#20 Die Lichter, die Sehnsucht: Der FC St. Pauli und der Hafen

Shownotes

In der 20. Folge FCSP-Geschichte(n) beschäftigen sich Celina, Christopher und Thomas mit dem FC St. Pauli und seiner Beziehung zum Hafen. Thomas bringt die harten Fakten an den Start, Christopher macht einen Abstecher nach Duisburg um anschließend im Krankenhaus einzukehren und Celina klärt, wer das berühmte "Herz von St. Pauli" wirklich geschrieben hat (Spoiler: nicht Hans Albers).

Quellen zu Celinas Story (Auswahl):

Transkript anzeigen

00:00:00: Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten. Wer verrät uns nie? KPDi? Fast. Die KPD des

00:00:08: Fußballs. So, seid Ihr bereit?

00:00:16:

00:00:22:

00:00:26:

00:00:30: Hallo und herzlich willkommen

00:00:37: zu FCSP-Geschichte(n), das n in Klammern, dem offiziellen Podcast des FC St.

00:00:44: Pauli-Museums.

00:00:46: Entgegen unserem eigenen Versprechens haben wir uns noch mal zurückgezogen in

00:00:51: die unangekündigte Winterpause. Das tut uns sehr leid,

00:00:54: dafür bitten wir um Entschuldigung, jetzt sind wir zurück in einer etwas

00:00:59: abgespeckten Besetzung, denn Christoph ist leider krank.

00:01:03: Das heißt, ich sitze hier heute nur mit: Christopher.

00:01:07: Und Thomas. Genau, das ist auch eine sehr nette Runde

00:01:10: und wir haben drei schöne, naja, schön ist immer

00:01:14: das falsche Wort, aber wir haben drei Geschichten für Euch

00:01:18: vorbereitet und haben ja letztes Mal schon angekündigt,

00:01:21: dass wir ein Hörer*innen-Thema aufgreifen. Bei dieser Folge geht es um den FC St.

00:01:27: Pauli und den Hafen, das war ein Vorschlag von Pascal.

00:01:30: Vielen Dank, Pascal.

00:01:32: Ja, ich glaube, dann werden wir Euch gar nicht länger auf

00:01:35: die Folter spannen. Ihr habt ja lange genug gewartet,

00:01:38: wir steigen einfach direkt ein. Thomas hat eine kleine Einleitung

00:01:42: vorbereitet. Gib uns die Hard Facts. Der Hamburger Hafen als solches dürfte ja

00:01:46: als bekannt vorausgesetzt werden, aber da wir ja auch ein Bildungspodcast sind,

00:01:51: einige Infos dann doch noch mal hier, wir haben hier in Hamburg den größten

00:01:55: Seehafen des Landes und nach Rotterdam und Antwerpen auch den drittgrößten

00:01:59: Europas.

00:02:00: Und auch wenn es von hier aus etwa 100 Kilometer bis zur Elbmündung sind,

00:02:05: Hamburg gilt als Seehafen. Die Geschichte beginnt hier schon relativ

00:02:09: früh, denn die ersten Ansiedlungen so ab dem 9.

00:02:12: Jahrhundert waren natürlich bewusst hier gegründet

00:02:15: worden, denn Flüsse vor der Haustür waren immer

00:02:18: schon ein wichtiger Grund, sich niederzulassen.

00:02:21: Seit 1189 hat Hamburg das Hafenrecht, was mit zahlreichen Privilegien verbunden

00:02:26: war, allerdings

00:02:28: heute weiß man, dass dieses Dokument, unterschrieben von Kaiser Barbarossa,

00:02:32: eine Fälschung ist. Man hat das einfach gemacht,

00:02:37: um andere Städte sozusagen auszustechen und hat sich da einfach bedient

00:02:42: dem, dass man damals noch nicht so richtig gut

00:02:45: sich schnell mal informieren konnte, wie heutzutage.

00:02:49: Zunächst hatte Hamburg dann nur einen Binnenhafen an der Alster

00:02:53: noch, Nikolaifleet heute.

00:02:55: Mit Bäumen zur Elbe abgegrenzt, daher gibt es auch den heute noch bestehenden

00:03:00: Namen Baumwall. Das rührt daher. Und

00:03:03: nach und nach wurde dann der Hafen immer mehr an die Elbe ausgedehnt.

00:03:07: Über die Jahrhunderte wurde dann auch immer wieder versucht,

00:03:10: weiterhin Konkurrenzhäfen zu Hamburg aufzubauen,

00:03:13: zum Beispiel von Seiten der Bremer Bischöfe in Stade.

00:03:16: Oder im Hannoverschen, in Harburg und ganz besonders auch auf

00:03:20: dänischer Seite, in Altona oder auch in Glückstadt,

00:03:24: also Glückstadt wurde extra gegründet, um eine Konkurrenz zu Hamburg aufzubauen,

00:03:29: was offensichtlich nicht ganz geklappt hat.

00:03:32: Nicht umsonst hatte dann Hamburg auch Ritzebüttel, das heutige, na wer weiß es?

00:03:37: Cuxhaven, genau.

00:03:41: Und gemeinsam mit Lübeck auch das weiter flussaufwärts gelegene Bergedorf erobert,

00:03:45: um die Elbe besser kontrollieren zu können und zum Beispiel,

00:03:48: dass die Insel Neuwerk vor der Elbmündung heute noch zu Hamburg gehört,

00:03:52: ist auch eine Folge davon. Aber diese Vormachtstellung Hamburgs hat

00:03:55: das Ganze letztlich nie beeinträchtigen können,

00:03:58: und nachdem Mitte des 18. Jahrhunderts es einen Vergleich mit Dänemark dann gab und

00:04:02: zum Beispiel alle Elbinseln zu der Zeit dann so Finkenwerder,

00:04:05: Veddel und so weiter, zu Hamburg kamen, war der Grundstein gelegt zum späteren

00:04:09: Hafenausbau.

00:04:11: Der dann immer größere Baumaßnahmen auch an der Elbe nach sich zog,

00:04:14: bis hin zum Bau der Speicherstadt ab 1883, für den dann zumeist ärmere Menschen, etwa

00:04:19: 20.000, aus ihren angestammten Wohnquartieren vertrieben wurden,

00:04:23: ohne Entschädigung im Übrigen. Und mittlerweile wissen wir ja,

00:04:27: beherrscht ja eher die Containerschifffahrt den Hafen,

00:04:30: und deswegen ist der eigentliche Umschlag ein bisschen ausgelagert mittlerweile und

00:04:35: ist natürlich nicht mehr so stadtnah möglich wie früher.

00:04:40: Dass mal nur so als grobe Einleitung, worüber reden wir eigentlich,

00:04:45: wenn wir über den Hamburger Hafen reden. Und dann können wir auch mal einfach

00:04:51: direkt ins Hafenthema starten und Christopher könnte mal was vortragen.

00:04:58: Ja dann starte ich mal mit meiner Hafengeschichte,

00:05:02: also ich nenne meine Geschichte "Keine Elfmeter im Rathaus oder Aufstand der

00:05:08: Rhetoriker".

00:05:09: Unser Thema Heute ist ja der FC St. Pauli und der Hafen und da haben

00:05:14: wir jetzt schon ein bisschen was von Thomas gehört.

00:05:17: Also zur Geschichte des Hafens, die Verbindung zwischen Hafen und dem FC St.

00:05:22: Pauli versuchen wir heute ja vielleicht noch ein bisschen herzustellen und um da

00:05:27: vielleicht so ein bisschen näher zu kommen,

00:05:29: startet meine Geschichte im Ruhrpott, genauer gesagt in Duisburg,

00:05:34: und noch genauer gesagt im Duisburger Stadtteil Hamborn.

00:05:39: Dort fand nämlich am 19. Januar 1997 ein Freundschaftsspiel der etwas anderen Art

00:05:44: statt. Der Landesligist Hamborn 07 traf auf den

00:05:47: Bundesligisten FC St. Pauli, live vom WDR übertragen. Es war die

00:05:52: Wiederauflage des DFB-Pokalspiels der beiden Mannschaften aus dem Jahr 1952 und

00:05:57: aufmerksame Hörer*innen erinnern sich vielleicht an Celinas Story über den

00:06:02: Tschammer-Pokal bzw. dessen direkten Nachfolger, den DFB-Pokal.

00:06:06: Denn dort war auch das Spiel

00:06:08: gegen Hamborn ein Teil unserer Story. Hört also gerne rein in Folge 14 unseres

00:06:14: Podcast. Es kam also zur Wiederauflage und diese

00:06:17: Wiederauflage wurde initiiert von einem Mann namens Friedrich Küppersbusch.

00:06:22: Der TV-Journalist Küppersbusch hatte damals eine Sendung namens

00:06:26: "Privatfernsehen", in der er im öffentlich-rechtlichen

00:06:30: Fernsehen die Auswüchse des damals noch recht neuen Privatfernsehens persiflierte

00:06:35: und kommentierte.

00:06:36: Und eben auch die Sportberichterstattung des Senders Sat1

00:06:40: und seiner manchmal doch sehr schrillen Galionssendung "ran" wurden aufs Korn

00:06:45: genommen. Die Sendung "Privatfernsehen" fand in

00:06:47: Hamborn 07 schnell so ihren urigen Liebling und die Sendung wurde

00:06:51: Trikotsponsor der Hamborner und der WDR finanzierte die Stadionzeitung des

00:06:56: Traditionsvereins, übrigens auch Spitzname "Die Löwen".

00:07:01: Kurze Zeit später kam Küppersbusch in seiner Sendung zum Schluss,

00:07:05: es muss eine Neuauflage dieses historischen Spiels von 1952 her. Gesagt,

00:07:09: getan, der Präsident der Hamborner besuchte,

00:07:12: begleitet von einem Kamerateam, dann den FC St.

00:07:14: Pauli und seinen nachmaligen Manager Helmut Schulte am Millerntor und da

00:07:19: hören wir mal kurz rein: "Ja, es ist wahr, dass Hamborn 07 als erster deutscher

00:07:23: Fußballverein live im Fernsehen war und dass der 4:3-Sieg gegen St.

00:07:27: Pauli 44 Jahre her ist.

00:07:29: Es stimmt auch, dass der heutige Löwenpräsident letzte

00:07:33: Woche in Hamburg Revanche angeboten hat und dass St. Pauli mitmacht.

00:07:38: Hiermit wird verkündet, dass der FC St. Pauli am 2. Februar bei Hamburg 07 zu

00:07:43: einem Freundschaftsspiel antritt am Holtkamp.

00:07:47: Es soll eine Neuauflage des ersten Spiels im deutschen Farbfernsehen, nee,

00:07:52: im deutschen Schwarz-weiß-Fernsehen sein, steht das Ding.

00:07:56: Ja super, dann darf ich mich dafür bedanken."

00:07:59: Ja super. Hiermit wird verkündet, super. Also es hat den Präsident von den

00:08:04: Hamborner Löwen faktisch aus dem Sitz gerissen. Ja,

00:08:07: es kam also nachdem der Präsident der Hamborner Löwen komplett aus dem Sitz

00:08:11: gerissen wurde von Helmut Schulte, kam es nun also zur Neuauflage und der

00:08:16: WDR übertrug live. Küppersbusch begleitete dann live für den

00:08:19: WDR das Spiel als rasender Reporter.

00:08:22: Auch da hören wir jetzt mal kurz rein und wundert Euch nicht.

00:08:26: Am Anfang hört man so ein bisschen Musik, das ist Götz Alsmann,

00:08:29: der live bei den Hamborner Löwen mit seiner Band Musik spielt,

00:08:33: zur Feier des Tages, denn es wurde alles live übertragen vom

00:08:37: WDR und Götz Alsmann, übrigens damals einer der größten Stars

00:08:40: des WDR mit seiner damals noch laufenden Sendung "Zimmer frei" und wir hören jetzt

00:08:45: mal in den Bericht rein:

00:08:47: "Die Idee zum Rückspiel in Duisburg hatte Friedrich Küppersbusch.

00:08:51: Die Macher von "Privatfernsehen", mit einem feinen Gespür für die Mischung

00:08:55: aus Tradition und Zeitgeist. Das Spiel von einst begeistert auch heute

00:08:59: noch und wir erfuhren sogar, dass das Spiel von 1952 prägende

00:09:03: Auswirkungen hatte. Ich kann mich noch genau erinnern,

00:09:06: meine Mama hat mich gerade gewickelt und plötzlich flimmerten diese Bilder übers

00:09:11: Fernsehen. Und Du warst still? Ich war ganz ruhig.

00:09:15: Und plötzlich hab ich geschrien, das war die 87. Minute,

00:09:18: da kam dieses Elfmetertor, es war wunderbar." Ja, es war wunderbar,

00:09:22: ihr hörtet übrigens gerade quasi die Stimme des Potts Manfred,

00:09:26: genannt Manni Breuckmann, lange Jahre einer der bekanntesten

00:09:30: Hörfunk- und Sportreporter des WDR, auch Prominenz wie WDR-Intendant Fritz

00:09:34: Pleitgen oder Marie-Luise Marjan alias Mutter Beimer waren vor Ort,

00:09:39: um sich dieses Spiel anzugucken.

00:09:42: Mutter Beimer natürlich bekannt aus der Lindenstraße. Selbstverständlich. St.

00:09:47: Pauli verlor 1952 mit 3:4 und der Mann, der das Goldene Tor für Hamborn schoss,

00:09:52: war 1997 auch bei der Neuauflage wieder vor Ort.

00:09:55: Helmut Sadlowski und da hören wir jetzt auch noch mal rein:

00:09:59: Dieses 4:3 sahen im Fernsehen live gerade mal 4.000 Zuschauer und er erzielte

00:10:04: es, keine Diskussion. War

00:10:06: berechtigt, weil einer auf der Linie mit der Hand

00:10:09: abgewehrt hatte.

00:10:11: Und da

00:10:16: blieb mir ja gar nichts übrig, einer musste ja schießen."

00:10:20: Einer musste ja schießen, sagt Helmut Sadlowski,

00:10:23: der den entscheidenden Elfmeter zum 4:3 für Hamborn am Millerntor verwandelte.

00:10:29: Und was ihr nicht sehen konntet in diesem Bericht,

00:10:32: denn es ist ja ein Podcast und kein Sehcast.

00:10:35: Dass sich just in diesem Moment des Interviews mit Helmut Sadlowski ein Mann

00:10:39: mit stabiler Kurzhaarfrisur, Bomberjacke und einem grauen

00:10:43: Kapuzenpullover mit der Aufschrift "Übersteiger" und einem Klaus Störtebeker-

00:10:47: Konterfei durchs Bild quetscht und Helmut Sadlowski einen interessierten Blick

00:10:52: zuwirft. Mein heutiger Museumskollege Ronny

00:10:54: Galczynski, ehemaliger "Übersteiger"- Redakteur und Mitglied der AGiM,

00:10:58: quetschte sich da also gerade durchs Bild.

00:11:02: Einige Monate später, im Jahr 1997, sollte er etwas für Unruhe im Verein

00:11:06: sorgen, als er als Antragsteller für die AGiM

00:11:08: seine Unzufriedenheit über den Namen Wilhelm-Koch-Stadion äußerte.

00:11:12: Auch das ist eine andere Geschichte und aufgrund dieser Hintergrundinformationen

00:11:17: und ich hoffe Ronny verzeiht mir das, liegt der Verdacht nahe,

00:11:20: dass in Hamborn noch etwas anderes passiert sein muss als ein netter Kick

00:11:25: des FC St. Pauli im Duisburger Norden, denn ihr fragt euch mit Sicherheit

00:11:29: erstmal:

00:11:30: Das ist ja alles schön und gut, aber war das Thema nicht Hafen?

00:11:34: Warum erzählt er jetzt seit gefühlt einer halben Stunde von Hamborn 07, Götz

00:11:39: Alsmann und Mutter Beimer. Erst mal die Verbindung,

00:11:42: denn Duisburg hat den größten Binnenhafen der Welt,

00:11:45: dadurch finden sich in Duisburg über 700 Brücken, mehr als in Venedig und St.

00:11:50: Petersburg, aber damit steht Duisburg europaweit

00:11:53: natürlich nicht auf Platz 1. Die Nummer 1 in Europa mit knapp 2.500

00:11:57: Brücken ist natürlich: Hamburg. Richtig.

00:12:00: Und da wären wir wieder beim Thema, womit ich auch prompt wieder zum Spiel

00:12:05: nach Hamborn am 19. Januar 1997 zurückgehe, denn das Fanzine "Splitter" fasste das

00:12:10: Spiel ungefähr so zusammen: "Für Unterhaltung,

00:12:13: sofern man denn auf diese Art von Unterhaltung steht,

00:12:16: sorgten diverse Zelte mit Bier, Wurst und Livemusik."

00:12:19: Ich stehe auf diese Art von Unterhaltung muss ich sagen.

00:12:23: Livemusik übrigens der erwähnte Götz Alsmann.

00:12:27: "Dazwischen wuselten ständig irgendwelche armen Studentenhippies in Käptn Blaubär,

00:12:32: Hein Blöd oder Maulwurfkostüm herum, um bescheuerte Faxen zu machen."

00:12:37: Die Maus war auch da, ganz wichtig, erinnere ich noch. Die Maus, genau,

00:12:41: war ja der WDR. "Der Bus aus Hamburg mit dem üblichen

00:12:45: Pöbel wuselte ebenfalls schon herum, allerdings mehr an den Bierständen.

00:12:50: Und als es soweit war, das Spiel meine ich,

00:12:53: platzierte sich der Block dann im kleinen Stadion,

00:12:55: das heute rund 3.500 Zuschauer fasste. Das Spiel war natürlich irgendwie

00:13:00: scheißegal, in Klammern, unsere Profis blamierten sich nicht,

00:13:03: immerhin.

00:13:04: So konzentrierte man sich darauf, Hafenkrankenhaus-Gesänge anzustimmen,

00:13:07: besonders immer dann, wenn sich eine mobile Kamera zwecks

00:13:10: Interview in unserer Nähe befand, was im TV wohl ganz gut rüberkam.

00:13:14: Gut rüber kam sicherlich auch das jetzt schon legendäre Interview unseres Sunday

00:13:18: Strippers Ralf, siehe unten." Dazu kommen wir gleich noch.

00:13:21: "Um der Hafenkrankenhausgeschichte ein wenig Nachdruck zu verleihen,

00:13:24: startete ein Kommando samt mitgebrachten 10 Meter Transpi.

00:13:27: "Hafenkrankenhaus bleibt, sonst gibt es einen Elfmeter im Rathaus"

00:13:32: mit der Unterschrift der Profis kurz vor Schluss eine Pitch Invasion,

00:13:37: was tut man nicht alles. Insgesamt recht kultig die ganze Angelegenheit."

00:13:42: Es war also sehr kultig in Hamborn und Fans des FC St.

00:13:45: Pauli haben also ein Transpi gezeigt, auf dem stand "Hafenkrankenhaus muss

00:13:50: bleiben, sonst gibt es einen Elfmeter im Rathaus".

00:13:54: Das war die komplizierteste Überleitung zu dem Begriff Hafen der Podcast-

00:13:59: Geschichte vermutlich. Das war der Plan. Das Hafenkrankenhaus

00:14:04: also. Ah, jetzt. Wegen Hafen, weißt Du. Darum geht es nämlich in dieser

00:14:09: Geschichte und um Hamborn 07. Also das Hafenkrankenhaus,

00:14:13: worum ging's da eigentlich und was war das Hafenkrankenhaus auf St. Pauli,

00:14:19: denn es gibt es heute nicht mehr.

00:14:23: Um kaum ein anderes Krankenhaus ranken sich so viele Geschichten wie um das

00:14:27: Hafenkrankenhaus auf St. Pauli. Gehen wir zurück ins Jahr 1900. An der

00:14:31: Westseite der Seewartenstraße, direkt in Sichtweite zum Hamburger Hafen,

00:14:35: entstand ein Krankenhaus, ursprünglich als Polizeikrankenhaus

00:14:38: gegründet, in dem sich, Zitat, "sich in Gewahrsam

00:14:41: befindende Männer behandelt werden sollten".

00:14:43: Doch die Nähe zum Hafen und zur Reeperbahn prägte das Krankenhaus,

00:14:47: Pastor des Krankenhauses war übrigens Clemens Schultz.

00:14:50: Er war zudem der Pastor der St. Pauli- Kirche und Mitglied im St. Pauli

00:14:54: Turnverein. Die Chronik des Hafenkrankenhauses

00:14:57: schreibt, ich zitiere: "Schon bald gab es eine Abteilung für die zwangsweise

00:15:01: Behandlung von Geschlechtskrankheiten, Reinigungs- und Desinfektionsabteilungen,

00:15:06: ein gesichertes Unruhigenhaus zur Verwahrung von Tobsüchtigen und

00:15:10: Deliranten, ein Leichenschauhaus und 20 Frauenbetten

00:15:13: mit einer Einrichtung für Notgeburten. Von Beginn an war dem Krankenhaus eine

00:15:18: Verbands- und Aufnahmestation angegliedert und es werden auf der Straße oder an

00:15:23: öffentlichen Plätzen erkrankte, verletzte oder bewusstlose Personen

00:15:27: aufgenommen. Hierzu namentlich auch die auf Schiffen

00:15:30: im Hafen oder auf Werften verunglückten Personen." Unruhigenhaus,

00:15:34: Ein Unruhigenhaus.

00:15:36: Unruhigenhaus der Liga. Auch die

00:15:38: Unfallchirurgie wird ein Kernstück der Einrichtung.

00:15:41: Doch nicht nur Gäste auf der Reeperbahn mit zu viel Promille intus profitierten

00:15:46: also davon, auch der FC St. Pauli und dessen Sportler waren

00:15:50: Stammgäste an der Seewartenstraße. So schrieb zum Beispiel die Vereinszeitung

00:15:54: 1936 "Unser Willy Fredericksen hat sich beim Rugby-Training das rechte Bein

00:15:59: verletzt.

00:16:00: Vier Wochen hütet er nun das Bett im Hafenkrankenhaus. Wir wünschen Dir,

00:16:04: lieber Willy, gute Genesung." Vier Wochen, weil er sich das rechte Bein verletzte.

00:16:08: Ich würde sagen, da senden wir auch mal gute Genesungswünsche.

00:16:12: Gute Besserung Willy. Und nicht nur Rugby,

00:16:15: auch Fußball ist ein gefährlicher Sport im Februar 1951 musste Vereinslegende

00:16:19: Harald Stender für vier Wochen mit doppeltem Schädelbasisbruch im Hafenkrankenhaus

00:16:24: behandelt werden. Das klingt auch unangenehm.

00:16:27: Absolut, genauso lange wie Willy Fredericksen. Bei einem Heimspiel gegen

00:16:30: Werder Bremen war er mit seinem Gegenspieler Dragomir Ilic zusammengestoßen und zog

00:16:34: sich beim Aufprall auf dem gefrorenen Boden diese folgenschwere Verletzung zu,

00:16:38: die ihm aufgrund seiner langen Ausfalldauer die Nominierung für die

00:16:42: deutsche Nationalmannschaft gekostet haben soll. Vier Wochen?

00:16:45: Naja also vier Wochen im Krankenhaus, nach dem Schädelbasisbruch bleibt noch ein

00:16:49: bisschen. Mindestaufenthaltsdauer vielleicht auch im Hafenkrankenhaus. Ich

00:16:53: glaube auch. Kleiner Trost, St. Pauli gewann das Spiel mit 5:2.

00:16:57: Gut möglich, dass Harald Stender als Stargast des

00:17:00: Krankenhauses auch von Dr. Henning Brütt behandelt wurde,

00:17:03: ärztlicher Direktor und einer der bedeutendsten Unfall- und Neurochirurgen

00:17:08: der deutschen Nachkriegszeit.

00:17:10: Unter der Leitung von Dr. Henning Bütt und dessen Nachfolger Dr.

00:17:14: Gerhard Küntscher erregte das Krankenhaus internationales Aufsehen im Bereich der

00:17:18: Unfallchirurgie. Dr. Henning Brütt war bereits seit 1930 Leiter

00:17:21: des Hafenkrankenhauses. 1933 trat er in die NSDAP ein und machte sich im Laufe

00:17:25: seiner Leitung an NS-Medizinverbrechen schuldig.

00:17:28: So wurden im Hafenkrankenhaus unter anderem Zwangskastrationen an

00:17:32: homosexuellen Männern durchgeführt, persönlich von Brütt vorgenommen.

00:17:36: Das Krankenhaus arbeitete eng mit der NS- Justiz zusammen und wurde 1934 von

00:17:41: Staatssekretär Georg Ahrens auserkoren, ein nationalsozialistisches

00:17:45: Musterkrankenhaus zu werden. Er machte es zu einer Ausbildungsstätte

00:17:49: der sogenannten "Braunen Schwesterschaft". Diese Schwesternschaft behandelte nur

00:17:53: noch im sogenannten Volkswohl und gegen angeblich,

00:17:56: Zitat, "unwertes Leben", der Beginn der NS- Euthanasie.

00:18:01: In einigen Fällen wurden Personen vom Krankenhaus auch in Tötungsanstalten

00:18:06: überstellt, wo sie Opfer der NS-Euthanasie wurden.

00:18:10: 1944 spielte eine Szene des Films "Große Freiheit Nr. 7" im Hafenkrankenhaus.

00:18:16: Hannes, gespielt von Hans Albers, besucht seinen Bruder Jan auf der

00:18:21: Krankenstation. Ein Film,

00:18:23: der das von Hans Albers gesungene Lied "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins"

00:18:28: richtig berühmt machte. Geschrieben wurde das Lied allerdings

00:18:32: schon im Jahre 1912 von einem Mann namens Ralph Arthur Roberts. Albers war,

00:18:37: wie so oft, nur der Performer des Liedes.

00:18:41: Dem Regisseur Helmut Käutner wurde aufgrund des melancholischen und

00:18:45: resignierten Untertons des Filmes übrigens Wehrkraftzersetzung vorgeworfen.

00:18:49: Dr. Henning Brütt musste nach Kriegsende für vier Monate seine Leitung im

00:18:54: Krankenhaus aufgeben, bevor er im März 1946 im

00:18:56: Entnazifizierungsverfahren vom Mitläufer zu entlastet eingestuft wurde und wieder

00:19:01: die Leitung übernehmen konnte. Ist ja nicht ungewöhnlich gewesen.

00:19:06: Brütts Nachfolger 1957 wurde dann Dr. Gerhard Küntscher.

00:19:10: Er war der Erfinder der Marknagelung, ein chirurgisches Verfahren zur

00:19:14: Versorgung von Brüchen der Röhrenknochen, wobei das Eintreiben eines langen

00:19:19: Metallstifts in das Knochenmark den Bruch von innerhalb des Knochens versorgen

00:19:24: sollte. Küntscher war ein Pionier der Medizin und

00:19:27: ein, ich zitiere, "unorthodoxer und unangepasster Mann,

00:19:30: der zu Polarisierung neigte".

00:19:34: Am 1. Januar 1931 trat Küntscher in die NSDAP

00:19:37: ein, wenig später in die SA. An der Universität

00:19:39: Kiel war er der sogenannte Führer des NS- Dozentenbundes. Während seiner Zeit als

00:19:44: Mediziner an der Front beging er sogenannte Humanexperimente, er

00:19:48: verfeinerte die Technik der Marknagelung an Kriegsgefangenen,

00:19:52: doch aufgrund der deutlich verbesserten Heilung der Kriegsgefangenen wurde die

00:19:57: Anklageschrift durch die US-Militärjustiz fallen gelassen und man versuchte sogar

00:20:02: Küntscher

00:20:03: für sich zu gewinnen. Im Jahr 1968 sorgte das Hafenkrankenhaus wiederum

00:20:08: deutschlandweit für Aufsehen. Der NDR strahlte am 19. Februar 1968 die erste

00:20:13: Folge der Serie "Hafenkrankenhaus" aus. Es war damit die erste deutschsprachige

00:20:19: Arztserie in der Geschichte des Fernsehens und diese Sendung hat ein sehr

00:20:25: eigenwilliges Intro, was ich euch nicht vorenthalten möchte.

00:20:37: "Jeden von uns kann es treffen. Ein Unfall, eine Krankheit und das Geheul der Sirenen

00:20:42: bahnt uns den Weg ins Krankenhaus. Hilflos sind wir, voll Angst und Hoffnung.

00:20:48: Ich will nicht ins Krankenhaus, ich will nicht. Angewiesen auf Menschen,

00:20:53: von deren Können und Hilfsbereitschaft unser Leben abhängen kann."

00:20:57: Ich will nicht ins Krankenhaus,

00:21:01: schön. Das ist also die Serie "Hafenkrankenhaus".

00:21:04: 13 Episoden lang kümmerte sich Schwester Inge um die Sorgen und Nöte

00:21:09: ihrer Patient*innen. Doch der Ruhm des Hafenkrankenhauses

00:21:13: trotz dieser Serie verblasste und bereits sechs Jahre später, Mitte der 70er-Jahre,

00:21:18: stand das Hafenkrankenhaus erstmals vor der Schließung.

00:21:22: Eine Station wurde bereits geschlossen, doch dann kam es zu einer denkwürdigen

00:21:28: Katastrophe im Hamburger Hafen.

00:21:31: Am Abend des 9. Januar 1976 kommt es an der Werft von

00:21:34: Blohm & Voss bei dem Neubau des Containerschiffs "Anders Maersk" zu einer

00:21:38: Explosion des Dampfkessels. Zwölf Arbeiter sind durch die Druckwelle sofort tot.

00:21:42: 29 schwer verletzt, drei Männer sterben auf der Fahrt in entfernte Krankenhäuser und

00:21:47: das Hafenkrankenhaus öffnet noch in der Nacht die bereits geschlossenen Stationen,

00:21:51: um Schlimmeres zu verhindern. Dadurch wird die Relevanz des

00:21:55: Krankenhauses an dem Standort noch einmal deutlich.

00:21:58: Doch 1994 kündigt sich die endgültige Schließung des Hafenkrankenhauses an.

00:22:02: Der "Krankenhausplan 2000" von CSU- Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer

00:22:07: sah unter anderem den Abbau von 913 Betten in Hamburg vor.

00:22:10: Als kleinstes Hamburger Krankenhaus in einem Stadtteil mit eher schwacher

00:22:14: Sozialstruktur, und daher wenig politischer Lobby wurde das

00:22:18: Hafenkrankenhaus also als entbehrlich angesehen.

00:22:22: Es kam zu starken Protesten, Demonstrationen,

00:22:25: Solidaritätsbekundungen und Unterschriftenaktionen.

00:22:28: Bekannte Hamburger Persönlichkeiten wie Heidi Kabel, Carlo von Tiedemann,

00:22:33: Lilo Wanders, Corny Littmann und der FC St. Pauli beteiligten sich an einer

00:22:37: Plakatkampagne, die hieß "Das Hafenkrankenhaus muss bleiben".

00:22:41: Die Bürgerinitiative "Ein Stadtteil steht auf" wurde gegründet,

00:22:44: die Initiative besetzte Anfang 1997 unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit die

00:22:49: Station D.

00:22:50: Zu diesem Zeitpunkt waren 87% der Hamburger Bevölkerung gegen die

00:22:54: Schließung und wir hören mal kurz in eine Spiegel TV-Reportage rein.

00:22:58: "Seit drei Wochen hat auch Hamburg eine Montagsdemonstration.

00:23:01: Aufgebrachte Hanseaten wollen sich in Zukunft regelmäßig zum Wochenbeginn

00:23:06: treffen, sie kämpfen für das traditionsreiche

00:23:08: Hafenkrankenhaus, das nach dem Willen der Politiker

00:23:11: geschlossen werden soll. Seehofers Sparkurs führt auch in Hamburg

00:23:15: zum Kliniksterben. Wenn das Hafenkrankenhaus schließt,

00:23:18: dann gibt es wirklich Tote.

00:23:21: Aber ein Menschenleben ist wahrscheinlich nichts mehr wert und darum sind wir hier

00:23:26: auf der Straße, gar nicht so um die Arbeitsplätze,

00:23:28: sondern es geht wirklich um Menschenleben. Akut gefährdet ist bei einer Schließung

00:23:33: die Erstversorgung der Bewohner von St. Pauli und der Hafenbeschäftigten. Dazu

00:23:38: kommen noch die Touristen, die sich Jahr ein Jahr aus zu Millionen

00:23:42: im Amüsierviertel zwischen Landungsbrücken und Reeperbahn tummeln."

00:23:46:

00:23:46: Also klare Worte da bei Spiegel TV zu den Protesten um die Schließung des

00:23:53: Hafenkrankenhauses. Selbst das WWW, das World Wide Web, wurde im Frühjahr 1997

00:24:00: für den Protest genutzt. Danke, dass Du das noch mal erklärt hast.

00:24:05: Manche Leute kennen das ja nicht mehr. Mehr. Nicht mehr, genau. Ein

00:24:11: Medizinstudent aus Hamburg nutzte das

00:24:15: neue Medium, um auf die Situation aufmerksam zu machen,

00:24:18: so hieß es auf der Homepage, ich sag mal so teilhumoristisch: "Ein

00:24:22: Kommando von 80 Straßenkämpfern aus St. Pauli hat am Montag, den

00:24:25: 3. Februar das Hafenkrankenhaus gestürmt und besetzt.

00:24:28: Die Patienten wurden nicht als Geiseln genommen,

00:24:31: St. Pauli ist nicht nur Heimat des bekannten Fußballclubs,

00:24:34: sondern auch sozialer Brennpunkt, in keinem anderen Stadtteil in Hamburg

00:24:38: leben so viele Menschen, vor allem auch Jugendliche,

00:24:40: auf der Straße.

00:24:41: Gerade für sie ist es wichtig, dass es auf St. Pauli

00:24:44: nicht nur, wie vom Senat geplant, eine Notfallambulanz,

00:24:47: sondern auch die Möglichkeit einer stationären Behandlung gibt.

00:24:51: Nach noch unbestätigten Gerüchten soll Bürgermeister Voscherau den Aktivisten um

00:24:55: Holger Harnisch (Initiative zum Erhalt des Hafenkrankenhauses) und Frank Eyssen

00:24:59: (Büro für notwendige Einmischung) freies Geleit in ein sicheres Drittland,

00:25:03: vermutlich Kuba, zugesichert haben. Eine Stellungnahme der Besetzer liegt

00:25:07: hierzu noch nicht vor. Der Kampf geht weiter.

00:25:11: P.S.: an den montäglichen Stadtteilrundgängen und der Besetzung

00:25:14: kann jeder teilnehmen. Wem es zu Hause vor der Glotze langweilig

00:25:18: wird oder wer plötzlichen Bewegungsdrang verspüren sollte,

00:25:22: kann seine Ideen und Energien hier einbringen." Und ich nutze diese

00:25:25: Möglichkeit, um noch mal nach Hamborn zurückzugehen,

00:25:28: denn dort stürmten also die Fans des FC St. Pauli in der 80. Minute

00:25:32: wie vom "Splitter"-Fanzine erwähnt, also den Platz.

00:25:36: Friedrich Küppersbusch nutzte die Gunst der Stunde,

00:25:39: um sich einen beteiligten Fan zu schnappen und fragte investigativ nach.

00:25:44: Es gibt dazu auch eine Videoaufzeichnung,

00:25:46: ich lese es aber lieber, denn der "Splitter" hat das eigentlich ganz

00:25:51: gut zusammengefasst, was dieser Fan nun also Friedrich

00:25:54: Küppersbusch ins Mikrofon diktierte.

00:25:59: Ich zitiere also aus dem "Splitter" mit der Überschrift "Ralfs Rhetorikkurs Teil 1".

00:26:05: Mit Friedrich Küppersbusch (WDR) und Ralf-Dieter Splett vom

00:26:08: "Übersteiger". Thomas, Du wirst ihn wahrscheinlich gut kennen.

00:26:12: Ja, doch, ja. "Küppersbusch: Das ist der Chef vom Übersteiger,

00:26:15: ich kenne ihren Namen noch gar nicht. Ralf: Ralf, ich bin ein Redakteur,

00:26:19: also wir sind ein Kollektiv von mehreren Leuten, von 25 Leuten. Küppersbusch:

00:26:24: Das finde ich ein Stück weit irgendwie sehr wichtig.

00:26:27: Können wir mal Aufklärung kriegen über dieses Hafenkrankenhaus-Banner?

00:26:31: Was ist denn da gerade auf den Platz getragen worden?

00:26:35: Ralf: Ja, natürlich, also auf jeden Fall, und zwar wie vielleicht auch durch die

00:26:40: Presse ging. Auch überregional sind halt die auf Bund,

00:26:43: auf Bundesebene halt eben die, wird halt gesagt,

00:26:46: dass die Krankenhäuser halt sparen müssen oder die einzelnen Etats.

00:26:51: Küppersbusch: Und das ist ein Krankenhaus in Hamburg, das Ihr nicht hergeben wollt?

00:26:55: Ralf: Genau, und insofern ist nämlich wie ein

00:26:58: Stadtteil, weil da auch halt viele Leute verarztet

00:27:01: werden, auch vor Ort halt eben.

00:27:04: Und das ist konkret halt auch ein Stadtteil, wo es halt St. Pauli ist,

00:27:07: ein armer Stadtteil. Und wenn ein Krankenhaus geschlossen wird,

00:27:11: hat das eine unheimliche Auswirkung, weil die Leute, die halt... Küppersbusch:

00:27:15: Jetzt weiß es die Nation, ich kriege hier gerade Bescheid,

00:27:18: dass das Spiel so ereignisreich ist, dass ich zurückgebe zu Tom Theunissen,

00:27:23: vielen Dank." Ein Highlight der Fernsehgeschichte.

00:27:25: Genau. Der "Splitter" fügt noch ein kleines

00:27:28: Sternchen hinzu. "Rhetorik: laut Duden, Redekunst,

00:27:30: Lehre von der wirkungsvollen Gestaltung der Rede."

00:27:34: Ralf, "Übersteiger"-Redakteur, hat sich quasi unsterblich gemacht beim

00:27:38: WDR und Inhalt schlägt hier natürlich auch die Rhetorik, das ist ja klar.

00:27:42: Wie ihr aus dem "Splitter"-Bericht vorhin ja auch entnehmen konntet,

00:27:45: war das gezeigte Banner, also "Hafenkrankenhaus bleibt,

00:27:49: sonst gibt es einen Elfmeter im Rathaus" von den Profis des FC St.

00:27:53: Pauli übrigens unterschrieben worden. Nicht zur Freude von Vereinspräsident

00:27:57: Heinz Weisener, der den FC St. Pauli als absolut unpolitisch in der

00:28:01: Öffentlichkeit verstehen wollte.

00:28:04: Das passte dem Fanzine "PiPa Millerntor" gar nicht.

00:28:09: Von dem habe ich noch nie gehört. Das "PiPa Millerntor" war ein Fanzine,

00:28:15: wo ein Mann unter anderem mitgearbeitet hat, der heute sich Präsident des FC St.

00:28:22: Pauli nennt. Auch, ja. Unter anderem. No way.

00:28:26: Und in seiner nächsten Ausgabe lag der "PiPa Millerntor"

00:28:30: eine richtig feurige Beilage dazu, die folgenden Wortlaut hatte, die Thomas

00:28:37: bitte einmal vorlesen kann. Ja. Das ganze Flugblatt kann man sagen,

00:28:43: hat die Überschrift "Hafenkrankenhaus bleibt" von zwei Fußbällen eingerahmt und

00:28:50: hat den Text: "Mit Freude haben wir zur Kenntnis

00:28:52: genommen, dass Spieler und Verein vor drei Wochen sich

00:28:55: eindeutig für den Erhalt des Hafenkrankenhauses ausgesprochen haben,

00:28:58: so wurde das Transparent "Hafenkrankenhaus bleibt,

00:29:00: sonst gibt es einen Elfmeter im Rathaus". Oh nein,

00:29:02: "sonst gibt es einen Elfer im Rathaus", von allen Spielern unterschrieben. Diese

00:29:06: Aussage gegen die Schließung des Hafenkrankenhauses und die Unterstützung

00:29:09: des Kampfes zum Erhalt stieß jedoch nicht überall auf Begeisterung.

00:29:13: Mittlerweile sieht sich das Präsidium gezwungen,

00:29:15: unter Verweis auf den Paragraph 2 unserer Satzung alle Äußerungen zum Thema

00:29:19: Hafenkrankenhaus zu verbieten. Dieser Paragraph sagt aus,

00:29:22: dass der Verein unpolitisch zu sein hat. In der Vergangenheit hat sich der Verein

00:29:26: aber sehr wohl und berechtigt zu politischen Themen geäußert,

00:29:30: zum Beispiel die Demo im Stadion gegen Rassismus und ähnliches.

00:29:34: Dass der Verein sich in der jetzigen Situation so bedeckt hält,

00:29:37: scheint andere Gründe zu haben. Gründe, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem

00:29:41: auch von uns gewollten Stadionausbau und möglicher Unterstützung durch den

00:29:45: Hamburger Senat liegen dürften. Es scheint,

00:29:47: dass die Stadt dem Verein droht, den Ausbau zu verhindern,

00:29:49: falls er in dem Konflikt um das Hafenkrankenhaus Stellung bezieht. Und

00:29:53: unser FC St. Pauli reagiert, und zwar nicht so,

00:29:55: wie wir es von den Spielern in besten Zeiten gewohnt sind,

00:29:58: mit Biss, Einsatz und Kampf bis zum Umfallen, nein.

00:30:01: Der Verein verpasst den Spielern einen Maulkorb,

00:30:03: kein Spieler darf sich mehr öffentlich zu diesem Thema äußern.

00:30:07: Der Verein selbst verweigert jegliche Stellungnahme. Unserer Vereinsführung ist,

00:30:11: auch wenn sie immer mit der Viertelverbundenheit kokettiert,

00:30:14: scheinbar der Bezug zum Viertel völlig abhandengekommen.

00:30:17: Dieses Verhalten unseres FC oder besser unserer Vereinsführung finden wir

00:30:21: skandalös. Wir fordern:"

00:30:23: Jetzt fett gedruckt, sozusagen: "Keine Maulkörbe für die Spieler.

00:30:26: Ein klares Ja zum Hafenkrankenhaus auch vom FC St.

00:30:29: Pauli. Heute ein 3:0-Sieg am Millerntor. Schließt Euch nach dem Spiel der Demo zum

00:30:34: Hafenkrankenhaus an. Kommt alle zur nächsten Montagsdemo um 17:00 Uhr." Und

00:30:38: dann noch als Ende: "Wir danken den Fans, die uns schon letzte Woche unterstützt

00:30:42: haben. Wir werden während der Halbzeitpause ein

00:30:45: Transparent laolamäßig rumgehen lassen wir hoffen,

00:30:48: dass Ihr uns nicht im Stich lässt."

00:30:52: Thomas, ist das Transparent, laolamäßig rumgegangen?

00:30:55: Das weiß ich nicht. Also ich erinnere mich,

00:30:57: weil ich ja, wie auch kurz angedeutet, ja in Hamborn mit dabei war,

00:31:00: erinnere ich mich natürlich an die Szene auf dem Platz,

00:31:03: ich war nicht mit auf dem Platz, aber sonst das Spiel danach oder das

00:31:07: jetzt von PiPa da, das erinnere ich nicht. Und ob das laolamäßig

00:31:10: rumgetragen wurde weiß ich auch nicht. Wie auch immer es

00:31:12: laolamäßig rumgetragen wird. Immer hoch und runter, damit keiner was lesen kann,

00:31:16: ich weiß es nicht.

00:31:19: Ja, und es half auch am Ende alles nichts. Im Jahr 1997 wurde das Hafenkrankenhaus

00:31:23: dann endgültig geschlossen, man einigte sich im Senat darauf,

00:31:27: dass das bis heute existierende Gesundheitszentrum im ehemaligen Gebäude

00:31:31: des Krankenhauses zu etablieren sei, und dies hat eben bis heute Bestand und

00:31:36: die bewegte Geschichte des Hafenkrankenhauses endete also nach 97

00:31:40: Jahren.

00:31:41: Sie bewegte nicht nur den Hafen und den Stadtteil St. Pauli,

00:31:45: sondern auch dessen bekannten Fußballclub und dessen Fans.

00:31:49: Farewell Hafenkrankenhaus. Wilde Geschichte. Im Übrigen habe ich noch

00:31:53: mal nachgeguckt, Hamborn hat dieser Sieg 1952 da nicht

00:31:57: viel gebracht, in der nächsten Runde sind sie dann bei Alemannia Aachen

00:32:01: ausgeschieden.

00:32:04: Hätten wir auch sein können, das hätten wir, ja. Ich wollte gerade sagen,

00:32:07: das hätten wir sein können. Ich habe mir da auch noch ein bisschen

00:32:11: ein paar Gedanken gemacht, die ich jetzt mal vortragen möchte,

00:32:14: wenn euch das Recht ist. Das ist okay. Ich sehe jetzt positive

00:32:18: Gesichter, sehr schön. Immer positiv. Ja genau, wir haben uns ja für ein im wahrsten Sinne

00:32:22: naheliegendes Thema entschieden, den Hafen eben, aber als das feststand,

00:32:26: habe ich mir mal überlegt, was verbindet den FC St.

00:32:29: Pauli jetzt eigentlich mit dem Hafen, also abgesehen von der örtlichen Nähe

00:32:34: und da fielen mir zunächst diverse Mannschaftsfotos ein.

00:32:37: Ist natürlich jetzt im Podcast ein bisschen schwierig,

00:32:40: Mannschaftsfotos zu zeigen, deswegen beschreibe ich sie mal.

00:32:44: Vielleicht fällt einigen ja das Motiv dann auch ein. Ein, wie ich finde,

00:32:49: sehr schönes Motiv gab es nämlich 1991, da posierte das Team vor dem Museumsschiff

00:32:54: "Rickmer Rickmers", das, wie ich finde, immer noch ein sehr schönes Bild,

00:32:58: also vor diesem grünen Segelschiff, das da ja neben der "Cap San Diego" liegt.

00:33:03: Das fand ich ein sehr hübsches Mannschaftsfoto.

00:33:06: Dann gab es 1997 ein Foto mit dem Gebäude der Landungsbrücken im Hintergrund und

00:33:11: dann gab es eine richtige Serie, nämlich ein Jahr später ist man dann in

00:33:15: der Speicherstadt gewesen, um sich ablichten zu lassen und im

00:33:19: Hintergrund sind so riesige Schiffsschrauben zu sehen,

00:33:22: also nicht echte, sondern ein Foto, ein riesiges Foto an einem Gebäude,

00:33:27: und zwar wurde da damals eine Titanic- Ausstellung gezeigt, in einem Gebäude der

00:33:32: Speicherstadt, ich glaube tatsächlich sogar im Gebäude,

00:33:35: wo jetzt das Miniatur Wunderland drin ist. In welchem Jahr war das? 1998

00:33:39: müsste es dann gewesen sein, oder 1997/1998 irgendwie in der Zeit auf jeden Fall.

00:33:44: Schiffbruch-Metaphern auch angebracht. Genau, ja.

00:33:46: Das erinnere ich deswegen auch noch ziemlich gut,

00:33:50: weil ich habe tatsächlich in dieser Titanic-Ausstellung mal hin und wieder

00:33:54: mal Museumsaufsicht gemacht, so als Nebenjob. Ja guck an.

00:33:57: Bist du ein Titanic-Experte? Nein, überhaupt nicht.

00:34:00: Aber es war eben natürlich alles sehr,

00:34:02: sehr dunkel, weil es sollte ja ein bisschen

00:34:04: suggerieren, man ist jetzt irgendwie unter dem Meer

00:34:06: und ist in diesem Wrack irgendwie zu Hause sozusagen,

00:34:08: und durchstöbert da so ein bisschen mit dem Rundgang da

00:34:11: das Ganze deswegen war das alles sehr, sehr dunkel.

00:34:14: Immer so komische Geräusche, so Unterwassergeräusche und das war

00:34:17: alles ein bisschen spooky. Das fand ich jetzt jedenfalls,

00:34:20: um da sozusagen auch stundenlang zu verbringen und da irgendwie

00:34:23: rumzuschleichen und die Leute zu beobachten. Ich find das ganz geil. Aber gut.

00:34:27: Ich find das eher spooky, dass du da rumgeschlichen bist und die

00:34:30: Leute beobachtest. Naja, weil ich war ja Aufsicht, ich musste ja,

00:34:33: das war mein Job sozusagen, nun gut okay egal. Aber wieder zurück zum Thema.

00:34:37: noch ein Jahr danach, 1999 hat dann das Team die Elbe im

00:34:40: Hintergrund und man steht auf der Köhlbrandtreppe.

00:34:43: Wenn ich weiß, wo das ist, also links auf dem Foto ist ein

00:34:46: offensichtlich leerstehendes, schon damals heruntergekommenes Gebäude.

00:34:50: Das steht auch natürlich schon lange nicht mehr und rechts ist das Haus,

00:34:53: in dem unter anderem die Kneipe Schellfischposten ist.

00:34:56: also auf der Höhe da oben ist. Da oben ist so ne Treppe eben und da hat

00:34:59: sich die Mannschaft aufgereiht und dann, das hatten wir gerade, glaube ich,

00:35:03: war es sogar in der letzten Ausgabe, genau.

00:35:06: Weil zu dieser Viva/Kuba, wie auch immer, Kampagne 2004,

00:35:09: da gab es ja auch dieses Foto, was wir glaube ich beschrieben haben auf

00:35:13: der ersten Viva-Ausgabe, da sitzt das Team ja in dieser Beach Bar

00:35:16: an der Elbe, dieses Strand Pauli war das da glaube ich.

00:35:18: Ich dachte das ist auf Kuba gewesen. Nee, nicht ganz,

00:35:21: Kuba war ja dann erst im Winter danach so,

00:35:24: aber dieses Foto ist tatsächlich auch am Wasser aufgenommen worden, immerhin.

00:35:29: Genau das sind so also sehr auch ein bisschen hergeholte zugegebenermaßen

00:35:34: Verweise auf St. Pauli und den Hafen. Dann kam mir,

00:35:37: das hatten wir aber auch schon, der sogenannte Hafenpokal in den Sinn,

00:35:42: den wir 1989 gespielt haben bei uns im Stadion,

00:35:45: den hatte Christopher aber schon in Folge 12 verarbeitet,

00:35:49: also auch hier gerne nachhören, wer es noch nicht kennt. Und dann, naja,

00:35:53: klar, Hafen, worauf kommt man dann auch ganz schnell?

00:35:57: Die Hafenstraße.

00:35:58: Richtig. Natürlich. Aber auch das ist natürlich hinlänglich

00:36:01: bekannt. Abgesehen davon könnte man das auch immer

00:36:04: noch in unserer Ausstellung gerne anschauen, die Thematik und dann, tja,

00:36:08: kam in mir die Frage auf, ob denn viele Menschen,

00:36:11: die mit dem FC St. Pauli verbunden sind, vielleicht im Hafen gearbeitet haben,

00:36:15: wäre ja auch möglicherweise naheliegend. Eine bekannte Person oder vielleicht

00:36:20: früher eher früher bekannte Person war zum Beispiel der legendäre Jugendleiter

00:36:24: Richard Rudolph.

00:36:26: Interessanterweise, er hatte ja den noch weiter bekannten

00:36:29: Namen Käppen, Käppen Rudolph. Es würde natürlich schon nahelegen,

00:36:33: dass das daher kam, dass er wirklich ursprünglich

00:36:35: Barkassenkapitän war, aber dieser Spitzname kam wohl daher,

00:36:39: dass er als Jugendlicher Kapitän einer Straßenmannschaft war,

00:36:42: die dann irgendwie im FC St. Pauli

00:36:45: irgendwann mal aufging, beziehungsweise damals noch im Turnverein.

00:36:48: Er war auch Barkassenkapitän, auch, aber dieses Käppen kam wohl

00:36:51: tatsächlich aus diesem fußballerischen Hintergrund. Ich dachte,

00:36:54: das hätte irgendwas mit seiner Kappe zu tun. Das wäre die nächste Variante,

00:36:58: er hat ja auch immer so ne Schiffermütze irgendwie aufgehabt.

00:37:01: Ja da hätten wir vielleicht drei Möglichkeiten. Die hat Helmut Schmidt auch getragen.

00:37:05: Käppen Schmidt. Wer weiß, vielleicht wurde er intern so genannt,

00:37:08: wer weiß es.

00:37:09: Genau, ja, aber Käppen Rudolph ist dann

00:37:12: ja aus dem Ersten Weltkrieg berufsunfähig mit einer Verletzung wieder nach Hause

00:37:16: gekommen, ist deswegen nicht weiter

00:37:18: Barkassenkapitän gewesen und war ab 1919 bis Mitte der 60er-Jahre für den Verein tätig.

00:37:22: Und es hatte ja auch eine große Bedeutung, die Jugendarbeit, weil,

00:37:25: also man kann eigentlich sagen, bis Ende des Zweiten Weltkrieges kamen ja

00:37:29: eigentlich die Spieler der Herrenteams fast ausschließlich aus der eigenen

00:37:33: Jugend.

00:37:34: Das hat sich dann natürlich im Laufe der weiteren Zeit und heute natürlich erst

00:37:38: recht ein bisschen aufgeweicht, dass dann irgendwie nur noch wenig Spieler

00:37:42: aus der Jugendabteilung auch wirklich in die Herrenteams kamen.

00:37:45: Aber damals war das eigentlich das, in Anführungsstrichen,

00:37:48: Hauptgeschäftsmodell, deswegen war natürlich seine Rolle auch Recht wichtig.

00:37:52: Wen haben wir dann noch? Der ehemalige Vizepräsident Max Uhlig

00:37:56: hatte einen Hafenbetrieb, 1929 gegründet, der im Bereich so Lagerei, Umschlag,

00:38:00: Container später auch tätig war und dann gab es noch

00:38:03: den Hafenarbeiter Willi Bruhnsen, also St. Pauli-Willi. Ach, St. Pauli-Willi. Ja, ja,

00:38:09: oder den ehemaligen Matrosen Theodor Vetter, Tattoo-Theo,

00:38:12: genau, Du wolltest das gerade sagen, pardon. Und dann hätten wir noch Volker Ippig,

00:38:18: denn der ist ja natürlich, wir wissen Fußballer, Torwart,

00:38:22: und danach war er Torwarttrainer, wissen wir auch, aber er ist dann ja auch,

00:38:27: ich glaube sogar bis heute, aber auf jeden Fall ist er als Lascher im

00:38:32: Hafen tätig.

00:38:33: Und jetzt ist die Frage, was ist ein Lascher?

00:38:36: Ich wollte es gerade sagen. Wisst Ihr es? Ich hab mal

00:38:39: in der 10. Klasse ein Referat über St.

00:38:42: Pauli gehalten, den Hafen und ich wusste dann mal für

00:38:46: einen kleinen Moment meines Lebens was ein Lukenvize ist.

00:38:49: Aber jetzt weiß ich es auch nicht mehr. Immerhin. Ein Lascher ist jemand der

00:38:54: Container befestigt auf Schiffen beziehungsweise natürlich auch wieder

00:38:58: löst wenn sie dann gelöscht werden.

00:39:00: Die sind natürlich keine Seile heutzutage, aber einfach Container-

00:39:05: Befestigung an Schiff und lösen derselben. Das ist ein Lascher.

00:39:09: Fallen Euch jetzt spontan noch andere Menschen ein,

00:39:12: die irgendeinen Hafenbezug haben, so ganz, also jetzt so ganz, nee,

00:39:16: mir nämlich auch nicht. Ich kenn Fans, vielleicht maximal noch die im Hafen arbeiten.

00:39:20: Ja gut das da gibt es natürlich, klar, die gibt es auch,

00:39:24: die gibt es natürlich auch, richtig, richtig, ja.

00:39:28: Ich hatte trotzdem nämlich dann noch einen weiteren Ansatz verfolgt,

00:39:31: nämlich uns bekannte Berufe von Vereinsmitgliedern zu durchforsten.

00:39:35: Da gab es nämlich in früheren Zeiten doch so einige Infos,

00:39:38: als Datenschutz offenbar noch ein Fremdwort war. Für uns als forschende

00:39:42: Menschen natürlich sehr wertvoll, wenn da so Geburtsdaten,

00:39:45: Adressen und eben auch Berufe in Vereins-Veröffentlichungen

00:39:49: genannt werden, sehr praktisch hin und wieder.

00:39:52: Wir haben da mittlerweile so ne recht umfangreiche Namensliste mit über 4.000

00:39:57: Namen von Vereinsmitgliedern, zwar mehrheitlich aus dem Turnverein,

00:40:01: aber auch aus dem FC St. Pauli dann. Zum Beispiel aus alten

00:40:04: Mitgliederbüchern, so von 1874 oder von 1902, aus

00:40:07: Vereinszeitungen Anfang des 20. Jahrhunderts.

00:40:11: Oder es gab sogar eine gedruckte Mitgliederliste 1948. Die ist auch sehr,

00:40:15: sehr wertvoll für uns, weil auch da eben genau all diese ganzen

00:40:18: Daten mit Geburtsdatum und so weiter alles beisteht und eben halt Berufe. Und

00:40:22: da finden sich natürlich viele Berufe, die nur möglicherweise mit dem Hafen in

00:40:26: Verbindung stehen, denn da stehen jetzt ganz viele Kaufleute,

00:40:29: das ist natürlich unklar, welches Gewerbe sie dann betrieben haben,

00:40:32: aber kann natürlich auch hafennah gewesen sein. Handwerker genauso, Schlosser,

00:40:36: Schweißer, Elektriker.

00:40:38: Die können natürlich auf dem Schiff tätig sein, auf Werften. Bei Blohm & Voss.

00:40:42: Bei Blohm & Voss, möglicherweise, kann alles gut sein.

00:40:45: Maschinist, Heizer, Schiffszimmerer, Kesselreiniger,

00:40:48: das ist dann schon ein bisschen deutlicher,

00:40:51: wo die möglicherweise dann tätig waren, gibt es alles bei uns oder gab es alles

00:40:55: bei uns. Und auch einen klassischen Kapitän, Barkassenführer hatten wir eben

00:41:00: schon, einfach Schiffsführer ist natürlich

00:41:02: unspezifisch, Ewerführer, Ewerführerbaas, das ist ein?

00:41:07: Ewerführer. Also Ewerführer ist erstmal, das ist auch so, das sind

00:41:11: diese Schuten, die so in den in den Fleeten rumfahren,

00:41:14: diese flachen Dinger, das sind Ewer, und da gibt es also Führer,

00:41:17: natürlich dann jemand der dieses Schiff führt. und ein Ewerführerbaas.

00:41:21: Baas sind irgendwie so Vermittler, gibt es auch für andere Berufe,

00:41:25: das sind so Arbeitsvermittler, also jemand der diese Ewerführer

00:41:28: offensichtlich vermittelt dann wenn irgendwo sie benötigt werden.

00:41:32: Steht halt so geschrieben, dass jemand diesen Beruf ausgeübt hat,

00:41:36: ich kann es ja auch nicht ändern. Ich möchte gar nicht mich despektierlich

00:41:40: dem Ewerführerbaas gegenüber äußern. Es gab Steuerleute,

00:41:44: es gab einfach nur Seemann, Schiffer, Matrose, Steward,

00:41:47: ein Mitglied hatte ein Geschäft für Seemannsausrüstung. Es gab einen Decksmann,

00:41:52: einen Volldecksmann, offensichtlich die höhere Stufe.

00:41:55: Einmal alles, was zum Hafen gehörte.

00:41:57: Ja, Schauermann hatten wir, Stauer, einen Tallyman.

00:42:02: Ladungskontrolleur, also so ein englischer Begriff,

00:42:04: der aber auch hier im deutschen Hafen zum Beispiel auch genutzt wird.

00:42:08: Ladungskontrolleur ist ein englischer Begriff, Nein, Tallyman.

00:42:12: Tallyman. Man kennt das vielleicht

00:42:15: aus dem Song von Harry Belafonte, möglicherweise, "Banana Boat Song"

00:42:19: heißt das. Hey Mr. Tallyman. Ja genau. Hey Mr. Tambourine Man? Nee, das

00:42:23: waren die Byrds, glaube ich. Das weiß ich gerade nicht,

00:42:27: aber definitiv ein anderer Song. Hey Mr. Tallyman tally me banana.

00:42:31: Jetzt macht das auch Sinn. Deswegen Ladungskontrolle, er zählt die Bananen in

00:42:35: dem Fall. Also er zählt halt,

00:42:39: ob alle vollständig sind, die Ladung genau, da kommt das her. Jetzt

00:42:43: macht alles Sinn, ich sag ja Bildungspodcast. Und es gab

00:42:47: Zollbeamte, die können natürlich möglicherweise auch im

00:42:50: Freihafen tätig gewesen sein, logisch.

00:42:53: Bei weiblichen Mitgliedern ist es nicht ganz so konkret.

00:42:56: Also es gibt kaufmännische Angestellte, Kontoristinnen und Packerinnen,

00:43:00: auch die können natürlich irgendwie hafenmäßig tätig gewesen sein.

00:43:04: Es gab einen Werftbesitzer namens Jozwiak, die Werft existierte von 1900 bis 1994,

00:43:08: immerhin. Da habe ich einen Fun Fact zu. Gerne. Auf

00:43:11: der Jozwiak-Werft, übrigens Herbert Jozwiak,

00:43:13: natürlich Jugendspieler beim FC St. Pauli gewesen und auch gespielt.

00:43:17: Ich wusste, dass du es auswendig weißt. Nein,

00:43:20: die

00:43:21: die Jozwiak-Werft war die erste Werft, bei der Frauen als Schlosserinnen

00:43:26: ausgebildet wurden. Go Jozwiak-Werft.

00:43:30: Da lerne ich sogar noch dazu, sehr gut. Richtig,

00:43:35: es gab eine Familie von drei Segelmachern namens Edelmann,

00:43:39: die Firma gab es von 1856 bis 1984 auch immerhin. Da hast du jetzt nichts zu?

00:43:44: Nein? Gut.

00:43:48: Dann haben wir diverse Schiffsmakler, unter anderem darunter auch der Neffe von

00:43:53: Albert Ballin, dem Direktor der Hapag und Namensgeber

00:43:56: des Ballindamms, der Neffe, sein Neffe war bei uns Mitglied. Der

00:44:00: Ballinstadt auch. Auch der Ballinstadt, also der Auswandererstadt genau, ja ja,

00:44:05: richtig. Und dann haben wir noch einen der frühen

00:44:08: führenden Mitglieder der Spielabteilung des Turnvereins,

00:44:11: der 1956 verstorbene Arthur Folgmann war Leiter des Hamburger Freihafenamtes,

00:44:16: auch durchaus

00:44:17: eine höhere Stellung offensichtlich. Aber so viel,

00:44:20: wie sich das nun hier so komprimiert anhört, war es dann auch nicht. Zu sagen

00:44:24: ist überhaupt, wenn man es mal so insgesamt sich

00:44:27: anschaut, so Berufe von Mitgliedern, die Anzahl der

00:44:30: offensichtlich "niederen" Berufe ist in der frühen Mitgliedschaft, so weit

00:44:33: nachvollziehbar, eher unterrepräsentiert. Also der Verein war dann doch,

00:44:37: wie wir es eigentlich auch wissen und ahnen, recht bürgerlich geprägt

00:44:41: insgesamt. Also es gab tatsächlich einen, habe ich gesehen, der ist Knecht gewesen,

00:44:45: einfach.

00:44:47: Warum auch nicht? Muss auch sein. Wenn er gut Fußball spielen konnte.

00:44:51: Ja eben. Ja das nur mal so als kleine Abschweifung in diese thematische

00:44:56: Richtung. Damit wir es auch noch aufgelöst bekommen,

00:44:59: "Mr. Tambourine Man" ist tatsächlich von den Byrds

00:45:02: mit y, aber geschrieben hat den Song

00:45:05: Bob Dylan. Nein nicht Hans Albers, Der einzige Song,

00:45:09: den Hans Albers jemals geschrieben hat. Überraschenderweise.

00:45:14: Ja, Bob Dylan hatte ich damit aber auch noch in Verbindung gebracht.

00:45:15: Komischerweise nach seinem Tod. Nein, Bob Dylan hat den tatsächlich

00:45:19: ursprünglich geschrieben und kurz danach haben die Byrds den gecovert und haben

00:45:24: "erfolgreich Folk mit Rock gemischt und wurden dadurch zu Pionieren des Folk Rock".

00:45:29: Genau so steht's bei Wikipedia.

00:45:32: 1965. Was die wenigsten wissen ist, Bob Dylan hat auch "Auf der

00:45:36: Reeperbahn nachts um halb eins", das Original geschrieben.

00:45:39: Das ist sehr gut möglich, ja. Jetzt zu Celina.

00:45:43: Wenn Ihr glaubt, ich erzähle euch jetzt was über Fußball

00:45:46: muss ich euch leider enttäuschen, ich weiß ja nicht wie das bei euch ist.

00:45:50: Als langjährig St. Pauli sozialisierte Person kann

00:45:53: eigentlich niemand "der Hafen" sagen, ohne dass mein Gehirn "die Lichter"

00:45:57: dranhängt und deswegen dachte ich mir, ich schau mir für diese Folge noch mal

00:46:01: die Geschichte unserer Stadionhymne, nee Stadionhymne ist es nicht,

00:46:05: es ist glaube ich die offizielle Fanhymne, aber.

00:46:08: Also jedenfalls dieses Liedes an, die Geschichte dieses

00:46:12: Liedes an was wir immer alle mitsingen, vor jedem Heimspiel, das "Herz von St.

00:46:17: Pauli". Ich hatte noch so dunkel im Hinterkopf,

00:46:20: dass der Song aus dem gleichnamigen Film mit Hans Albers stammt,

00:46:24: und ich hatte so eine Ahnung, dass Hans Albers als Person irgendwie

00:46:28: problematisch ist, beziehungsweise war, und diese Info habe ich hauptsächlich von

00:46:33: Lars Lewerenz.

00:46:34: Der hat 2010 für sein Label Audiolith, den damals frisch gegründeten Hamburger

00:46:40: Musikpreis Hans gewonnen. Und den Hans hat der Lars dann noch

00:46:44: während der Preisverleihung auf der Bühne mit einer Axt filetiert. Hans,

00:46:49: das steht nämlich für Hamburg, Hansestadt, Hanseatisch,

00:46:52: und auch Hans Albers, das ist die offizielle Beschreibung.

00:46:57: Und Hans Albers war, das hat Lars damals auf der Bühne so

00:47:01: gesagt, ein, ich zitiere, "Scheißtyp, der die übelste

00:47:04: Nazi-Propaganda gebuckelt hat". Bei Wikipedia steht,

00:47:06: dass Lars das so in seiner Dankesrede gesagt hat

00:47:09: übrigens, in seiner Dankesrede, naja. Also ich hab Lars noch mal gefragt,

00:47:13: wie das damals wirklich war.

00:47:16: "Ich habe 2010 den Hans-Preis zerstört mit einer Axt ganz im Vorbilde von Nikel

00:47:21: Pallat, der ja schon wusste, wie man Äxte einsetzt.

00:47:23: Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens denke ich,

00:47:27: Hans Albers hat quasi unter dem Nazi- Regime in der Filmbranche gebuckelt,

00:47:31: dafür kann man so einen Preis nicht benennen. Zweitens,

00:47:34: es gibt glaube ich wesentlich mehr Leute, denen man einen Preis hätte widmen können,

00:47:39: unter anderem zum Beispiel Georg Elser hatten wir damals vorgeschlagen,

00:47:43: heute hat Georg Elser eine Halle, sehr gut auch.

00:47:46: Drittens denke ich, dass man Geld, was man quasi für seinen Preis ausgibt,

00:47:50: eher in Strukturen investieren sollte und sich nicht selbst abfeiern sollte.

00:47:54: Und viertens, das einzig Gute an dem Preis war, dass Nils Koppruch ihn designt hat,

00:47:59: hab ihn selig." Noch mal kurz für die, die das vielleicht nicht wissen.

00:48:03: Hans Albers war ein deutscher Schauspieler und Sänger aus Hamburg und

00:48:07: ein großer Kinostar im nationalsozialistischen Deutschland und

00:48:11: in der Nachkriegszeit.

00:48:12: Und seine Beziehung zum NS-Staat wird bis heute kontrovers diskutiert.

00:48:17: Hans Albers war ab circa 1920 mit der jüdischen Schauspielerin Hansi Burg

00:48:21: liiert, nach 1933 setzten die Nationalsozialisten

00:48:25: ihn verstärkt unter Druck, diese Beziehung zu beenden.

00:48:28: 1935 knickt er schließlich ein und gibt in einem Brief an Josef Goebbels seine

00:48:33: Trennung von Hansi Burg bekannt. Die beiden leben dann aber noch weiterhin

00:48:38: zusammen, bis Hansi Burg 1939 nach England fliehen

00:48:41: muss.

00:48:42: Hans Albers bleibt in Deutschland und dreht weiter Filme.

00:48:45: Auch einige NS-Propagandafilme. Obwohl er eigentlich gerne über den NS-

00:48:49: Führungskader spottet und sich in Teilen auch vom Regime distanziert,

00:48:53: wird er noch 1944 auf Goebbels sogenannter "Gottbegnadeten-Liste" geführt

00:48:57: und aufgrund seiner Beliebtheit genießt er auch den besonderen Schutz des

00:49:01: Propagandaministers. Das Thema Hans Albers ist einigermaßen

00:49:05: gut aufgearbeitet, ich packe euch da noch ein paar Links in

00:49:08: die Shownotes, falls Euch das interessiert,

00:49:11: könnt Ihr da gern noch mal tiefer einsteigen.

00:49:14: Ich persönlich halte es da eher mit Lars. Hans Albers hat definitiv und nachweisbar

00:49:19: Nazi Propaganda gebuckelt, wie Lars sagt und er hat sich

00:49:23: letztendlich für eine Karriere im NS- Staat und gegen seine Partnerin

00:49:27: entschieden. Wir werden uns in dieser Folge aber nur

00:49:30: noch am Rande mit Hans Albers beschäftigen, denn er hat das "Herz von St.

00:49:35: Pauli" entgegen meiner ursprünglichen Annahme nicht geschrieben.

00:49:39: Weder die Musik noch den Text. "Das Herz von St. Pauli,

00:49:44: das ist meine Heimat, in Hamburg, da bin ich zu Haus. Der Hafen, die Lichter,

00:49:49: die Sehnsucht, begleiten das Schiff in die Ferne hinaus".

00:49:54: Im Internet kursieren tatsächlich sehr viele unterschiedliche Angaben zur

00:50:00: Urheberschaft und zum Entstehungszeitpunkt dieses Liedes,

00:50:04: viele davon sind schlichtweg falsch.

00:50:08: Es hat tatsächlich ein bisschen Zeit gekostet,

00:50:10: der Sache auf den Grund zu gehen. Ich hab mich mit meiner besten Freundin,

00:50:14: die praktischerweise Geschäftsführerin eines Musiklabels ist,

00:50:17: durch den GEMA-Werkskatalog gearbeitet, bis wir die älteste Version gefunden

00:50:20: haben. Im GEMA-Werkskatalog stehen nämlich keine

00:50:23: Daten, man muss die Nummern interpretieren

00:50:25: können, das konnte ich nicht, das konnte aber meine beste Freundin.

00:50:28: Danke Molly für Deine Zeit und Deine Unterstützung.

00:50:32: Ergebnis unserer Recherchen am Ende: die originale, übrigens Walzer Version,

00:50:36: wurde von einem Mann namens Michael Jary komponiert. Der Text,

00:50:40: den vermutlich alle FC St. Pauli Fans auswendig kennen,

00:50:43: stammt von einem gewissen Arno Gillo. Ich war kurz verwirrt,

00:50:46: als ich im Anschluss an die GEMA- Recherche dann festgestellt hab,

00:50:51: dass auf der allerersten Polydor-Pressung des Liedes noch mal ein ganz anderer Texter

00:50:55: steht, nämlich ein gewisser Herz, das hat anscheinend nicht nur mich

00:50:59: irritiert. Denn an verschiedenen Stellen im Internet,

00:51:02: unter anderem bei Wikipedia, wird infolge dieser Nennung

00:51:05: fälschlicherweise behauptet, der Text stamme von einem

00:51:08: österreichischen jüdischen Librettisten namens Peter Herz.

00:51:11: Der hat zwar auch Schlagertexte verfasst, aber nicht "Das Herz von St. Pauli".

00:51:16: Der Texter auf der Polydor-Platte ist Hans Herz und Hans Herz ist Arno Gillo,

00:51:21: aber dazu später mehr. Aber erstmal zu Michael Jary,

00:51:24: der war ein sehr erfolgreicher deutscher Film- und Schlagerkomponist der späten

00:51:29: 30er- und 40er-Jahre und der Nachkriegszeit.

00:51:32: Er wird 1906 im oberschlesischen Laurahütte bei Kattowitz geboren,

00:51:36: heute ist das Siemianowice Śląskie. Ich hoffe ich habe das richtig ausgesprochen,

00:51:41: falls nicht tut es mir leid.

00:51:44: Sein Geburtsname lautet Maximilian Michael Andreas Jarczyk.

00:51:48: Schon als junger Mann leitet er einen Kirchen- und Arbeiterchor und schreibt

00:51:53: erste Kammermusikwerke. 1929 wird er in der staatlichen

00:51:56: Musikhochschule Berlin aufgenommen. Neben seinem Studium arbeitet er als

00:52:01: Pianist in Cafés und Stummfilmkinos. Bei seinem Hochschulabschlusskonzert im

00:52:06: Februar 1933 dirigiert er ein selbstkomponiertes Stück und

00:52:09: wird von Mitgliedern des sogenannten "Kampfbundes für deutsche Kultur" ausgebuht.

00:52:14: Paul Graener, das ist der neue Direktor des Stern’schen Konservatoriums,

00:52:19: diffamiert sein Werk als, ich zitiere, "Kulturbolschewistisches Musikgestammel

00:52:23: eines polnischen Juden". Michael Jary ist kein Jude, er ist Katholik,

00:52:27: außerdem ist er deutscher Reichsangehöriger. Sein sogenannter "Arier-

00:52:31: Nachweis" findet sich noch heute in den Unterlagen der Reichskulturkammer im

00:52:36: Bundesarchiv.

00:52:38: Trotzdem publiziert er nach diesem Vorfall nicht mehr unter seinem

00:52:42: Geburtsnamen. Aus Jarczyk wird Jary und mit dieser

00:52:45: Namensänderung steht einer Karriere im NS- Staat dann scheinbar nichts mehr im Weg.

00:52:51: 1936 komponiert er seine erste Filmmusik, 1938 gelingt ihm mit dem Titel "Roter Mohn"

00:52:56: der Durchbruch als Schlagerkomponist. Er arbeitet für die gleichgeschaltete,

00:53:01: vom Propagandaministerium kontrollierte UFA

00:53:05: und schreibt Hits für Stars wie Heinz Rühmann.

00:53:07: Zu seinen größten Erfolgen gehört 1942 der Schlager "Ich weiß,

00:53:11: es wird einmal ein Wunder geschehen", aus dem Liebes- und Propagandafilm "Die

00:53:16: große Liebe" mit Zarah Leander. 1944 steht auch Michael Jary auf Goebbels'

00:53:21: Gottbegnadetenliste. Sein besonderer Status schützt ihn höchstwahrscheinlich und nach

00:53:25: eigener Aussage sogar vor dem Fronteinsatz.

00:53:29: Die einzige NS-Institution, mit der er ernsthaft oder zumindest nach

00:53:33: meinen Recherchen ernsthaft in Konflikt gerät, ist das Finanzamt.

00:53:38: 1944 geht eine Beschwerde bei der Reichskulturkammer ein,

00:53:41: auch die ist im Bundesarchiv einsehbar. Ich zitiere "Der Kapellmeister Max Jarczyk,

00:53:47: genannt Michael Jary, schuldet dem Reich einen größeren

00:53:50: Steuerbetrag.

00:53:52: Den Zahlungsaufforderungen meiner Vollziehungsbeamten und der

00:53:55: Vollstreckungsstelle leistet er keine Folge,

00:53:58: obwohl er bei seinen in den letzten Jahren erzielten großen Einnahmen zur

00:54:02: Bezahlung seiner Steuerrückstände ohne weiteres in der Lage gewesen wäre."

00:54:06: Tatsächlich verdient Jary im NS-Staat sehr gut, überliefert sind Honorare aus

00:54:10: den letzten Kriegsjahren, um die 15.000 Reichsmark. Nach Kriegsende

00:54:14: setzt Jary seine Karriere relativ ungebrochen vor 1948 gründet er seinen

00:54:18: eigenen Verlag, die Michael Jary Produktion.

00:54:21: 1949 zieht er nach Hamburg, es folgen weitere erfolgreiche Filme und

00:54:25: Schlager. 1957, und da sind wir wieder bei unserem Thema,

00:54:28: liefert Jary dann die Musik für den Kriminalfilm "Das Herz von St.

00:54:32: Pauli". Schon im Vorfeld der Dreharbeiten kommt es zu einem Konflikt zwischen dem

00:54:37: erfolgreichen Komponisten und dem Star der Produktion,

00:54:41: Hans Albers. Ich lese Euch jetzt einen Abschnitt aus einem Buch vor.

00:54:45: Der Titel lautet "Traumfabriken Made in Germany.

00:54:48: Die Geschichte des deutschen Nachkriegsfilms 1945 bis 1960", die Autorin

00:54:52: Micaela Jary ist Michael Jarys Tochter. "So kam es beispielsweise zum Eklat mit

00:54:57: der damals sehr populären Sängerin Liselotte Malkowsky.

00:55:00: Diese sollte in dem 1957 produzierten Film "Das Herz von St.

00:55:04: Pauli" den gleichnamigen, in Hamburg bereits durch sie bekannt

00:55:08: gewordenen Schlager singen.

00:55:10: Jedoch Albers lehnte das ab, selbst zu einem Duett ließ er sich nicht

00:55:14: bewegen. Es bedurfte einiger nebulöser Verträge,

00:55:17: bevor der Star überhaupt zu singen bereit war.

00:55:19: Unmittelbar vor der Musikaufnahme erschien ein Wirtschaftsprüfer,

00:55:23: Typ Gerichtsvollzieher, vom Finanzamt im Studio und legte dem

00:55:27: verdutzten Komponisten einige Verträge zur Unterzeichnung vor.

00:55:31: Herr Albers ist nicht bereit, erklärte der gute Mann, auch nur eine

00:55:37: einzige Note zu singen, wenn er nicht als Urheber der Lieder mit

00:55:43: bezeichnet wird. Michael Jary weigerte sich und

00:55:47: argumentierte darüber hinaus mit einem Tobsuchtanfall. "Das Herz von St. Pauli,

00:55:54: das ist meine Heimat, in Hamburg, da bin ich zu Haus."

00:56:01: Okay, das war hübsch, aber ich glaube, in der tragenden Version hätte das nicht

00:56:06: unbedingt eine Stadionhymne werden können, oder?

00:56:09: Das ist die Frage, von Albers ja auch nicht, kann ich mir nicht beantworten,

00:56:13: abschließend, das war jedenfalls die besagte erste

00:56:17: Polydor-Pressung mit Liselotte Malkowsky. Dass es dann am Ende doch noch zu

00:56:21: Aufnahmen mit Hans Albers kommt, liegt am Texter des Liedes,

00:56:25: der erklärt sich mit Hans Albers als Co-Autor einverstanden.

00:56:30: In der Folge wird Albers an allen Tantiemen wie ein Textautor beteiligt.

00:56:35: Wohlgemerkt, und das möchte ich noch mal betonen,

00:56:38: obwohl er keine Note und kein Wort zum Lied beigetragen hat.

00:56:42: Laut Micaela Jary lässt sich Hans Albers' Ruf als bedeutender Schlagertexter der

00:56:47: 50er-Jahre insgesamt weniger auf sein Talent als vielmehr auf seine

00:56:52: Geschäftstüchtigkeit zurückführen. Wer aber ist der eigentliche Autor des

00:56:56: Liedtextes?

00:56:59: Hinter den Pseudonymen Hans Herz und Arno Gillo verbirgt sich ein und dieselbe

00:57:04: Person, Josef Ollig. Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten ein

00:57:09: leitender Redakteur des "Hamburger Abendblattes".

00:57:12: Josef Ollig wird 1906 in Eil bei Köln geboren,

00:57:16: er besucht die Volkshochschule und macht 1925 sein Abitur an einem humanistischen

00:57:22: Gymnasium. Nach dem Abschluss wird er Journalist.

00:57:26: Um 1929 zieht er nach Hamburg und beginnt als Redakteur für die "Hamburger

00:57:30: Nachrichten" zu arbeiten. Das nationalkonservative Blatt steht

00:57:34: rechtsextremen Ideologien nahe und unterstützt mehr oder weniger seit der

00:57:38: Parteigründung 1920 relativ offen die NSDAP. Der Historiker Robert F.

00:57:43: Hamilton kommt 2016 sogar zu der Einschätzung,

00:57:45: dass die "Hamburger Nachrichten" eine Schlüsselrolle bei der Etablierung der

00:57:50: NSDAP in der Hamburger Mittel- und Oberschicht und oberen Mittelschicht

00:57:54: gespielt haben.

00:57:56: Das klingt, damit Ihr Euch das mal vorstellen könnt,

00:57:59: im Sommer 1932 in einem Leitartikel auf der ersten Seite der "Hamburger

00:58:04: Nachrichten" zum Beispiel so: "Hat man denn um Gottes Willen immer

00:58:08: noch nicht begriffen, dass sich im Osten, in dem Grenzkampf zwischen germanischen

00:58:13: Edelmenschen und polnischen Untermenschen der Daseinskampf des deutschen Volkes

00:58:18: entscheidet?"

00:58:21: Ironischerweise wird genau diese Linientreue für die Zeitung ab 1933 zum

00:58:25: Problem. Als immer mehr Anzeigenkunden zur NSDAP-

00:58:28: Parteizeitung "Hamburger Tageblatt" wechseln,

00:58:31: geraten die "Hamburger Nachrichten" nach und nach in finanzielle Schwierigkeiten.

00:58:36: Vielleicht verlässt Josef Ollig deshalb im Laufe des Jahres 1933 die Redaktion

00:58:41: der "Hamburger Nachrichten" und wechselt zur Pressestelle von Shell.

00:58:45: Dort übernimmt er unter anderem die redaktionelle Leitung der "Shell Post".

00:58:51: Das ist die Hauszeitschrift der Rhenania-Ossag Mineralölwerke AG.

00:58:55: Das ist heute Shell Deutschland. In verschiedenen NS-Publikationen wird er ab

00:59:00: 1937 außerdem als Propagandaleiter und Pressereferent

00:59:04: der Firma bezeichnet. Über die Verstrickung der Shell mit dem

00:59:08: NS-Regime, vor Beginn des Zweiten Weltkriegs wohlgemerkt, gibt es

00:59:12: unterschiedliche Untersuchungen und unterschiedliche Einschätzungen.

00:59:16: Ich habe mich an dieser Stelle nicht

00:59:19: tief genug eingearbeitet, um das wirklich differenziert und

00:59:22: abschließend beurteilen zu können, deshalb nur so viel: Fest steht,

00:59:26: dass die Firma sich umfassend angepasst hat,

00:59:29: um den Erwartungen des NS-Regimes zu entsprechen.

00:59:31: Der Mineralölkonzern war ein wichtiger Faktor für die deutsche Wirtschaft,

00:59:36: insbesondere auch für die stark wachsende Luftfahrtindustrie. Zum Jahreswechsel

00:59:40: 1933/34 tritt das sogenannte Schriftleitergesetz in Kraft. Josef

00:59:44: Olligs Berufsbezeichnung ändert sich von Redakteur in Schriftleiter.

00:59:49: Das Gesetz besiegelt die zuvor begonnene Abschaffung der Pressefreiheit im

00:59:52: Deutschen Reich. Mindestens 1.300 Redakteur*innen,

00:59:55: darunter viele Jüdinnen*Juden, und politisch Andersdenkende

00:59:58: verlieren ihre Arbeit. Schriftleiter kann nur sein,

01:00:01: wer die deutsche Reichsangehörigkeit besetzt und wer über einen "Ariernachweis"

01:00:05: verfügt. Wer politisch nicht fügsam ist, bekommt keine Arbeit mehr in den

01:00:08: zugelassenen Medien. Schriftleiter werden außerdem zur

01:00:11: Mitgliedschaft in der Reichspressekammer und somit zur Loyalität gegenüber dem NS-

01:00:16: Regime verpflichtet.

01:00:17: Sie sind aufgefordert, aus der Berichterstattung fernzuhalten,

01:00:21: was, das ist ein Zitat, "die Kraft des deutschen Volkes oder den

01:00:24: Gemeinschaftswillen schwächt". Außerdem sollen sie Inhalte vermeiden,

01:00:29: die aus, Zitat, "anderen Gründen sittenwidrig sind".

01:00:31: Letzterer ist so ein Gummiparagraph, der kann eigentlich auf alles angewendet

01:00:36: werden, was den Nationalsozialisten nicht passt.

01:00:39: Im März 1937 heiratet Josef Ollig mit 31 Jahren die drei Jahre jüngere Margaretha

01:00:44: Westendorff aus der Nähe von Kühlungsborn.

01:00:47: Im Januar 1940 wird er zum Kriegsdienst bei der Luftwaffe eingezogen,

01:00:51: im Juni 1941 marschiert er mit der Wehrmacht in die Sowjetunion ein,

01:00:55: bis Dezember 1941 sind die Verbände des ersten Flakkorps, zu denen Ollig gehört,

01:01:00: an der Kesselschlacht bei Białystok und Minsk, der Kesselschlacht bei Smolensk,

01:01:05: der Schlacht um Kyjiw, der Doppelschlacht bei Wjasma und Brjansk

01:01:08: und schließlich an der Schlacht um Moskau beteiligt.

01:01:12: Im November 1941 erhält Josef Ollig das Eiserne Kreuz zweiter Klasse.

01:01:16: Einen Monat später wird er mit dem Sturmabzeichen aller Klassen

01:01:20: ausgezeichnet und zum Unteroffizier befördert.

01:01:23: Irgendwann im Laufe des Kriegsjahres 1941 wird er außerdem als Kriegsberichter in

01:01:29: die Propagandakompanie der Wehrmacht aufgenommen.

01:01:32: Kein anderes Land investiert so viel in psychologische Kriegsführung wie Hitler-

01:01:37: Deutschland. Bis 1942 wachsen die Propagandakompanien auf eine Stärke von

01:01:42: 15.000 Mann.

01:01:43: Bis Kriegsende entstehen rund 80.000 Wortberichte und 5 Millionen Meter

01:01:47: Filmaufnahmen für die Deutsche Wochenschau.

01:01:49: Hinzu kommen rund 3 Millionen Fotos. Die Kriegsberichter der

01:01:52: Propagandakompanien, kurz PK, begleiten die Wehrmacht nicht nur,

01:01:56: sie sind als Teil der Armee auch zu absolutem Gehorsam verpflichtet,

01:02:00: sie sind Soldaten. Journalist*innen außerhalb der PK haben

01:02:03: keinen Zugang zum Kriegsgeschehen.

01:02:05: Josef Ollig ist jetzt Fliegerschütze und Wortberichter.

01:02:08: Außerdem inszeniert er den Krieg gegen die Sowjetunion mit seinem Fotoapparat.

01:02:13: Alle Kriegsberichter werden in den Propagandaabteilungen in Potsdam für den

01:02:17: Fronteinsatz ausgebildet. Die Berichte, die sie abliefern,

01:02:20: werden vor Veröffentlichung genau geprüft und dann von Publikationen im ganzen

01:02:25: Reich weiterverarbeitet.

01:02:26: Olligs Kriegsberichte und Fotos erscheinen in

01:02:29: kleinen Regionalzeitungen, in großen Tageszeitungen und NS-

01:02:32: Propagandablättern wie dem "Völkischen Beobachter" und dem "Adler".

01:02:36: Das war die Propaganda- Illustrierte der Luftwaffe.

01:02:39: Während Wehrmacht, SS und deutsche Polizisten Millionen

01:02:42: Jüdinnen und Juden durch Kugeln ermorden, während der grausame Feldzug zur

01:02:46: Ausrottung der sowjetischen Bevölkerung über 14 Millionen zivile Opfer fordert,

01:02:51: zeichnen Josef Ollig und seine PK- Kollegen für die Heimatfront das Bild des

01:02:55: tapferen und ehrbaren, ewig siegreichen deutschen Soldaten. Zu

01:02:58: den größten Kriegsverbrechen der Wehrmacht gehört die Misshandlung von

01:03:02: sowjetischen Kriegsgefangenen. Historiker*innen haben ausgerechnet,

01:03:05: dass 3 bis 3,3 Millionen Menschen in den deutschen

01:03:08: Kriegsgefangenenlagern unter grausamen Bedingungen ums Leben kamen.

01:03:12: Dieser Umgang, der gegen das Kriegsrecht und jeden

01:03:14: Kriegsbrauch verstößt, wird durch rassistisch-ideologische

01:03:18: Narrative gerechtfertigt und unterfüttert.

01:03:21: Am 3. Oktober 1941 kurz nach der ersten

01:03:23: Schlacht um Kyjiw und dem Massaker von Babyn Jar erscheint im "Hamburger

01:03:28: Fremdenblatt" ein Artikel von Kriegsberichter Josef Ollig,

01:03:31: in dem er einen Zug sowjetischer Kriegsgefangener beschreibt.

01:03:35: "Das ist kein Zug von Menschen, sie gleichen Halbwilden,

01:03:39: die mit tierhafter Gleichgültigkeit ihr Schicksal tragen und tief versunken sind

01:03:44: im dunklen Abgrund einer Primitivität, die ob ihrer Armut an Geist und Gefühl

01:03:49: erschüttert.

01:03:50: Da ist niemand, der noch aufrecht geht wie ein Mann.

01:03:54: Niemand, in dessen Gesicht etwas geschrieben

01:03:56: stünde vom Erleben dieser Stunde, und sei es auch nur ein Schimmer von

01:04:01: Freude darüber, dass dieses nackte Leben gerettet worden

01:04:04: ist. Nichts von dem, ein trauriger Zug und eine

01:04:07: vernichtende Anklage gegen diejenigen, die sich zu rühmen wagten,

01:04:11: diesen Menschen ein Paradies gebracht zu haben.

01:04:14: Sie haben Sie in Elend und Dumpfheit versinken lassen.

01:04:17: Der Zug dieser 3.000 ist eine einzige Anklage gegen sie."

01:04:21: Abgesehen von der entmenschlichenden Sprache ist hier auch die Schuldumkehr

01:04:25: bemerkenswert. Verantwortlich für das Elend der sowjetischen Gefangenen ist

01:04:30: nicht etwa der deutsche Vernichtungsfeldzug,

01:04:32: sondern die sowjetische Führung. Die Angst vor dem Bolschewismus zu

01:04:36: schüren, ist ein Kernziel der NS-Propaganda,

01:04:39: das Wort wird zum Inbegriff von Mord und Vergewaltigung, Verbrechen,

01:04:43: Elend und Hunger.

01:04:45: Die Deutschen sollen wissen und fürchten, was sie bei einer Kriegsniederlage

01:04:50: angeblich zu erwarten haben. Die Propaganda-Durchhalteparole lautet

01:04:54: "Sieg oder Bolschewismus". Ollig beschreibt im selben Artikel ausführlich die Armut

01:04:59: und das Elend der sowjetischen Bauern, um anschließend festzustellen,

01:05:03: "man spürt eine große Sehnsucht nach der Sauberkeit und Frische,

01:05:07: nach der Buntheit und Fröhlichkeit, die über deutschen Dörfern strahlt,

01:05:12: wenn man die Orte durchfährt.

01:05:15: Hinter den verfallenen Holzgittern seiner Hütten steht der Bauer und beobachtet den

01:05:19: Durchmarsch der deutschen Truppen. Er bestaunt ihr Material und bewundert

01:05:24: ihre Disziplin, er wundert sich darüber, dass diese Soldaten,

01:05:27: an die er sich nun schon gewöhnt hat, ihn weder misshandeln noch nach seinem

01:05:31: Leben trachten. Und während er sich dessen bewusst wird,

01:05:35: mag wohl die Ahnung in ihm dämmern, dass er nach diesem Ringen mit den seinen

01:05:39: vor neuen Lebensufern stehen wird."

01:05:43: Lebensufer, Lebensschiffe, das ist so eine Spezialität von Josef

01:05:47: Ollig, so maritime Metaphern auf das Leben

01:05:49: übrigens. Diese Ausführungen sind unfassbar zynisch,

01:05:52: wenn man sich vor Augen führt, dass Hitlers Krieg gegen die Sowjetunion

01:05:56: ein rassistisch und ideologisch motivierter Vernichtungskrieg gegen die

01:06:00: Bevölkerung war. Die wirtschaftliche Ausplünderung der

01:06:03: besetzten Gebiete war von Anfang an Teil der Kriegsplanung,

01:06:07: der daraus resultierende Hungertod von Millionen von Menschen war bewusst

01:06:11: einkalkuliert.

01:06:12: Darüber hinaus waren sowjetische Zivilist*innen nicht nur durch den

01:06:16: Hungertod bedroht, sie wurden auch als Zwangsarbeiter*innen

01:06:19: deportiert. Josef Olligs Spezialität als

01:06:22: Kriegsberichter sind Heldengeschichten, er schreibt über den ruhmbedeckten Weg

01:06:26: und die beispiellose Leistung der "Legion Condor",

01:06:29: die schon für Franco in Spanien kämpfen durfte. Er erzählt von "ganzen Männern,

01:06:33: von mutigen Flakkanonieren, von draufgängerischen und kaltblütigen

01:06:37: Schlachtfliegern".

01:06:38: In Josef Olligs Kriegsberichten fliegen letztere noch 1945 über "deutsche Städte

01:06:44: und Dörfer, verstümmelt durch den Terror eines

01:06:47: unmenschlichen Feindes, während am Boden deutsche Arbeiter Tag

01:06:51: und Nacht Waffen für den totalen Krieg schmieden".

01:06:54: Sein größtes und vielleicht meistveröffentlichtes Heldenepos,

01:06:59: schreibt Ollig 1944 über die "einzigartigen soldatischen Leistungen" von

01:07:03: Major Hans-Ulrich Rudel.

01:07:05: Dieser Artikel wird unter anderem im "Völkischen Beobachter" veröffentlicht.

01:07:10: Der taucht ja auch viel später noch mal auf und tatsächlich

01:07:14: im Fußballkontext, der Herr Rudel, weil er ja offensichtlich in irgendeiner

01:07:19: Form sich nach Südamerika abgesetzt hat nach dem Kriege und dort 1978 während der

01:07:25: WM in Argentinien im deutschen Lager,

01:07:29: im wahrsten Sinne, auftaucht und da durchaus freundlich empfangen wird von

01:07:33: der DFB-Spitze. Man könnte auch Ehrengast des DFB sagen.

01:07:36: Das ist durchaus das passende Wort. Ja das stimmt. Ja, das ist richtig,

01:07:40: der ist unter anderem glaube ich deshalb nach Südamerika gegangen,

01:07:44: um da so ein Fluchthilfenetzwerk für NS- Kriegsverbrecher aufzubauen.

01:07:48: Seine Vorgesetzten beim Oberkommando der Wehrmacht sind mit Olligs Arbeit als

01:07:53: Kriegsberichter hochzufrieden.

01:07:55: Im Frühjahr 1944 heißt es in einem Dokument des

01:07:59: Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda,

01:08:03: Zitat: "Der Fachprüfer Wort beurteilt Ollig sehr gut,

01:08:07: dem für seine Leistungen das RK 1 und 2," also das Ritterkreuz,

01:08:11: "die Frontfliegerspange für Kampfflieger in Bronze und das Panzersturmabzeichen

01:08:17: verliehen wurde."

01:08:19: In den letzten Wochen vor der Kapitulation der Wehrmacht ist Josef Ollig,

01:08:24: mittlerweile Leutnant der Luftwaffe, an der Westfront stationiert.

01:08:29: Dort fliegt er höchstpersönlich noch die letzten StuKa-Einsätze gegen den

01:08:34: Remagener Brückenkopf, so behauptet es zumindest Jahre später

01:08:38: der Journalist Günter Sawatzki. StuKa ist kurz für Sturzkampfbomber

01:08:43: übrigens und der Remagener Brückenkopf,

01:08:46: da geht es um die Ludendorff-Brücke. Die wurde im März 1945 von der US-Armee

01:08:52: erobert, was dann der Armee es ermöglicht hat,

01:08:55: den Rhein zu überqueren und die Wehrmacht hat dann nach der Eroberung durch die US-

01:09:01: Armee noch relativ verzweifelt versucht die Brücke zu zerstören,

01:09:05: um den Vormarsch der Alliierten noch aufzuhalten.

01:09:09: Bei Kriegsende kommt Ollig in ein Offizierslager in Hamburg-Rotherbaum.

01:09:15: Aber schon im ersten Nachkriegswinter ist er bereits oder

01:09:19: zumindest bereits zeitweise wieder auf freiem Fuß. Und er ist auf Jobsuche.

01:09:24: Mit 39 Jahren kann und will er sich schließlich noch nicht zur Ruhe setzen

01:09:30: und wie er dann seinen ersten Nachkriegsjob bekommen hat,

01:09:33: das werde ich jetzt in Olligs eigenen Worten vorlesen,

01:09:38: das hat er nämlich beschrieben, in einem unveröffentlichten Manuskript

01:09:43: zur Gründungszeit

01:09:44: der Zeitung "Die Welt" von 1961. "Meine erste Berührung mit der "Welt" geschah über

01:09:49: Oberst Garland, der am Gänsemarkt im Gebäude des früheren

01:09:53: "Hamburger Anzeigers" residierte. Ich besuchte ihn, damals noch

01:09:57: Kriegsgefangener und im Offizierslager an der Rothenbaumchaussee untergebracht,

01:10:02: in seinem Büro und legte ihm als Stilproben meine Kriegsberichte vor.

01:10:07: Er fischte einen Beleg der "Frankfurter Zeitung" mit einem Kampfbericht aus

01:10:11: Stalingrad heraus, las ihn kurz an und sagte,

01:10:14: kommen sie in drei Wochen wieder. Nach drei Wochen gab Oberst Garland mir die

01:10:17: Belege zurück. Ich marschierte täglich zum Gänsemarkt,

01:10:20: im Lager gab man mir großzügig Urlaub und dann wurde ich nach kurzer Zeit vor die

01:10:25: Frage gestellt, wollen sie eine Lizenz für eine

01:10:27: parteilich gebundene Zeitung christlicher Richtung oder wollen sie Ressortchef an

01:10:32: einer großen überparteilichen Zeitung werden?

01:10:35: Ich hatte den Geruch von Druckerschwärze schon in der Nase.

01:10:39: Dann Ressortchef in einer großen überparteilichen Zeitung sagte ich,

01:10:44: ohne lange zu überlegen. Der Oberst nahm einen winzigen Zettel und

01:10:48: schrieb "is engaged for 1.000". Mein Ressort sollte das Vermischte sein,

01:10:53: ich war glaube ich der erste, der eingestellt wurde."

01:10:57: Das ging ja einfach. Eigentlich hieß es nach dem Krieg

01:11:00: zunächst,

01:11:02: wer der Nazi-Propaganda gedient hat,

01:11:05: darf im Nachkriegsjournalismus keine Rolle spielen.

01:11:08: Nur mit einer Lizenz der Siegermächte durfte journalistisch gearbeitet werden,

01:11:12: aber wie das Beispiel Josef Ollig zeigt, wurde dieser Vorsatz in der Realität kaum

01:11:17: umgesetzt. Der für Hamburg verantwortliche britische

01:11:20: Pressechef Garland beschreibt die Problematik der damaligen Zeit wie folgt:

01:11:24: "Die meisten derjenigen, die lebendige Zeitungserfahrung hatten,

01:11:28: waren politisch vorbelastet.

01:11:29: Umgekehrt hatten diejenigen, deren politische Vergangenheit

01:11:32: unanfechtbar schienen, den Kontakt verloren und nicht vielen,

01:11:35: die den Kontakt verloren hatten, gelingt ein erfolgreiches Comeback im

01:11:39: starken Wettbewerb der Zeitungswelt. Darüber hinaus war die Situation durch

01:11:43: die harten Lebensbedingungen jederzeit heillos verwirrt,

01:11:46: was sowohl die Unqualifizierten als auch die Qualifizierten dazu führte,

01:11:49: alles zu versuchen, um einen Posten bei der Besatzungsbehörde

01:11:53: zu erhalten.

01:11:54: Gleichzeitig führten Untergrundrivalitäten und berufliche

01:11:57: sowie persönliche Eifersucht zu einer Welle von Denunziationen."

01:12:02: Gesunde Rivalität offensichtlich. Oder in anderen Worten, unbelastete

01:12:06: Qualitätsjournalisten waren im Deutschland der Nachkriegszeit schwer zu

01:12:11: finden. Von 127 "Welt"-Journalist*innen kamen am Ende

01:12:14: 40% aus Redaktionen der NS-Presse.

01:12:17: Weitere 6% hatten den Status eines NS- Autors,

01:12:21: Jeder Achte war NSDAP-Mitglied gewesen. So standen 46% der ersten "Welt"-Redaktion

01:12:26: für die Kontinuität zum NS-Staat. Verfolgte des NS-Regimes und

01:12:31: Remigrant*innen bildeten eine absolute Minderheit.

01:12:34: Fast alle verantwortlichen Ressortchefs, unter ihnen Josef Ollig,

01:12:39: hatten zwischen 193 und 1945 der NS- Propaganda gedient.

01:12:43: Josef Ollig bleibt zunächst einige Zeit bei der "Welt" und übernimmt dort im

01:12:48: September 1948 die Leitung des Hamburger Tagesberichtes mit Lokalnachrichten und

01:12:52: Anzeigen. In den 50er-Jahren wechselt er zum "Hamburger Abendblatt",

01:12:56: wo er ebenfalls den Lokalteil übernimmt und bis zum stellvertretenden

01:13:00: Chefredakteur aufsteigt. Ab 1970 verantwortet er zudem die Hamburg-

01:13:04: Buchreihe und die Hamburgensien-Mappen, letztere in Zusammenarbeit mit dem Museum

01:13:09: für Hamburgische Geschichte.

01:13:11: Nebenbei schreibt er Liedtexte, besonders gern für lokalpatriotische

01:13:15: Seemannsschlager wie "Das Herz von St. Pauli".

01:13:18: Wenn man heute den Namen Josef Ollig googelt,

01:13:20: findet man ihn hauptsächlich als Herausgeber von Büchern wie "Unter dem

01:13:25: Himmel von Hamburg, die Stadt aus der Luft", "So schön ist

01:13:28: Hamburg", "So schön ist Hamburg 2. Band, die grüne Stadt, Landschaft,

01:13:32: Parks und Tierwelt", "Norderstedt, die junge Stadt".

01:13:36: "Hamburg '79, Portrait einer Weltstadt mit Sonderteil HSV nach 19 Jahren wieder

01:13:40: Meister" und "HSV 1979, der Weg zur Meisterschaft".

01:13:44: Wobei "Hamburg '79" ist tatsächlich aus dieser Reihe, dieser Hamburg-Reihe,

01:13:48: die Du eben schon genannt hast. Da gab es ab ich glaub wirklich 1970

01:13:52: jedes Jahr so einen Jahresband, so mit allen Ereignissen der

01:13:57: Stadtgeschichte. Die habe ich irgendwie auch alle zu Hause

01:14:00: rumliegen tatsächlich. Hast du das geholt wegen HSV?

01:14:03: Nee, wegen Josef Ollig. Ah ja.

01:14:06: Der verstirbt am 27. Juli 1982 mit 76 Jahren in Hamburg.

01:14:10: Josef Ollig ist nur einer von vielen ehemaligen NS-Propagandisten,

01:14:14: die ihre Karriere in der Nachkriegszeit fortsetzen.

01:14:18: Die Redaktion der "Welt" ist in dieser Hinsicht nicht die Ausnahme,

01:14:23: sondern eher die Regel. Eine Biografie, die einige Ähnlichkeiten zu der von Josef

01:14:29: Ollig aufweist, ist zum Beispiel die von "Stern"-Gründer

01:14:33: Henri Nannen.

01:14:35: Auch der war lange Zeit in der Propagandakompanie der Luftwaffe aktiv

01:14:39: und auch er war an der Ostfront stationiert.

01:14:41: Viele seiner Stationen sind identisch mit denen von Josef Ollig,

01:14:45: Henri Nannens Briefe von der Front belegen eindeutig,

01:14:48: dass er von Kriegsverbrechen durch die Wehrmacht und von Massakern an der

01:14:52: jüdischen Bevölkerung wusste. Seine NS-Vergangenheit und die Frage nach

01:14:56: Schuld und Täterschaft führen Zeit seines Lebens immer wieder zu Kontroversen und

01:15:00: zu kritischen Debatten.

01:15:03: 1979 bekennt er in einem Leitartikel, "Wir hätten es wissen müssen,

01:15:07: wenn wir es nur hätten wissen wollen. Ich jedenfalls habe gewusst,

01:15:11: dass im Namen Deutschlands wehrlose Menschen vernichtet wurden,

01:15:15: wie man Ungeziefer vernichtet und ohne Scham habe ich die Uniform eines

01:15:20: Offiziers der deutschen Luftwaffe getragen. Ja, ich wusste es,

01:15:24: und ich war zu feige, mich dagegen aufzulehnen."

01:15:30: Ich hab sowohl für Michael Jary als auch für Josef Ollig im Bundesarchiv angefragt,

01:15:35: ob Hinweise auf eine NSDAP-Mitgliedschaft bestehen.

01:15:38: Für keinen der beiden gibt es einen Eintrag in der Mitgliederkartei.

01:15:42: Das heißt nicht, dass sie nie Anwärter oder Mitglied waren,

01:15:45: das heißt erst mal nur, dass es keine Karteikarte mehr gibt.

01:15:49: Ich habe allerdings auch in den Unterlagen der Reichskulturkammer und in

01:15:53: Olligs Militärakte keinen Hinweis auf eine Parteimitgliedschaft gefunden.

01:15:58: Und da sind natürlich auch so Beurteilungen drin und

01:16:01: Beförderungsvorschläge wo das, nehme ich an,

01:16:04: schon vermutlich, basierend auf meinen Erfahrungen, vermutlich erwähnt worden

01:16:09: wäre, wenn es so gewesen wäre, aber das ist jetzt nur eine vorsichtige

01:16:14: Einschätzung letztendlich, zu 100% sagen kann man es

01:16:17: nie.

01:16:18: Darüber hinaus hab ich fast jeden Kriegsbericht von Josef Ollig gelesen,

01:16:22: den ich in den Archiven finden konnte. Aber auch da ist es so,

01:16:25: dass ich bei der Fülle von Material im Prinzip erst am Anfang von dieser

01:16:29: Recherche stehe. Zum Beispiel also für

01:16:32: die Zeit, wo er Redakteur bei den "Hamburger

01:16:34: Nachrichten" war, das ja wirklich ne sehr rechte Zeitung

01:16:38: war, kann ich aber gar nicht nachvollziehen,

01:16:40: welche Artikel von ihm stammen, weil die meistens nicht mit

01:16:44: Namen versehen sind, deswegen ist es ein bisschen schwierig.

01:16:47: Man kann eigentlich nur davon ausgehen, dass er sich mehr oder weniger bewusst

01:16:52: dafür entschieden haben muss, für dieses Blatt zu schreiben.

01:16:56: Und hat er ja auch relativ lange gemacht, also mindestens vier Jahre. Unabhängig davon,

01:17:01: ob sie die nationalsozialistische Ideologie vollständig geteilt haben oder

01:17:05: auch nicht, waren Kriegsberichter wie Ollig natürlich

01:17:08: Vorschubleister und Stützen des Systems. Josef Olligs Biografie wirft,

01:17:13: wie so viele andere Biografien, deutsche Biografien,

01:17:16: die Frage nach Schuld, nach Täterschaft, nach Verantwortung und natürlich auch

01:17:20: nach Konsequenzen auf und außerdem, und für uns als Fanszene besonders relevant,

01:17:25: natürlich auch die Frage nach Trennbarkeit von Autor und Werk.

01:17:28: Ich habe da auch keine eindeutige Antwort, ich weiß nur,

01:17:32: dass ich bei meinem letzten Stadionbesuch wirklich einen inneren Widerstand

01:17:36: gefühlt habe, als es um dieses Lied ging, und es mir wirklich schwer

01:17:42: von den Lippen ging, weil ich es einfach anders lese,

01:17:46: jetzt wo ich weiß, was er sonst noch geschrieben hat.

01:17:50: Ich mein der Text selber ist natürlich schlagermäßig schwülstig zum

01:17:55: Teil, aber er ist natürlich jetzt nicht in

01:17:58: irgendeiner Form verdächtig, würde ich das mal nennen, aber ja.

01:18:02: Letztendlich geht das natürlich in diese Reihe seiner wie du schon sagst

01:18:08: so maritimen Beschreibungen, also Lebensufer, Lebensschiff,

01:18:12: das ist natürlich ein wiederkehrendes Muster und natürlich parallel dazu auch

01:18:17: diese Hamburgensien-Reihe. Also es passt natürlich in seine

01:18:21: Biografie rein, das heißt, es ist natürlich kein von ihm

01:18:25: entkoppeltes Werk, sondern schon etwas, was in einer Reihe seiner Arbeiten dann

01:18:31: seiner Arbeit eben nahe kommt, eben durch diese

01:18:35: Metaphern und durch eben seine Hamburg- Begeisterung oder die Schönheit,

01:18:39: die er für die Stadt Hamburg empfunden hat. Von daher kann man ihm, glaube ich,

01:18:44: davon jetzt gar nicht komplett entkoppeln, ist natürlich aber andererseits auch ein

01:18:48: Lied in einer Art von Texterei, die sehr zeitlos ist,

01:18:51: weil zum Beispiel auch irgendwie "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" eben auch

01:18:56: hätte ich zum Beispiel fast getippt, wäre wahrscheinlich im gleichen Jahr

01:19:00: geschrieben worden, weil das so sehr ähnliche

01:19:04: Konnotierung hat und natürlich so Lieder über St. Pauli,

01:19:08: den Hafen und die Reeperbahn alle sehr ähnlich sind, also über die Jahrzehnte.

01:19:15: Wir haben das Stadion umbenannt, als wir festgestellt haben, dass der Mann,

01:19:21: nachdem es benannt war, in der NSDAP war. Die Frage, ist natürlich immer,

01:19:28: wie man damit umgeht.

01:19:32: In diesem Fall mit der Erkenntnis, dass der Mann,

01:19:35: der den Text geschrieben hat, um es in Lars' Worten zu sagen,

01:19:39: übelst Nazi-Propaganda gebuckelt hat. Mich würde auch total interessieren,

01:19:43: was unsere Hörer*innen zu dem Thema denken, also wirklich, das ist jetzt nicht so

01:19:49: gesagt, sondern es interessiert uns wirklich

01:19:52: total. Schreibt uns gerne E-Mails, kommentiert auf Social Media,

01:19:56: kontaktiert uns.

01:19:58: Teilt uns gerne mit, was Ihr darüber denkt.

01:20:02: Über die Geschichte rund um "Das Herz von St. Pauli".

01:20:07: Und wenn Ihr weitere Themenvorschläge habt,

01:20:10: wie unser Hörer Pascal das halt getan hat, jetzt zu dem Thema Hafen und Ihr merkt,

01:20:17: was dabei rauskommen kann, dann schickt uns gern weitere

01:20:22: Themenvorschläge und wir schauen wie wir

01:20:26: uns dazu ein paar Geschichten zusammen recherchieren. Wir bemühen uns,

01:20:30: wieder regelmäßiger aufzuzeichnen und vielleicht auch wieder ein bisschen mehr

01:20:35: über Fußball zu sprechen. Fußball, überbewertet. Wir sind doch nicht

01:20:39: beim FC St. Pauli wegen Fußball. Ist auch wieder richtig.

01:20:44: Ja, aber vielen Dank für die Geschichten. Also an uns Drei.

01:20:48: Stellvertretend von mir aus an uns Drei gesagt.

01:20:50: Danke von mir an mich. Genau und ja, ich hoffe,

01:20:53: dass euch die Folge gefallen hat, ist ein bisschen länger geworden,

01:20:58: macht aber glaube ich nichts, denn Inhalt schlägt Rhetorik,

01:21:02: wollte ich gerade sagen, wie war das in meiner Geschichte? Nee,

01:21:06: sondern der Inhalt ist ein sehr wichtiger gewesen.

01:21:09: Und uns liegt es auch am Herzen. Also meldet Euch gerne bei uns,

01:21:14: wenn Ihr dazu auch was sagen wollt und ansonsten bleibt mir nichts weiter zu

01:21:21: sagen, außer vielen Dank und bis zum nächsten

01:21:24: Mal. Auf Wiedersehen, Tschüss.

01:21:30:

Kommentare (4)

Frank

Vielen Dank für die Aufarbeitung und die enorme Mühe die im Hintergrund dieser Folge zum Thema „Herz von St.Pauli“ geleistet wurde. Ich schreibe diesen Kommentar nach dem ersten Heimspiel an dem dieses Lied nicht gespielt bzw. ausgesetzt wurde. Die Diskussion ist im vollen Gang „.. Ja, Nein, vielleicht ..“ aber welche konkrete Frage soll denn diskutiert werden? Zu welcher Frage möchtet ihr vom Podcast-Team Meinungen? Nach meiner Ansicht sind es viele Fragen die zur Disposition stehen und das macht es keinesfalls einfacher … meine Fragen die mir so in den Sinn kommen(ohne Wertung der Reihenfolge): Ist eine Verbannung des Liedes aus dem Stadion die passende Reaktion? Wird mit dem Text dem Autor gedacht bzw. an ihn direkt erinnert? Ist eine Trennung zwischen Autor und Werk und damit eine alternative, emotionale Assoziation möglich? Welche weitreichenderen Folgen hat eine Entscheidung über die Verwendung, wenn wir es als „Spitze des Eisbergs“ betrachten? Welche Dinge, Aussagen, Lieder, Texte müssten wir bei der aktuellen Nutzung im Stadion ebenfalls hinterfragen? „… an die waffen …“ Ich glaube das die Diskussion derzeit so hochkocht, weil sie noch nicht gerichtet genug ist und weil unklar ist um welche Kernpunkte es geht und welche Optionen zur Verfügung stehen. Daher ist „Zeit zur Klärung“ sicherlich der passende Weg.

Petra

Liebe Celina, Respekt für Deine sorgsamen Recherchen zum "Herz von St.Pauli". Ich hatte zuerst in den Sozialen Medien die Diskussion verfolgt und war erst mal so unglaublich wütend: Warum wird unsere wunderbare Gänsehaut-Hymne zerstört? - Das geht zu weit. - Scheiß Cancel Culture. - Laßt doch mal die Kirche im Dorf usw. Ich liebe den Text: "Die Sehnsucht, die Freiheit - das liegt uns so im Blut" Das trifft es einfach. Aber: Eben hab ich den Podcast gehört und muß die historische Einordnung, die Du so gründlich dargestellt hast, schweren Herzens wohl akzeptieren. Hans Albers spielt finde ich eigentlich als simpler Schlagersänger ja keine Rolle (interessanter Hinweis von Dir, dass er weder am Text noch an der Melodie beteiligt war). Aber der Texter Ollig war offenbar nicht nur irgendein Wehrmachtsoffizier, der wie alle anderen unfreiwillig eingezogen wurde. Wo er stationiert war, konnte er sich nicht aussuchen. Das kann man heute nicht kritisieren. Aber seine von Dir zitierten Propaganda-Texte sind menschenverachtend und waren es auch damals. Das geht weit über das unfreiwillige Mitschwimmen im Strom hinaus. Wie Du sagst: Kann ich das Lied jetzt mit diesem Wissen noch voller Inbrunst singen? Natürlich nicht. Die Wahrheit tut so weh... aber ignorieren kann man sie nicht. Ich hoffe, dass viele Menschen Deine Recherche hören und dass es dem FC gelingt, eine noch schönere Hymne zu finden. Forza FCSP

Benny

Fakt ist, wenn nicht mehr ALLE das Lied mit Überzeugung mitsingen taugt es nicht mehr als "Stadionhymne" vor jedem Heimspiel. Lasst uns also überlegen welches Lied wir anstatt dessen nehmen. Es gibt zwar eine Menge Lieder über den Stadtteil und den FC St. Pauli, aber meiner Meinung nach wäre keines dieser Lieder gleichwertig oder besser als "Das Herz von St. Pauli" zum Mitsingen und Einheizen vor dem Spiel. Deshalb ist mein Vorschlag: Wir fordern alle Bands mit St. Pauli Bezug auf, ein neues Lied für genau diesen Zweck zu schreiben. Vor der neuen Saison werden diese dann den Fans präsentiert und es wird abgestimmt, welches vor den Heimspielen gespielt wird. Ob es sich dann als Hymne zum Mitsingen entwickelt müssen wir schauen. Bis dahin können verschiedene Lieder gespielt und ausprobiert werden. Ein bisschen Abwechslung in dieser Hinsicht ist vielleicht auch gar nicht schlecht. "Das Herz von St. Pauli" ist deshalb nicht verboten, aber nicht mehr so dominant.

Rüdiger Jung

Moin, das ist eine tolle Podcastausgabe, die ich mit Interesse gerne gehört habe❤️ Anlass zum Hören war die Diskussion zum Fanlied „Das Herz von St.Pauli“, das wir immer mit so viel Hingabe im Stadion singen, da ich im Museum zu hören bekam, dass darüber die Diskussion entstand, ob es weiter zur Fankultur gehören darf. Der Grund: Als erklärte Antifaschisten, zu denen ich mich gerne zugehörig sehe, wie sie auch die diesbezügliche politische Ausrichtung des Vereins zum Ausdruck bringt, die ich auch gerne teile, kann nicht weiter ein Lied singen, dessen Autorenschaft bei Menschen liegt, die das Zaziregime aktiv unterstütz haben, in dem Fall als Teil der Propagandamaschinerie. Ich kann Celina gut verstehen, dass ihr dabei, nach ihrer Recherche, die Inbrunst abhanden gekommen ist, die es braucht, darüber in die tausendfache Stimmung/Stimmen der FCSP Fangemeinschaft einzusteigen. Das ist Emotion, das ist auch bei mir immer ein heftiger Triggerpunkt, wenn es um die Nazivergangenheit geht und die millionenfache gescheiterte Aufarbeitung. Das ist jetzt kein Widerspruch zur Erinnerungskultur, die in Deutschland (noch) Viel geleistet hat, auch wie für die Zeit nach 45 (siehe aktuelle Sonderausstellung im Museum). Was also kann uns helfen, hier eine Entscheidung zu finden? Der Libretist war ein Unterstützer des Naziregimes. Er war nach 45 weiter, auch leitend in der Publizistik tätig, weil er als unbelastet eingestuft wurde (so weit zur gescheiterten Entnazifizierung im Nachkriegsdeutschland). Wir müssten also das „Verfahren“ wieder aufnehmen, wie es durch die Recherche von Celina ja schon angestoßen wurde (ist sehr zeitaufwändig). Die für mich dabei entscheidende Frage ist, da der Text nach 45 entstanden ist, wie ist der Schreiber mit seiner Vergangenheit umgegangen. Hat er sich erklärt, seine Teilhabe eingestanden, gibt es Schuldeingeständnisse, Reue und den ernsthaften Versuch von Wiedergutmachung ( was ich mich hier angesichts der Monstrosität der Naziverbrechen kaum anzuführen getraue). Wenn das alles nicht gegeben ist, dann haben wir keinen Grund über die Verstrickungen des Autors In das Naziregime hinwegzusehen. Bleibt die Frage von Trennung von Werk und Autorenschaft, was ja in vielen Fällen gerne gemacht wird, um Kunst und Kultur, die wir so gerne hören, lesen und ansehen nicht auf die Müllkippe zu werfen. Wo ich dann zur Frage komme, ob das Lied das für sich begründen kann, nicht auf der Müllhalde zu landen. Aber dazu wäre eine „neue Geschichte“ notwendig, oder wie der heutige Sprachgebrauch ausdrücken würde, ein neues Narativ, ein neues Framing. Denn die Recherche steht im Raum und sie hat einen Stellenwert, der viele Fans m.E. triggert, die wie ich null Sympathie für Zazis haben. Und dann ist eine Fanhymne kaum mit Inbrunst zu singen. Forza FCSP

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