tritt, nach meiner Kenntnis ist das

00:50:12: sofort, unverzüglich."

00:50:14: Ja, durch ein vermeintliches Missverständnis

00:50:17: verkündete Günter Schabowski, Mitglied des Zentralkomitees der SED,

00:50:21: am 9. November 1989, dass es eine neue gelockerte Regelung für

00:50:26: DDR-Bürger*innen zur Ausreise in den Westen geben würde und dies unverzüglich,

00:50:31: wie wir gehört haben. Der Beginn des Mauerfalls und der Fall

00:50:35: der DDR, doch bis zur endgültigen Wiedervereinigung sollte es noch etwas

00:50:39: dauern. Die DDR-Oberligasaison 89/90 wurde zu Ende

00:50:43: gespielt.

00:50:45: Der FC Hansa, 1965 aus dem FC Empor Rostock hervorgegangen,

00:50:48: spielte bis dahin nur eine Nebenrolle in der DDR,

00:50:52: im DDR-Fußball und belegte am Ende der Saison 89/90 Platz 6.

00:50:55: Zur Folgesaison trat der Ostdeutsche Fußballverband dem Westdeutschen

00:51:00: Fußballverband bei und wurde zum NOFV, dem Nordostdeutschen Fußballverband,

00:51:05: den es bis heute gibt. Die letzte Spielzeit der DDR-Oberliga

00:51:08: wurde zu einer Art Qualifikation für das gesamtdeutsche Ligasystem.

00:51:14: Unter dem westdeutschen Trainer Uwe Reinders holte Rostock nicht nur das

00:51:18: Double aus Meisterschaft und Pokal, man qualifizierte sich sowohl für die nun

00:51:22: gesamtdeutsche Bundesliga und für den Pokal der Landesmeister,

00:51:25: also dem Vorgänger der Champions League. Gegen Barcelona haben die glaub ich

00:51:29: gespielt dann. Das sind die Spiele, für die man lebt als Fan.

00:51:33: Mit Rostock und Dynamo Dresden waren waren nun zur Saison 91/92 zwei Ostclubs

00:51:39: in der Bundesliga vertreten. Doch die Freude hielt nur eine Saison und

00:51:44: Rostock musste auf Platz 18 von 20 den Gang in die zweite Bundesliga antreten,

00:51:50: wo sie erstmals in einem Pflichtspiel auf den FC St. Pauli trafen.

00:51:54: Das erste Aufeinandertreffen gab es am 12. August 1992, Vorkommnisse keine.

00:52:01: So schrieb es zumindest das "Abendblatt" in ihrer Chronologie.

00:52:04: Ich zitiere, die "Chronologie des Hasses" von 2009: Doch 10 Tage später kam es im

00:52:09: Stadtteil Rostock-Lichtenhagen zu einem der massivsten rassistischen und

00:52:14: fremdenfeindlichsten Pogrome der deutschen Nachkriegszeit, vom 22. bis 26.

00:52:19: August beteiligten sich mehrere 100 rechtsextreme Randalierer und bis zu 3.000

00:52:24: applaudierende

00:52:25: Zuschauer an gewaltsamen Angriffen auf die ZAst,

00:52:28: also die zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber und ein nahegelegenes

00:52:32: Wohnheim, das sich im sogenannten Sonnenblumenhaus

00:52:35: in Rostock-Lichtenhagen befand. Nachdem die Aufnahmestelle am Montag,

00:52:39: dem 24. August evakuiert worden war, wurde das angrenzende Wohnheim im

00:52:43: Sonnenblumenhaus, in dem sich noch über 100

00:52:46: vietnamesische Asylbewerber und ein Fernsehteam des ZDF aufhielt, mit

00:52:50: Molotow-Cocktails in Brand gesteckt. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung

00:52:55: zog sich die Polizei zeitweise vollkommen zurück und die

00:52:59: Eingeschlossenen waren schutzlos sich selber überlassen. Am 29. August,

00:53:04: also drei Tage nach dem Pogrom, initiierten linke Gruppen aus Ost- und

00:53:08: Westdeutschland eine Demo in Rostock- Lichtenhagen,

00:53:11: unter ihnen die Redaktion des "Millerntor Roar!".

00:53:16: Am 30. August zum Spiel gegen den VfL Wolfsburg veröffentlichte der "Millerntor Roar!"

00:53:20: dann ein Flugblatt mit der Überschrift "Es gibt wichtigere Dinge als

00:53:25: den MR! Auch wir waren gestern in Rostock, um uns an der Demonstration gegen den

00:53:30: rassistischen Terror zu beteiligen, anstatt uns um die anstehende

00:53:34: Fertigstellung des nächsten MR! Zu kümmern. Deshalb erscheint der MR!

00:53:38: Nummer 24 nicht wie geplant zum Spiel gegen den VfL Wolfsburg,

00:53:42: sondern eine Woche später gegen den 1. FC Nürnberg."

00:53:46: In der Saison, in der es also im Hinspiel am Millerntor

00:53:50: keine Vorkommnisse gab, gab es natürlich auch noch ein Rückspiel

00:53:55: im März 1993

00:53:56: in Rostock und auch hier berichtet der MR! über dieses Auswärtsspiel.

00:54:00: Zitat dann: "Doch offensichtlich befindet man es in Rostock nicht für nötig,

00:54:04: den Gästefans einen sicheren An- und Abfahrtsweg zu gewährleisten oder wie

00:54:08: sonst ist es zu erklären, dass sowohl die Busse als auch die PKW

00:54:12: vor dem Haupteingang, also direkt vor der Rostocker Kurve,

00:54:15: parken sollten?

00:54:16: Zum Spiel selbst: Von Anfang an wurden wir sowohl vom rechten Kurvenbereich,

00:54:20: wo sich zu diesem Zeitpunkt die meisten Hools versammelten,

00:54:23: als auch von der Haupttribüne aus verbal angegriffen. Sieg Heil und ähnliches,

00:54:27: dies wurde ebenso verbal erwidert. Mitte der zweiten Halbzeit stand in unserer

00:54:31: Kurve ein Hool, der zuvor auf der anderen Seite als

00:54:33: Rädelsführer auftrat. Als dieser erkannt wurde,

00:54:36: kletterte er über den Zaun in den Innenraum, riss eine St.

00:54:39: Pauli-Fahne ab und rannte in Richtung Hool-Ecke,

00:54:41: er wurde von Ordern abgefangen und abgeführt.

00:54:44: Später beobachteten wir diesen Hool, als er am oberen Kurvenrand freundlich

00:54:48: mit den Ordnern plauderte. Wie kann es angehen,

00:54:51: dass dieser mit einer gelben Badekappe nicht gerade unauffällig gekleidete Typ

00:54:55: unbehelligt bis in unseren Bereich gelangt?" Gute Frage.

00:54:59: "Circa 20 Minuten vor Abpfiff eskalierte die Situation dann vollends, vom oberen

00:55:03: Kurvenrand aus konnten wir beobachten, wie über den hinter der Haupttribüne

00:55:07: gelegenen Parkplatz und den vorgelagerten VIP-Parkplatz circa 400 Hooligans

00:55:12: heranstürmten.

00:55:14: Diese gelangten ungehindert in den Stadionbereich und versuchten, die St.

00:55:17: Pauli-Ecke zu stürmen. Nun machte sich Panik unter uns breit,

00:55:21: da gleichzeitig aus dem rechten Kurvenbereich Hools versuchten uns

00:55:24: anzugreifen. Die große Gruppe Hools wurde dann von

00:55:27: einem Wasserwerfer kurz zurückgedrängt und stürmte nun die Haupttribüne,

00:55:31: von wo aus sie die St. Paulianer bepöbelten und mit Gegenständen

00:55:34: bewarfen, gleichzeitig öffneten sie eine Glastüre

00:55:37: und versuchten in direkten Kontakt mit uns zu treten.

00:55:40: Das war der Augenblick, in dem unsere Leute angesichts einer

00:55:43: völlig planlos agierenden Polizei zur Selbsthilfe griffen und Gegenstände

00:55:47: zurückwarfen, um die Hools fernzuhalten. Ein St. Pauli-Fan erlitt in

00:55:51: dieser bedrohlichen Situation einen Herzanfall,

00:55:54: andere wurden durch Steinwürfe verletzt." Ja,

00:55:56: das war tatsächlich ein sehr spannendes Spiel, weniger vom Sport,

00:56:00: da war ich tatsächlich da, da war ich noch jung und unbedarft und

00:56:03: bin auch da zu solchen Spielen hingefahren.

00:56:07: Ja, das war so, wie es beschrieben war, tatsächlich sehr beängstigend

00:56:11: tatsächlich, muss man deutlich sagen, und was dabei noch folgte, war,

00:56:14: man hat das ja im Vorwege natürlich alles geplant, wie reist man an,

00:56:18: wie reist man ab und wir haben dann auch, also nicht alle, aber ein Großteil, der,

00:56:22: ich nenne es jetzt mal aktiven Fanszene, hatte gesagt,

00:56:24: warum nicht noch länger in Rostock bleiben und denn es gab abends noch ein

00:56:28: Konzert im Mau Club, den gibt es heute immer noch, ein, ja,

00:56:31: ich nenne es jetzt mal linkes Kulturzentrum,

00:56:33: kann man es denk ich mal nennen.

00:56:35: Und da gab es dann ein Konzert, abends Vorband ...But Alive,

00:56:38: Hauptband Slime und da ja sind wir dann noch hin und also jetzt die genauen

00:56:42: Umstände, natürlich alles ein bisschen verschwommen

00:56:45: über die Jahre, aber ich weiß noch irgendwie das Dirk

00:56:47: dann irgendwann von der Bühne aus dann zwischendurch mal sagte,

00:56:51: "ach übrigens wir unterbrechen mal kurz, kommt man alle mit raus" oder so nach dem

00:56:55: Motto, weil nach dem Motto da draußen sammeln sich gerade irgendwelche Leute

00:56:59: und

00:57:00: denen sagen wir mal kurz guten Tag und dann ich

00:57:01: glaub das ging dann tatsächlich wirklich noch weiter

00:57:03: nach einer Viertelstunde oder 20 Minuten ging das Konzert dann irgendwie noch

00:57:06: weiter, weil also das sind wirklich so ein bisschen

00:57:08: verschwommene Erinnerungen, aber so grob in der Richtung, war ein

00:57:11: spannender Tag.

00:57:12: Ja, der der Mau Club genau, und dazu erwähnt vielleicht noch das

00:57:16: Peter-Weiss-Haus, also zwei linke Institutionen einer auch

00:57:20: lebendigen, für viele die sich mit der Stadt Rostock nicht auseinandersetzen,

00:57:24: vielleicht manchmal überraschenden Erkenntnis,

00:57:27: dass es natürlich Rostock eine sehr aktive linke Szene hat und eben dadurch

00:57:32: auch zwei wirklich überregional bekannte linke Zentren wie das Mau und das

00:57:36: Peter-Weiss-Haus.

00:57:38: Direkt neben diesem Auswärtsbericht im MR! findet sich eine skurrile Ankündigung.

00:57:45: "Dreharbeiten in Rostock". Es handelt sich um die Dreharbeiten für den Film

00:57:52: "Schicksalsspiel" vom Studio Hamburg und dieser wurde zwei Wochen vor dem Spiel in

00:57:58: Rostock in Rostock mit St. Pauli-Fans

00:58:02: gedreht. Es handelt sich dabei um einen Film von

00:58:05: dem Regisseur Bernd Schadewald, der ursprünglich einen Film in einer

00:58:09: Romeo und Julia-Romanze machen wollte, mit Fußballfans bezogen auf Dortmund -

00:58:14: Schalke, das hat aus irgendwelchen Gründen nicht

00:58:17: geklappt und er hatte sich überlegt, vielleicht mache ich dann St.

00:58:21: Pauli gegen Rostock, eine Liebe, die nicht sein darf.

00:58:25: Sven Brux, damaliger Fanbeauftragter und Teilnehmer des Drehs, erinnert sich:

00:58:30: "Dreharbeiten am Stadion, die waren dann auch, da

00:58:33: waren auch Begegnungen mit Rostock-Fans eben drin,

00:58:35: weil die ja auch Komparsen gestellt hatten und die Szene, wo der St.

00:58:39: Pauli-Haufen ins Stadion kommt, eine Treppe hoch,

00:58:42: da sah das Drehbuch halt eine Konfrontation an einem Trennzaun zum

00:58:46: Nachbarblock vor, das war dann ein bisschen aus dem Ruder

00:58:49: gelaufen, da wurden dann richtig Wurfgeschosse

00:58:52: ausgetauscht und so weiter.

00:58:54: Und da war eine Einheit Polizeischüler, die dann die Polizei gespielt hatten,

00:58:59: und die gerieten dann zwischen die Fronten.

00:59:01: Gibt es auch noch Bilder von und dann wieder Drehpause und Abbruch und dann

00:59:06: Megafon, "Achtung Achtung liebe St. Pauli-Fans,

00:59:09: gebt doch bitte das geklaute Funkgerät und die Knüppel zurück,

00:59:13: die Ihr der Polizei abgenommen habt im Gedrängel" und war auch eigentlich der

00:59:18: Beginn des Hasses zwischen Rostock und St. Pauli.

00:59:21: Also der Film, also man hat sich vorher schon nicht gemocht und der Film hat dann

00:59:26: noch einen drauf gesetzt, weil man muss ganz klar sagen,

00:59:29: die Doofen in dem Film waren die Rostocker." Genau, eine Romeo und Julia-

00:59:33: Geschichte mit Conny und Roland statt Romeo und Julia, Roland, der St.

00:59:37: Pauli-Fan, Conny, ein Fan des FC Hansa Rostock. Für Sven,

00:59:40: also Sven Brux, gerade eben gehört, der Beginn der wirklichen tiefen Feindschaft

00:59:44: zwischen St. Pauli und Rostock.

00:59:47: Damals hatten sich dann die Fans des FC St. Pauli aktiv in das Drehbuch

00:59:52: eingemischt, um ja schlimmere Klischees abzuwenden.

00:59:56: Das hatten die Rostocker laut Sven nicht gemacht und mussten dann mit dem

01:00:01: Endergebnis leben. Am Ende wird Roland, der St. Pauli-Fan, von dem Bruder von

01:00:06: Conny, gespielt von Jürgen Vogel, am Millerntor-Stadion erstochen oder

01:00:11: erschossen, ich glaube erstochen. Erstochen.

01:00:15: Beim Spiel gegen Fortuna Düsseldorf, richtig und am Ende gibt's Pyro,

01:00:19: gestellt vom Filmteam oder von der Produktion wurde Pyro gestellt

01:00:23: und dann durfte gezündelt werden, auch im Auswärtsblock und im Heimblock

01:00:27: und da gibt's dann am Ende des Films so eine Einstellung aus der Luft,

01:00:31: wo man dann Pyro im ganzen Stadion sieht, also jetzt nicht flächendeckend,

01:00:35: aber schon immerhin, hab den länger nicht

01:00:37: mehr gesehen, aber ja. Den Film muss ich mir vielleicht

01:00:40: noch mal angucken, ja oder auch nicht.

01:00:43: Ja, wie auch immer, die Frage ist ja auch, wie kam Regisseur Bernd Schadewald auf

01:00:48: die Idee, diese Feindschaft zwischen Rostock und St.

01:00:51: Pauli darzustellen, war doch laut den Zeitungen im August 1992

01:00:55: keine Auseinandersetzung zu verzeichnen und die Dreharbeiten fanden zwei Wochen vor

01:00:59: der ersten richtig großen Eskalation zwischen St. Pauli und Rostock statt.

01:01:03: Vielleicht müssen wir da sogar noch ein bisschen weiter zurückgehen ins Jahr 1990,

01:01:08: denn neben der anstehenden Wiedervereinigung gab es noch ein

01:01:12: weiteres Ereignis oder mehrere verschiedene Ereignisse,

01:01:17: welche ein Schlaglicht auf Hooliganismus in Deutschland wirft.

01:01:22: Vielleicht einer der Punkte, wo man merkt, dass rechtsradikalen und nationalen

01:01:28: Kräften es massiven Aufwind gab, war: "Ja,

01:01:35: Tor für Deutschland, 1:0 durch Andreas Brehme."

01:01:38: Durch das Elfmetertor von Andreas Brehme zum 1:0 wurde Deutschland in Rom gegen

01:01:43: Argentinien zum dritten Mal Weltmeister. Gesamt

01:01:45: Fußball-Deutschland jubelte, Ost und West vereint im glückseligen nationalen Taumel.

01:01:51: Deutschland war Weltmeister, Deutschland war wieder eins,

01:01:54: Deutschland war wieder wer. Dieses Ereignis überdeckte vielleicht

01:01:58: auch massive Probleme mit Gewalt im deutschen Fußball zu der damaligen Zeit.

01:02:03: Im April 1990

01:02:04: titelte der "Spiegel" "Völlig außer Kontrolle. Andy 19 und Tom 20, zwei

01:02:08: Fußballfans", ich zitiere aus dem "Spiegel", "die sich sonst nur im Namen des Hamburger

01:02:14: SV schlagen, waren völlig platt. Im Rostocker Stadion fanden sie einfach

01:02:20: traumhafte Verhältnisse vor, herumliegende Steine boten reichlich

01:02:25: Wurfmunition, aus Holzbänken ließen sich prima Latten zum

01:02:29: Knüppeln raustreten.

01:02:31: Begeistert kehrten die Hamburger Hooligans von ihrem ersten Einsatz im

01:02:35: Osten zurück. Beim Oberligaspiel zwischen Hansa Rostock

01:02:38: und dem FC Magdeburg Anfang März war es in der Halbzeit 50 Hamburger und rund 200

01:02:43: Rostocker Hools gelungen, den 400 Mann starken Magdeburger Anhang

01:02:47: unbehelligt über das Spielfeld aus dem Stadion zu hetzen. Die 30 Vopos,

01:02:52: schwärmte Tom, standen nur rum". Neonazis und Hooligans aus

01:02:55: Westdeutschland fanden im Osten also paradiesische Zustände im Jahr 1990.

01:03:01: Im September 1990 wurden bei diversen Fußballspielen bereits Schusswaffen durch

01:03:05: Polizisten eingesetzt. Ein Volkspolizist schoss einem jungen

01:03:08: Fußballfan ins Bein, der erste Tote war nur noch eine Frage

01:03:11: der Zeit und der "Spiegel" schrieb:

01:03:14: "In nahezu jeder DDR-Stadt haben sich Skin- und Faschobanden gebildet,

01:03:17: die Randale wie einen Sport betreiben und sich dabei mit Nazisprüchen wie "SA

01:03:21: marschiert", "Juda verrecke", "Schlagt die Linke", "Sieg, Sieg,

01:03:25: Sieg" in Stimmung bringen. Bei Angriffen auf Ausländerwohnheime und

01:03:28: Kommunikationszentren linker Gruppen bewaffnen sie sich gerne mit

01:03:32: Gummigeschossen und Molotow-Cocktails.

01:03:35: Es wird weiter aufgerüstet." Jetzt ein Zitat:

01:03:37: "Die Militanz von extremistischen Gruppierungen ist angewachsen,

01:03:41: warnt DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel in seinem jüngsten

01:03:45: Sicherheitsbericht. Eine sprunghafte Zunahme registriert der

01:03:49: Christdemokrat bei der ungesetzlichen Einfuhr von Waffen,

01:03:54: Munition, Schussgeräten und anderen gefährlichen

01:03:57: Gegenständen." Peter-Michael Diestel wird uns gleich

01:04:00: noch einmal begegnen.

01:04:02: Dr. Jutta Braun vom Zentrum für Zeithistorische Forschung erklärte das

01:04:07: Phänomen der aufflammenden Gewalt im Osten, vor allem im Jahr 1990,

01:04:11: da es ein regelrechtes Kontrollloch gab, was mit dem Verlust der Autorität der

01:04:17: Volkspolizei durch das Ende der DDR zusammenhing.

01:04:20: Im November 1990 kam es beim Spiel FC Berlin,

01:04:23: dem Nachfolgeverein von Dynamo Berlin und damit besonders gehasst bei vielen

01:04:29: ostdeutschen Fußballfans, und Sachsen Leipzig, heute Chemie, zu einer

01:04:33: mehrstündigen Ausschreitung von Hooligans und Polizisten im Bahnhofsgelände von

01:04:37: Leipzig-Leutzsch. Es sollen mehrere Warnschüsse abgegeben

01:04:41: worden sein, nachdem Polizisten von Hooligans

01:04:43: eingekesselt wurden. In dieser Situation wurde der erst 18-

01:04:46: jährige Mike Polley von einer Polizeikugel tödlich getroffen,

01:04:50: der Tathergang ist jedoch ungeklärt, es wurde auch von einem angeblich

01:04:54: hinterrücks getätigten Schuss berichtet.

01:04:56: Ein geplantes Freundschaftsspiel zwischen Deutschland und der DDR Mitte November im

01:05:02: Zentralstadion von Leipzig wurde daraufhin ersatzlos abgesagt.

01:05:06: Sollte das große

01:05:08: Abschiedsspiel sozusagen werden zwischen BRD und DDR genau. Ich glaube,

01:05:12: es lag auch daran, das war, glaube ich, die eigentliche Qualifikation für die

01:05:16: Euro 92. Nee, das war schon, also es gab die Auslosung noch genau,

01:05:20: also, man hätte das zweite Mal sozusagen

01:05:23: offiziell aufeinander getroffen nach der WM 1974,

01:05:26: aber das ist dann aber auch schon nicht mehr passiert,

01:05:30: weil einfach eben den Verband es dann nicht mehr gab,

01:05:33: aber das sollte so das letzte Spiel sein, das überhaupt offiziell eine DDR-

01:05:37: Auswahl

01:05:38: bestreitet und so ein Vereinigungsländerspiel der beiden Verbände

01:05:42: oder irgendwie so. Ja, aber genau das wurde halt dann aus aus

01:05:46: Angst vor Ausschreitungen im weitesten Sinne dann abgesagt.

01:05:50: In dieser aufgehitzten Atmosphäre fünf Wochen nach dem Vorfall um den getöteten

01:05:54: Mike Polley, kam es zum ersten Aufeinandertreffen von

01:05:58: Hansa Rostock und dem FC St. Pauli.

01:06:00: Werder- Legende Dieter Burdenski lud zwischen

01:06:03: Weihnachten und Silvester 1990 zu einem zweitägigen Hallenturnier in Kiel und

01:06:08: Schwerin ein. Los ging es am 29.12 in der Kieler

01:06:10: Ostseehalle. Neben den Gastgebern von Holstein Kiel waren noch namhafte Teams

01:06:15: wie Borussia Mönchengladbach, Ajax Amsterdam, der Bundesligist FC St.

01:06:19: Pauli und der DDR-Oberliga-Sechste Hansa Rostock vertreten,

01:06:23: der zu dem Zeitpunkt bereits Herbstmeister der Saison 1990/91 in der

01:06:27: DDR-Oberliga war.

01:06:29: Das "Abendblatt" schrieb, Christoph, vielleicht kannst Du das einmal hier

01:06:33: zitieren. Der obere gelbe Bereich nur. "Für den FC

01:06:35: St. Pauli dauerte die Winterpause nur 12 Tage und auch Trainer Helmut Schulte

01:06:40: war früher aus dem Skiurlaub in Österreich zurückgekehrt.

01:06:43: Sympathiewerbung im Umland und Geld verdienen,

01:06:46: so lautete das Motto des vom Abstieg bedrohten Bundesligaclubs.

01:06:50: Die erste Gelegenheit, nach Stollen und Weihnachtsbraten

01:06:53: möglicherweise vorhandenen Festtagsspeck abzubauen,

01:06:56: gab es gestern in der Kieler Ostseehalle. Beim dritten internationalen

01:06:59: Hallenfußballturnier wurden Stollen mit Sportschuhen vertauscht". Ja gut,

01:07:03: sonst wäre das beim Laufen ein bisschen schwierig gewesen. "Hansa Rostock,

01:07:07: der Herbstmeister der Oberliga Nordost, war mit lautstarker Streitmacht in die

01:07:11: Ostseepartnerstadt gekommen.

01:07:12: Die Fanclubs Blauadler, FC Wikinger und Nautilus machten den Männern

01:07:17: aus der Hansestadt Beine. Mehr oder weniger intelligente

01:07:21: Spruchbänder "Beim Ball und beim Bier - Siegen tun nur wir",

01:07:25: machten die Wikinger auf sich aufmerksam." Och ja, also frisches, kreatives Häufchen.

01:07:30: Ausgelassene Stimmung also in der Kieler Ostseehalle.

01:07:36: Zwei Tage später in Schwerin sah es ein bisschen anders aus,

01:07:40: begrüßte zu Beginn der Hallensprecher noch die Fans mit den Worten "Herzlich

01:07:44: willkommen zum besten Turnier, das Schwerin seit 1945 gesehen hat",

01:07:48: so kippte nach einer Niederlage der Rostocker die Stimmung.

01:07:51: Verschiedene Rostocker Fangruppen gingen erst mal selbst aufeinander los.

01:07:55: Nach dem Turnier kam es vor der Halle zu einem folgenschweren Angriff auf den

01:08:00: Mannschaftsbus des FC St. Pauli und das "Abendblatt" schrieb: "Schwerin.

01:08:05: Der Mannschaftsbus des FC St. Pauli schob sich im Schneckentempo

01:08:09: vorwärts. Plötzlich krachte es, Pflastersteine und Bierdosen flogen,

01:08:12: Fensterscheiben zerbarsten, in die Karosserie

01:08:15: bohrten sich faustgroße Löcher." Nicht sehr stabil. "Die Spieler des FC St.

01:08:19: Pauli krochen unter die Sitze in Deckung, Jagdszenen am Sonnabend in Schwerin,

01:08:23: Hooligans aus Rostock, verstärkt durch einige extra angereiste

01:08:27: Fans des HSV-Fans, in Anführungszeichen,

01:08:30: griffen nach dem Hallenfußballturnier in der Schweriner Sport- und Kongresshalle

01:08:34: die Gäste vom Millerntor an und die hilflose Polizei schaute zu.

01:08:37: "So etwas haben wir noch nie erlebt, es hörte sich an,

01:08:40: als ob da Bomben einschlugen, hier fahren wir freiwillig nie wieder hin",

01:08:44: fassten die geschockten Profis ihre Eindrücke nach der Schlacht zusammen.

01:08:47: Nur weil die zweite Schicht der doppelten Fensterverglasung hielt,

01:08:51: konnte der schwer lädierte Bus die Rückreise nach Hamburg antreten,

01:08:54: der Sachschaden geht in die Tausende.

01:08:57: Der schwere Zwischenfall von Schwerin hat Folgen.

01:09:00: Manager Herbert Liedtke, der bereits während der Spiele bei der

01:09:03: Turnierleitung gegen die Belästigung von St.

01:09:06: Pauli-Fans durch Rostocker Randalierer protestiert hatte, kündigte gestern an,

01:09:10: "Klare Sache, das für den 12. Februar bei Hansa Rostock geplante Freundschaftsspiel

01:09:15: werden wir absagen". Ach spannend, das wusste ich gar nicht,

01:09:18: dass das mal geplant war, war mir bisher unbekannt. Ja,

01:09:22: also HSV- und Hansa-Hools gemeinsam gegen St. Pauli im Dezember 1990,

01:09:26: um einen Bus zu entglasen und damit sind wir auch wieder im September 1995,

01:09:31: denn auch dort wurde versucht Busse zu entglasen.

01:09:34: Auf dem Weg zurück aus dem Stadion nach dem Rauchbombenspiel griffen Hansa-Hools

01:09:39: die Busse der Auswärtsfans an, die auf dem Weg zurück zum Bahnhof waren.

01:09:43: Wir hören jetzt noch mal ein paar Stimmen von St. Pauli-Fans,

01:09:47: die der NDR eingefangen hat. "Abfahrt der St. Pauli-Fans nach dem

01:09:51: Spiel.

01:09:51: Auf dem Weg durch Rostock fliegen Steine, Scheiben gehen zu Bruch.

01:09:55: Ein Insasse berichtet: "Als wir aus dem Stadion raus waren,

01:09:59: im Prinzip bis zum Doberaner Platz,

01:10:01: war das fast ein Spalier von zum Teil Kindern, ja 13-14-15 mit Hitlergruß ja,

01:10:06: es gab alles, es gab also die Drohgebärde mit der Faust,

01:10:10: es gab den Mittelfinger, es gab die weiß ich hier der

01:10:13: sogenannte Kühnengruß, es gab den exakten Hitlergruß,

01:10:16: alles durcheinander, ja.

01:10:19: Wir sitzen hier im Bus. Meine Freundin sitzt direkt vor mir,

01:10:22: der Stein knallt genau da in die Scheibe, wo ihr Kopf war,

01:10:24: wenn die Scheibe nicht gewesen wäre, möchte ich nicht wissen,

01:10:27: was jetzt los gewesen ist. Und dann soll bitte noch einer mal hier

01:10:30: was dagegen sagen, dass wir Hass auf Rostocker kriegen,

01:10:33: tut mir leid, also ich hab ihn ganz bestimmt. Von den

01:10:35: Rostockern einen Stein abgekriegt, ich komm mir echt vor hier

01:10:39: in Rostock als wenn ich irgendwie auf dem Mond bin oder so oder in einer ganz

01:10:42: anderen Welt.

01:10:44: Da ist ne Scheiß Glatze mit nem Hitler T- Shirt mit nem original Hakenkreuz drauf.

01:10:48: Ich sag zu dem einen Bullen irgendwie "Guck mal da oben, das ist Verwendung

01:10:52: verfassungswidriger Kennzeichen", sagt er zu mir "ja was sollen wir denn

01:10:55: machen wenn wir da reingehen gibt's Randale". Was geht's hier die ganze Zeit ab,

01:10:59: hier fliegen die Steine rein und so, ach ist doch alles scheiße hier". Ja ist doch alles

01:11:03: scheiße hier. Wir hörten übrigens gerade unseren aktuellen Sicherheitschef Sven

01:11:07: Brux ja und der "Übersteiger"

01:11:10: in seiner Ausgabe vom Oktober 1995 berichtete auch quasi in einer

01:11:15: ausführlichen Presseschau über die Vorkommnisse beim Rauchbombenspiel und

01:11:20: stieß auf einige seltsame Pressevertreter. "Stadionzeitungen strahlen nie

01:11:26: eine besondere Intelligenz aus, aber der "FCH-Kurier" ist da noch ein ganz

01:11:32: besonderer Fall. Ausgabe 46 zum Spiel gegen den FC St.

01:11:35: Pauli begrüßte uns unter anderem so.

01:11:39: Ich zitiere aus der Stadionzeitung des FC Hansa Rostock: "Über den Erfolg entdeckt

01:11:43: sich die norddeutsche Region in einer Gemeinsamkeit,

01:11:45: geprägt durch den Stolz auf ihre Fußballhelden. Nur folgerichtig,

01:11:49: dass auch die traditionelle Freundschaft zwischen den Vereinen auf anderen

01:11:53: Gebieten auflebt. Folgerichtig, dass die wahren Fangruppen beider Vereine

01:11:57: da nicht nachstehen, falls es auf dem Rasen keinen Sieger gibt.

01:12:01: Gemeinsamkeiten der Fans von St. Pauli und Rostock stellen Pluspunkte dar".

01:12:05: Das "Hamburger Abendblatt" vom 25. September zitierte in diesem Sinne dann

01:12:09: auch einen Rostocker Fan beim Erblicken von einigen Hamburgern. Zitat "Ich hasse euch,

01:12:13: ich hasse euch, es gibt nichts was ich so hasse".

01:12:17: Ja, Gemeinsamkeiten. Also man muss ganz kurz

01:12:19: sagen einfach, man muss natürlich schon sagen,

01:12:22: es gab zu dem Zeitpunkt gerade in diesen eher frühen 90ern, Mitte 90er

01:12:26: durchaus Kontakte nach Rostock, ganz gute Kontakte,

01:12:28: es gab da zum Beispiel ein Fanmagazin in Rostock, "FröSi",

01:12:31: fröhlich sein und singen, mit der Redaktion hatten wir dann auch ganz gute

01:12:35: Kontakte, die waren auch öfter hier, auch so mal zu Spielen, also das,

01:12:38: es gab da schon durchaus vernünftige Menschen, so ist es nicht,

01:12:41: aber im Großen und Ganzen waren das dann schon eher diese Hass, Hass, Hass-

01:12:45: Geschichten, ja, das stimmt wohl.

01:12:47: Dann der "Übersteiger" berichtet weiter, "Selbst aus dem VIP-Bereich kamen rüde

01:12:52: Beleidigungen", schreibt die Welt und Jürgen Wähling

01:12:55: bestätigte, dass auch auf der Haupttribüne der "Scheiß

01:12:58: St. Pauli"-Schal ein beliebtes Kleidungsstück

01:13:01: war. Der Tenor der NNN-Leser, die dort einen Leserbrief abgedruckt

01:13:05: haben, NNN ist die "Norddeutsche Neueste

01:13:07: Nachrichten", ist jedoch "Die Situation ist durch das unangepasste provozierende

01:13:12: Verhalten der Hamburger hochgekocht worden".

01:13:17: Nicht so nebensächlich dagegen die Aussage der NNN,

01:13:20: also der "Norddeutschen Neuesten Nachrichten" vom 25. September.

01:13:23: "Ein Feuerwerkskörper macht Dampf. Es bleibt jedoch die Frage,

01:13:27: was ihn absandte. Warum sollte ein Hansa- Anhänger das tun?" und etwas weiter "und

01:13:31: Hansa-Fans für den Rauch verantwortlich zu machen,

01:13:34: weil er in der Nähe ihres Blocks aufstieg ist eine Beleidigung und Vorverurteilung."

01:13:38: Genau, so ist das nämlich. Und am Millerntor ist das alles nämlich

01:13:42: viel schlimmer. Zum Beispiel hat Frank Pagelsdorf zum

01:13:45: letzten Gastspiel von Hansa in der NNN gesagt,

01:13:47: "Mir sind Bierflaschen und Würste um die Ohren geflogen",

01:13:50: der "Übersteiger" kommentiert dies mit "Komisch,

01:13:52: obwohl ich immer ziemlich genau hinter den gegnerischen Trainern stehe,

01:13:56: habe ich keine fliegenden Biere gesehen und auch keine fliegenden Würste".

01:14:00: Nicht erwähnt wird außerdem in dem Artikel,

01:14:02: dass die beschriebene Rauchbombe aus dem Hansa-Block kam.

01:14:05: Für alle offensichtlich, nun denn.

01:14:07: Das also sagte die Presse zum 23. September 95. Vielleicht hätte ich noch

01:14:12: mehr finden können, aber ich denke mir, dass diese genügen sollte.

01:14:17: Aber in schönster Kalauer Manier verabschiede ich mich natürlich nicht

01:14:21: ohne zu sagen, einen habe ich noch. Hansa-Präsident Peter-

01:14:25: Michael Diestel sagte in der "Norddeutschen Neuesten Nachrichten" am 26.

01:14:29: September

01:14:30: "Gegen Hansa läuft eine Medienkampagne, ein Frontalangriff auf das

01:14:35: Erscheinungsbild des Vereins. Es scheint, hier wird ein zweites Lichtenhagen

01:14:40: konstruiert". PS sagt der "Übersteiger" und noch mal Herr

01:14:43: Diestel in der NNN, also die besonders schönen Freunde, wieder

01:14:47: Diestel, "Hier wird versucht den Eindruck zu

01:14:50: vermitteln, dass Hansa-Fans zu Übergriffen neigen",

01:14:54: PPS: Einen echten Diestel gab es übrigens auch noch in der "Bravo Sport".

01:14:59: "Bei uns gibt es keine Ausschreitung". Peter-Michael Diestel,

01:15:03: der also noch 1990 über die extreme Gewalt von Fußballfans in der DDR

01:15:08: berichtete, konnte nun also keine Gewalt im

01:15:11: Ostseestadion entdecken. Einen kurzen Ausreißer habe ich noch,

01:15:15: denn die vom "Übersteiger" erwähnte Zeitung NNN,

01:15:19: die mit der seltsam populistischen Meinungsmache,

01:15:22: über die sich nicht nur die "Übersteiger"- Redaktion wunderte, sind,

01:15:27: wie ich schon sagte, die "Norddeutschen Neuesten Nachrichten",

01:15:31: ansässig in Rostock. Ein bisschen Licht ins Dunkel bringt

01:15:34: vielleicht das Jahr 2001, denn da musste die NNN zugeben,

01:15:38: dass ihr seit Jahren für den FC Hansa zuständiger Sportredaktor Lutz Dessau

01:15:42: entlassen werden musste, denn er war Mitglied der NPD.

01:15:48: Auf einer NPD-Solidaritätsdemo für Lutz Dessau in Rostock redete neben Dessau

01:15:52: kein geringerer als Horst Mahler. Später wurde Dessau Kreisvorsitzender der

01:15:57: NPD Rostock. Ob er diesen Artikel geschrieben hat,

01:16:00: wissen wir nicht, würde wahrscheinlich niemanden wundern.

01:16:03: Der größere Skandal für viele St. Pauli-Fans war das massive

01:16:07: Polizeiversagen und ein Hansapräsident Peter-Michael Diestel,

01:16:11: der auf dem rechten Auge blind zu sein schien.

01:16:14: Präsident Peter-Michael Diestel, letzter DDR-Innenminister, der 1990

01:16:18: eben noch vor der Radikalisierung von Neonazis im Fußball gewarnt hatte,

01:16:21: konnte nun keine rechten Tendenzen bei Rostock erkennen.

01:16:24: Das Fernsehen fragte nach: "Gibt es hier ein Potenzial in Rostock,

01:16:28: das sich radikalisieren lässt, wenn St. Pauli kommt,

01:16:31: ein rechtes Potenzial? Weniger als vielleicht anderswo in dieser Republik.

01:16:35: Ich habe im übrigen Hakenkreuz und Totenköpfe nur bei den St. Pauli-Fans

01:16:39: gesehen. Der Hansa-Boss, letzter Innenminister der DDR,

01:16:42: ist auf dem rechten Auge blind.

01:16:44: Das St. Pauli Symbol ist eindeutig, eine Faust

01:16:47: zerschlägt das Hakenkreuz." Ja, Peter-Michael Diestel konnte Hakenkreuze

01:16:51: nur bei St. Pauli erkennen. Es gibt eine Art Vereinslied von den

01:16:55: Puhdys für Hansa und da wird auch der schönste Präsident der Welt oder

01:16:59: irgendwie so. Richtig genau.

01:17:01: Richtig, in einer Zeile kam das mal vor. Genau,

01:17:04: die Puhdys nannten ihn den schönsten Präsidenten Deutschlands,

01:17:08: Fußballpräsidenten Deutschlands. Ein weiterer Punkt ist Polizeiversagen in

01:17:12: Rostock und da hören wir auch noch mal rein,

01:17:15: wir hören jetzt nämlich den leitenden Polizisten Stefan Hempel: "Die

01:17:18: Polizeieinsatzzentrale, Videokameras überwachen die Fans,

01:17:22: doch wie die Vereinsführung will auch die Polizei von Neonazis nichts bemerkt haben.

01:17:27: Wir haben niemanden ermittelt. Der, der jetzt im Zusammenhang mit den

01:17:31: Geschehnissen im und um das Stadion herum bezogen auf diesen Punkt

01:17:35: Rechtsradikalität besonders auffällig war. Da gab es einen Fan mit einem Hitler T-

01:17:39: Shirt, der wurde festgenommen, das war im Fernsehen zu sehen. Ja,

01:17:42: das ist richtig, aber da haben wir eine

01:17:44: Personalienfeststellung gemacht und dieses Hitler T-Shirt,

01:17:47: das ist dann verschwunden.

01:17:49: Kaum zu glauben, der Festgenommene soll sein T-Shirt,

01:17:52: das entscheidende Beweisstück, beiseite geschafft haben.

01:17:56: Das riecht nach Strafvereitelung im Amt, aber es kommt noch toller.

01:17:59: Und zwar das Konterfei von Hitler drauf gewesen,

01:18:02: mit einem englischen Text versehen, meine Beamten haben gesagt,

01:18:06: wenn man das also im Zusammenhang dann liest,

01:18:08: dann wird er schon fast antifaschistisch wieder." Ja ist richtig,

01:18:12: die szenekundigen Beamten in Rostock sagen also wenn du ein

01:18:16: T-Shirt mit Adolf Hitler drauf trägst und der Text darauf ist auf Englisch,

01:18:22: dann ist es fast schon wieder antifaschistisch zu lesen.

01:18:26: Das macht Sinn und kann man glaube ich dann so stehen lassen. Der FC St.

01:18:31: Pauli, nachdem Uli Maslo bei "ran" gesagt hatte, man würde Protest einlegen,

01:18:36: zog der FC St. Pauli übrigens kein Protest oder man zog

01:18:40: nicht die Karte Protest, weil man laut

01:18:44: Präsident Heinz Weisener keinen Keil in Fußball-Deutschland durch treiben wollte.

01:18:49: Trotzdem wurde Hansa Rostock am Ende doch bestraft und wenn ich sage bestraft,

01:18:54: dann meine ich belohnt. Durfte Rostock das nächste Heimspiel gegen Stuttgart noch im

01:19:00: Ostseestadion austragen, so entschloss der DFB, das Heimspiel gegen

01:19:04: Eintracht Frankfurt auf neutralem Boden stattfinden zu lassen.

01:19:09: Am 28. Oktober 1995 musste Rostock zur Strafe im Berliner Olympiastadion sein

01:19:14: Heimspiel austragen. Das 1:1 gegen Frankfurt war mit 58.000

01:19:19: Zuschauer*innen das größte Heimspiel in der Geschichte des FC Hansa Rostock und

01:19:25: vermutlich die lukrativste Platzsperre der deutschen Fußballgeschichte,

01:19:30: denn die Zuschauereinnahmen gingen natürlich an den Gastgeber Hansa Rostock.

01:19:36: Ja, doch abschließen soll

01:19:38: man ja eine Geschichte immer mit etwas positiven und wie wäre es mit einem

01:19:44: nur auf St. Pauli gültigen Feiertag, denn das Rückspiel am 24. März 1996 ist

01:19:50: der offizielle Kay Stisi-Tag, ein Tor wie ein Traum, aber wir hören mal selber rein:

01:19:57: "Uli Maslo brachte jetzt Stisi und Schweißing für Springer und den bei März

01:20:03: und Zallmann total abgemeldeten Scharping. Sobotzik

01:20:10: und wieder Stisi und das 3:2, zwei Minuten vor dem Ende die Entscheidung.

01:20:14: Und wenn einer sagt, das hätte der sich nicht träumen lassen,

01:20:17: dann irrt er. So stellt man sich das vor oder? Genau so.

01:20:20: Ja ich hab heut Nacht halt davon geträumt und das ist passiert.

01:20:24: Ehrlich davon geträumt? Ja wirklich wahr, musst ich nur reinmachen so und

01:20:29: so war's. Jetzt kann ich erst mal wieder beruhigt

01:20:32: schlafen. Sagte es und wird wohl so leicht nicht

01:20:36: zum Schlafen gehen. Das erste Bundesligator für Kay Stisi gleich

01:20:39: ein 3 Punkte-Treffer, St. Pauli glücklich in jeder Beziehung,

01:20:43: Hansa mit Pech." Kay träumte also von seinem Tor und ich träume von vielen

01:20:47: weiteren Jahren ohne Spiele gegen Hansa Rostock. Wohl wahr.

01:20:52: Vielen Dank, dass Ihr dabei wart für die Geschichten

01:20:56: und dass Ihr zugehört habt, wenn Ihr Themenvorschläge habt,

01:21:01: die wir mal genauer beleuchten sollen, dann schickt uns gerne an info@1910-museum.de,

01:21:07: Stichwort Podcast doch gerne eine E-

01:21:11: Mail, werdet gerne Mitglied im Museum und wir

01:21:15: hören uns nächsten Monat wieder. Bleibt dabei und

01:21:21: Tschüss und bis zum nächsten Mal. Genau danke fürs Zuhören, Tschüss,

01:21:26: Tschüss.

01:21:31:

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