#21 "Leute wie Sie wollen wir im Verein nicht haben": Der Streit um den Stadionnamen 1997/98
Shownotes
1997 macht der Autor und Journalist René Martens die NSDAP-Mitgliedschaft des früheren FC St. Pauli-Präsidenten Wilhelm Koch publik – und löst einen Konflikt aus, der den FC St. Pauli und seine Fanszene über Monate intensiv beschäftigt.
In dieser Sonderfolge von FCSP-Geschichte(n) sprechen Celina, Christopher und Thomas mit René Martens und Ronny Galczynski über den Weg zur Stadionumbenennung 1999. Es geht um den Umgang mit der Vergangenheit, um Aufarbeitung und Konsequenzen, um Verantwortung, Identität, Entscheidungsfindung und Gesprächskultur.
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00:00:20: Herzlich willkommen zu FCSP-Geschichte(n),
00:00:25: das n in Klammern, dem offiziellen Podcast des FC St.
00:00:29: Pauli-Museums.
00:00:30: Heute mit einer Sonderfolge zu einer Debatte, die den FC St.
00:00:34: Pauli und seine Fanszene tief gespalten hat.
00:00:36: Es geht um den Umgang mit der Vergangenheit,
00:00:39: um Aufarbeitung und Konsequenzen, um Verantwortung,
00:00:41: Identität und Entscheidungsfindung. Ich steig mal mit einem Zitat ein:
00:00:45: "Wir sind ein Fußballclub und wollen keine Ahnenforschung".
00:00:48: Dieses Statement eines wütenden Vereinsmitglieds stammt nicht aus einer
00:00:52: Facebook-Kommentarspalte, sondern aus einer Zeit,
00:00:55: als man sich noch persönlich anschreien musste.
00:00:58: Die Aussage ist auf einer Mitgliederversammlung des FC St.
00:01:01: Pauli 1997 gefallen und es ging um das Bekanntwerden der NSDAP-Mitgliedschaft
00:01:06: von Wilhelm Koch und den Antrag auf Stadionumbenennung.
00:01:09: Und über dieses Thema möchten wir heute sprechen und dafür haben wir uns gleich zwei
00:01:14: tolle Gäste eingeladen. Ronny Galczynski und René Martens. Ronny,
00:01:17: René - mögt Ihr Euch einmal kurz vorstellen? Ja, da fange ich mal an. Ronny Galczynski,
00:01:22: Jahrgang 58 seit Ende der 80er
00:01:25: Dauerkartenbesitzer, immer Gegengerade. 1993 Mitbegründer des "Übersteiger",
00:01:30: dann irgendwann ausgestiegen und seit über 20 Jahren freiberuflich als
00:01:36: Journalist tätig und seit ein paar Jahren inzwischen auch als Honorarkraft fürs
00:01:42: Museum aktiv fürs Zeitzeugenprojekt.
00:01:45: Ja, ich bin René Martens, freier Journalist,
00:01:48: und habe 1997 ein Buch veröffentlicht, wo das erste Mal sozusagen zu Tage
00:01:54: getreten ist, dass Wilhelm Koch Mitglied der NSDAP war
00:01:57: und wodurch die Stadionumbenennungsdebatte ausgelöst
00:02:01: wurde. Und ich habe mehrere Bücher über den FC St. Pauli geschrieben,
00:02:06: habe aber sonst beruflich nichts mit dem Verein zu tun
00:02:10: als Berichterstattungsgegenstand.
00:02:13: In der Runde dabei sind natürlich auch Celina, habt Ihr gerade gehört,
00:02:18: ich bin Christopher und Thomas ist natürlich auch dabei.
00:02:21: Genau, hallo. René, Du hast es nämlich gerade eben schon
00:02:25: gesagt, wir behandeln das Thema
00:02:27: Stadionumbenennung. Also wir spielen heutzutage im Millerntor-
00:02:31: Stadion, für alle, die es noch nicht mitgekriegt haben.
00:02:34: Früher hieß dieses Stadion Wilhelm-Koch- Stadion,
00:02:37: da bin ich sogar noch reingegangen als ich
00:02:41: als junger Mensch zu St. Pauli gegangen bin und ein Auslöser,
00:02:44: wie Du es gerade eben schon selber gesagt hast, war das Buch "You'll Never Walk Alone".
00:02:49: Magst du vielleicht einmal ganz kurz was zu dem Buch erzählen?
00:02:53: Wann ist es rausgekommen und was war quasi der Startpunkt für Dich,
00:02:57: dieses Buch überhaupt zu schreiben? Na ja, das Buch ist 1997 rausgekommen,
00:03:02: der Startpunkt war ganz einfach ne Anfrage des Verlags
00:03:05: "Die Werkstatt" und der Verlag "Die Werkstatt" hat damals also in den 90er-
00:03:09: Jahren mit einer
00:03:11: Reihe kritischer Vereinsbiografien gestartet, sag ich mal.
00:03:15: Und die eben auch den Anspruch haben sollten,
00:03:17: also sich sozusagen von sonstigen Hochglanzbiografien, Vereinsbiografien,
00:03:21: die damals en vogue waren, die immer noch nicht out sind, abzusetzen.
00:03:25: Und das hieß unter anderem eben auch, sich mit der Geschichte des Vereins im
00:03:30: Nationalsozialismus zu beschäftigen.
00:03:33: Also das war schon Teil des Auftrags,
00:03:37: würde ich sagen, und man muss vielleicht auch dazu sagen,
00:03:40: dass St. Pauli einer der ersten Vereine war,
00:03:43: die überhaupt in dieser Reihe behandelt worden sind.
00:03:47: Also Dortmund kam zuerst. Es gab auch Werder und Gladbach,
00:03:50: also danach kam dann schon St. Pauli so langsam also vielleicht
00:03:55: jetzt als fünftes oder sechstes, auf jeden Fall sehr früh und
00:03:59: insofern war das klar, dass das Thema wird.
00:04:05: Der Auslöser, sich mit Wilhelm Koch zu beschäftigen,
00:04:08: explizit mit der persönlichen Geschichte von
00:04:13: Wilhelm Koch zu beschäftigen, kam eigentlich durch eine Interview-
00:04:17: Äußerung in einem Zeitzeugengespräch mit
00:04:22: Harald Stender und Stender hat damals, also mir war das bis zu dem Zeitpunkt
00:04:27: nicht bewusst. Stender hat eben erwähnt in dem Interview,
00:04:31:
00:04:33: also da ging es vermutlich eigentlich eher um Koch als Person.
00:04:36: Also ich glaube die Frage ging eher in die Richtung, was war Koch denn so,
00:04:40: wie war der so im Umgang und so weiter, weil ich vorher schon Gespräche geführt
00:04:44: hatte, die sozusagen nahelegten, dass Koch im Umgang nicht immer angenehm
00:04:48: war, jetzt mal vorsichtig ausgedrückt und da
00:04:50: hat er dann drüber erzählt und dann hat er natürlich, er war Koch gegenüber
00:04:54: positiv eingestellt und dann kam die Formulierung zu seiner
00:04:57: Präsidentschaft.
00:04:59: "Er war ja die ganze Zeit Präsident, außer von 1945 bis 1947.
00:05:03: Da war ja Friedrichsen, da durfte er ja nicht", und das also hat er
00:05:07: dann eben gesagt, aber schon als er es gesagt hat,
00:05:10: ist ihm aufgefallen, dass er es vielleicht lieber nicht hätte
00:05:13: sagen sollen, also er hat es so, ich kann das jetzt nicht nachmachen, so ein
00:05:18: bisschen versucht wegzumurmeln, verdruckst gesagt und es gab eben
00:05:23: diese Regelung dann, dass das,
00:05:25: wie hieß das damals, Hamburger Verband für Leibesübungen,
00:05:29: dass eben, die galt von 1945 bis Mitte 1947, dass eben Leute,
00:05:34: dass eben Vereinsmitglieder, die Mitglied der NSDAP waren
00:05:38: oder der anderen NS-Organisationen nicht erster oder zweiter Vorsitzender
00:05:43: sein dürfen, darauf bezog sich dieses Zitat von
00:05:47: Stender. Und dann
00:05:49: bin ich halt ins Staatsarchiv gegangen und habe mir die Entnazifizierungsakte
00:05:54: angeguckt und da stehen dann auch halt die Informationen auch schon drin zur
00:05:59: Übernahme von der Firma Arensberg und Sekkel,
00:06:01: über die wir hier wahrscheinlich gleich noch reden werden.
00:06:05: Wie waren so die ersten Reaktionen auf das Buch? Die Reaktionen waren,
00:06:09: ich kann mich erinnern, dass die Mitgliederversammlung,
00:06:15: die erste Mitgliederversammlung, die ja direkt nach dem Buch,
00:06:18: also wenige Wochen nach Erscheinen des Buchs, auch stattgefunden hat,
00:06:22: wo der Antrag ja auch schon gestellt wurde,
00:06:24: über dem wir ja gleich reden werden. Also ich meine,
00:06:27: danach habe ich nicht gut geschlafen, weil ich dachte so,
00:06:30: das geht da jetzt doch in die Richtung, die ich so nicht erwartet habe,
00:06:33: oder vielleicht war ich da auch naiv oder habe gar nicht so viel drüber nachgedacht.
00:06:38: Aber ansonsten waren die Reaktionen, da es kein Internet gab,
00:06:41: und da es keine sozialen Medien gab,
00:06:45: eigentlich vernachlässigenswert. Also was jetzt die Reaktion,
00:06:48: die ich gespürt habe, also mich hat irgendwann mal ne Frau
00:06:52: angerufen, die vermutlich, also nicht nur vermutlich,
00:06:55: die Mitarbeiterin war von Kochs Firma und die eben
00:06:58: betont hat, dass das freundschaftliche, oder
00:07:02: freundschaftlich hat sie vielleicht nicht gesagt,
00:07:05: aber das konnte man raushören, das zumindest sehr gute persönliche
00:07:08: Verhältnis zu den Alteigentümern.
00:07:10: Das ist ja auch nachher immer wieder Thema gewesen und hat dann gesagt, ja,
00:07:15: ändern sie das mal da in der Zeitung so, also die hat
00:07:18: ein bisschen was gelesen, aber der war das jetzt auch nicht klar,
00:07:23: dass da ein Buch erschienen ist, oder das ist ja auch egal,
00:07:27: das kann man ja auch nicht verlangen.
00:07:29: Ich stand damals im Telefonbuch auch mit Adresse, macht ja heute auch
00:07:34: keiner mehr. Ansonsten waren die
00:07:36: Reaktionen,
00:07:38: also mich hat persönlich niemand angegriffen sozusagen.
00:07:42: Also dass vielleicht dann irgendwo natürlich die Debatte
00:07:46: abgebildet wurde in den Medien mit unterschiedlichen Positionen zu dem Thema,
00:07:51: aber es gab keine Angriffe auf die Person und auch nichts
00:07:54: dergleichen.
00:07:57: Du hast das ja eben schon so ein bisschen angerissen,
00:07:59: dass Harald Stender dann auch so ein bisschen zurückgerudert ist.
00:08:02: Er vielleicht auch das Gefühl hatte, dass er das,
00:08:05: also dass das Dein Eindruck war. Was ist denn so Deine Theorie,
00:08:08: warum sich vor Dir niemand mit der Person Koch oder vielleicht auch generell mit
00:08:12: der NS-Vergangenheit des Vereins beschäftigt hat? Na ja,
00:08:15: die Theorie wäre, dass, die ist jetzt auch
00:08:19: nicht so weit hergeholt, dass natürlich im Verein oder bei
00:08:24: Vereinsmitgliedern das genauso war wie in in der Gesamtgesellschaft,
00:08:28: also dass natürlich die Leute, die den Verein lange getragen haben,
00:08:32: in den Jahrzehnten nach 1945, auch gar kein Interesse hatten,
00:08:37: sich selbst mit dieser Vergangenheit zu beschäftigen,
00:08:40: also dass es so eine Abwehrhaltung auch gab und dass, wie wir ja wissen,
00:08:45: der Fußball insgesamt sehr spät begonnen hat, sich damit zu beschäftigen mit der
00:08:50: nationalsozialistischen Vergangenheit oder auch mit der Übergangsphase.
00:08:54: Also wo sind die Kontinuitäten zwischen Nationalsozialismus und dessen,
00:08:59: was Vereine noch vertreten haben, dann in der Zeit danach oder wie
00:09:03: schönfärberisch oder ignorant sind sie damit umgegangen.
00:09:07: Das war ja weit verbreitet bei
00:09:10: Sportvereinen oder ist ja immer noch,
00:09:13: ist immer noch keine ideale Situation ja heute,
00:09:16: was diese Aufarbeitungsgeschichte angeht und insofern war das auch für den
00:09:21: Verein, war das auch klar, dass das bei dem Verein eine Rolle
00:09:25: spielte und dann eben vielleicht natürlich mit der besonderen Rolle,
00:09:29: die Koch gespielt hat als jahrelanger Vereinspräsident.
00:09:33: Also da geht es natürlich dann viel ins Irrationale, so irgendwie,
00:09:38: also man kann doch jetzt nicht diese Figur
00:09:41: angreifen und da entsteht dann so ein irgendwie
00:09:44: Zusammengehörigkeitsgefühl, also so festhalten an Tradition.
00:09:48: Ich meine, vieles ist ja dann in der heutigen
00:09:51: Debatte auch wieder zu spüren ja. Aber andererseits,
00:09:54: wenn ich mich mal kurz einmischen darf, gibt es seit Ende der 1980er eine kritische
00:09:59: Fanszene beim FC St. Pauli, die ja im Grunde doch schon etwas anders
00:10:03: drauf war als die alteingesessenen Vereinsmitglieder,
00:10:06: die ein besonderes Interesse daran hatten,
00:10:09: Ikonen nicht vom Sockel zu heben. Da hätte man auch im Grunde erwarten
00:10:14: können, ob es "Millerntor Roar!"-Leute waren oder ab
00:10:17: 1993 "Übersteiger"- und "Unhaltbar!"- Leute, da mal so in die Archive zu steigen
00:10:21: und nachzuschauen ob da irgendwas war oder nicht.
00:10:24: Ja da waren wir ja beide in verschiedenen Redaktionen auch tätig und das ist
00:10:29: wahrscheinlich heute schwer zu rekonstruieren,
00:10:32: warum wir das nicht gemacht haben. Es gab ja letztlich sozusagen die
00:10:36: organisierte Fanszene, die ja da erst in einem sich sozusagen
00:10:39: Anfangsstadium befand, also im sich noch organisieren befand,
00:10:42: die ja nichts mit dem zu tun hatte, was jetzt sozusagen vom Organisationsgrad
00:10:46: mit dem vergleichbar ist, was heute organisierte Fanszene ist.
00:10:49: Die hatte vermutlich mit der Aktualität,
00:10:52: also sei es vereinsinternen Dingen als auch
00:10:56: übergeordneten Themen wie Rassismus im Fußball oder Rassismus in der
00:11:01: Gesellschaft und Solingen und Mölln und was hat das alles irgendwie mit dem
00:11:05: Fußball zu tun, vielleicht genug zu tun. Das ist auch meine Theorie. Um sich damit zu
00:11:10: beschäftigen, was in der noch gar nicht so weit
00:11:13: zurückliegenden Vergangenheit passiert ist. Ja, also das sehe ich genauso,
00:11:17: ich war ja dann auch gleichzeitig mit Euch dabei sozusagen.
00:11:21: Und ich kann mich auch zum Beispiel überhaupt nicht erinnern,
00:11:23: dass wir in den "Übersteiger"- Redaktionssitzungen
00:11:26: so gedacht haben, das Thema müssten wir mal anfassen,
00:11:28: oder wir müssten jetzt mal was machen da drüber.
00:11:30: Also natürlich haben wir dann über die Jahreshauptversammlung berichtet,
00:11:33: oder die Mitgliederversammlung berichtet, als diese Thematik aufkam,
00:11:36: Stadionumbenennung.
00:11:37: Aber jetzt zum Beispiel so einen Artikel über zum Beispiel überhaupt Koch oder
00:11:41: die Frühzeit des Vereins haben wir glaube ich nie drin gehabt tatsächlich.
00:11:44: Also es war einfach, ich kann mich auch nicht erinnern,
00:11:47: da müssen wir jetzt dranbleiben, das ist irgendwie
00:11:49: wirklich genau wie Du sagst, andere Sachen irgendwie standen auf dem
00:11:53: Zettel und das war toll, dass das mal jemand gemacht hat,
00:11:56: so nach dem Motto, aber weiterverfolgen oder weiterverfolgt
00:11:58: wurde das einfach nicht. Im "Unhaltbar!" sind so
00:12:01: historische Geschichten erschienen, die sich jetzt so auf Wunderelf bezogen,
00:12:04: also jetzt genau Karl Miller und pi pa po.
00:12:07: Also diese Zeit, wo natürlich dann die NS-Zeit
00:12:11: irgendwo so zwischen den Zeilen auch mal präsent war oder nicht präsent war.
00:12:15: Also Ihr hattet da ein bisschen mehr drin tatsächlich ja,
00:12:19: aber auch jetzt, es war halt nicht so, dass da wirklich mal so,
00:12:22: jetzt aber mal richtig. Oder es gab vielleicht sogar Geschichten
00:12:26: irgendwie zum Arbeitersport, Ich weiß nicht, ob das in der Zeit war,
00:12:30: wo man dann, ja gut das war sozusagen etwas,
00:12:32: das gibt es heute nicht mehr, und das wurde 1933 verboten,
00:12:35: sowas gab es, aber sozusagen
00:12:38: jetzt in das Allernaheliegendste, da
00:12:41: ist keiner auf die Idee gekommen. Das hat ja dann umso besser 1997
00:12:46: funktioniert. Also da hat die Fanszene ja sehr schnell
00:12:50: Fuß gefasst, sich dem Thema anzunehmen, also über die verschiedenen Redaktionen
00:12:55: und
00:12:56: Gremien hinweg ja auch, das war ja so ein Konglomerat
00:12:59: sozusagen. War das der Weg, also ist das quasi über die Fanzines
00:13:03: dann zu dem Antrag gekommen, oder wie lange hat das gedauert von der
00:13:07: Veröffentlichung des Buches bis zum Antrag? Und wie war da der Weg?
00:13:11: Also es konnte ja nicht lange dauern, weil das Buch ist wenige Wochen vor der
00:13:15: JHV erst erschienen, und es gibt ja auch Antragsfristen,
00:13:18: die Du dann einbringen musst.
00:13:21: Ich weiß nicht, ob das ein oder zwei Wochen vor der
00:13:23: Versammlung jeweils war. Jedenfalls haben wir den Antrag dann
00:13:27: rechtzeitig reingebracht, der in meinem Namen sozusagen
00:13:30: eingebracht wurde. Man kann ja nicht als Gremium einen
00:13:33: Antrag einbringen, sondern nur namentlich eine Person.
00:13:36: Das heißt natürlich nicht, dass ich mir das alles ausgedacht habe,
00:13:39: sondern das waren verschiedene Gruppierungen damals,
00:13:42: die sich halt über das Thema unterhalten haben,
00:13:45: die sowieso mal miteinander zu tun hatten. Über Fanzines "Übersteiger", "Unhaltbar!"
00:13:49: über
00:13:50: AGiM, die es ja auch schon gab damals, Arbeitsgemeinschaft interessierter
00:13:54: Mitglieder, nur Mitglieder, hieß es, glaube ich damals und vor allen Dingen
00:13:58: es gab die Kneipe "Zum letzten Pfennig", wo sich auch alle aktiven Fanszenen
00:14:02: damals getroffen haben sozusagen und solche Themen auch diskutiert haben,
00:14:06: und da war dann schnell klar, da musste auch nicht lange diskutiert
00:14:09: werden, also wir brauchten auch nicht viel Zeit,
00:14:11: um da klarzukommen, dass das Stadion, wenn das sich alles bewahrheiten sollte,
00:14:15: was René geschrieben hat, dass das Stadion dann umbenannt werden
00:14:19: muss.
00:14:20: So, und da fanden sich dann erstmal nicht
00:14:22: sofort Leute, die da bereit waren, diesen Antrag einzubringen,
00:14:26: sich auf dem Podium zu stellen letztlich. Einige Leute haben wir dann aus dem Feuer
00:14:31: sowieso genommen, von vornherein, weil die schon ein bisschen verbrannt
00:14:36: waren sozusagen, und wir wollten, Holger Scharf, genau,
00:14:39: wir wollten Kritik an so einem Antrag nicht daran festmachen lassen,
00:14:43: dass allein die Person schon anstößig für diejenigen ist,
00:14:47: die da vielleicht gegen stimmen könnten.
00:14:50: Sven Brux war auch noch mal im Gespräch, soweit ich weiß, das einzubringen,
00:14:54: aber wir wollten eben auch nicht, dass Sven Brux von vornherein dann
00:14:57: gleich so ein Anti-Mensch innerhalb des Vereins war.
00:15:00: Er war ja schon, ich weiß nicht, war er schon Organisationsleiter?
00:15:04: 1997 müsste er noch im Fanladen gewesen sein. Jedenfalls Fanladen sollte schon mal so
00:15:08: ein bisschen aus der aus der Schusslinie raus und dann war halt die Frage,
00:15:12: wer macht das und ich habe mich dann letztlich breitschlagen lassen,
00:15:15: zumal ich
00:15:17: auch so ein bisschen Erfahrung hatte vor Podien zu sprechen,
00:15:21: weil ich von 1982 bis 1990 kommunalpolitisch aktiv war und da auch dann halt vor
00:15:26: Leuten sprechen musste, Anträge begründen musste.
00:15:29: Also ganz fremd war mir das halt nicht, war natürlich eine andere Größenordnung,
00:15:35: das ist klar, ja, und dann bin ich halt sozusagen
00:15:38: stellvertretend für, ich sag mal, ein paar 100 Leute,
00:15:41: die da involviert waren in das Geschehen, dann
00:15:44: angetreten, um diesen Antrag dann im Oktober 1997
00:15:48: einzubringen. Ich würde noch mal ganz gerne noch einen
00:15:51: Schritt zurück kurz machen, bevor wir dann in die legendären
00:15:55: Mitgliederversammlungen gehen, die dann folgten,
00:15:58: und zwar noch mal um auf Renés Buch noch mal zurückzukommen.
00:16:02: "You'll Never Walk Alone", möchte noch mal zu sagen,
00:16:05: das hat mir mein Vater noch 1997 geschenkt, "Sohn liest das mal".
00:16:10: Das Kapitel über Wilhelm Koch habe ich aber damals nicht gelesen.
00:16:14: Das hat mich irgendwie noch nicht so interessiert, mit 12.
00:16:17: Aber tatsächlich heißt das Kapitel "Und Geld stinkt doch" und ich wollte jetzt
00:16:21: noch mal ganz kurz die Möglichkeit nutzen, für alle, die nicht wissen,
00:16:24: wer Wilhelm Koch ist, da gibt es ja vielleicht jüngere,
00:16:27: die auch den Podcast hören, einfach noch mal ganz kurz auffrischen,
00:16:31: wer eigentlich Wilhelm Koch war.
00:16:33: Wilhelm Friedrich Karl, genannt Willi, Koch, wurde am 13.
00:16:36: Februar 1900 in Hamburg geboren. Bereits als Jugendlicher war er aktives
00:16:40: Mitglied in der Spiel- und Sportabteilung des St. Pauli Turnvereins.
00:16:44: Er war nicht nur Fußballer, sondern auch Turner. aus dieser Spiel- und
00:16:48: Sportabteilung ist, wie Ihr es vielleicht wisst,
00:16:51: 1924 dann der FC St. Pauli hervorgegangen.
00:16:55: Aufgrund des Ersten Weltkriegs 1914 zieht die Abteilung aus Ermangelung an Spielern
00:17:00: dann zum Teil 15- und 16-jährige Spieler in die erste Mannschaft hoch.
00:17:04: So gab Koch bereits mit 16 Jahren im Tor der ersten Mannschaft sein Debüt,
00:17:08: also für die erste Mannschaft, hat sich aber nicht durchgesetzt als Torhüter
00:17:13: der ersten Mannschaft, kam aber zu ein paar Einsätzen Seite an
00:17:17: Seite mit Spielern wie zum Beispiel Max Kulik, Selig Cahn, Henry Rehder,
00:17:21: Max Pestorf und Hans Friedrichsen.
00:17:25: Aufmerksame Hörer*innen werden wissen, dass die letzten drei Genannten allesamt,
00:17:30: wie Willi Koch später das Präsidentenamt des FC St. Pauli innehatten.
00:17:35: Henry Rehder, der erste Präsident, ab 1931 Wilhelm Koch
00:17:39: und, wie von René geschildert, Hans Friedrichsen als sein Stellvertreter
00:17:44: 1945 bis 1947 beziehungsweise Max Pestorf, der ebenfalls in dieser Zeit
00:17:50: der Nachfolger von Hans Friedrichsen war und dann der Vorgänger von Wilhelm Koch,
00:17:55: bevor dann 1947 wieder zurück ins Amt ist. So ungefähr. Und
00:18:00: während die beiden erstgenannten Max Kulik und Selig Cahn aufgrund ihrer
00:18:05: jüdischen Abstammung keine große Funktionärstätigkeit in Fußball-
00:18:09: Deutschland annehmen konnten. Nach dem Ersten Weltkrieg machte Koch
00:18:14: dann seine Ausbildung bei der Firma Arensberg und Sekkel.
00:18:18: Eine Firma, 1916 gegründet, für den Import und Export von
00:18:22: Häuten und Fellen zuständig. Bereits 1926 wurde Koch dort zum
00:18:26: Prokuristen ernannt. Und die Forschung des Museums aus den
00:18:30: letzten drei Jahren zur Frühgeschichte des Vereins ergab noch,
00:18:34: dass der Firmeninhaber Jacques Wolf Sekkel
00:18:37: ebenfalls Mitglied der Spiel- und Sportabteilung des St. Pauli
00:18:41: Turnvereins war, Mitbegründer also dieser Abteilung, aktiv
00:18:45: als Fußballer, Turner und Schiedsrichter.
00:18:50: Laut Renate Bruhn, der Tochter von Wilhelm Koch,
00:18:54: gab es eine enge Verbindung zwischen den Familien Koch und Sekkel. Sie gab an,
00:18:59: dass 1945 nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die Familie Sekkel zu Besuch
00:19:05: war bei der Familie Koch in Hamburg, denn die Familie Sekkel ist direkt 1933
00:19:10: aus Deutschland geflüchtet nach Schweden.
00:19:14: 1931 wurde Wilhelm Koch Präsident des FC St. Pauli,
00:19:18: 1933 übernahm er dann diese Firma Arensberg und Sekkel. 1936 wurde der
00:19:23: Firmenname geändert und 1937 ist Wilhelm Koch in die NSDAP eingetreten.
00:19:28: So einmal kurz als Übersicht, damit wir ungefähr wissen,
00:19:32: worüber wir reden. Es geht ja jetzt, wie Ronny ja schon
00:19:37: gesagt hat, um die erste Mitgliederversammlung,
00:19:41: das war im
00:19:43: November 1997? Oktober. 31. Oktober 1997.
00:19:46: Bevor wir uns aber jetzt mit dieser Mitgliederversammlung beschäftigen,
00:19:50: ist es tatsächlich ganz interessant, in welchem Zustand sich der FC St.
00:19:54: Pauli eigentlich in diesem Moment befand,
00:19:57: weil es war ja ein sehr ereignisreiches Jahr,
00:19:59: das Jahr 1997. Abgestiegen aus der Bundesliga nach zwei Jahren.
00:20:02: Also die ganze Zeit eigentlich. Also man kann sagen,
00:20:05: ab Mitte der 1990er bis in die frühen 2000er,
00:20:08: da könnten wir eine Doppelfolge machen ohne Probleme.
00:20:12: Also das war, was die Vereinsinterna und ähnliche
00:20:14: Sachen angeht, also eine sehr wilde Zeit, sportlich aber auch, genau. Christopher hat
00:20:19: es schon gesagt, also im Kalenderjahr 1997 hatte der
00:20:22: Verein vier Cheftrainer, das also allein ist ja nun schon ein
00:20:25: Hinweis auf schlechte sportliche Leistungen, eben Bundesligaabstieg
00:20:29: und dann auch der dann neue Trainer Eckhart Krautzun hat auch nicht
00:20:33: so richtig gezündet.
00:20:35: Und wurde dann kurz nach der Versammlung allerdings erst durch Gerhard
00:20:39: Kleppinger, seinen Co, ersetzt. Also insofern,
00:20:42: das alles lief schon mal nicht so richtig rund,
00:20:45: aber auch die Vereinspolitik oder das Umgehen miteinander im Verein war auch
00:20:50: mittlerweile in Wallung geraten. Denn, das hatte Ronny schon kurz erwähnt,
00:20:54: die AGiM, Arbeitsgemeinschaft interessierter Mitglieder, hatte sich 1996
00:20:58: gegründet und hat dann angefangen, das erste Mal so auch ein bisschen sich
00:21:04: zusammen zu tun, den Führungsstil des Präsidenten Heinz
00:21:07: Weisener durchaus erstmal zu beleuchten und auch zu kritisieren,
00:21:11: teilweise auch öffentlich zu kritisieren, der war ja schon seit 1990 im Amt.
00:21:15: Und es war ja immer schon so über die ganzen Jahre,
00:21:18: dass die Finanzen immer so ein bisschen wackelig waren,
00:21:21: dass es immer hieß oder es ja auch tatsächlich so war,
00:21:24: dass Heinz Weisener immer einspringen musste mit seinem Privatvermögen
00:21:28: zum Teil, um die Finanzen wieder ins Lot zu kriegen,
00:21:31: um die Lizenzen zu kriegen.
00:21:32: Was immer so über allem schwebte war, wir bauen ein neues Stadion.
00:21:36: Heinz Weisener war ja auch Architekt und er hatte ja über Jahre immer schon wieder
00:21:40: Pläne gemacht, es gab immer Nachrichten, es gab sogar Veranstaltungen mit Modellen,
00:21:44: mit großen Präsentationen und auch viele Zeitungsartikel mit den Überschriften
00:21:48: "Das neue Stadion kommt jetzt endlich" und so weiter, also es gibt da ganz,
00:21:51: ganz viele Sachen aus diesen Jahren, das war also auch immer noch so ein Ding,
00:21:55: nach dem Motto, wenn der Verein überleben will,
00:21:58: muss er das neue Stadion bauen.
00:22:00: Und das hat er natürlich immer mit seiner Person verknüpft. "Ich garantiere dafür,
00:22:05: deswegen müsst Ihr mich auch immer im Amt behalten
00:22:07: bitte" und die Wahlen haben es eigentlich über die Jahre auch immer so bewiesen,
00:22:12: dass es da kaum Gegenstimmen gab, das hat sich dann geändert,
00:22:15: weil eine der ersten Amtshandlungen der AGiM war ja tatsächlich eine
00:22:19: Satzungsänderung in die Wege zu leiten, und zwar mit dem Inhalt, dass der Verein,
00:22:23: wie es ja heute immer noch ist, einen Aufsichtsrat bekommt,
00:22:27: das war vorher nicht der Fall.
00:22:29: Und das war so der erste Erfolg kann man sagen,
00:22:32: dass dieser Satzungsvorschlag der AGiM fast unverändert, kann man sagen,
00:22:37: am Ende auch mit sehr großer Mehrheit erst mal durch eine Satzungskommission
00:22:43: ging und dann eben am Ende auch im Frühjahr 1997 angenommen wurde.
00:22:48: Aber dann ging es schon darum natürlich diesen Aufsichtsrat auch zu
00:22:51: wählen. Das war dann im Juni 1997, eine
00:22:53: außerordentliche Versammlung, und da hat im Vorwege dann der Präsident
00:22:57: sehr klar Stimmung gemacht, auch die Kandidaten der Fanszene,
00:23:00: der AGiM auch durchaus persönlich diffamiert als Menschen,
00:23:03: die keine Ahnung haben, die nur Unruhe stiften und so weiter und
00:23:06: hat dann auch ganz klar gesagt, ich hätte gerne die und die und die und
00:23:10: die Menschen im Aufsichtsrat, er hat auch wirklich namentlich benannt,
00:23:14: wen er gerne gewählt sehen würde, und das hat dann auch funktioniert.
00:23:18: Also es wurden sieben Menschen in den Aufsichtsrat gewählt und der erste AGiM-Kandidat,
00:23:23: nämlich der genannte Holger Scharf, war dann der Achte.
00:23:25: Das hat also nicht so richtig gut funktioniert für uns sag ich jetzt mal.
00:23:29: Wir haben also alles in die Wege geleitet und sind dann am Ende außen vor geblieben
00:23:33: zunächst. Das war natürlich nicht ganz so geplant.
00:23:37: Was sich aber dann daraus entwickelte, war, dass natürlich dann die Wahl,
00:23:41: nämlich genau in der gleichen Versammlung 31. Oktober 1997.
00:23:44: Da ging es nicht nur um diesen besagten Antrag, über den wir hier sprechen,
00:23:48: sondern es war auch eine Wahl des Präsidiums vorgesehen,
00:23:51: und da war es das erste Mal so, dass Heinz Weisener erhebliche
00:23:55: Gegenstimmen bzw. also wirklich glaube ich von 300 und stimmen hatte er nur 200 und
00:23:59: auf sich vereinigen können. Das war also das erste Mal, wo er richtig
00:24:03: Gegenwind auch in Zahlen der Wahl bekommen hat und hat dann auch klar
00:24:07: gesagt, ja nach dem Motto, also nicht für mich,
00:24:10: sondern für den Verein, zum Wohl des Vereins nehme ich diese Wahl an.
00:24:14: Also doch sehr, sehr angesäuert und ja, das war dann so die Stimmung,
00:24:18: die auch an dem Abend schon mal vorherrschte,
00:24:21: der Antrag kam dann glaube ich danach ja auch erst rein von der Tagesordnung her
00:24:26: und wenn wir es jetzt mal kurz ein bisschen weiter springen über die Jahre.
00:24:31: Über die nächsten Jahre ging es auch hauptsächlich immer um die
00:24:35: Finanzen, die schlechten Finanzen, um Zwiste mit Schatzmeistern und
00:24:39: Vizepräsidenten. Die wurden entlassen oder sind
00:24:41: zurückgetreten und so weiter. Also das ist alles sehr, sehr wild gewesen,
00:24:45: auch im Jahr danach. Die Versammlung stand eigentlich im
00:24:48: Lichte der Finanzprobleme und des möglichen Stadionbaus natürlich wieder,
00:24:51: also das hat sich dann auch über die nächsten Jahre noch hingezogen,
00:24:55: auch als dann der Aufsichtsrat sich nach und nach personell veränderte.
00:24:59: Und immer mehr Menschen aus der Fanszene einzogen.
00:25:02: Aber die Stimmung insgesamt war nicht wirklich gut, würde ich es mal nennen.
00:25:07: Bevor wir zur Mitgliederversammlung
00:25:10: kommen, und da würde ich gerne einmal Ronnys und
00:25:12: Renés Schilderung, René als Außenstehender,
00:25:15: der nicht der Antragsteller war, aber Ronny als Antragsteller,
00:25:19: würde ich gerne Eure Wahrnehmung des Ganzen hören.
00:25:22: Aber vorher starten wir da mit einem Zitat rein, denn in der Presse wurde
00:25:26: dann geschrieben, ich glaube, das war die "taz".
00:25:30: "Durch eine Indiskretion wurde bereits vorgestern bekannt,
00:25:33: dass das FC-Mitglied Ronny Galczynski am kommenden Freitag auf der
00:25:38: Jahreshauptversammlung einen brisanten Antrag stellen wird." Der "Übersteiger",
00:25:43: dessen Redaktionsmitglied Du zu diesem Zeitpunkt warst, vermutete,
00:25:47: dass Christian Hinzpeter diese Information bereits an die Presse
00:25:51: ausgeplaudert hätte. Weißt Du da mehr zu, Ronny?
00:25:54: Also nicht vermutlich, sondern die
00:25:58: Systempresse, nenne ich es jetzt mal, hat da auch so drüber berichtet,
00:26:02: dass wohl eher zufällig aus Versehen Christian Hinzpeter diesen Antrag in
00:26:06: einem Pressegespräch erwähnt hat. Also hat glaube ich das "Hamburger
00:26:09: Abendblatt" oder "Die Welt" drüber berichtet, insofern ist da schon zumindest die
00:26:13: Hälfte dran wahr, dass Hinzpeter sozusagen der
00:26:16: Auslöser dessen war, dass die Presse vorher von dem Thema
00:26:19: wusste.
00:26:20: Aber nicht vorsätzlich. So ist meine Interpretation,
00:26:23: sondern aus Versehen sozusagen. War das für Dich dann schon eine
00:26:27: Belastung oder ein Druck, der dann gestiegen ist gefühlt? Nö,
00:26:31: eigentlich nicht, also der Druck war sowieso da,
00:26:34: also ich habe zwar schlafen können, aber ich war schon unruhig, das ist klar.
00:26:39: Dann kannst Du ja mal schildern, wie ist es denn dann 1997 auf der MV
00:26:43: aus deiner Sicht gelaufen? Ich will eins noch mal vorwegschicken.
00:26:50: Als es bekannt wurde, dass auf dieser Versammlung auch dieses
00:26:53: Thema behandelt wird, gab es den Versuch, übers Präsidium von vornherein schon
00:26:58: einen Kompromissantrag hinzubekommen. Das weiß ich von Olaf Wuttke,
00:27:02: der dann später so einen Kompromissantrag während der Versammlung gestellt hat.
00:27:07: Aber es wurde ans Präsidium, namentlich an Heinz Weisener herangetragen,
00:27:12: von Präsidiumsseite aus sozusagen selbst vorzuschlagen als Kompromiss,
00:27:17: dass man einverstanden damit sei, das Stadion umzubenennen, aber erst,
00:27:21: wenn das neue Stadion fertig gebaut sein wird. Das heißt,
00:27:25: wir bleiben sozusagen im Wilhelm-Koch- Stadion, im alten Stadion,
00:27:29: bauen das neue Stadion, das neue Stadion heißt dann Millerntor-
00:27:33: Stadion. Aber wohl sind die Leute,
00:27:36: die das vorgeschlagen haben dem Präsidium gegenüber, auf Granit gestoßen,
00:27:40: ob nun aus Desinteresse oder aus Kalkül, das möchte ich jedem einzeln überlassen,
00:27:45: zu beurteilen.
00:27:47: Ob es ein guter Kompromissvorschlag gewesen wäre
00:27:49: letztlich sei mal dahingestellt, aber es war zumindest ein Versuch,
00:27:52: das Präsidium mit ins Boot zu holen, das sich ja quasi aus dem Thema erst
00:27:56: mal rausgehalten hat. Thema Präsidium,
00:27:58: also öffentlich wurde da kaum was gesagt.
00:28:00: Christian Hinzpeter war wirklich der einzige,
00:28:03: der da öffentliche Zitate offensichtlich auch dann im Vorwege,
00:28:06: also ein paar Tage vor der Versammlung das geschrieben hat oder über
00:28:09: ihn geschrieben hat, die Zitate aus der "MoPo" oder aus dem
00:28:12: "Abendblatt" irgendwie, dass es eine heikle und unangenehme
00:28:14: Geschichte sei und
00:28:16: Zitat noch mal aus dem "Abendblatt": "Ich bin mir nicht sicher,
00:28:19: ob wir die historische Wahrheit noch klären können,
00:28:21: als ob wir nicht schon genug zu tun hätten."
00:28:23: Ich kann das noch ergänzen durch ein Zitat von Christian Hinzpeter: "Der Verein muss
00:28:27: sich um die Zukunft kümmern, nicht um die Vergangenheit". Richtig, ja,
00:28:30: das kommt auch noch irgendwann. Also das ist alles so Desinteresse im
00:28:34: Sinne von lasst uns alle in Ruhe damit,
00:28:37: das ist glaube ich, so ein bisschen, das klingt da wirklich raus, ja.
00:28:40: Und dann kam es halt zum Highlight, High Noon,
00:28:42: wie auch immer man das nennen möchte.
00:28:45: Das war der letzte Antrag der Versammlung so viel ich weiß,
00:28:48: und ich habe den halt dann begründet vor dem Auditorium und es gab Anfeindungen,
00:28:53: muss man sagen, also es gab Geschrei zwischen der
00:28:56: Antragstellung, Begründung des Antrages. Ich habe schon mit meiner Begründung des
00:29:02: Antrages versucht, so alle mit ins Boot zu holen,
00:29:05: dass ich von vornherein noch gesagt habe, es geht nicht um die Person Wilhelm Koch,
00:29:10: auch nicht um seine Verdienste, die er
00:29:13: zweifelsohne für den Verein über Jahrzehnte auch sich gemacht hat,
00:29:18: sondern es geht einfach nur um die Mitgliedschaft in der NSDAP und
00:29:22: möglicherweise, dass er auch Profiteur der "Arisierung" war,
00:29:26: was im Nachhinein dann sich alles relativiert hat. Das sei mal dahingestellt,
00:29:32: aber das habe ich halt versucht so zu begründen, dass eben auch Leute,
00:29:37: die mit Wilhelm Koch per du waren, sozusagen mit ins Boot zu holen und
00:29:42: auch diesem Antrag zustimmen können. Das war aber ein vergebliches Unterfangen,
00:29:46: muss man im Nachhinein sagen. Das war ein Generationskonflikt damals,
00:29:50: also Alte gegen Junge kann man sagen, so um das zu verkürzen,
00:29:53: man könnte auch sagen, Leute, die Wilhelm Koch kannten und
00:29:56: die ihn nicht kannten. Alle, die ihn kannten, waren natürlich,
00:30:00: waren nicht natürlich, sondern waren gegen den Antrag und alle,
00:30:04: die ihn nicht kannten, sondern nur das, was René über Wilhelm Koch rausgefunden
00:30:08: hat, waren für den Antrag. Vielleicht gab es da einen,
00:30:12: der aus diesem Generationenkonflikt ein bisschen rausgestochen ist, denn "Unhaltbar!",
00:30:16: René, vielleicht weißt Du wer den Artikel
00:30:19: geschrieben hat, vielleicht warst du sogar selber.
00:30:22: Im "Unhaltbar!" gab es dann eine Nachlese zu der
00:30:24: ersten Mitgliederversammlung, Jahreshauptversammlung damals noch, und da
00:30:28: stand drin "20-Jähriger redete sich um die angelegten Schlips und Kragen,
00:30:33: als er seinen Beitrag mit dem Statement versah,
00:30:35: ich würde auch in die Partei eintreten, wenn es dem Verein nutzen würde."
00:30:42: Ja, das war eine relativ verstrahlte
00:30:44: Person, würde ich sagen. Thomas hat ihn auch erwähnt. Ja,
00:30:48: der kommt nochmal vor, ich glaube im "Übersteiger" oder
00:30:51: in "Splitter" glaube ich sogar, auf jeden Fall hat er dann auch noch so
00:30:55: ganz wild, also ich kann das gerne mal zitieren,
00:30:58: das ist ein ganz wilder, ach genau hier ist es.
00:31:00: Das müsste der Gleiche sein, also die Beschreibung ist ähnlich.
00:31:04: Und dann also Zitat von diesem Menschen tatsächlich:
00:31:07: "Wenn dann das Stadion irgendwann Heinz- Weisener-Stadion heißt und wenn Sie,
00:31:11: Herr Weisener, dann tot sind, naja in 70 Jahren und dann irgendwann
00:31:14: herauskommt, dass Sie, nehmen wir mal an, dass Sie homosexuell waren, naja,
00:31:18: oder ein ähnlich schweres Vergehen, dann nennen wir das Stadion doch auch
00:31:22: nicht gleich um."
00:31:24: Ja. Solche Leute gab es auch.
00:31:26: Aber das waren dann eher nicht ganz so ernst zu nehmende Menschen. Ernst zu
00:31:30: nehmen waren natürlich dann schon eben die
00:31:32: teilweise, ich glaube sogar Stender selber auch oder
00:31:35: andere eben Ältere. Anfangs hat sich Hans Apel ja auch noch
00:31:38: hervorgetan, der dann Aufsichtsratsvorsitzender ja war
00:31:41: in der Zeit, der hat dann ja auch einen Brief,
00:31:43: eine Erklärung vorgelesen von den Töchtern von Wilhelm Koch,
00:31:47: die dann eben auch an diese freundschaftlichen Kontakte erinnern,
00:31:50: also das, was sie uns heute oder
00:31:52: eine Tochter uns heute ja auch weiterhin erzählt und dass es auch
00:31:56: durchaus so ist wohl. Also die Parteimitgliedschaft wird da gar nicht
00:31:59: erwähnt, aber eben diese Zusammenarbeit oder
00:32:01: die weiterhin auch nach der Immigration die Zusammenarbeit
00:32:05: mit den Familien Sekkel und Arensberg,
00:32:07: die wird da auch noch mal hervorgetan. Und dann war es ja so,
00:32:10: dass dann aus der Versammlung gesagt wurde,
00:32:13: Apel ist dann als Versammlungsleiter, zu dem er sich ja selber gemacht hat,
00:32:16: nicht wirklich geeignet, wenn er so eine klare Position einnimmt.
00:32:20: Und Christian Hinzpeter sah sich, der wurde dann vorgeschlagen,
00:32:22: sah sich nicht imstande, weil gerade diese Wahl ja so
00:32:25: schlecht, auch für ihn zum Teil schlecht, und für Weisener erst recht schlecht
00:32:28: ausgegangen war. Also er war emotional nicht in der Lage
00:32:31: diese Versammlungsleitung zu übernehmen und dann wurde halt Karsten Marschner
00:32:34: vorgeschlagen, der damals glaube ich auch schon
00:32:36: Geschäftsführer des Hamburger Fußballverbandes war,
00:32:38: und der hat dann ja auch in den Jahren danach diese Funktion weiter ausgeführt
00:32:42: und auch denke mal relativ gut ausgeführt.
00:32:44: Aber das war also allein schon auch so ein bisschen wildes
00:32:48: Wer macht jetzt eigentlich was hier und und wer darf was sagen und so.
00:32:51: Also es war etwas Unruhe im Raum, sagen wir mal so.
00:32:55: Ich kann auch noch ergänzen, dass auch der Enkel von Wilhelm Koch noch
00:32:59: mal eine Rede gehalten hat auf der Versammlung, auch pro seinem Großvater,
00:33:03: was ja erstmal sowieso menschlich, familiär total nachvollziehbar ist,
00:33:07: aber eben auch inhaltlich waren sie ja alle
00:33:09: einfach anderer Meinung ist das, was René recherchiert hat.
00:33:12: Also NSDAP-Mitgliedschaft wurde nicht erwähnt,
00:33:15: tatsächlich aber halt dieses freundschaftliche Verhältnis zu den Ex-
00:33:18: Firmenbesitzern wurde ja hervorgehoben, ist ja quasi im Gutachten letztlich auch
00:33:22: noch mal bestätigt worden dann später. Genau ja,
00:33:25: also es gibt ja auch Unterlagen, also die wir mittlerweile haben,
00:33:28: weiß nicht ob das jetzt noch kommt, wir haben ja mittlerweile zur Familie von
00:33:32: Jacques Sekkel ja durchaus Kontakt aufgenommen, das ist ja interessant,
00:33:35: dass in dem Gutachten, da kommen wir ja gleich noch zu,
00:33:38: dass dann ja
00:33:39: in Auftrag gegeben wurde. Da wird ja erwähnt,
00:33:42: dass keine Familienmitglieder mehr zu ermitteln waren. Wir haben sie ermittelt.
00:33:46: das hatten wir hier auch schon mal im Podcast thematisiert und über
00:33:49: diesen Kontakt haben wir zum Beispiel auch noch Unterlagen bekommen,
00:33:53: dass also auch noch mal die Frau von Jacques Sekkel war
00:33:56: es dann glaube ich auch schriftlich niederlegt, dass eben es Kontakte gab,
00:33:59: auch persönliche Kontakte gab, dass die in Schweden besucht wurden,
00:34:03: dass da auch die Geschäftsbücher vorgelegt wurden sozusagen,
00:34:06: dass da auch noch
00:34:07: finanzielle Transaktionen stattgefunden haben.
00:34:10: Also das ist wohl von allen Seiten so belegt,
00:34:13: dass das eine in Anführungsstrichen halbwegs normale Geschäftsübergabe war,
00:34:18: natürlich letztlich nicht von den Umständen, aber, ja.
00:34:22: Aber Ihr sagt gerade jetzt, Apel hat das nicht erwähnt,
00:34:25: aber hat Apel nicht auch gesagt, so erinnere ich das,
00:34:27: dass sozusagen die Mitgliedschaft, also dass Koch das alles zum Wohle
00:34:31: des Vereins gemacht hat. Oder war das erst in der nächsten?
00:34:34: Ich meinte auch nicht, dass Apel es nicht erwähnt hat,
00:34:36: sondern die Familie Koch. Die Familie Koch nicht, alles klar.
00:34:40: Genau ja, aber interessant ist,
00:34:42: das steht sogar im Protokoll, im
00:34:45: offiziellen Versammlungsprotokoll. "Er", also Apel,
00:34:48: "verweist auf die damalige Vereinssatzung, wonach Herr Koch das Amt nur bei
00:34:52: Parteieintritt beibehalten konnte", und das ist Quatsch.
00:34:55: Also erstmal war das insgesamt nicht so, aber die Satzung,
00:34:58: wir haben also die Satzung von 1935, da steht das nicht drin,
00:35:01: und auch in der von 1940 steht das nicht drin, also das ist nicht so, Punkt.
00:35:05: Aber das hat er halt erstmal
00:35:08: behauptet, vielleicht hat er es auch angenommen,
00:35:10: mag sein, aber das war auf jeden Fall falsch.
00:35:13: Interessant ist ja, dass Apel diese Verteidigungslinie
00:35:16: gefahren hat, die man auch sonst bei anderen Vereinen
00:35:18: oder die immer wieder auch aufgepoppt ist,
00:35:21: also die haben das gemacht, das war zum Wohle des Vereins,
00:35:24: oder sie haben sozusagen auch
00:35:26: versucht Schaden, also hat er nicht wörtlich so gesagt,
00:35:29: aber das klang, Schaden abzuwenden sozusagen.
00:35:31: Und so muss man das halt interpretieren und das ist natürlich für jemanden
00:35:35: der, also unabhängig davon, dass ich nun mit Apel nie was anfangen
00:35:39: konnte als politischer Person, ist das schon ein bisschen billig also, aber
00:35:42: der Vorteil war natürlich, dass er als Politiker natürlich eine
00:35:46: rhetorische Strahlkraft hatte so und das dann sicherlich
00:35:49: auch gewirkt hat und der Enkel
00:35:51: war meiner Erinnerung nach auch rhetorisch relativ gut,
00:35:55: oder der hatte vielleicht aus beruflichen Gründen auch damit zu tun,
00:35:59: vor Leuten zu reden. Da ist natürlich auch dieser Mythos vom Befehlsnotstand
00:36:04: drin. Also er musste, er hatte keine Wahl. Ja, ja genau.
00:36:08: Ich würde ganz gerne jetzt auf das Ergebnis dieser MV 1997,
00:36:11: also die erste MV, die sich mit der Stadionumbenennung
00:36:15: beschäftigt hat, einmal eingehen, und zwar das Ergebnis
00:36:19: war, dass es ein Gutachten geben soll. Ronny, kannst du einmal schildern,
00:36:23: wie es zu diesem Gutachten kam und dieses Gutachten wurde dann erarbeitet von Frank
00:36:29: Bajohr, einem bekannten Historiker hier in
00:36:32: Deutschland. Wie kam es dazu? Ich würde noch mal zwei Sätze vorher gern
00:36:36: zur Atmosphäre dieser ersten Versammlung sagen wollen,
00:36:40: das hatte ich eben noch mal verpasst, noch mal mit einzubringen in meinen
00:36:44: letzten Beitrag.
00:36:46: Mit den Anfeindungen, es war nicht nur während meiner Rede,
00:36:50: sondern die Rede war beendet. Ich bin persönlich
00:36:53: angegangen worden, "Leute wie Sie brauchen wir nicht
00:36:56: im Verein" beispielsweise und "Wären wir mehr Alte gewesen,
00:36:59: hätten wir Sie heute rausgeschrien". Es ging bis zu körperlichen Androhungen,
00:37:03: also Körpergewalt-Androhungen, es gab keine Körpergewalt,
00:37:06: aber es gab Androhung diesbezüglich, und das war schon eine bedrückende
00:37:10: Situation für mich, muss ich sagen.
00:37:14: Ich war da etwas jünger damals, als ich heute es bin.
00:37:17: Logischerweise, ist ja auch schon 30 Jahre her.
00:37:20: Zwar schon gestandener Erwachsener, aber wenn du da vor ein paar hundert Leuten
00:37:26: stehst und du wirst da so persönlich angegangen, ich meine,
00:37:29: das waren Methoden von Leuten, die undemokratisch waren,
00:37:33: die im Nachhinein uns undemokratisches Verhalten vorgeworfen haben,
00:37:38: mutmaßlich undemokratisches Verhalten. Das können wir vielleicht noch mal dann
00:37:43: ein bisschen vertiefen dann, auch mit ein paar Zitaten, aber
00:37:46: da habe ich mich nicht so wohl gefühlt, muss ich sagen. Also ich wusste,
00:37:50: dass da ein paar Leute im Rund mit waren, die, wenn es drauf angekommen wäre,
00:37:54: auch hinter mir gestanden hätten. Haben die denn überhaupt noch
00:37:58: argumentiert oder war das einfach nur persönlich?
00:38:01: Das hat ja alles Hans Apel gemacht, das reicht doch.
00:38:03: Also die waren so "Was Apel sagt und übrigens ich hau dir gleich eine rein".
00:38:08: Nee, also in der persönlichen Kommunikation kam da
00:38:12: nichts mehr an Argumenten, das waren einfach nur noch Hassgefühle,
00:38:17: soweit würde ich sogar gehen,
00:38:20: dass das Hassgefühle waren. Du hast meinen besten Freund verraten,
00:38:24: so in diesem Sinne. Korpsgeist. Ja. Korpsgeist ist ein ganz guter Begriff, ja.
00:38:29: Aber um auf das Gutachten zurückzukommen, also
00:38:32: ich habe ja dann letztlich meinen Antrag zurückgezogen, weil klar wurde,
00:38:36: wenn wir das jetzt durchziehen, also selbst wenn wir eine Mehrheit
00:38:40: bekommen, dann könnte es sein, dass wir diesen Verein spalten,
00:38:43: dass der auseinanderbricht, und das wollten wir nicht,
00:38:47: das wollten die anderen nicht. Und auch wenn es große Differenzen gab
00:38:51: zwischen Alt und Jung, gab es immer noch das gemeinsame,
00:38:54: nämlich den Verein FC St. Pauli. Und dann kam halt Olaf Wuttke mit einem
00:38:58: damals noch GAL-Bezirks-
00:39:01: Fraktionsvorsitzender glaube ich, in Altona, mit einem Kompromissantrag,
00:39:06: der halt besagte, dass sinngemäß, ich habe die nicht im Wortlaut im Kopf,
00:39:11: dass eine jüdische Historikerin beauftragt wird, Ina Lorenz namentlich,
00:39:16: die er auch schon im Antrag genannt hat und vielleicht noch ein paar Leute mehr,
00:39:22: die ein Gutachten erstellen sollen.
00:39:26: Und dieser Antrag ist dann tatsächlich auch mehrheitlich angenommen worden.
00:39:30: Sehr mehrheitlich. Es gab, habe ich mal geguckt,
00:39:32: sechs Gegenstimmen laut Protokoll. Immerhin haben dann offensichtlich auch
00:39:36: Gegner dieses Antrags dann für diesen Kompromissantrag gestimmt.
00:39:39: Offensichtlich, ja. Was dann eben auch nicht
00:39:42: selbstverständlich war, fand ich für den Abend,
00:39:44: für die Stimmung war das schon erstaunlich. Das Problem war halt,
00:39:47: dass die Kommission letztlich völlig anders aussah als Olaf Wuttke sich das
00:39:51: eigentlich vorgestellt hatte und auch die
00:39:54: Mehrheit derjenigen, die dafür gestimmt haben.
00:39:57: Olaf hat mir vor ein paar Tagen am Telefon noch mal erzählt,
00:40:00: dass er nach dieser Versammlung direkt mit Heinz Weisener noch mal persönlich
00:40:04: gesprochen hat und noch mal Ina Lorenz vorgeschlagen hat als Historikerin
00:40:08: und Weisener war damit einverstanden, hat gesagt,
00:40:10: "Nehmen Sie mal Kontakt mit der Frau auf". Das hat Olaf Wuttke gemacht,
00:40:14: und Ina Lorenz hat dann gesagt, "Ich finde das interessant,
00:40:17: aber ich kenne da jemanden, der ist da besser geeignet als ich,
00:40:21: nämlich Frank Bajohr."
00:40:23: Und so ist Frank Bajohr sozusagen ins Boot geholt worden. Wie Hans Grutschus ins Boot
00:40:27: geholt wurde, kann ich im Nachhinein nicht sagen.
00:40:30: Also es muss das Präsidium gewesen sein, das letztlich darüber entschieden hat,
00:40:34: wie die Kommission auszusehen hat. Also kurzer Einwand, Hans Grutschus,
00:40:38: der zweite Autor, kann man sagen, dieses Gutachtens,
00:40:40: der war zu dem Zeitpunkt Mitglied des Aufsichtsrates. Das zum einen,
00:40:44: zum anderen hat sich auch erst viele Jahrzehnte später rausgestellt,
00:40:48: war Grutschus wohl offensichtlich auch mehr oder minder ein Freund der Familie
00:40:52: Koch.
00:40:54: Da hätte im Grunde Grutschus von sich aus schon sagen müssen,
00:40:57: "Ich finde mich da irgendwie befangen, ich kann das eigentlich nicht machen."
00:41:02: Ob jetzt das Ergebnis mit einer anderen Kommissionszusammensetzung anders
00:41:07: ausgesehen hätte, als es tatsächlich sich ergeben hat,
00:41:11: glaube ich nicht, aber vom Prinzip her finde ich es
00:41:14: eigentlich jetzt im Nachhinein nicht schön, dass Grutschus da...
00:41:18: In welcher Funktion war der denn an dem Gutachten beteiligt?
00:41:22: Also Historiker ist er ja nicht, oder war er ja nicht. Als
00:41:25: Vereinsvertreter sozusagen. Er war Rechtsanwalt wohl ursprünglich mal und
00:41:29: eben wie gesagt bei der Versicherung tätig.
00:41:32: Ich würde gerne mal ganz kurz zu dem
00:41:34: Thema Zusammensetzung dieser Kommission, weil es gab ja eben Kritik daran,
00:41:39: warum die beiden? Also gut, Frank Bajohr war letztlich wirklich
00:41:42: unumstritten, das war eine vernünftige Wahl.
00:41:46: Aber was mir noch mal aufgefallen ist, es gab nämlich dann gar nicht mal so
00:41:51: lange danach im Januar 1998 das erste, tatsächlich das erste direkte Treffen
00:41:55: zwischen der AGiM und Heinz Weisener und in dem Protokoll von diesem Treffen,
00:42:00: es wird dann auch das Thema Stadionumbenennung behandelt und da
00:42:04: steht dann "Nach kurzer Diskussion erklärt sich das Präsidium bereit,
00:42:09: mit Ronny Galczynski über eine Miteinbeziehung in die Kommission zu
00:42:13: sprechen."
00:42:14: Und auch noch interessant: "Beide Seiten sind sich außerdem einig,
00:42:17: dass nicht nur über die Person Wilhelm Koch recherchiert werden soll,
00:42:20: sondern die gesamte Vergangenheit des FC St. Pauli im "Dritten Reich" beleuchtet
00:42:23: werden muss." Was ja auch nicht wirklich passiert ist.
00:42:25: Also weder in dem Gutachten noch anschließend, aber gut,
00:42:28: wäre schön gewesen.
00:42:29: "Falls sich die Vorwürfe gegen Koch bestätigen, steht das Stadion aber auf jeden Fall zur
00:42:33: Disposition". Aber die Frage ist, hat dann mit Dir noch mal jemand
00:42:36: gesprochen? Natürlich nicht. Gut. Also mit Olaf
00:42:38: Wuttke übrigens auch nicht, also die AGiM hatte vorab ja schon mal,
00:42:41: das hab ich ja einem Protokoll der AGiM aus
00:42:43: dem November glaube ich oder Dezember entnehmen können,
00:42:46: vorab schon mal dem Präsidium gegenüber betont,
00:42:48: dass sie mit der Zusammensetzung der Kommission nicht einverstanden sei und
00:42:51: sie mich und Olaf Wuttke beispielsweise dann noch mal gern in die Kommission geholt
00:42:55: hätten. Olaf ist nicht angesprochen worden,
00:42:57: ich bin nicht angesprochen worden.
00:42:59: Das Präsidium hat einfach, muss man sagen,
00:43:01: selbstherrlich entschieden, wer da drinsitzen soll.
00:43:04: Also ob ich das letztlich hätte machen wollen, ist eine andere Frage. Ja,
00:43:08: aber gut, es geht ja erst mal um überhaupt,
00:43:10: also wie gesagt, wurde da ja offiziell "Das Präsidium erklärt sich bereit".
00:43:14: Würde mich noch mal interessieren, René, wie hast Du das verfolgt,
00:43:18: also einerseits das, was Ronny geschildert hat,
00:43:20: so diese persönlichen Auseinandersetzungen während der
00:43:23: Jahreshauptversammlung und
00:43:25: das Ergebnis, was dabei rausgekommen ist,
00:43:27: also das Gutachten von Frank Bajohr, hast Du das so von außen betrachtet? Ja,
00:43:32: ich hatte ja vorhin schon gesagt, dass generell die Reaktionen auf das Buch,
00:43:37: also die, die bei mir angekommen sind,
00:43:40: jetzt überhaupt nicht zu vergleichen waren mit dem,
00:43:43: was Ihr jetzt in Sachen Ollig spürt und aber auch nicht mit dem,
00:43:47: was Ronny auf der Versammlung erfahren hat, weil
00:43:52: ich war da völlig unbehelligt, also mich hat da keiner angepöbelt,
00:43:55: vielleicht war ich auch zu unbekannt. Also das ist mir nicht widerfahren,
00:43:59: also das war schon vielleicht der große Unterschied.
00:44:02: Mir ist jetzt eben noch mal eingefallen, dass wenn Du sagst,
00:44:05: das war natürlich ein Fortschritt, dass die
00:44:07: sozusagen Koch-Anhänger, dem Kompromissantrag zugestimmt haben,
00:44:11: immer im Nachhinein, polemisch gesagt, könnte man natürlich auch sagen,
00:44:15: die haben es gemacht, weil sie gedacht haben, da kommt das raus,
00:44:19: was ihnen gefällt, also da kommt das raus,
00:44:21: dass man das Stadion nicht umbenennt. Das ist natürlich jetzt sehr
00:44:25: spekulativ. Dann kam ja auch das, also das Gutachten wurde in Auftrag
00:44:29: gegeben und dann gab es quasi ein Jahr Pause zwischen diesen beiden
00:44:33: Jahreshauptversammlungen, und dann gab es das Gutachten von Frank
00:44:37: Bajohr und dieses Gutachten hätte man dann so lesen können,
00:44:41: dass Wilhelm Koch entlastet wurde durch dieses Gutachten.
00:44:46: Also er war nicht, wie wir es ja schon geschildert haben,
00:44:51: Profiteur der "Arisierung", zwar irgendwie schon,
00:44:54: aber eben in einem Verhältnis zu den vorigen Inhabern, von Arensberg und Sekkel,
00:45:00: stand in einem guten Verhältnis.
00:45:03: Und seine NSDAP-Parteikarte... Aber vielleicht,
00:45:05: um das noch mal ganz klar zu sagen, er hätte diese Firma nicht übernehmen
00:45:09: können, wenn die Familien nicht 1933 hätten
00:45:12: fliehen müssen. Genau, er war keine Profiteur der "Arisierung",
00:45:15: weil es diesen Begriff zu dieser Zeit noch gar nicht gab,
00:45:18: er war ein Profiteur der gesellschaftlichen Verhältnisse,
00:45:21: die sozusagen dazu geführt haben, dass die Vorinhaber sozusagen das Land
00:45:26: verlassen haben, glücklicherweise relativ früh, früher als
00:45:29: andere, und dadurch ist er sozusagen in eine
00:45:31: Position gekommen, die
00:45:33: es ihm alles ermöglicht hat, sozusagen zu einem Vermögen zu
00:45:37: gelangen, zu dem er in anderen politischen
00:45:39: Verhältnissen nicht gelangt wäre. In dem Sinne ist er natürlich ein
00:45:43: Profiteur der Zeit. Und letztlich dann ja auch der Verein,
00:45:47: der hat ja auch am Ende davon profitiert,
00:45:49: weil er ja durchaus auch Geld in den Verein,
00:45:52: also auch besonders dann in der Nachkriegszeit.
00:45:55: Er war ja zu dem Zeitpunkt schon zwei Jahre Präsident des FC St. Pauli.
00:46:00: Wobei es der Firma Arensberg und Sekkel ja damals nicht so gut gegangen sein soll.
00:46:05: Genau, das hat dann Frank Bajohr in einem Gutachten dann auch noch mal aufgelegt,
00:46:10: dass es schon mehrere finanzielle Turbulenzen gab in der Firma. 1933 schon?
00:46:15: 1931 schon. Also es wurde dann besser im Laufe des
00:46:19: Krieges kann man fast sagen oder im Laufe der NS-Zeit.
00:46:23: Die Jahreseinnahmen stiegen dann deutlich wieder im Laufe der
00:46:26: Zeit. Ja, also,
00:46:28: das war natürlich wichtig, dass er das recherchiert hat,
00:46:30: aber es gab ja eben dann auch sozusagen für die Debatte wichtige
00:46:33: Sätze wie,
00:46:34: selbstverständliche Sätze wie "Es gab keine Pflicht,
00:46:37: der Partei beizutreten, es war immer freiwillig".
00:46:40: Das waren natürlich dann schon Sachen, die dann
00:46:44: vielleicht dem ein oder anderen im Verein
00:46:46: noch neu waren zu der Zeit und also insofern hat er natürlich schon,
00:46:49: und die Debatte ging ja später dann auch dahin, dass man gesagt hat,
00:46:52: also oder anders, zurück. Ich im Buch,
00:46:55: hab ja damals in der ersten Auflage geschrieben, na ja,
00:46:57: das kann doch nicht sein, FC St. Pauli sozusagen
00:47:01: angesichts der linken Fankultur, die es heute gibt, wie kann das denn sein,
00:47:04: dass das Stadion nach einem NSDAP-Mitglied benannt ist.
00:47:06: Aber der entscheidende Punkt ist ja eigentlich,
00:47:09: und der kam ja dann erst später. Es geht natürlich nicht,
00:47:11: dass ein öffentlicher Platz, ein öffentliches, ja also.
00:47:15: Das gilt für eine Straße, es gilt für einen Platz.
00:47:18: Es gilt natürlich auch für ein Stadion, kann nicht nach einem NSDAP-Mitglied
00:47:22: benannt sein, Punkt aus. Auch wenn die Karte leer ist. Genau,
00:47:25: auch wenn die Karteikarte leer ist. Das Gutachten,
00:47:28: das erschien ja dann tatsächlich schon Ende April 1998,
00:47:31: da wurde das vorgestellt. In der Pressemitteilung des Vereins dazu,
00:47:35: dann am Ende das Fazit "Angesichts dieser Feststellung des vorgelegten Gutachtens
00:47:39: sehen Präsidium und Aufsichtsrat keinerlei Handlungsbedarf", so
00:47:42: das war dann stand Ende April 1998.
00:47:45: Das Gutachten wurde dann, das hätte man sich also angucken können
00:47:49: beziehungsweise abholen können in der Geschäftsstelle und dazu ist mir noch
00:47:53: aufgefallen, es gab im September 1998 einen Artikel im
00:47:56: "Übersteiger" von der AGiM, geschrieben von Uwe Doll,
00:47:59: also der steht namentlich drunter und interessant ist daraus "Das im Frühsommer
00:48:04: vorgelegte Gutachten
00:48:07: (Der ursprüngliche Antragsteller Ronny Galczynski wurde
00:48:10: trotz gegenteiliger Zusage des Präsidiums nicht mehr hinzugezogen)". Also,
00:48:13: ich wollte das natürlich noch mal von Dir hören,
00:48:15: aber es war dann offensichtlich wirklich so,
00:48:18: "wurde allerdings von den allerwenigsten zur Kenntnis genommen,
00:48:20: die Exemplare stapeln sich nach wie vor auf der Geschäftsstelle".
00:48:23: Also das Interesse war dann insgesamt wohl doch,
00:48:26: also auch nach jetzt dann einem halben Jahr oder noch länger nach dieser
00:48:29: Versammlung nicht mehr ganz so gegeben offensichtlich.
00:48:31: Ja heute hätte das jemand als PDF ins Netz gestellt. Mit Sicherheit.
00:48:36: Ziemlich schnell also eine Verbreitung gefunden.
00:48:39: Da war also nicht mehr so viel Interesse und wie ich vorhin schon mal
00:48:43: kurz sagte, diese Versammlung 1998, da war dann auch hauptsächlich das Thema
00:48:47: der ehemalige Schatzmeister Horst Niewicki hat offensichtlich den Verein und den
00:48:52: Aufsichtsrat und das Präsidium über die wahre Finanzlage
00:48:56: sagen wir mal im Unklaren gelassen. Nicht offensichtlich, mutmaßlich.
00:49:00: Und der dann amtierende Vizepräsident Robert Ahrens hat das alles aufgedeckt
00:49:04: und ist dann aber selber zurückgetreten, weil ihm das alles zu heikel war.
00:49:08: Das war so das beherrschende Thema dieser Versammlung eigentlich,
00:49:11: plus dass eine Nachwahl für den Aufsichtsrat stattfand und da ein
00:49:14: gewisser Holger Scharf dann doch endlich in den Aufsichtsrat gewählt wurde an
00:49:18: diesem Tag und dann am Ende kamen wir noch zu "Anträgen aus vorherigen
00:49:21: Versammlungen", steht da so schön im Protokoll.
00:49:23: Wie war denn, um vielleicht noch mal ganz kurz einen
00:49:26: Schritt zurückzugehen, weil mich das interessiert,
00:49:28: wie war denn überhaupt die
00:49:31: Berichterstattung zwischen diesen Mitgliederversammlungen, also wie hat die,
00:49:35: wie haben die Vereinsmedien das zum Beispiel rezipiert,
00:49:38: kam da überhaupt was? Also es muss ja der "Blickpunkt" damals
00:49:42: dann gewesen sein schon. Ich habe den "Blickpunkt" aus dieser
00:49:46: Zeit durchgeblättert, es gab nicht eine Zeile darüber,
00:49:49: also weder vor der Versammlung 1997 noch vor der Versammlung 1998,
00:49:52: noch jeweils nach den Versammlungen, das war schon, ob das jetzt Kalkül war,
00:49:57: so ein Thema nicht in
00:49:59: Vereinsdiskussionen reinzubringen oder ob das ihnen einfach
00:50:03: zu unwichtig war. Ich hab keine Ahnung.
00:50:05: Also es taucht ein ganz kleiner Mini-Halbsatz nach der 1998er-
00:50:09: Versammlung ist drin in einem Leitartikel sag ich mal.
00:50:12: Aber auch ohne Wertung einfach nur "Das Stadion wurde umbenannt", so Punkt, also
00:50:16: Komma, das ist alles und auch in den Berichten des "Alten Stammes" steht nur
00:50:20: "Es wurde lebhaft über die Versammlungen diskutiert",
00:50:23: so nach dem Motto also auch keinerlei Einzelheiten. Also im "Blickpunkt" taucht
00:50:26: das eigentlich überhaupt nicht auf.
00:50:28: Und in den Stadionzeitungen den jeweiligen, immer in den beiden
00:50:32: nach den Versammlungen, gibt es eher einen kurzen Bericht,
00:50:35: also es wird erwähnt die Thematik da wird erwähnt,
00:50:38: aber ohne Wertung einfach nur. Also beim ersten Mal eben, es wird eine
00:50:42: Kommission eingesetzt, beim zweiten Mal halt, ja weiß ich jetzt
00:50:45: gar nicht mehr, da wird auch
00:50:47: eher nur diese Finanzproblematik und Wolfgang Helbing ist neuer
00:50:51: Vizepräsident. Irgendwie so, also das ist, das taucht da kaum auf tatsächlich.
00:50:55: Die Fanzines haben da schon mehr berichtet, "Unhaltbar!" deutlich mehr als
00:50:59: "Übersteiger" muss man sagen damals, aber es war schon reflexiv auch noch mal
00:51:02: auf die jeweiligen Versammlungen, was hat sich ergeben,
00:51:05: wo stehen wir eigentlich selbst als Fanzines, also die haben schon berichtet, alles
00:51:09: andere hätte ich mich auch überrascht, aber ich finde schon auch.
00:51:13: Was "Übersteiger" anbelangt zu wenig. Ja, ich hab ganz am Anfang gesagt,
00:51:16: also zwischen den Versammlungen, weil das jetzt Deine Frage war, war im
00:51:19: "Übersteiger" gar nichts, in irgendeinem Vorwort
00:51:22: wird mal erwähnt, wir hatten eigentlich vor,
00:51:24: aber ist irgendwie hinten runtergefallen tatsächlich also anders,
00:51:27: aber so in etwa. "Unhaltbar!" hatte auf jeden Fall noch mal zwischendurch einen
00:51:30: längeren Artikel über Koch im Blatt, also nicht nur die,
00:51:33: es gab natürlich auch Berichte über die Versammlungen, aber es gab auch mal einen,
00:51:37: glaube ich zweiseitigen Artikel über die Personalie Koch und über sein
00:51:40: Wirken im Verein und so weiter.
00:51:42: Das gab's noch, aber sonst ist auch aus der
00:51:45: insgesamten Wahrnehmung ist das glaube ich ein bisschen verschwunden
00:51:49: das Thema im Laufe dieses Jahres. Wurde das Buch oder wurde Dein Buch denn
00:51:53: irgendwie vereinsseitig zur Kenntnis genommen,
00:51:55: wurde da mal irgendwas zu gemacht? Also zur Kenntnis genommen
00:51:59: bestimmt. Aber der Verein, also ich glaube, es gab
00:52:03: ja dann in der Stadionzeitung
00:52:06: Da gab es ne Besprechung, ne wohlwollende auch.
00:52:09: Ja, von Folke Havekost. Damals von Folke Havekost im "Pauli", genau.
00:52:13: Ansonsten hat der Verein, also ich hatte mal ein Gespräch mit
00:52:17: Christian Hinzpeter irgendwie kurz nach der Buchveröffentlichung, aber nee,
00:52:21: ansonsten hat der Verein da auf mich nicht weiter reagiert.
00:52:24: Also insgesamt glaube ich war die Reaktion, also wenn ich das aus heutiger
00:52:28: Sicht betrachte, war das eigentlich eher, abgesehen davon,
00:52:31: dass jetzt natürlich auch sozusagen die
00:52:34: Fanzines zumindest teilweise zu wenig berichtet haben, die Vereinszeitung
00:52:38: gar nicht, war die Berichterstattung über diese also,
00:52:41: seitdem die Recherchen draußen waren, ja eher so,
00:52:44: dass da in den Tageszeitungen oder wenn die berichtet
00:52:48: haben, wurde eigentlich eher sozusagen ne
00:52:50: vereinsinterne Debatte so gespiegelt, und es kamen verschiedene Stakeholder,
00:52:54: wie man heute sagen würde, kamen zu Wort, und die wurden halt zitiert, während jetzt
00:52:59: heute ja, um jetzt diesen Sprung zu wagen,
00:53:02: beteiligt sich letztlich jeder an der Debatte.
00:53:05: Also das ist eine ganz andere Art von, Diskurs wäre jetzt das falsche Wort,
00:53:09: aber genau. Wurde das im Stadion diskutiert,
00:53:12: also so in Euren Bezugsgruppen oder auch neben den Leuten,
00:53:16: die man so zufällig stand, wurde man da mal drauf angesprochen?
00:53:19: Also ich als Antragsteller damals bin natürlich häufiger darauf angesprochen
00:53:23: worden von denen, die mich kennen, das ist klar.
00:53:28: Zumeist auch mit Zustimmung, also zu großen Teilen,
00:53:31: natürlich mit Zustimmung, aber auch manchmal mit,
00:53:34: ob das sein muss, weiß ich nicht, aber das haben wir heute ja nicht anders,
00:53:38: also krasser noch als damals muss ich sagen. Das war schon ein Thema,
00:53:42: auch nicht nur im Stadion, sondern eben auch,
00:53:45: ich habe ja auch in meiner Freizeit sozusagen außerhalb des Stadions,
00:53:48: hauptsächlich auch mit St. Paulianern zu tun gehabt,
00:53:51: ob es jetzt in den Kneipen war oder
00:53:54: ansonsten bei "Übersteiger"-Sitzungen und AGiM-
00:53:57: Aktivist war ich ja auch noch, mehr oder minder, weniger als andere,
00:54:01: aber mehr als die meisten. Also das war schon immer ein Thema auch.
00:54:06: Aber letztlich, also ich mein, ich will jetzt nicht mich selbst loben,
00:54:10: aber gemessen dann an der Substanz der Entscheidung,
00:54:13: die dann getroffen wurde, das Stadion umzubenennen, hat es
00:54:16: glaube ich zu wenig Widerhall gefunden in öffentlichen Diskussionen.
00:54:19: Also wenn man das heute rückwirkend betrachtet,
00:54:22: war es ja schon ein einschneidendes Ereignis,
00:54:24: also nicht nur in der Vereinsgeschichte, sondern überhaupt im Umgang von Vereinen
00:54:28: mit ihrer Geschichte.
00:54:30: Und gut, wir hatten damals natürlich auch ne
00:54:33: völlig andere sogenannte Medienlandschaft. Es gab viel weniger Medien,
00:54:36: trotzdem ist sozusagen glaub ich die Quantität der Diskussion oder die
00:54:41: Intensität der Diskussion nicht dem gerecht geworden,
00:54:44: was dann eigentlich entschieden worden ist
00:54:46: oder dem Thema vielleicht nicht gerecht geworden.
00:54:49: Mal kurz auf dieses Thema Reaktionen, interessant ist ja
00:54:54: dass Ronny, Du hast also als es dann rauskam,
00:54:56: dass es diesen Antrag gibt, dann gab es ja auch Berichterstattung und
00:54:59: es gibt sogar ein kleines Interview mit Dir in der "taz",
00:55:02: drei Tage oder vier Tage vor der Versammlung 1997 und da wirst Du dann gefragt,
00:55:05: welche Reaktionen erwartest Du und dann hast Du es schon selber gemacht,
00:55:09: also schon vor der Versammlung, "Die werden mich wohl als Nestbeschmutzer
00:55:12: sehen und als linksradikalen Spinner titulieren",
00:55:15: also ein bisschen erwartet hast du es dann offensichtlich schon. Das Erste war der Fall,
00:55:18: das zweite nicht. Immerhin.
00:55:21: Interessant ist ja, wenn man sich so ein bisschen die
00:55:24: Berichterstattung auch als es dann auf diese zweite JHV zugeht,
00:55:27: die Stimmen aus dem Verein sind auch immer noch so, dass man merkt,
00:55:31: entweder sie waren sich sehr sicher, dass alles so bleibt, wie es ist,
00:55:34: weil dann sehr oft so darauf hingewiesen wurde,
00:55:37: dass man eigentlich gerade andere Dinge zu tun hätte,
00:55:40: die wichtiger sind als diese Stadionumbenennung.
00:55:42: Also Heinz Weisener hat zum Beispiel, "Es gibt momentan wichtigere Dinge als das".
00:55:47: Das ist ja schon so ne Geisteshaltung wo man merkt, René was Du sagst.
00:55:51: Es ist eigentlich gar nicht selbst nach dem Gutachten von Frank Bajohr und
00:55:55: wirklich dieser Fanaufruhr der entstanden ist auch bei der ersten JHV,
00:55:59: dass es immer noch nicht wirklich das Bewusstsein dafür gab, wie
00:56:03: relevant und auch historisch grad dieser Moment eigentlich im Verein ist. Also
00:56:06: diese Pressemitteilung da, die hab ich jetzt natürlich auch
00:56:09: vergessen, die Thomas jetzt noch mal zitiert hat,
00:56:12: dass die gesagt hat, es gibt keinen Anlass,
00:56:14: ich mein so macht man das natürlich als Unternehmen,
00:56:16: dass man natürlich die sozusagen Gutachten so interpretiert,
00:56:19: wie einem das gerade in den Kram passt.
00:56:22: Aber es ist natürlich schon ne sehr verfälschende Sichtweise gewesen und dass
00:56:25: die da dann praktisch noch diesen Kurs gefahren haben, nee,
00:56:28: also wieso denn Umbenennung? Ich mein und also
00:56:31: Jetzt, das ist dann der Unterschied zu heute.
00:56:34: Ich mein, heute ist sozusagen das Präsidium,
00:56:36: die ich weiß nicht, Avantgarde ist jetzt n bisschen zu
00:56:39: pathetisch gesagt, während es damals sozusagen die Leute
00:56:42: gewesen sind, die gebremst haben und beziehungsweise
00:56:45: nicht nur gebremst haben, sondern sich quasi ja auch aktiv
00:56:48: widersetzt haben mit ihren Mitteln, mit allen,
00:56:51: mit eigentlich fast sogar mit allen möglichen Mitteln,
00:56:53: von der Zusammensetzung dieser erwähnten Kommission bis zu
00:56:58: einer Öffentlichkeitsarbeit, die jetzt auch sozusagen ein bisschen
00:57:02: fishy war. Ich möchte kurz noch mal, was Thomas vorhin gesagt hat,
00:57:06: ergänzen oder komplettieren, dass Hauptthema halt die Finanzen
00:57:10: waren und Niewicki sozusagen da das schwarze Schaf der Versammlung war.
00:57:15: Das gipfelte ja in der Forderung, ich glaube von Hans Apel sogar,
00:57:19: Niewicki nicht zu entlasten in der Versammlung,
00:57:23: was dann auch so passierte. Was aber finde ich noch mal
00:57:26: ein wichtiger Aspekt ist, weil die Folge nachher der Zustimmung des
00:57:30: Antrags 1998, nämlich Apels Rücktritt, hat ja unbedingt auch damit zu tun,
00:57:34: wie die Finanzen des Vereins ausgesehen haben. Was er verneint, aber ja.
00:57:38: Was aber alle Medien auch nach der Versammlung eindeutig tituliert haben,
00:57:42: dass sein Rücktritt mit der fadenscheinigen Begründung wegen
00:57:46: Umbenennung Quatsch ist und dass er zurückgetreten ist,
00:57:49: zu Recht in dem Sinne, weil er es versäumt hat,
00:57:52: die Finanzen vernünftig zu überwachen. Wir können ja einmal ganz kurz in
00:57:57: die JHV 1998 noch mal reingehen, weil das ist ja quasi das Ergebnis daraus.
00:58:01: Ronny,
00:58:04: vielleicht kannst Du einmal schildern, wie ist die JHV verlaufen, wie war
00:58:09: der Antrag und wie war dann der Ausgang?
00:58:12: Also Teil der Versammlung, hat Thomas ja schon geschildert was die Finanzen
00:58:16: anbelangt und dann
00:58:18: gab es halt, bevor mein Antrag überhaupt zur
00:58:22: Abstimmung kam beziehungsweise mein etwas modifizierter Antrag.
00:58:26: Gab es einen weitergehenden Antrag, der von einem anderen AGiM-Aktivisten
00:58:32: eingebracht wurde. 1997 noch nicht dabei, aber 1998 schon dann in der AGiM
00:58:38: auch aktiv gewesen ist, nämlich Mirko Wollenberg,
00:58:41: der den Antrag gestellt hat,
00:58:44: das Stadion eben nicht, wie in meinem Antrag steht, zur Saison
00:58:48: 1999/2000 umzubenennen, also zur nächst anstehenden Saison,
00:58:51: sondern ab sofort umzubenennen. So und dieser Antrag ist dann zur
00:58:55: Abstimmung gestellt worden und hat dann eine ganz knappe Niederlage erlitten.
00:59:00: 2-3 Stimmen glaube ich. 112 zu 114. Ja genau und jetzt im Nachhinein kann man
00:59:05: wohl sagen, dass es möglicherweise ein taktischer
00:59:08: Antrag war, um vielleicht auch die Leute für meinen
00:59:11: Antrag ins Boot zu holen,
00:59:12: die da dem anderen Antrag von Mirko nicht zustimmen konnten. So also sozusagen,
00:59:17: dass mein Antrag der weniger schlimme Antrag ist.
00:59:20: Hans Apel hat ja auch eine wichtige Rolle noch gespielt bei dieser JHV,
00:59:24: denn er hat ja, wenn ich richtig informiert bin,
00:59:27: quasi angekündigt zurückzutreten, wenn die Stadionumbenennung durchkommt.
00:59:31: Genau so war es. Was ja eine seltsames
00:59:33: Demokratieverständnis für einen Sozialdemokraten ist.
00:59:36: Wie ist dann der Verlauf ausgegangen, also nachdem dann der Antrag zugestimmt
00:59:41: wurde von Dir.
00:59:42: Was war die Reaktion im Verein? Man kann aber auch sagen,
00:59:45: also Apel hat erstmal versucht durch verschiedene komische
00:59:48: Geschäftsordnungsanträge noch alles zu versuchen, also die Abstimmung
00:59:53: auf 2000 vertagen wegen Stadionneubau oder dann eine Urabstimmung aller
00:59:56: Mitglieder zu bekommen, die sind aber allesamt abgelehnt worden
01:00:00: beziehungsweise nicht die nötige Zweidrittelmehrheit,
01:00:03: weil das wäre es gewesen, weil es Geschäftsordnungsanträge waren
01:00:06: und ich glaube, also das stand auch später in den Medien und
01:00:09: das glauben wir auch, dass seine Drohung
01:00:12: letztlich auch nicht so schlecht, sagen wir mal,
01:00:14: für den Ausgang Deines Antrages dann war, weil da haben dann doch viele,
01:00:18: die noch ein bisschen wackelig waren, gesagt, nee, das geht gar nicht,
01:00:21: wie er sein Amt sozusagen mit dieser dieser Frage verknüpft,
01:00:24: das ist eine Erpressung letztlich am Ende,
01:00:26: dann stimmen wir doch dazu, also das würde ich jetzt mal
01:00:29: interpretieren, weil dann doch, die war doch relativ deutlich dann am
01:00:33: Ende.
01:00:34: Da ist tatsächlich die Frage, wem Apel da in die Hand gespielt hat,
01:00:38: ob seinem Anliegen oder unserem Anliegen.
01:00:41: Also er hat sich da wirklich irre aufgeführt, also nicht nur irre aufgeführt,
01:00:46: sondern wie ein Irrer, also er hat schon gewusst,
01:00:49: was er gemacht hat, aber es kam ein Antrag nach dem nächsten
01:00:52: auf dieser Versammlung und er hat tatsächlich, wie Thomas schon sagte,
01:00:56: alles versucht, um an diesem Abend nicht über einen
01:01:00: Stadionumbenennungsantrag abzustimmen.
01:01:03: Aber das zeigt ja auch, ich meine, der Mann war natürlich politikerfahren,
01:01:07: ministeramtserfahren und dass jemand dann so praktisch neben der Spur ist,
01:01:12: eigentlich so formal betrachtet, sagt ja schon auch etwas aus
01:01:16: über die Emotionalität des Themas oder auch
01:01:18: diesen Bezug, den er zu diesem Thema hatte,
01:01:22: der ja völlig irrational war. Also ich meine,
01:01:24: man hätte ja auch sozialdemokratische
01:01:27: Argumente finden können für die Umbenennung.
01:01:31: Was war denn Apels Bezug? Also warum war der denn da so emotional
01:01:34: drin? War das auch noch ein alter Freund von
01:01:36: Wilhelm Koch? Das weiß ich jetzt gar nicht so genau,
01:01:39: eingetreten ist er sehr früh schon, ich glaube 1947 ist er in den Verein
01:01:43: eingetreten als junger Mann, also möglicherweise hat er ihn auch
01:01:46: gekannt noch über die Zeit, das kann gut sein,
01:01:49: das weiß ich ehrlich gesagt nicht, also entweder hat er sich da qua Amt,
01:01:53: also als Aufsichtsratsvorsitzender sowieso als berufen gefühlt,
01:01:56: da das Wort zu führen, das ist mal sicher würde ich sagen, aber
01:02:00: wie jetzt, da diese ganz persönliche Hingabe
01:02:04: sozusagen kam, kann ich nicht sagen. Da möchte ich auch noch einen auch aus
01:02:10: "Unhaltbar!" zitieren, die dann zu dieser JHV 1998 noch mal einen
01:02:14: kleinen Text geschrieben haben. "Zwischendurch vollzieht Apel,
01:02:18: Zitat "Sie werden jubeln, endlich haben Sie freie Bahn und können
01:02:23: diesen Verein endgültig ruinieren"
01:02:25: mal eben eine Art Kopernikanische Wende in der Mathematik,
01:02:29: um den Antragsbefürwortern vorzuwerfen, Zitat "Mit der Mehrheit einer kleinen
01:02:34: Minderheit die Stadionumbenennung durchzusetzen".
01:02:37: Warum Menschen der Auffassung sein könnten,
01:02:39: dass öffentliche Plätze nicht nach einem NSDAP-Mitglied benannt werden dürfen,
01:02:44: ist für Apel ganz klar. "Sie wollen den Verein missbrauchen für
01:02:48: ihre Emotionen".
01:02:50: Ja. Da muss man nichts hinzufügen. Fällt auch schwer.
01:02:53: Da kann man sagen, damit braucht man nicht weiter
01:02:56: über Hans Apel in diesem Moment noch schwadronieren.
01:02:59: Also diese Formulierung ist schon innovativ oder aus heutiger Sicht, mit
01:03:03: der Mehrheit einer kleinen Minderheit, also wenn man sich auch heute sozusagen
01:03:08: politische Diskurse anguckt, wie mit diesen Begriffen umgegangen wird,
01:03:11: dann ist das schon nicht uninteressant.
01:03:15: Man muss noch mal betonen, dass dieser Antrag dann 1998,
01:03:18: also mein etwas modifizierter Antrag, erstens zwar mit einer deutlichen
01:03:22: Mehrheit angenommen wurde, aber andererseits im Nachhinein uns auch
01:03:26: vorgeworfen wurde, uns Befürwortern und jüngeren Leuten,
01:03:29: dass wir das Ganze nun bewusst in die Länge gezogen hätten und dass die ganzen
01:03:33: alten Leute, die früh ins Bett müssen, schon die Versammlung verlassen haben.
01:03:38: Also natürlich waren um 00:30 Uhr, oder wann das beschlossen wurde,
01:03:42: deutlich weniger Leute im Stadion hätte ich fast gesagt, im CCH. Handwerkskammer.
01:03:46: Handwerkskammer, CCH war die erste 1997. Ich glaube ja. In
01:03:50: der Handwerkskammer deutlich weniger Leute als zu Beginn der Versammlung,
01:03:54: aber das ist ja in der Natur der Sache, dass bei solchen Versammlungen es nicht
01:03:58: mehr, sondern weniger Leute werden. Also die Stimmenanzahl war 133 zu 72 dann,
01:04:02: also schon eine deutliche Mehrheit, also im Verhältnis zu dem von
01:04:05: Mirko zum Beispiel.
01:04:07: Und Versammlungsende war 01:07 Uhr. Also es kommt ungefähr hin,
01:04:10: wahrscheinlich mit Deiner Uhrzeit. Nach Mitternacht,
01:04:15: da kann man mal von ausgehen. Und ich möchte auch behaupten,
01:04:18: dass wir auch zwei Stunden vorher eine Mehrheit gehabt hätten für den Antrag.
01:04:22: Ja am Ende glaube ich schon, also spätestens nach Herrn Apel.
01:04:26: Tatsächlich muss man auch mal sagen, dass in der Stadionzeitung im Dezember 1998
01:04:31: Heinz Weisener sich dann auch zu Wort gemeldet hat nach der beschlossenen
01:04:35: Umbenennung.
01:04:36: Tatsächlich noch mal bezogen auf Hans Apel, "Wenn ein Aufsichtsratsmitglied
01:04:40: sein Verbleib daran knüpft, dass das Stadion nicht umbenannt wird,
01:04:44: ist das Nötigung. Bei dieser Massendemonstration des Aufsichtsrates
01:04:47: stand nicht das Vereinswohl im Vordergrund. Ein Wilhelm Koch,
01:04:51: wie er mir geschildert wurde, hätte dieses Opfer gar nicht gewollt".
01:04:54: Kannte ich gar nicht, interessant. Heinz Weisen hat tatsächlich da mal
01:04:59: Weisheit gezeigt. Dann ist ja auch die Frage
01:05:03: in der Nachlese. Also das wurde dann beschlossen, zur
01:05:08: Saison 1999/2000 spielt der FC St. Pauli wieder im Millerntor-Stadion
01:05:12: beziehungsweise wieder in Anführungszeichen,
01:05:15: denn nach unseren Recherchen ist gar nicht klar,
01:05:19: ob das Stadion vorher jemals Millerntor- Stadion hieß.
01:05:24: Also Stadion am Millerntor, das ist also eher die gängigere
01:05:27: Bezeichnung gewesen. In Zeitungen. Auch auf alten
01:05:30: Eintrittskarten und so genau und zwischendurch gab es dann auch mal
01:05:34: die sehr lange Formulierung Wilhelm-Koch- Stadion am Millerntor, das ist also,
01:05:39: sehr viel Zeichen verbraten, aber genau wie jetzt mit Millerntor-
01:05:44: Stadion mit Bindestrich, das in der Form ist eher ungewöhnlich gewesen tatsächlich.
01:05:50: Witzigerweise aber, in meinem Antrag steht Millerntor-
01:05:55: Stadion, zweimal mit Großbuchstaben am Anfang. Im Protokoll für 1998 steht,
01:06:00: das Stadion wurde in Stadion am Millerntor umbenannt,
01:06:03: Ah, guck. Wurde falsch protokolliert.
01:06:07: Interessant ist aber auch, dass wie gesagt, war ja sicherlich auch aus
01:06:11: sinnvoll formalen Gründen, dass es zum Saisonbeginn dann
01:06:14: entsprechend umbenannt wird, auch in allen Publikationen und so.
01:06:18: Aber interessanterweise hat der Verein das aber schon zum Jahresbeginn 1999
01:06:22: umgesetzt, weil auf allen Plakaten, in der
01:06:25: Stadionzeitung, überall steht da dann schon Millerntor-Stadion,
01:06:28: also das Wilhelm-Koch-Stadion kommt da nicht mehr vor in den offiziellen
01:06:32: Veröffentlichungen, Verlautbarungen, wie auch immer.
01:06:36: War auch aus praktischen Gründen, also weil nämlich genau zu dem
01:06:38: Jahresbeginn, wurde diese neue Kampagne,
01:06:40: diese Bretterbuden-Kampagne ins Leben gerufen. Vielleicht,
01:06:43: also das ist vielleicht, also es hätte auch gar nicht drauf
01:06:45: gepasst aufs Plakat, da wo Millerntor-Stadion steht oder glaube
01:06:48: ich nur Millerntor sogar, da hätte Wilhelm-Koch-Stadion gar
01:06:51: nicht hingepasst, vielleicht war das einfach ein
01:06:53: praktischer Grund. Wir nehmen das jetzt schon mal
01:06:55: vorweg, so nach dem Motto. Also das heißt, die Transition wie
01:06:58: ist die insgesamt abgelaufen, gab es da noch irgendwie, hat man so
01:07:02: klammheimlich den Namen ausgetauscht? Also so ein Unboxing sozusagen oder wie
01:07:07: auch immer man es vielleicht heute machen würde, gab es auf jeden Fall nicht.
01:07:11: Also keine Inszenierung. Aber was natürlich auch noch interessant
01:07:14: ist, ist die Rolle von Hans Grutschus, der
01:07:17: Kommissionsmitglied war, denn der hat noch einen Abschiedsbrief
01:07:20: geschrieben. Abschiedsbrief an wen? Man muss noch mal betonen,
01:07:23: dass ja dann vier Aufsichtsratsmitglieder, haben wir glaube ich
01:07:27: noch gar nicht gesagt, nach dem Beschluss zurückgetreten sind.
01:07:31: Genau, nämlich. Ich hab die Namen jetzt außer Hans Apel
01:07:35: und Hans Grutschus nicht präsent. Michael Böcken und Georg Kuhr, kann das
01:07:40: sein? Genau, ich hab schon wieder die, genau,
01:07:44: Michael Böcken, Georg Kuhr, Hans Grutschus, Hans Apel.
01:07:48: Die sind in Protest gegen diese Dinge, der Mann,
01:07:52: der an dem Gutachten mitgearbeitet hat, ist dann als Protest
01:07:57: gegen diese Entscheidung gegen den Antrag ausgetreten, also zurückgetreten. Ja.
01:08:02: Sehr neutral. Ja, und wir haben, also wir haben ja,
01:08:06: was wir schon erwähnt haben, wir hatten ja Kontakt zu oder haben
01:08:09: Kontakt zur Familie von Wilhelm Koch und unter anderem zu seiner Tochter,
01:08:14: und die hat uns vor einiger Zeit mal ein paar Unterlagen auch dagelassen,
01:08:18: aber auch Fotos und ähnliche Geschichten.
01:08:21: Und darunter war interessanterweise auch ein Brief von Hans Grutschus vom 12.
01:08:25: November 1998. Ich vermute mal, also von der Formulierung her hat er
01:08:29: den an den Verein geschickt, würde ich sagen,
01:08:32: es steht kein Adressat dabei. Aber wir können da mal kurz mal reinhören,
01:08:36: weil er durchaus interessant ist.
01:08:40: Es geht los. "Ich habe mit Freude und Sorgfalt an
01:08:42: der Erstellung des Gutachtens Wilhelm Koch gemeinsam mit dem Historiker Dr.
01:08:46: Frank Bajohr gearbeitet. Meine Verbundenheit zum FC St.
01:08:49: Pauli hat durch die damit mögliche fundierte Rückschau auf die
01:08:52: Vereinsgeschichte einen persönlich noch höheren Stellenwert als bisher schon
01:08:55: erhalten. Deshalb stand mein Entschluss, für den
01:08:58: Fall der Änderung des Stadionnamens, mein Aufsichtsratsmandat zurückzugeben,
01:09:01: bereits Wochen vor der Hauptversammlung fest.
01:09:03: Auf Befragen bestätige ich dieses dem Herrn Aufsichtsratsvorsitzenden vor
01:09:07: Eröffnung der Versammlung."
01:09:09: Vielleicht ist Apel erst da drauf gekommen auch erst, möglicherweise, weiß man nicht.
01:09:13: Das mach ich doch auch jetzt. Zur Begründung, und jetzt kommt es nämlich
01:09:16: überhaupt erst, "Zur Begründung meiner Entscheidung,
01:09:19: die mir außergewöhnlich schwer fiel und mich sehr bedrückt sage ich Gründe,
01:09:22: die meiner tiefen Überzeugung entsprechen. Erstens:
01:09:25: Es wurde mit dem in der Hauptversammlung gefassten Beschluss das Wilhelm-Koch-
01:09:28: Stadion umzubenennen, Unrecht gesetzt.
01:09:32: Zweitens: Es wurde gegen die einfachsten
01:09:34: menschlichen, moralischen und rechtsstaatlichen
01:09:37: Grundnormen gehandelt. Nicht aus Unwissenheit,
01:09:40: sondern bewusst vorsätzlich." Das sagt er als Rechtsanwalt. "Drittens:
01:09:44: Es wurde nicht im Vereinsinteresse satzungsgemäß gehandelt,
01:09:48: sondern es wurden gegen die Satzung andere Ziele verfolgt.
01:09:51: Viertens: Es wurde der FC St. Pauli von Mitgliedern als Forum eigener
01:09:55: Interessen missbraucht.
01:09:58: Fünftens: Ich kann jedem andersdenkenden und
01:10:00: -handelnden Mitglied unseres Vereins Respekt erweisen, nicht aber jenen,
01:10:05: die zuvor beschriebenen Zielen nacheifern. Sechstens:
01:10:08: Ich kann einfach nicht jene Mitglieder an verantwortlicher Stelle im Verein
01:10:13: vertreten." Das war dann die Begründung des Herrn
01:10:16: dann ehemaligen Aufsichtsrats. Ronny, würdest Du diese Begründung
01:10:21: mitgehen?
01:10:22: Konsequenter Schritt dann, wenn er das alles so gesehen hat,
01:10:25: dann muss man den Aufsichtsrat verlassen, dann muss man im Grunde auch den Verein verlassen.
01:10:29: Am Ende erbittet er Verständnis für seine Entscheidung und "Ich bin sie aufgrund der
01:10:33: Erkenntnisse aus den Arbeiten zur Erstellung des Gutachtens schuldig,
01:10:36: dem Verein, seinen Mitgliedern, den Satzungsorganen, den Funktionären,
01:10:40: dem früheren Präsidenten Wilhelm Koch, seiner Familie,
01:10:42: meiner Familie und mir selbst".
01:10:46: Aber das ist doch ein Zeichen dafür. Ich mein Celina hat das gerade gesagt mit
01:10:50: dem Mann, der ist Rechtsanwalts gewesen, ich meine der ist dann ja in dem Moment
01:10:54: hat er ja den, also ich meine den Verstand verloren wäre
01:10:56: jetzt zu hart gesagt, aber der ist ja dann, das ist dann ja auch keine rationale
01:11:01: Argumentation mehr, also das ist ja total emotional jenseits
01:11:04: dessen, er muss sich doch bewusst sein, was er da
01:11:06: geschrieben hat und dass das völlig absurd ist. Also aus einer
01:11:10: rechtlichen Position. Emotional in einem Schreiben zwei Wochen
01:11:14: später, also das ist ja...
01:11:16: Dann Wort Unrecht zu verwenden, ist ja schon fast,
01:11:19: also ist nicht nur fast, sondern ist ja komplett zynisch.
01:11:23: Das finde ich schon erstaunlich. Ja, als ich das dann in der Hand hatte vor
01:11:28: einigen Monaten war ich auch erstaunt, aber danke an Frau Bruhn für diese
01:11:33: Unterlagen. Was mich jetzt noch mal einmal
01:11:36: interessieren würde, so als Nachlese zu der Umbenennung,
01:11:40: zum einen wie hat sich das für Euch jeweils angefühlt plötzlich Fan
01:11:45: des FC St. Pauli im Millerntor-Stadion zu sein?
01:11:48: Hatte das überhaupt irgendeine nach all der ganzen Geschichte, irgendwie eine
01:11:53: Emotionalität bei euch ausgelöst? Und was mich auch noch interessieren
01:11:57: würde ist, wie das Euer Fan-Dasein, diese ganze Debatte, geändert hat,
01:12:02: weil es gab ja wahrscheinlich ein Vorher und es gab auch ein Danach und hat das
01:12:07: irgendwas mit Euch geändert? Also letzteres würde ich sagen Nein,
01:12:11: also diese,
01:12:13: also die Nachwirkung, die kam dann glaube ich
01:12:16: erst sehr viel später. Also als ich dann vielleicht auch gemerkt
01:12:21: hab, ja was das für ne besondere Entscheidung
01:12:24: war, also sozusagen das, das klingt
01:12:27: jetzt wieder so n bisschen nach Selbstlob, aber also sowas auszulösen, so ne
01:12:32: Stadionumbenennung auszulösen und auch noch den Rücktritt vom
01:12:37: ehemaligen Minister von seinem Aufsichtsratsposten. Ich meine,
01:12:41: das macht man ja auch nicht alle Tage. Insofern also war sozusagen dieses ja,
01:12:46: hatte das ein gutes Gefühl hinterlassen,
01:12:51: dass ich das sozusagen irgendwie
01:12:54: zumindest in der Anfangsphase habe auslösen können, so eher das war,
01:12:58: glaube ich, dann dominant.
01:13:01: Damit Du Dich dann nicht immer selbst loben musst,
01:13:04: mache ich das vielleicht noch mal. Also das ist natürlich ein extrem
01:13:07: irgendwie auch prägender Moment für die Vereinsgeschichte und für die Identität
01:13:11: des Vereins gewesen. Wir haben ja auch nicht ohne Grund in der
01:13:14: Ausstellung einen ganzen Teil dazu, der wiederum Teil eines Raumes ist,
01:13:18: der sich insgesamt mit Konflikten und Kontroversen und Einigungsprozessen
01:13:22: beschäftigt, als der Raum, der ganz viel darüber sagt, wie der FC St.
01:13:25: Pauli auch dahin gekommen ist, wo er heute ist.
01:13:30: Ich kann das noch mal ergänzen, ich habe ja nach dem Beschluss
01:13:34: noch mal das eine oder andere Interview auch für größere Buchprojekte rund um den
01:13:38: FC St. Pauli gegeben. Da wurde ich einmal auch gefragt,
01:13:41: wie ich denn reagiert hätte, wenn das Stadion nicht umbenannt worden
01:13:45: wäre, ob das weiterhin mein Verein gewesen
01:13:47: wäre. Da konnte ich nichts anderes antworten,
01:13:50: außer keine Ahnung, weiß ich nicht, wie ich reagiert hätte,
01:13:53: wäre ich ausgetreten, wäre das noch mal ein Verein gewesen,
01:13:56: weiterhin? Jetzt im Nachhinein würde ich sagen, es war schon
01:14:00: ziemlich wichtig, dass es dann umbenannt wurde,
01:14:02: wenn es nicht umbenannt worden wäre, weiß ich bis heute nicht,
01:14:06: ob ich im Verein verblieben wäre oder weiterhin Fan geblieben wäre. Naja,
01:14:10: die Geschichte wäre ganz anders verlaufen, würde ich sagen, also an dem Punkt,
01:14:14: hätte es dann tatsächlich die Spaltung gegeben?
01:14:18: Dann wärst Du ja nicht der einzige gewesen,
01:14:21: der sich dann dazu hätte verhalten müssen, also das hätte ganz andere
01:14:25: Konsequenzen, das ist natürlich jetzt spekulativ, aber
01:14:29: wenn man bedenkt, was es für ein entscheidender Schritt war,
01:14:32: dann kann man auch darüber spekulieren, was es für ein entscheidender Schritt
01:14:35: gewesen wäre, wenn es nicht passiert wäre. Bist du denn Vereinsmitglied?
01:14:39: Ich bin gar kein Vereinsmitglied, also ich war zum Beispiel bei der zweiten,
01:14:42: bei der Abstimmung, ich war nur quasi als Journalist bei
01:14:45: der ersten JHV, bei der zweiten war ich gar nicht.
01:14:48: Weil sonst hätte ich Dir die Frage jetzt
01:14:51: nämlich auch gestellt, Wenn du Mitglied gewesen wärest und das
01:14:54: Stadion wäre nicht umbenannt worden, wärst du dann ausgetreten? Ja, vermutlich.
01:14:58: Oder wärst Du denn überhaupt noch ins Stadion gegangen? Ja, vermutlich nicht,
01:15:03: also es ist natürlich jetzt sehr schwer schon zu sagen. Aber ich
01:15:07: hatte auch. um das noch mal abschließend zu sagen,
01:15:10: ich hatte jetzt nun kein super tolles Gefühl,
01:15:12: als ich das erste Mal ins Millerntor- Stadion gegangen bin.
01:15:16: Mir war schon bewusst, dass ich daran teilgenommen habe,
01:15:19: dass es umbenannt wurde, aber
01:15:22: ich habe genauso viel, genauso wenig Bier getrunken wie vorher
01:15:25: und genauso laut und leise gegrölt, wie es vorher der Fall gewesen ist. Jetzt,
01:15:28: mit all den Jahren Abstand, guckst Du manchmal noch so auf den Schriftzug am
01:15:32: Stadion? Nee. Und denkst da drüber nach, gar nicht?
01:15:34: Also jetzt kommt das Ganze natürlich noch mal hoch im Zuge dieses Podcast.
01:15:38: Auch habe ich mich noch mal intensiver damit beschäftigt,
01:15:40: habe meine ganzen eigenen Interviews noch mal gelesen und auch Zeitungsberichte und
01:15:44: so weiter, also da ist mir schon auch noch mal bewusst geworden,
01:15:47: dass da schon ordentlich was passiert ist damals.
01:15:50: Eine Sache hätte ich tatsächlich auch im Nachgang,
01:15:53: weil da erinnerst Du dich wahrscheinlich auch daran,
01:15:57: weil Du warst offensichtlich dabei. Am 19. November,
01:16:00: also ungefähr drei Wochen nach der Versammlung 1998,
01:16:03: gab es dann ja ein sogenanntes Klimagespräch. Auf Einladung der AGiM
01:16:07: haben sich dann nämlich Vereinsvertreter und auch eben Menschen aus Aufsichtsrat,
01:16:12: Ehrenrat, Alter Stamm und so weiter getroffen und
01:16:15: haben sich mal an einen Tisch gesetzt,
01:16:18: um die ganzen Diskussionen mal aufzuarbeiten und die Unstimmigkeiten.
01:16:23: Also Du willst von mir wissen, ob ich dabei war.
01:16:26: Du stehst da drunter als Zeichner einer Abschlusserklärung.
01:16:30: Dann behaupte ich mal, ich war dabei. Das ist durchaus interessant,
01:16:34: was dann da beschlossen wurde gemeinsam.
01:16:37: Man kann sagen übrigens insgesamt, dass der Ständige Ausschuss,
01:16:40: der ist daraus dann mal geworden später, also
01:16:43: dass man sich regelmäßig getroffen hat, anfangs auf Einladung der AGiM,
01:16:46: später auf Einladung des Präsidiums, das ist also sozusagen der erste Versuch
01:16:50: gewesen, mal alle an einen Tisch zu kriegen.
01:16:52: Dabei waren die Amateurabteilung, Klaus Rummelhagen, Dieter Rittmeyer. Für den Aufsichtsrat,
01:16:56: so viele waren es ja nicht mehr, Jens Clauss und Holger Scharf, der Ehrenrat
01:16:59: Harald Stender, Manfred Heinzinger. Für den Alten Stamm
01:17:02: auch Harald Stender und Günter Peine. Dann die AGiM gleich mit fünf Menschen. Nee,
01:17:06: sechs sogar. Tatjana Groeteke, Uwe Doll, Thomas Hemker, Klaus Holm, Hendrik Lüttmer,
01:17:10: Holger Scharf. Dann Du als Antragsteller und der
01:17:13: Diskussionsleiter Jost Münster. Und das war dann die Zusammensetzung
01:17:16: dieser Runde und dann eine Erklärung, wurde am Ende verabschiedet und die ist
01:17:21: auch noch mal ganz interessant, besonders der erste Teil, der erste Punkt.
01:17:24: "Der Hamburger Journalist René Martens hat in seinem 1997 erschienenen Buch
01:17:28: verschiedene herabsetzende Behauptungen und Vermutungen über die Rolle des
01:17:32: ehemaligen Vorsitzenden des FC St. Pauli Wilhelm Koch während der Zeit des NS aufgestellt."
01:17:36: Das wird dann da so unterschrieben. Höre ich zum ersten Mal. Herabsetzend,
01:17:41: aber gut. "Diese Vorwürfe wurden von einer vom
01:17:44: Präsidium des FC St. Pauli eingesetzten Kommission gründlich untersucht",
01:17:49: also vom Präsidium eingesetzt, auch noch mal hier deutlich, "und mit
01:17:52: Ausnahme des Faktums der bloßen Mitgliedschaft Kochs in der NSDAP eindeutig
01:17:56: widerlegt.
01:17:58: Dennoch hat sich die Mitgliederversammlung des Vereins dieses Jahres entschlossen,
01:18:02: das Stadion ab Beginn der folgenden Saison seinen alten Namen Millerntor-
01:18:05: Stadion wiederzugeben". Steht hier so. "Viertens: Diese Entscheidung wird von
01:18:09: keiner Gruppe im Verein irgendwie als Herabsetzung der Person oder der
01:18:13: Verdienste Wilhelm Kochs verstanden. Fünftens: Die Umbenennung",
01:18:16: jetzt geht es nämlich los, "erfolgt vielmehr ausschließlich im
01:18:19: Hinblick auf die besondere Rolle und soziale Verantwortung des FC St. Pauli,
01:18:22: zum Beispiel bei der Integration von Ausländern oder bei der
01:18:26: Abwehr gewalttätiger Tendenzen. In diesem Zusammenhang soll jede Möglichkeit
01:18:30: ausgeschlossen werden, den Verein in irgendeiner Weise in
01:18:33: Zusammenhang mit der NSDAP zu bringen." Was hast Du da unterschrieben, Ronny?
01:18:37: Sechstens: Auf der Grundlage dieses Verständnisses akzeptieren alle
01:18:40: Unterzeichner diese getroffene Entscheidung und
01:18:43: werden sich für eine Verbesserung des Klimas innerhalb des Vereins und seiner
01:18:47: unterschiedlichen Gruppierungen einsetzen." Das wurde dann an diesem Tag
01:18:51: offensichtlich miteinander ausgearbeitet. Aus diesem Statement kommt ja durchaus
01:18:54: rüber,
01:18:55: da ist sicherlich die eine oder andere Formulierung,
01:18:58: die ein bisschen unglücklich geworden sind,
01:19:01: gerade auch was die Herabwürdigung von Wilhelm Koch durch René betrifft.
01:19:06: Er hat ja nur seinen Job gemacht, sozusagen. Naja, aber wir machen das halt,
01:19:11: damit uns die Ausländer, in Anführungsstrichen, noch gewogen bleiben,
01:19:17: also das ist ja auch...
01:19:19: Das ist schon ziemlich wild. Ja, aber gut, das, aber ich kann mich immer,
01:19:23: ich hab das, das war auch in diesem Konvolut, in
01:19:25: Anführungsstrichen, von Frau Bruhn drin, ich kann mich nicht erinnern,
01:19:28: dass das Ding mal irgendwo veröffentlicht wurde,
01:19:31: also im Endeffekt zum Glück wahrscheinlich. Ich kann mich auch nicht erinnern dabei gewesen zu sein.
01:19:35: Nur intern, irgendwie.
01:19:37: Ja, gezeichnet und als Antragsteller
01:19:39: Ronny Galczynski, das steht hier eindeutig. Also es ist jetzt nicht handschriftlich
01:19:43: unterschrieben, sondern ist einfach nur gedruckt,
01:19:45: aber es ist offensichtlich passiert. Es klingt halt ein bisschen,
01:19:49: wie alle befriedigen wollen, also besänftigen wollen und irgendwie
01:19:52: alle. Also dass das nicht maßgeblich formuliert
01:19:55: wurde von Ronny. Davon gehen wir mal ganz stark aus,
01:19:58: das liest man da schon raus. Es ist halt wirklich also
01:20:03: gedacht als Befriedung im Sinne von wir müssen
01:20:05: ja alle miteinander zusammen weiterarbeiten, so nach dem Motto.
01:20:08: Wie gesagt, der gute Wille, versuchen noch mal alle ins Boot zu holen,
01:20:12: stand im Vordergrund und ja, da kommen dann halt ein paar schräge
01:20:15: Formulierungen dann da auch bei raus. Was Sich so ein bisschen auch als roter
01:20:18: Faden so durchzieht durch so verschiedene Äußerungen und Stellungnahmen.
01:20:22: Ich bin da heute schon so 2-3-4 mal drüber gestolpert.
01:20:25: Dass ja auch immer wieder irgendwie so Deine Arbeit sehr angegriffen wurde,
01:20:30: also wenn überhaupt. Also ich finde alleine immer diese
01:20:33: Formulierung, ja wenn sich das bewahrhalten sollte bei
01:20:36: irgendwas was Du ja schon recherchiert hast und was ja auch belegt war
01:20:40: schon, auch immer irgendwie eine spannende Formulierung und das kam da jetzt ja auch
01:20:45: gerade noch mal so irgendwie. Also wurde alles widerlegt,
01:20:49: ist ja so auch jetzt irgendwie nicht.
01:20:52: Ja wie gesagt, das hier kennt ja keiner, kannte ja keiner bisher,
01:20:55: weil das nur intern zirkuliert ist. Aber ansonsten fand ich jetzt so,
01:20:58: das hat mich glaube ich nicht besonders getroffen.
01:21:01: Also so jetzt solche Formulierungen, also da sie ja nicht wie gesagt das ja
01:21:05: nicht um persönliche Angriffe, ins persönliche sind diese Angriffe ja nie
01:21:08: gekippt. Jetzt kommt natürlich die obligatorische
01:21:10: Frage, die Ihr eigentlich schon selber
01:21:12: beantwortet habt, aber hat es sich gelohnt, der Kampf,
01:21:15: die Widrigkeiten, die Ihr hinnehmen musstet? Würdet Ihr
01:21:18: irgendwas anders machen, wenn Ihr das noch mal machen könntet?
01:21:22: Also gelohnt hat, da müssen wir nicht drüber diskutieren,
01:21:26: gelohnt hat sich es auf jeden Fall. Ich glaube,
01:21:29: es hat sich auch für die ältere Generation gelohnt oder für den Verein
01:21:33: insgesamt auch, weil das auch ein Schritt war,
01:21:36: dass die Generationen ein bisschen mehr zusammentreten,
01:21:40: also früher war es undenkbar, dass kritische junge Fangruppierungen mit
01:21:44: dem Alten Stamm oder Präsidium gemeinsam irgendwie was auf den Weg bringen oder so
01:21:49:
01:21:49: Das ist heute völlig anders. Also jedes Vereinsmitglied kann quasi mit
01:21:54: jedem anderen Vereinsmitglied hier diskutieren und reden,
01:21:57: ohne dass von vornherein Vorbehalte aufgrund des Alters allein schon. Oder man
01:22:01: bei der Sekretärin des Präsidenten in seinem Privatbüro scheitert,
01:22:05: weil das die einzige Möglichkeit wäre, überhaupt an ihn ranzukommen.
01:22:09: Das war ja damals bei Herrn Weisener eigentlich in der Regel
01:22:13: der Fall, insofern, ja. Es hat sich auch für den Verein
01:22:17: gesellschaftspolitisch gelohnt. Also das war ein Schritt weiter in die
01:22:21: richtige Richtung, wie sich der Verein positioniert,
01:22:25: war Vorbild auch für viele andere Vereine, denke ich mal die ähnliche Schritte
01:22:30: gegangen sind. Und was hätte ich anders gemacht, weiß ich jetzt nicht, also
01:22:35: ich hätte mich wieder auch stellvertretend aufstellen lassen,
01:22:39: das noch mal selber zu beantragen, auch
01:22:43: trotz dieser Anfeindungen, die es halt gab, das waren halt Momentaufnahmen,
01:22:46: die es dann irgendwann nicht mehr gegeben hat und ich bin da ganz froh drüber, so
01:22:50: ein Teil der Vereinsgeschichte auch geworden zu sein. Ja,
01:22:53: und ich kann dazu sagen, ich habe den Kampf ja nicht ausgefochten,
01:22:56: das war ja Ronny. Also ich habe ja, er hat vorhin gesagt, meinen Job gemacht,
01:23:00: wie gesagt, ich hatte den Auftrag, mich für diese Vereinsbiografie
01:23:04: auch mit der mit der nationalsozialistischen Vergangenheit
01:23:08: in einem kleineren Umfang zu beschäftigen, das habe ich halt gemacht.
01:23:12: Also mehr war das ja, das heißt, mehr war das ja letztlich nicht,
01:23:16: also wenn man das jetzt mal runterbricht. Und habt Ihr ein Learning daraus
01:23:20: mitgenommen, wie man solche Debatten konstruktiv
01:23:23: gestaltet oder was wichtig ist da im Umgang miteinander,
01:23:26: könnt Ihr da noch was zu sagen? Ja, ich denke, dass es wichtig ist,
01:23:30: nicht von vornherein auf Konfrontation zu gehen,
01:23:33: also klar müssen da rote Linien nicht überschritten werden.
01:23:37: Aber wenn du versuchst, von Anfang an alle mit ins Boot zu holen,
01:23:41: dann muss es nicht immer zwingend ein wässriger Kompromiss werden,
01:23:44: sondern man kann trotzdem auch hart diskutieren und das wäre vielleicht das
01:23:48: einzige, was man von Anfang an damals hätte machen
01:23:51: können. Die ältere Generation vorab schon mal
01:23:54: darüber mehr zu informieren, mehr darüber aufzuklären,
01:23:57: was eigentlich in dem Ganzen steckt und nicht vor vollendete Tatsachen zu
01:24:01: stellen. Ja, was lernen wir jetzt aus dieser
01:24:03: Diskussion über die aktuelle Diskussion,
01:24:06: die wir führen, was das Stadionlied anbelangt
01:24:08: beispielsweise. Gibt es da Parallelen, gibt es da große Unterschiede?
01:24:11: Das ist ja kein Disput zwischen Alt und Jung innerhalb des Vereins,
01:24:14: und das ist ja was anderes. Ich glaube, den größten Unterschied,
01:24:17: der wurde ja schon genannt, dass damals, entweder liefen die
01:24:20: Diskussionen persönlich oder auf Versammlungen oder eben es wurde in der
01:24:23: Presse darüber berichtet, hier und da, aber das war es dann auch.
01:24:26: Es gab eben nicht diese Möglichkeit, was wir eben heute haben,
01:24:29: dass alle mitreden wollen
01:24:32: und können. Das ist ein komplett anderes Szenario
01:24:35: letztlich. Der große Unterschied ist, dass das Präsidium heute der Vorreiter
01:24:39: ist. Auch. Also das Präsidium ist sozusagen, also wenn ja,
01:24:42: das ist einer der Unterschiede, ja genau. Bei der Thematik jetzt zu dem
01:24:45: Lied ist es natürlich so, dass wenn, und das ist
01:24:48: dann ja auch sozusagen die Parallele, oder es ist vielleicht auch keine
01:24:52: Parallele, weil Ronny, was Du gesagt hast.
01:24:54: Dass es viel geändert hat, dass es erstmals sich wirklich Leute aus
01:24:58: verschiedenen Ebenen zusammengesetzt haben,
01:25:00: Fans auch etwas im Verein bewegt haben und nicht außerhalb des Vereins
01:25:04: gearbeitet haben. Wir haben eben kein Präsidium mehr,
01:25:07: was quasi unantastbar in der Teppichetage sitzt, das sind, glaube ich,
01:25:11: schon alles Dinge, die durch die Stadionumbenennung
01:25:14: überhaupt angeschoben wurden, dass man eben gemerkt hat,
01:25:17: die Fans haben als Mitglieder dieses Vereins, als aktive Mitglieder eine
01:25:21: Möglichkeit, sich einzubringen, Dinge zu ändern.
01:25:24: Und ich glaube, das wäre, wenn eben dieser Kampf damals
01:25:27: verloren gegangen wäre, hätten sich, glaube ich, viele abgewandt und gesagt,
01:25:31: seht Ihr, es bringt nichts, wir kommen nicht dagegen an,
01:25:35: gerade bei so einem wichtigen Thema, und ich glaube,
01:25:37: dass das der Wegbereiter war, um überhaupt Menschen im Verein die
01:25:41: Möglichkeit zu geben, zu sagen, wir können auch in diesen Verein
01:25:44: reingehen und Dinge, die uns wichtig sind
01:25:47: gestalten gemeinsam. Und ich glaube, jetzt ist es eben so.
01:25:50: Das ist ein Beispiel dafür, René, weil Du gesagt hast,
01:25:52: so viele Leute reden mit, dass es jetzt halt Fangremien gibt,
01:25:56: es ist ein Austausch mit dem Präsidium, es gibt Menschen,
01:25:58: die sich Gehör verschaffen können, die sich einbringen in diesen Verein
01:26:02: und dadurch eben auch eine Möglichkeit haben,
01:26:04: ihre Meinung gebündelt in verschiedenen Gremien
01:26:08: heranzutragen an den Verein und ich glaube, das ist eine Errungenschaft,
01:26:11: worauf man als FC St. Pauli auch stolz sein kann,
01:26:14: der meiner Meinung nach schon auch auf die Stadionumbenennung zurückzuführen ist.
01:26:19: Ja, die Konfliktlinien verlaufen anders. Es gibt nicht mehr diese klaren,
01:26:23: Alt gegen Jung, Fans gegen etabliertes Präsidium, so, aber es gibt,
01:26:26: was ich gerade spannend finde ist, dass es in der Argumentation oder so in
01:26:30: der Art wie argumentiert wird oder auch nicht argumentiert wird,
01:26:34: tatsächlich sehr viele Parallelen gibt. Ne also dass sehr viele Argumente immer
01:26:38: wieder kommen, dieses warum gerade jetzt, wir haben wichtigere Sachen zu tun ist so
01:26:42: ein Argument, ganz oft kommt aber auch, dass so jenseits der Fakten mit denen gar
01:26:47: keine Auseinandersetzung stattgefunden
01:26:49: hat, einfach so diese Debatte, so unglaublich emotional geführt wird,
01:26:52: weil die Leute in erster Linie irgendwie das Gefühl haben,
01:26:54: ihnen wird irgendwas weggenommen. Das ist so ein bisschen vielleicht auch
01:26:57: im Vergleich, wenn Du sagst, das Gutachten hat sich dann in der
01:27:00: Geschäftsstelle gestapelt und niemand hat es abgeholt und dementsprechend auch
01:27:03: nicht gelesen, ist vielleicht ein bisschen vergleichbar
01:27:05: mit
01:27:06: wie viele Leute haben sich wirklich eigentlich die Fakten angeguckt und haben
01:27:10: sich diese Recherche angehört, bevor sie in die Diskussion gegangen sind,
01:27:13: dass wird auch immer aus der Art, wie die Leute argumentieren und mit
01:27:16: welchem Wissensstand sie hantieren, ganz oft feststellbar ist,
01:27:19: dass sie sich dann mit der eigentlichen Recherche im Vorfeld nicht
01:27:22: auseinandergesetzt haben, sondern wirklich aus einer Emotionalität
01:27:25: heraus kommen und dieses warum, warum kommt das alles jetzt,
01:27:28: warum habt ihr das nicht viel früher gemacht, warum wurde das nicht früher
01:27:32: aufgearbeitet und irgendwann reicht es ja auch mal. Und wo ziehen wir die Grenzen?
01:27:37: Das ist sehr, sehr viel Kommentare, die wirklich 1 zu 1 1997 auf der
01:27:40: Mitgliederversammlung so gefallen sind, die du jetzt in der aktuellen Diskussion
01:27:44: wieder findest. Das finde ich ganz interessant erstmal.
01:27:47: Also interessant ist ja, dass
01:27:51: wenn Du sagst, es gibt die, die Konfliktlinien sind anders,
01:27:54: dann ist es ja schon auch so, dass man heute, dass man sagen kann,
01:27:57: dass Leute vermutlich, das hab ich ja eben auch schon angedeutet,
01:28:01: sind ja Leute dabei, die jetzt diese Entscheidung,
01:28:03: die es Lied weiter hören wollen oder gespielt sehen wollen,
01:28:06: dass diese Leute sich vermutlich als
01:28:09: politisch Links verstehen, einige davon, und dass es aber ja auch so ist,
01:28:13: dass man sozusagen in anderen Debatten auch schon auch gemerkt hat in den
01:28:17: letzten Jahren, dass natürlich Leute, die politisch sich Links positionieren
01:28:21: würden oder vielleicht auch mehr oder weniger, also was auch immer Links heißt,
01:28:25: aber objektiv dem zuzurechnen sind, dass das natürlich Leute sind,
01:28:28: die sich gegen bestimmte Formen von Veränderung sperren.
01:28:31: Also es gibt natürlich Linke, die nicht gendern wollen und das auch
01:28:34: nicht tun, es gibt Linke, die
01:28:38: sagen, warum soll denn in Kinderbüchern, in
01:28:41: Jahrzehnte alten Kinderbüchern in neuen Versionen so soll rassistische Sprache,
01:28:46: warum wird das, das ist doch dann Zensur von Kunst,
01:28:49: oder warum soll ich mir meinen Humor von sprachsensiblen Leuten irgendwie quasi
01:28:54: ruinieren lassen, also diese ganzen so Denkmotive und
01:28:58: weltanschaulichen
01:28:59: Haltungen gibt es ja auch in Leuten, die sozusagen in anderen Fällen sich
01:29:04: politisch Links positionieren. Oder es gab Leute, gab Linke,
01:29:07: die waren gegen die Rechtschreibreform oder so. Klingt total albern,
01:29:11: das war ja so, und diese Haltung, finde ich,
01:29:14: findet man so n bisschen wieder in dem,
01:29:17: was sozusagen jetzt in ihren Argumenten aufscheint oder nicht nur aufscheint,
01:29:21: sondern vielleicht manchmal auch direkt zu hören ist.
01:29:25: Und das andere ist natürlich tatsächlich, dass es,
01:29:29: das ist jetzt natürlich auch ne große These, dass Fußball,
01:29:32: dass eben Fußballfansein etwas eben im wesentlichen Irrationales ist,
01:29:36: was ja auch ganz gut ist, aber das eben dazu führt, dass Leute,
01:29:40: also dass eben sozusagen das Emotionale und eben dieses
01:29:44: Zugehörigkeitsgefühl eben so eine Dimension erreicht oder dieses
01:29:47: Beharrenwollen auf Traditionen, dass das zu etwas führt,
01:29:51: was eben dann solche Reaktionen hervorruft, wie wir sie jetzt gerade,
01:29:55: Wie Ihr sie erlebt, so muss ich ja sagen.
01:29:58: Ich finde das wird halt insgesamt sehr negativ behandelt, auch in der Art,
01:30:01: wie darüber berichtet wird, geht es immer sehr viel um Spaltung und
01:30:05: das ist aber ein unglaublich negativer Blickwinkel auf irgendwas, auf
01:30:09: eine Sache, die diesen Verein schon immer positiv
01:30:11: geprägt und nach vorne gebracht hat, solange man in einen
01:30:14: konstruktiven Austausch geht, und das heißt ja immer auch irgendwie den
01:30:18: eigenen Horizont soweit aufzumachen, dass man empfänglich ist für Argumente
01:30:22: und die auch zulässt und auf der Grundlage von Fakten hauptsächlich
01:30:26: versucht, wenigstens zu argumentieren. Ich mein,
01:30:28: natürlich bringen wir alle irgendwie unsere Emotionen mit,
01:30:31: dann ist das ja auch ne Chance. Also um jetzt noch mal vielleicht nicht
01:30:35: ne steile These zu wagen, aber zumindest ne Frage in den
01:30:38: Raum zu stellen. Wenn Koch, also Wilhelm Koch, also wie gesagt ich war daran
01:30:42: beteiligt oder ich hab das
01:30:44: sozusagen bewirkt, dass sozusagen das Stadion oder meinen Teil
01:30:47: dazu beigetragen, dass das Stadion umbenannt wird.
01:30:50: Wilhelm Koch war, er hat sozusagen, er hatte ne weiße Karteikarte,
01:30:54: er hat sozusagen dann in den Verein reinregiert, es gibt ja,
01:30:57: Ihr habt dann ja auch so vom Museum, hatte ja auch im Laufe der Jahre so
01:31:01: Briefe ja auch ausgewertet, wie er sozusagen im Verein,
01:31:04: wie er dann sozusagen dann natürlich die damalige nationalistische
01:31:08: Alltagssprache verwendet hat und so weiter, aber der FC St. Pauli war damals
01:31:13: kein sozusagen besonders großer Verein, sag ich jetzt mal, jetzt also ein bisschen
01:31:18: vereinfacht gesagt, also spielte er in Hamburg,
01:31:21: vor allem hatte er natürlich nicht in der Öffentlichkeit eine Wirkung,
01:31:26: die er heute hatte. Also Kochs gesamtgesellschaftliche
01:31:29: Wirkung war vermutlich relativ gering, aber ein
01:31:32: Propagandakompanieberichterstatter wie Ollig hatte natürlich eine ganz andere,
01:31:37: die Dimension seines
01:31:40: seines Wirkens war natürlich eine völlig andere und wie man auf die Idee
01:31:45: kommen kann, überhaupt darüber zu diskutieren,
01:31:48: dass dieses Lied nicht mehr gespielt wird, also wie man das angreift,
01:31:53: ist mir völlig unbegreiflich. Also das ist jenseits,
01:31:56: da falle ich echt vom Glauben ab. Corny Littmann hat ja gesagt, auch
01:32:01: Nazis können mal gute Lieder schreiben.
01:32:03: Ja, ist es ein guter Song? Ich mein das muss man doch auch mal in
01:32:06: Frage stellen. Also ich meine diese Debatte muss man
01:32:09: jetzt auch mal. Das würde ich gern.
01:32:11: Das habt Ihr ja damals auch schon anklingen lassen in dem Podcast,
01:32:14: also inwieweit wird es eben da so bestimmte Metaphorik,
01:32:17: die er immer benutzt hat, weiter, was heißt das eigentlich? St. Pauli,
01:32:21: die Freiheit liegt uns so im Blut, ich meine was schwingt da mit,
01:32:24: also welche sozusagen, welche Ideologie wird da sozusagen
01:32:27: transportiert und man kann jetzt ja, es gab ja dann teilweise auch die
01:32:30: Argumente,
01:32:31: naja, das ist ja was anderes, wenn das jetzt,
01:32:34: das ist ja ne Punkrock-Version, das ist völlig irrelevant,
01:32:37: das ist natürlich ne affirmative Hymne,
01:32:40: also man kann das Lied natürlich durch ne Coverversion demontieren oder lächerlich
01:32:44: machen, das ist ja nicht passiert, sonst wäre es ja keine Hymne geworden.
01:32:48: Also ich glaube die Debatte kann man, den Strang kann man glaub ich auch
01:32:52: verwerfen. Ich hab noch mal n funfact den ich
01:32:55: dazu gern ergänzen würde, nämlich parallel zur Umbenennung des
01:32:58: Stadions erschien im Herbst 1998
01:33:01: der "Übersteiger"-Sampler, wo eben genau dieses Lied, "Das Herz von St.
01:33:05: Pauli" in der Punk-Version drauf war. Und ich habe hier zwei Rezensionen,
01:33:09: einmal aus der "Pauli" vom November 1998. Also die Stadionzeitung,
01:33:13: die hieß da wirklich so, nur für Menschen die das nicht... Die Stadionzeitung hieß
01:33:18: "Pauli", genau, da steht "In der Phantastix- Version des alten Hans Albers-Stückes "Das
01:33:22: Herz von St. Pauli" sehen die Fanzinemacher sogar schon
01:33:26: die neue Stadionhymne".
01:33:29: Das zum einen. Der "Übersteiger" hatte schon eine Agenda. Auf jeden Fall und dann aber
01:33:34: im Dezember 1998, "Unhaltbar!" rezensiert diesen Sampler, vorletzter Absatz.
01:33:38: "Wie allerdings die Idee entstanden ist, auf dem Promotionblatt zur
01:33:42: Veröffentlichung so einen Hans Albers- Knödelsong wie "Das Herz von St.
01:33:47: Pauli" in einer Version von Phantastix und Elf als neue Stadionhymne anzuempfehlen,
01:33:52: bleibt schleierhaft."
01:33:54: Das war einfach das, was man ästhetisch dazu sagen musste.
01:33:57: Ich weiß jetzt nicht, wer es geschrieben hat.
01:33:59: Das weiß ich auch nicht, namentlich nicht unterzeichnet. Die Folge "Übersteiger" versus
01:34:02: "Unhaltbar!" machen wir dann auch noch mal. Och ja.
01:34:06: Also man muss diese unfassbare Kontinuität von NS-Propagandisten in
01:34:10: der deutschen Nachkriegspresse, da brauchst du dir nur einmal angucken,
01:34:13: dann weißt du genau warum da bis heute wenig aufgearbeitet ist.
01:34:16: Das hat ich glaube die "taz" als allererste Zeitung überhaupt gemacht,
01:34:19: weil sie halt einfach erst in den Siebzigern gegründet waren,
01:34:22: in ihrer Redaktion diese Leute halt einfach nicht waren.
01:34:24: Du hast ja in dem Podcast, der alles ausgelöst hat, hast Du ja
01:34:27: auch die Parallele zu Henry Nannen erwähnt,
01:34:30: der ja auch in einer Propagandakompanie
01:34:33: tätig war. Und da gab es ja dann 2022 noch mal wieder
01:34:36: so zu. Also das ist ja alles lang bekannt,
01:34:38: 2022 kamen noch mal neue Erkenntnisse und dabei ist ja jetzt auch der Stand,
01:34:41: dass der Verlag dann eben ne Studie in
01:34:43: Auftrag gegeben hat, die immer noch nicht beendet ist.
01:34:46: Und da geht es dann eben um das, also das ist dann ja auch jetzt so ne
01:34:49: Parallele, die haben dann den Nannenpreis erstmal
01:34:52: jetzt sozusagen, kurz zumindest. Jetzt heißt der immer noch Sternpreis,
01:34:55: zumindest bis sozusagen diese Studie vorliegt,
01:34:57: also es gibt dann schon so gewisse,
01:35:00: naja, nicht Parallelen, aber so irgendwie. Aber Konsequenzen.
01:35:04: Also es gibt Konsequenzen und es gibt, also, da gibt es jetzt, hier gibt
01:35:08: es jetzt auch ne größere Studie, die das noch mal aufgreift,
01:35:12: und die haben auch ne Konsequenz gezogen,
01:35:14: also wenn jetzt ein großer Verlag die Konsequenz zieht und sagt
01:35:19: also der Gründer der Zeitschrift
01:35:22: um die es hier geht und dass wir uns das noch mal genauer angucken.
01:35:26: Und wir setzen jetzt sozusagen erstmal, nehmen seinen Namen
01:35:29: zumindest von diesem Preis weg, das ist dann ja auch schon mal,
01:35:33: also praktisch ein Zeichen, wie man halt mit Ollig umgeht.
01:35:36: So ja und interessant ist ja eben auch, ich
01:35:38: mein Ollig war dann ja ne Führungskraft im Journalismus.
01:35:41: Diese Leute haben Einstellungsgespräche geführt, vermutlich.
01:35:47: Das heißt also, diese Mentalitäten, die da,
01:35:50: also ohne sie jetzt genau beschreiben zu können,
01:35:52: weil ich natürlich jetzt Olligs Werk nicht im Detail kenne,
01:35:55: was er sozusagen täglich produziert hat als Zeitungsjournalist oder hat
01:35:59: produzieren lassen, ist natürlich klar, dass diese Mentalitäten
01:36:03: weitergegeben worden sind an Jüngere, nicht im Sinne von,
01:36:06: dass da im Einstellungsgespräch politische Einstellungen oder so
01:36:09: abgefragt worden sind. Das funktioniert ja auf einer
01:36:12: subtileren Ebene, wie jemand dann praktisch Leute, wie
01:36:15: dann Leute zu dem Blatt gekommen sind, aus welchen Gründen jemand eingestellt
01:36:18: wurde, und der ist sozusagen dann natürlich 30
01:36:21: Jahre später auch wieder jemand, der Einstellungsgespräche führt und diese
01:36:24: ganzen Prozesse, die natürlich jenseits jetzt von
01:36:27: sozusagen klassischer historischer Empirie
01:36:30: nur zu beschreiben sind, da passiert auch ganz, ganz wenig
01:36:34: sozusagen in der Aufarbeitung, weil die Medien natürlich selber einen
01:36:38: Teil dieser Aufarbeitung leisten müssten, was sie eben nicht tun,
01:36:41: wie wir jetzt offensichtlich auch sehen. Das war eine super Folge,
01:36:45: kann ich jetzt schon sagen, ich freue mich total, dass Ihr da wart,
01:36:49: Ronny, René, vielen lieben Dank, dass ihr hierher gekommen seid und da mit
01:36:53: uns drüber gesprochen habt.
01:36:55: Vielleicht darf ich verraten, René ist gerade in den Förderverein
01:36:59: unseres Museums eingetreten, um unsere Recherchen zu unterstützen.
01:37:03: Wenn Ihr dasselbe tun wollt, dann tretet doch auch gerne ein,
01:37:06: das ist schon ab 3€ im Monat möglich und das Formular findet ihr online und wie
01:37:11: immer, wenn Euch das gefällt, was wir hier machen,
01:37:14: dann freuen wir uns über eine Bewertung auf der Podcast-Plattform Eurer Wahl. Ja,
01:37:18: vielen lieben Dank.
01:37:20: Ja, ich war gerne hier, hat Spaß gemacht. Ja, war sehr erkenntnisreich. Genau,
01:37:25: vielen Dank an Ronny, vielen Dank an René. Ja, Dankeschön. Vielen Dank an Thomas,
01:37:30: vielen Dank an Celina. Vielen Dank an Christopher. Ja, sehr gerne
01:37:34: und ja, bleibt uns eigentlich nichts Weiteres zu sagen außer hört weiterhin
01:37:38: unseren Podcast FCSP-Geschichte(n), das n in Klammern und bis zum nächsten Mal. Bis
01:37:43: bald. Tschüss. Tschüss. Tschüss.
01:37:48:
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