#2 Skandal am Millerntor

Shownotes

Windige Waffenhändler, unsittliche Fußlümmel und die Hölle von Chiclana – in dieser Folge wird es skandalös! Celina, Christoph, Christopher und Thomas wühlen in der schmutzigen Wäsche des FC St. Pauli.

Christopher erklärt, wie ein KICKER-Sonderheft ihn im Sommer 2002 auf die Spur eines politisch aufgeladenen Transferskandals führte. Celina unternimmt eine Reise in die anarchische Frühzeit des Hamburger Fußballs und beweist, dass "Cancel Culture" auch ohne Social Media (nicht) funktioniert. Christoph schildert ein Trainingslager-Drama in fünf Akten und erzählt, wie der Reisebericht eines mitgereisten Fans den Verein in seinen Grundfesten erschütterte.

Quellen für Christophers Story:

“Die Untoten vom Millerntor: Der Selbstmord des FC St. Pauli und dessen lebendige Fans”, Christoph Ruf, 3. Edition, 2004, Papyrossa Verlag

https://www.abendblatt.de/brazil/article109095120/Ein-Waffenhaendler-am-Tisch.html

https://www.tagesspiegel.de/sport/skandal-am-spielfeldrand-940360.html

https://11freunde.de/artikel/geldfluss-versiegt-in-monaco/369416

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/moellemann-schwarzgeldkonten-und-briefkastenfirmen-a-294508.html

https://www.deutschlandfunk.de/des-widerspenstigen-zaehmung-100.html

https://www.abendblatt.de/brazil/article108995623/Aufsichtsrat-fordert-Aufklaerung.html

Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), NEUSTART KULTUR, der Kulturstiftung der Länder und KULTUR.GEMEINSCHAFTEN – dem Förderprogramm für digitale Content Produktion in Kultureinrichtungen.

Transkript anzeigen

00:00:00:

00:00:08:

00:00:24: Moin, herzlich willkommen zur zweiten Folge von FCSP Geschichte(n), das n in Klammern, der offizielle Podcast

00:00:30: des FC St. Pauli-Museums. Ich heiße Celina und ich sitze hier im wunderschönen FC St. Pauli-Museum in

00:00:36: der Gegengerade des wunderschönen Millerntor-Stadions mit meinen Kollegen Christopher, Christoph und Thomas. Moin. Hallo. Hallo.

00:00:45: Euch geht's bestimmt gut, wir haben zwei, drei Siege

00:00:51: im Rücken, eine Serie, die es wie lange nicht gab, Thomas? Das

00:00:58: müsste ich jetzt beim 'MillernTon' nachgucken, die hatten das letztens gerade recherchiert, aber schon eine Ecke auf jeden Fall her. Man

00:01:04: hörte, Hürzeler ist auf Helmut Schultes Spuren. Das ist auf jeden Fall richtig, der erste Trainer, der seine ersten drei Spiele gewinnt seit

00:01:10: Helmut Schulte, genau, das stimmt. Genau, dementsprechend geht's uns allen gut und ja,

00:01:17: wir haben uns überlegt, dass wir am Anfang jeder Podcast-Folge einmal ein bisschen erzählen, was es bei uns im FC St. Pauli-Museum so

00:01:23: Neues gibt. Wenn Ihr diese Folge jetzt also 2026 hört, könnt Ihr die nächsten Minuten überspringen. Aber

00:01:29: für alle, die das hier eher aktuell verfolgen, kommen jetzt einmal ein paar Museums-News. Christoph, möchtest Du uns einmal erzählen, was bei

00:01:36: uns so geht? Ja eine sehr schöne Geschichte war ja z.B. auch als Stop-Motion Zeitraffer-Video bei

00:01:42: uns zu sehen, z.B. auf Insta oder Facebook. Unsere historische Anzeigetafel bekommt die erste

00:01:49: turnusmäßige Überholung, das ist so Abteilung 'Kinder wie die Zeit vergeht'. Als wir das Ding wieder aufgebaut haben, dachte man ja irgendwie

00:01:55: in Jahren, das ist ja noch lange hin, da wussten wir natürlich auch: Freilichtmuseum

00:02:01: quasi am Millerntor im Hamburger Wetter, wenn du da irgendwelche Teile hast mit Holz muss man natürlich ein bisschen was auch austauschen regelmäßig,

00:02:08: war uns klar, jetzt ist es dann so weit. Das heißt also, das gute Stück bekommt, der historische Oberbau wird

00:02:14: natürlich erhalten, der muss jetzt aber abgenommen werden und der Unterbau, den wir rekonstruiert hatten, der wird jetzt also einmal wieder aufgefrischt,

00:02:20: damit sie dann also wieder einige Jahre lang wunderschön dasteht, bis dann wieder eine kleine Frischzellenkur

00:02:26: erfolgen muss. Neu bei uns auch das Millerntour-Mittwochs-Ticket, am Millerntour-

00:02:32: Mittwoch könnt Ihr Stadionführungen jetzt ab sofort für die Hälfte des Preises erleben, für 8 €. Buchung

00:02:39: wie gewohnt über millerntour.com und dann einfach Mittwoch auswählen und das Mittwochs-Ticket auswählen und

00:02:45: zwei tolle Veranstaltungen haben wir noch. Am 24.02. lädt die Braun-Weiße Hilfe zu uns ins FC St.

00:02:51: Pauli-Museum ein zu einem Vortrag über Rostock-Lichtenhagen, die Pogrome in Rostock-Lichtenhagen. Und

00:02:58: am 8. März am internationalen feministischen Kampftag, das können wir auch schon verraten, werden wir

00:03:04: eine tolle Veranstaltung haben mit Antje Grabenhorst, die einen Vortrag hält zu sexualisierter Gewalt in Fußball-

00:03:10: Kontexten. Da würden wir uns auch freuen, wenn Ihr alle vorbeikommt. Ja, das klingt sehr vielversprechend. Kommst Du?

00:03:17: Ich bin dabei. Super. Und wie immer gilt natürlich auch, wenn Ihr uns unterstützen möchtet. Man

00:03:24: kann auch Mitglied werden beim Museum und Ihr findet auf unserer Internetseite auch viele Möglichkeiten, wie man das Museum unterstützen kann mit seinen diversen

00:03:30: Aktivitäten. Richtig. Und die letzten drei Siege zu Null gab es im Frühjahr 2010, um

00:03:37: das noch mal zu vervollständigen. Genau, so viel aus der Faktencheck- und Schiedsrichter-Ecke. Wer Folge 1 noch nicht gehört hat, wir

00:03:43: sind ja als Podcast nicht etwa im luftleeren Raum unterwegs, sondern wir sind hier fachlich sehr solide. Das

00:03:49: heißt also, drei Personen erzählen den allergrößten Quatsch und Thomas deckt das dann auf. So läuft es schlimmstenfalls, natürlich

00:03:55: versuchen wir unsere Recherchen auch genau zu machen, Celina, Christopher und ich. Aber das ist halt so die besondere Struktur des

00:04:02: Ganzen, also einmal ganz kurz im Zeitraffer verraten. Die anderen kennen es ja schon. Ja, in der heutigen Folge behandeln

00:04:08: wir das Thema 'Skandale am Millerntor'. Ganz genau, wir haben uns angeguckt, wie schaffen wir es, dass wir endlich auf eine Million pro

00:04:16: Folge kommen, die sich das anhören und deswegen wird es mal Zeit. Absolut. Wir müssen also ganz tief

00:04:23: in die Kiste greifen, wo der FC St. Pauli seine schmutzige Wäsche wäscht. Wo der FC St. Pauli auch

00:04:29: am stärksten ist, muss man sagen. Allerdings, die Wäscherei St. Pauli ist eigentlich beinahe noch größer als die Fußballabteilung.

00:04:35: Das muss mit diesen T-Shirts zusammenhängen, die den Verein ja auch so auszeichnen, wie man von Auswärtsfans immer

00:04:41: wieder liebevoll erzählt bekommt. Ist das die Wäscherei, wo Jackson Irvine seine dreckige Wäsche wäscht auch? Ich

00:04:47: glaube schon. Hat die nicht gerade zugemacht? Ach stimmt, die hat gerade zugemacht. Noch ein Skandal.

00:04:53: Wir werden auch nicht jeden Skandal unterbringen können glaube ich. Wir haben uns vorher nämlich auch mal angeguckt, wir dürfen uns ja eigentlich nicht viel verraten, aber

00:05:00: so ein bisschen was haben wir natürlich doch verraten und zwar insofern, hat einer 2014 dabei? Hat

00:05:06: keiner, also sollte man vielleicht kurz erzählen. In dieser Folge werden wir nicht noch mal den DFB-Skandal von 2014

00:05:12: erzählen, auch weil es ja auch eher ein DFB-Skandal ist, statt ein FCSP-Skandal. Damals

00:05:19: wurde ja das Millerntor verunstaltet, Christopher vielleicht willst Du noch kurz schildern, wie das Ganze aussah.

00:05:25: Ja genau, es wurde verunstaltet vom DFB. Ich glaube die Nationalmannschaft hat anlässlich eines,

00:05:31: müsste ich jetzt nachgucken. Es war glaube ich ein Länderspiel im Volkspark, hat

00:05:37: aber am Millerntor trainiert und ja hat sich irgendwie gedacht, dass das

00:05:43: wohl irgendwie eine gute Idee wäre, das "Kein Fußball den Faschisten" überzuhängen mit einer grünen

00:05:50: Plane. Hat aber nur das "den Faschisten" abgehängt und das "Kein Fußball" stehen lassen. Ja,

00:05:57: das hat sich dann auch als geflügeltes Wort eine Zeitlang auch etabliert, das "Kein Fußball". Interessanterweise

00:06:04: waren die ersten, die das entdeckt haben, wenn ich jetzt das mal so sagen darf, Mitarbeiter

00:06:11: des Museums. Tatsache? Ja, es wurde quasi vom Museum aufgedeckt, so viel Ruhm muss sein.

00:06:18: Die Vornamen darf man sicherlich auch nennen, Rainer, Christiane und Gianni waren auf jeden Fall mit

00:06:24: dabei, die hier am Millerntor zu tun hatten und dann in einem dieser Mundlöcher dann einfach mal

00:06:30: rausguckten. Ist ja immer schön so, "Äh, fehlt da nicht was?" und dann hat einer der drei dann auch ein Foto gemacht und dort

00:06:37: habe ich es z.B. auch, weiß noch ganz genau, auf Facebook zuerst gesehen. Und das zog dann sehr große Kreise,

00:06:43: auch dieses Foto hat übrigens sehr große Kreise gezogen. Es ist also nicht nur im "FC St. Pauli-Album" abgedruckt, was Ihr zugunsten des Museums

00:06:49: kaufen könnt, sondern es war auch in diversen Zeitungen zu sehen. Und als wir uns hierüber unterhalten hatten, muss ich auch

00:06:55: selber zugeben, das war mir gar nicht so ganz klar mehr, dass da tatsächlich auch unmittelbar Museums-Beteiligung war. Also wir waren

00:07:01: nicht die, die es abgehängt haben, wie waren die, die es gesehen haben. Und jetzt haben wir es doch erzählt. Stimmt. Genau, aber

00:07:07: kurz und knapp, ansonsten haben wir etwas mehr Zeit für unsere drei Geschichtssegmente. Aber

00:07:13: ich glaube, es gibt auch noch so einen Grundgedanken, den man sich vorher einfach mal stellen müsste, was ein Skandal eigentlich

00:07:19: ist. Ja gute Frage, ich als Sozialwissenschaftlerin hab das natürlich direkt mal nachgeguckt, wie die Definition ist, bevor

00:07:25: ich mich in die Recherche gestürzt hab. Ein Skandal ist ein Geschehnis, das Anstoß

00:07:32: oder Aufsehen erregt laut Duden. Und kommt übrigens vom altgriechischen Wort Skandalon oder

00:07:38: Skandalon, ich bin mir nicht sicher, was so viel wie Fallstrick, Anstoß, Ärgernis bedeutet. Heißt, ein Skandal ist immer

00:07:44: auch etwas, über das Leute stürzen und fallen können. Und was man vielleicht auch noch betonen

00:07:50: könnte, erzählen könnte ist, dass es bei einem Skandal in der Regel um Entrüstung oder Empörung im Sinne eines moralischen

00:07:56: Gefühls geht. Also das bedeutet, worüber sich eine Gesellschaft empört, hängt immer auch von den Werten

00:08:03: und Normen dieser Gesellschaft ab. Was in einer bestimmten Region oder einer bestimmten Gesellschaft einen Skandal hervorruft, muss

00:08:09: dies nicht zwangsläufig auch in einer anderen Gesellschaft, Kultur und so weiter tun. Sieht

00:08:15: man ja auch im Kleinen, was in der Fanszene des FC St. Pauli einen Skandal auslöst, muss das nicht zwangsläufig auch bei, sagen wir

00:08:21: mal, Hansa Rostock tun. Ja, Skandale am Millerntor und ich würde diesem Kapitel der FC St. Pauli-

00:08:29: Geschichte die Überschrift geben "Am Tisch mit einem Waffenhändler". Das ist schon mal eine gute Einstiegshöhe.

00:08:35: Der Sommer 2002 war der Beginn eines neuen Jahrtausends. War on Terror

00:08:42: dominierte die Nachrichten, Deutschland steht vor einer Bundestagswahl, der Pay-TV Sender 'Premiere' muss Insolvenz anmelden, Brasilien

00:08:48: wird in Yokohama zum fünften Mal Weltmeister und der FC St. Pauli ist mal wieder aus der Bundesliga abgestiegen. Da

00:08:54: schon meine erste Frage in die Runde. Habt Ihr Euch eigentlich zu Saisonbeginn immer die 'kicker'-Sonderhefte geholt? Nein. Ja. Relativ

00:09:01: selten, also tatsächlich zu Erstligazeiten, weil das dann mehr Spaß gemacht hat, da in diese lustige Stecktabelle was reinzustecken.

00:09:07: Ja, also ich war auf jeden Fall wirklich kompletter 'kicker'-Sonderheft Junkie, ich habe die wirklich auswendig gelernt. Ich war

00:09:14: 15/16, das war meine große Fußballnerd-Zeit, da zehre ich noch bis heute. Ich glaube die Leute

00:09:20: können zufrieden sein, nach zehn Minuten schon die ersten dramatischen Enthüllungen. Genau und naja, auf jeden Fall habe ich dann damals, ich erinnere mich

00:09:26: gut, ich habe das 'kicker'-Sonderheft so studiert und alle Kader und den FC St. Pauli mit Stephan Beutel und Dietmar

00:09:32: Demuth, schaffen wir den sofortigen Wiederaufstieg? Und hab mir so angeguckt, was sind denn eigentlich so die Neuzugänge?

00:09:39: Jens Rasiejeweski von Eintracht Frankfurt, naja, ok. Torsten

00:09:45: Traub von Reutlingen, hmm ja. Tobias Kurbjuweit, ja gut, jetzt wird es ein

00:09:51: bisschen, den kenne ich jetzt noch nicht. Abdul Iyodo okay und so, Moment mal, Abdul

00:09:58: Iyodo? Ja, jetzt werden sich manche fragen, wer ist denn eigentlich Abdul Iyodo? Erste Reihe, Zweiter von rechts auf

00:10:04: dem Mannschaftsfoto des FC St. Pauli, sitzt ein junger Mann namens Abdul Iyodo, neuer Topstürmer von

00:10:11: der SG Wattenscheid 09. Ich habe auch sofort in meinem Archiv zu Hause

00:10:17: geblättert, als ich das sah in deinen Recherchen und ja, er sitzt da wirklich. Ja genau und

00:10:23: natürlich habe ich gleich nachgeguckt, Abdul Iyodo hat für SG Wattenscheid in der damaligen Regionalliga West relativ

00:10:29: gut gespielt, viele Tore gemacht, tauchte aber nicht mehr auf. Wo war denn jetzt

00:10:35: dieser Abdul Iyodo? Ja und dann hieß es plötzlich in einer kurzen Notiz im 'Hamburger

00:10:41: Abendblatt', der Aufsichtsrat des FC St. Pauli ließ den Deal platzen. Eine kurze Notiz für

00:10:48: einen veritablen Skandal am Millerntor, was war passiert? im Sommer 2001 verpflichtete der frischgebackene

00:10:54: Bundesligist den nigerianischen Abwehrspieler Yakubu Adamu. Viele werden sich, vielleicht nicht viele, aber einige werden sich erinnern,

00:11:00: von der SG Wattenscheid 09. Stephan Beutel und Trainer Dietmar Demuth trafen sich zum gemeinsamen Essen

00:11:06: mit dessen Berater Rolf Wegener. Wegener war damals als sehr dubioser Spielervermittler bekannt, der aufgrund

00:11:12: seiner fehlenden FIFA-Lizenz von der Sozietät, also von der Rechtsanwaltskanzlei Tillmann, Engel & Partner

00:11:18: vertreten wurde. Jetzt ist erstmal die Frage, wer ist eigentlich Rolf Wegener? Rolf Wegener, ein Multimillionär, der zu der Zeit

00:11:25: Zeit in Monaco und Düsseldorf lebte, hatte in der BRD als Kaufmann, Spielervermittler und Unterhändler einen mehr als zweifelhaften Ruf.

00:11:31: Er investierte nicht nur in Immobilien, sondern auch in junge Spieler aus Nigeria und betrieb mehr als eine Briefkastenfirma

00:11:38: in Monaco und Liechtenstein und fädelte in den 80ern und 90ern einige Waffendeals in Konfliktgebiete in

00:11:44: Nahost ein. So war er maßgeblich daran beteiligt, dass im Sommer '91 36 Spürpanzer des Typs 'Fuchs'

00:11:51: der Firma Thyssen-Henschel nach Saudi-Arabien verkauft wurden. Dieser Deal war in der Bundesrepublik

00:11:57: äußerst umstritten, das ging so damals durch die Nachrichten. Ein ausgewiesener Fußballexperte auf jeden Fall. Die Vereine

00:12:03: wo er die Spieler hinvermittelte waren oft in der Nähe des Ruhrgebiets, also Fortuna

00:12:09: Düsseldorf, VfB Hüls, SG Wattenscheid 09. Da kam auch her aus Düsseldorf. Um dann noch mal kurz die Verstrickungen

00:12:16: mit dem Panzern nach Saudi-Arabien noch mal ganz kurz aufzuschlüsseln: Der damalige FDP-

00:12:22: Wirtschaftsminister Helmut Haussmann blockierte diesen Deal, bis sein Nachfolger, ein gewisser Jürgen W. Möllemann, in einer

00:12:28: seiner ersten Amtshandlungen im Bundessicherheitsrat den Weg für Wegeners Deal frei machte. Möllemanns

00:12:35: Unternehmensberatungsfirma, da wird es schon dubios eigentlich in sich. Diese Unternehmensberatungsfirma

00:12:42: 'Web/Tec' hatte überraschenderweise Rolf Wegener und dessen Briefkastenfirma 'Curl AG' als Kunden, nutze sogar dessen Immobilien

00:12:48: als Firmensitz. Ebenso waren Möllemann und Wegener auch gemeinsame Inhaber der Firma 'MS-Air'

00:12:54: sowie die Liechtensteinische Briefkastenfirma 'Pointline AG' auf die ich später noch mal zu sprechen komme. Ne ganze Menge, bis dahin gibt es also

00:13:02: Briefkastenfirmen, aber die Personen gibt es tatsächlich alle. Die Personen gibt es alle und muss ich vielleicht nochmal dazu sagen, alles was ich hier sage,

00:13:08: fußt auf Recherchen von anerkannten Journalist:innen der Zeit, also ich denk mir nichts

00:13:14: aus. Also nicht die Zeitung 'Die Zeit', sondern aus der damaligen Zeit? Genau. Zurück zum FC St. Pauli ins

00:13:21: Jahr 2001. Yakubu Adamu wechselt also zum FC St. Pauli für eine Ausleihgebühr in Höhe von damals

00:13:27: 200.000 Mark, das ist schon ganz schön viel Geld damals gewesen. Das Geld überwies der Verein

00:13:34: aber weder nach Wattenscheid noch zu dessen Ex-Club in Nigeria. Ich versuche den jetzt mal richtig auszusprechen, Verzeihung wenn es nicht klappt, Iwuanyanwu

00:13:40: Nationale FC, der die vermeintlichen Transferrechte halten sollte, sondern zunächst

00:13:46: auf ein Konto der Sozietät Engel, Tillmann & Partner. So weit, so dubios. Nach

00:13:53: dem Bundesliga-Abstieg 2002 wurde Manager Stephan Beutel eben dann dieser besagte Abdul Iyodo angeboten.

00:13:59: Wieder Wattenscheid, wieder Rolf Wegener, erneut setzte sich Beutel mit Wegener zusammen. Dem Transfer schien

00:14:05: eigentlich nichts mehr im Weg zu stehen. Iyodo wurde wie gesagt schon als Neuzugang geführt, war auf dem Mannschaftsfoto zu sehen,

00:14:11: doch der Aufsichtsrat um Peter Paulick und Doktor Peter Benckendorff intervenierte aufgrund dubioser Konstellationen

00:14:17: in der Abwicklung. Was mag sowas dann sein, das Geld sollte um

00:14:23: Mitternacht in einem Aluminiumkoffer übergeben werden? Erneut sollte das Geld auf ein Liechtensteiner Konto

00:14:29: überwiesen werden. Das ist ja üblich. Inhaber dieses Liechtensteiner Kontos war über Dritte natürlich

00:14:36: mal wieder Rolf Wegener. Zudem fehlten wichtige Unterlagen zur Spielberechtigung von Iyodo. Der

00:14:42: Aufsichtsrat warf Beutel vor, sie bewusst im Unklaren gelassen zu haben. Beutel wiederum sagte, dass dem AR alle

00:14:48: erforderlichen Unterlagen bereit liegen würden. Zudem bestritt Beutel, dass er wusste, wer Rolf Wegener war.

00:14:54: Also Moment, Stephan Beutel behauptete, er macht Geschäfte mit jemandem, von

00:15:00: dem er nicht wusste, wer das ist? Genau, er sagt, er hätte nur zweimal mit ihm telefoniert und ihn einmal zum Essen getroffen. Du überweist

00:15:06: auf dubiose Konten, aber weißt eigentlich gar nicht, wer das ist. Das ist schon mal interessant. Interessant

00:15:12: ist auch, dass der Streit auf Führungsebene eskalierte und der damalige Torwart-Trainer Volker Ippig intern einen

00:15:18: Brief aufsetzte, in dem er Beutel der Lüge bezichtigte und sagte, Beutel hätte sehr wohl gewusst, wer Rolf Wegener war.

00:15:24: Dazu möchte ich mal, dass Celina vielleicht einen Absatz aus "Die

00:15:31: Untoten vom Millerntor" von Christoph Ruf vorliest. "Aus der Luft gegriffen? Während Beutel so tat, als

00:15:37: kenne er Wegener nur rein geschäftlich und wisse nichts über die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen

00:15:43: gegen ihn, gibt es mehrere Menschen im Verein, die mit eigenen Ohren gehört haben, wie er Witze über sein gutes Verhältnis

00:15:49: zu Wegener riss. Und wiederum andere, die zugegen waren, als die beiden miteinander telefonierten. Dort sagte

00:15:55: Beutel dann schon mal im Scherz, man könne ja Details bald, in Anführungszeichen, auf der Yacht in Monaco, eine

00:16:02: solche besitzt Wegener, besprechen." Ja, soviel zum Thema, man wusste nicht, mit wem man da am Tisch saß.

00:16:09: War ja nur im Scherz. War ja nur im Scherz. Genau, Spaß. Peter Paulick und der

00:16:15: ehemalige Vereinsarzt Doc Benckendorff verhinderten diesen Transfer von Iyodo. Man muss natürlich

00:16:21: auch sagen, dass die menschliche Komponente, also Abdul Iyodo hat die Welt nicht mehr verstanden. Er wusste nicht was los war, es war

00:16:28: sozusagen sein Traum von der Profikarriere quasi geplatzt. Doch wie aus dem Nichts fand sich ein neuer Interessent

00:16:34: für Iyodo. Wollte Wattenscheid bisher eine Ablöse von 150.000 D-Mark vom FC St. Pauli,

00:16:40: so wechselte Iyodo nun im Sommer 2002, nachdem der Transfer geplatzt war, ablösefrei zur Reserve-Mannschaft vom

00:16:46: FC Schalke 04. Ach. Ja, Frage in die Runde, wer war denn damals Aufsichtsats-Vorsitzender beim FC Schalke

00:16:52: 04? Ich hab da so eine Theorie. FDP-Mitglied? Dann könnte es eventuell, Thomas? Da Christopher ja schon nickt,

00:17:01: wird es dann der schon erwähnte Herr Möllemann sein. Genau, Jürgen W. Möllemann. Ein Jahr später wechselte übrigens auch Yakubu Adamu

00:17:07: nach zwei Jahren am Millerntor zum FC Schalke 04. Nein. Ist das ein Zufall? Natürlich

00:17:15: nicht. Bereits im Jahr 2001 machte der Transfer des Stürmers Victor Agali zum FC Schalke 04 Schlagzeilen,

00:17:21: da die Abwicklung mehr als verdächtig war. So wurden neben einer fälligen Ablösesumme und dem Gehalt für Agali zusätzlich in drei Tranchen mehrere

00:17:27: Millionen aus vermeintlich schwarzen Kassen auf ein Konto der von mir eingangs erwähnten 'Pointline AG' überwiesen. Im

00:17:33: Jahr 2008 führte dies zu einer Steuerrazzia auf der Geschäftsstelle von Schalke 04. Jetzt werdet

00:17:39: Ihr Euch sicher fragen, ob das schon alles war. War das schon alles? Nein, es war noch nicht alles. Wäre ja

00:17:45: auch langweilig. Ich wollte kurz noch dazwischen, war denn, weil dies mit der pfiffigen Idee mir gerade einfiel. Es ist

00:17:51: ja so, dass offensichtlich Herr Möllemann ja sehr interessante Geschäfte gemacht hat, aber dann letztenendes seine politische Karriere über diesen

00:17:58: lustigen Einkaufschip dann irgendwie ... Das war tatsächlich vorher, das

00:18:04: war sozusagen sein erster Sargnagel glaube ich Anfang der Neunziger, aber er hatte ein riesiges Comeback und jetzt komme ich mal

00:18:10: kurz dazu, was ist eigentlich aus Möllemann geworden bzw. was ist zu der Zeit aus Möllemann geworden? Denn kurz

00:18:16: vor der Bundestagswahl im Herbst 2002 ließ Jürgen Möllemann Flyer mit unter anderem antisemitischen Statements an fünf Millionen Haushalte in

00:18:23: NRW schicken. Finanzierung unklar. Wir steigen jetzt mal ein,

00:18:29: machen einen deep dive in das Jahr 2002. "Guten Abend meine Damen und Herren. Der Streit zwischen dem stellvertretenden

00:18:35: FDP-Vorsitzenden Möllemann und dem Vize-Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland Friedman zieht

00:18:41: weiter Kreise. Auslöser der Attacke war ein 'Stern'-Artikel, in dem Friedman die FDP-Führung aufforderte,

00:18:47: sich notfalls sogar von Möllemann zu trennen. Dessen Bemerkungen bewegten sich, Zitat, auf dem Niveau der

00:18:54: Republikaner und der NPD. MUSIK. Ich habe

00:19:02: mich gefragt, Mölli hat ja noch mal fünf Millionen Faltblätter losgeschickt kurz vor Schluss. Ja, wer

00:19:08: bezahlt die eigentlich? Ne ganze Menge. Schon für die FDP. Aber doch in erster Linie für ihn. Ja aber damit die

00:19:14: FDP in Nordrhein-Westfalen viele Stimmen bekommt, er ist ja der Landesvorsitzende und will es auch bleiben. Ja, wir wissen zu dieser Stunde nicht, ob er es

00:19:20: bleibt, aber wir hören keine Hubschrauber. In der Spendenaffäre ist der frühere

00:19:26: FDP-Vize Möllemann jetzt in die Offensive gegangen. Gegenüber der ARD räumte er Fehler bei der umstrittenen

00:19:32: Flugblattaktion ein, lehnte einen Parteiaustritt aber strikt ab. In einem anschließenden Interview für die

00:19:38: 'Tagesschau' stellte Möllemann auch noch einmal klar, dass er den Israel-kritischen Flyer entgegen früheren Angaben

00:19:44: aus seinem Privatvermögen finanziert habe. Haben Ihnen Kunden Geld gegeben mit dem Ziel, dass Sie es für solche Aktionen

00:19:50: verwenden? Es ist aus meinen Einkünften, aus meinem Vermögen und von niemandem sonst. Stimmt der

00:19:56: Vorwurf, sie hätten das Bargeld in Luxemburg abgehoben, im Koffer nach Deutschland gebracht? Das ist falsch." Es war

00:20:02: Geld aus schwarzen Kassen von Rolf Wegener. Das ganze Geflecht um 'Web/Tec', 'Pointline AG', 'Curl

00:20:08: AG' und 'MS-Air' flog auf und Möllemann musste seine Partei-Karriere an den Nagel hängen. Ich

00:20:15: hätte da noch eine steile These: Antisemitische Flyer bezahlt durch dubiose Geschäfte mit dem FC St. Pauli? Aber wie

00:20:23: ist das denn aufgeflogen, wo das Geld eigentlich herkam? Möllemann ist dadurch ins Kreuzfeuer geraten, weil eben die Frage war, wer hat

00:20:29: das bezahlt, woher wurden diese Flyer bezahlt. Weil die FDP bestritt, diese Flyer bezahlt zu haben. Michel

00:20:35: Friedman hat ja auch Möllemanns Abgang gefordert und dadurch kam es überhaupt erst so richtig in Gang. Weil der Zentralrat

00:20:41: der Juden gesagt hat, Möllemann ist nicht mehr tragbar und dann die FDP sich von ihm distanziert hat, gesagt hat, wir haben nichts mit diesem Flyer zu tun und dadurch die

00:20:47: Frage aufkam, wer hat die denn dann bezahlt? Dann gabs längere Recherchen, die wir an dieser Stelle jetzt nicht weiter verfolgen, weil es geht ja immer

00:20:53: noch hauptsächlich um den Sport. Aber es ist eine sehr interessante Geschichte, also die Causa Möllemann/

00:20:59: Wegener ist sehr interessant. Wir können die Quellen, die Du benutzt hast ja vielleicht auch einfach in die Shownotes packen. Genau, die packen wir in die Shownotes, da könnt Ihr gerne noch einmal alles

00:21:08: dazu durchlesen. Es gibt auch einen sehr guten Artikel von '11 Freunde' aus der Zeit, der

00:21:15: versucht dieses ganze Geflecht einmal auf Fußball-Ebene noch mal aufzudröseln.

00:21:21: Das Geld ist also geflossen, obwohl der Aufsichtsrat interveniert hat. Doc Benkendorff hat damals gesagt, hätte er gewusst,

00:21:27: was da alles dran hängt, hätte er schon damals bei Adamu einen Riegel vorgeschoben. Leuchtet ein, klar. War jetzt zur Zusammenfassung

00:21:34: noch mal hilfreich, weil wahrscheinlich auch viele, die zuhören schon echt, Donnerwetter, die Augenbrauen gingen ganz schön hoch bei all den vielen

00:21:40: Ebenen, hochspannend und natürlich auch ziemlich erschütternd, was da so alles zusammenhängt. Genau, da gehe ich noch einmal

00:21:46: zurück zu Stephan Beutel, der dem Abendblatt sagte, "Von diesen Geschichten um Wegener habe ich erst jetzt im Zusammenhang

00:21:52: mit der Möllemann-Berichterstattung gehört. Das ist mit unseren Vereins- und Fan-Philosophien natürlich überhaupt nicht zu vereinbaren." Stephan

00:22:00: Beutel gibt sich erschüttert. Am Ende eines katastrophalen Jahres 2002, wir erinnern uns, Tabellenletzter

00:22:06: der Zweiten Liga. Iyodo-Skandal, Adamu-Skandal, Verein in Trümmern, stand die

00:22:12: Jahreshauptversammlung 2002 an. Die aktive Fanszene des FC St. Pauli machte tatsächlich in diesem Fall keine

00:22:18: gute Figur, schlimmer noch, sie spielte sogar eine nicht zu unterschätzende Rolle in den Grabenkämpfen der Geschäftsstelle.

00:22:25: Ein großer Teil der damals aktiven Fanszene ließ sich zum Teil von Beutel instrumentalisieren und stützte ihn in seinen dubiosen

00:22:32: Geschäften quasi indirekt. Da können wir jetzt mal direkt den deep dive zu Thomas machen, weil Thomas war damals

00:22:38: Teil der aktiven Fanszene. Grundsätzlich ja, also mir ist natürlich auch in diesen

00:22:44: ganzen Recherchen dieser ganzen Sachen, auch dem Thema, das Christoph nachher noch hat, das

00:22:50: geht auch in die Richtung, ist mir vieles erst wieder eingefallen, nachdem ich es nachgelesen habe. Zum Beispiel

00:22:56: in alten 'Übersteiger'-Ausgaben und so und wie das alles zusammenhängt, also da fehlt wirklich nach 20 oder noch mehr Jahren

00:23:02: doch so einiges muss ich zugeben. Was mir aber natürlich auch wieder aufgefallen ist und eingefallen ist zum Thema Stephan Beutel,

00:23:09: das ist richtig. Also es wird ja auch durchaus beschrieben, z.B. in dem schon erwähnen Buch von Christoph Ruf, dass er sehr gut

00:23:15: darin war, freundlich, verbindlich und fannah rüberzukommen und da muss

00:23:22: man vielleicht ein bisschen noch wieder zurückgehen auch auf das, was ich was ich letztes Mal schon sagte. Dass die Kommunikationskultur

00:23:28: nach der Ära Weisener sich ja deutlich geändert hatte unter Reenald Koch schon, dass man da auf jeden Fall

00:23:34: auch als aktiver Fan, auch als vereinspolitisch aktiver Fan durchaus mehr Möglichkeiten hatte

00:23:41: reinzukommen. Im Sinne von, dass man miteinander reden konnte, dass man seine Themen ein bisschen platzieren konnte und das war

00:23:47: eben unter anderem auch mit Stephan Beutel sehr gut möglich. Und das hat natürlich vielen auch gefallen. Endlich bewegte

00:23:53: sich mal was, endlich konnte man mal sagen, ja die und die Themen, die brennen uns unter den Nägeln, könntet Ihr da vielleicht auch mal

00:23:59: drauf gucken und das war auf jeden Fall deutlich einfacher möglich. Was ich noch dazu sagen muss, die AGiM

00:24:05: hatte damals ja schon Ende der 90er einen sogenannten Runden Tisch initiert im Nachgang

00:24:12: der Stadion-Umbenennung, wo sich ja doch einige Gräben auftaten. AGiM war doch

00:24:18: gleich für Leute, die es vielleicht nicht wissen? Die Arbeitsgemeinschaft interessierter Mitglieder, also sozusagen die Fans, die sich auch

00:24:24: vereinspolitisch engagieren wollten seit Mitte der 90er. Da gab es ja im Zuge der Stadion-

00:24:30: Umbenennung Ende der 90er durchaus auch Generationskonflikte und ähnliches und da wurde halt gesagt, wir müssen

00:24:36: uns mal zusammensetzen, übereinander reden ist immer schlechter, besser ist miteinander zu reden. Das wurde dann auch punktuell gemacht

00:24:42: durchaus und diesen Runden Tisch hat dann das Präsidium Koch übernommen und in eigener Regie

00:24:48: als Ständigen Ausschuss initiiert und dazu eingeladen. Ich habe mir mal angeguckt so ein paar

00:24:54: Einladungen dazu, also das war wirklich eine sehr weite Mischung an Menschen. Also da waren Menschen aus dem Präsidium, Aufsichtsrat, Geschäftsführung,

00:25:00: Amateurvorstand, AFM, Ehrenrat, die Fußballjugend sogar, Wahlausschuss, Kassenprüfer, der

00:25:07: Alte Stamm, die AGiM, der Fanladen, der Fanclub-Sprecherrat. Also, es waren eigentlich alle Gremien im weitesten Sinne,

00:25:13: die irgendwie mit Fan- und Vereinsleben zu tun hatten, waren da vertreten und haben sich regelmäßig getroffen.

00:25:19: Also das war natürlich schon einmal eine Sache, die ganz anders war als vorher. Und da war natürlich auch Stephan Beutel immer mittendrin, einfach

00:25:25: auch qua Funktion und qua Amt und mit ihm konnte man wirklich gut reden, das muss man wirklich sagen. Und

00:25:31: natürlich hat man auch im Nachhinein viele, viele Sachen gehört, die so, ups okay, das ist dann doch alles nicht so glücklich

00:25:37: gelaufen. Und jetzt speziell zu dem Thema, wo wir jetzt gerade waren, nämlich zu der Mitgliederversammlung 2002, das stimmt.

00:25:44: Das wird ja auch in dem Buch von Christoph Ruf beschrieben, da gibt es ein Interview mit Heiko Schlesselmann, damals ja noch im Fanladen tätig,

00:25:50: wo er dann sagt oder auf die Frage "Umgekehrt hat in

00:25:56: der Vergangenheit mancher Offizielle versucht, über die Fans massiv Vereinspolitik zu machen", und da sagt Heiko dann "Den Schuh muss ich mir leider auch

00:26:02: anziehen. Vor einer Jahreshauptversammlung gab es hier im Fanladen ein Treffen mit 15 Aktivisten aus den verschiedensten Gruppen, wo dann Rollen

00:26:08: verteilt wurden für die Mitgliederversammlung. Es ging darum, wer wann was sagt, wer welche Frage stellt, um die entsprechenden Leute

00:26:14: in Position zu bringen." Und genau das ist wirklich passiert, da war ich durchaus auch, muss ich sagen und

00:26:20: dann gab es wirklich auf der nächsten Versammlung wirklich dann gesagt, okay wer wann jetzt welche Fragen und z.B.

00:26:26: eben auch direkt an Stephan Beutel stellt, damit er mehr Möglichkeiten hat sich zu erklären. Z.B.

00:26:32: zu diesen Themen, auch sich bereichern an Transfers und ähnliches, das waren ja auch noch

00:26:38: Vorwürfe, die damals aufkamen und so. Also das ist passiert durchaus. Da würde ich jetzt auch gerne noch mal direkt

00:26:44: einsteigen in das Buch von Christoph Ruf und eine Passage von Christoph vorlesen lassen, erster

00:26:50: Absatz. Man musste kurz dazu sagen, die Jahreshauptversammlung ist aufgrund der Länge in zwei Teile geteilt wurden und

00:26:56: auf dem zweiten Teil dieser Jahreshauptversammlung hat Stephan Beutel wohl eine, ich sage

00:27:02: mal, interessante Rede gehalten. "Auf der Jahreshauptversammlung, zweiter Teil, wurde nun ein Schmierentheater inszeniert,

00:27:09: das in der Geschichte des FC St. Pauli einmalig gewesen sein dürfte. Nach, wie mittlerweile erwiesen, minutiöser

00:27:15: Vorplanung, welche Fans und Vereins-Semi-Prominente zu welchem Zeitpunkt welche Frage stellen würden, kam

00:27:21: der Fanbeauftragte ans Mikrofon und bat Herrn Beutel, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen", also Fanbeauftragter Heiko dann.

00:27:28: "Was der natürlich umgehend tat. Zunächst lieferte er ein Schreiben einer

00:27:34: Kanzlei und ein Fax vom DFB, die belegen sollten, dass beim Adamu-Transfer alles mit rechten Dingen zugegangen

00:27:40: sei. Und dann kam sein großer Auftritt: Stephan Beutel erzählte mit scheinbar mühsam kontrollierter

00:27:46: Stimme, wie er kürzlich seine Tochter ins Bett gebracht habe, die ganz besonders unter den öffentlichen Anfeindungen des

00:27:52: Vaters leide und ihn damit konfrontiert habe, dass die anderen Kinder im Kindergarten immer sagten, ihr Vater

00:27:58: verkaufe Waffen. 'Ich dachte immer Du arbeitest bei St. Pauli'. Während sich die meisten

00:28:04: Spieler und Vereinsangestellten angewidert anschauten, erzielte die Rede bei vielen die gewünschte Reaktion. Das vermeintlich

00:28:11: unschuldige Opfer einer skrupellosen Medienkampagne wurde lange beklatscht. Selbst das Fanmagazin 'Übersteiger', in dem

00:28:17: sich heute keiner mehr Illusionen über die Skrupellosigkeit des Ex-Managers macht, kommentierte: 'Beutel

00:28:23: schaffte es mit einer eindrucksvollen Rede, die Versammlung zu einen'." Dazu noch ein Zitat aus den

00:28:29: 'Übersteiger' zur JHV 2002: "Stephan Beutel konnte mit seiner Rede die haltlosen und aus der Luft gegriffen Vorwürfe gegen ihn entkräften." Ok, wow.

00:28:38: Wobei man aber dazu sagen muss, wenn man mal die Chronologie weitergeht, in der nächsten Ausgabe wurde

00:28:44: dann schon auch der Auftritt von Beutel durchaus kritisiert. Also es ist jetzt nicht so, dass es da erstens nicht

00:28:50: unbedingt Einmütigkeit gab und auch sicherlich nach und nach und im Laufe der Monate dann

00:28:56: auch seine Rolle und seine Person immer kritischer gesehen wurden, das gehört

00:29:02: auch dazu durchaus. Heterogen war die Fanszene schon immer. Das auf jeden Fall.

00:29:09: Um das noch mal so bisschen jetzt abzuschließen, dazu würde ich auch, natürlich ist auch die Frage der Moral. Wir

00:29:16: haben dazu ein Zeitzeugen-Zitat von dem damaligen Präsidenten Reenald Koch: "Aber in den vergangenen Jahrzehnten

00:29:23: hat sich da ja auch einiges verändert. Ich kann mich daran erinnern, dass viele Spieler, gerade Brasilianer,

00:29:29: ja auch im Besitz von Gesellschaften waren und dann die Spieler. Dann wurde das Geld auf ein Konto überwiesen und

00:29:35: dann wurde das von da aus verteilt an die Inhaber des Spielers und da hat der Verein, der abgebende, gar nichts bekommen.

00:29:41: Das war dann auch ein Modell und inwieweit das Modell zwischen diesem

00:29:47: Herrn Wegener und seiner Scheinfirma und Wattenscheid war, weiß auch keiner genau.

00:29:53: Wir müssen uns vorstellen, dass so Transfergeschäfte, wir reden ja auch nicht über Kleingeld damals, das war ja für St. Pauli auch viel Geld und die sind natürlich

00:30:00: ganz offiziell bezahlt worden. Und wenn eine Anwaltskanzlei, so wie Du gerade gesagt hast, dann der Rechnungsempfänger war, dann war das bestimmt im

00:30:06: Vertrag so festgehalten. Und was die da mit dem Geld gemacht haben, dass erschließt sich ja uns nicht, sondern wir haben dann den für

00:30:12: uns akzeptablen Marktpreis für diesen Spieler bezahlt. Und von daher sind

00:30:19: diesbezüglich die Geschäfte rechtmäßig gelaufen.

00:30:25: Für mich war es wichtig, und das zum Abschluss zu diesem Komplex, dass es nicht illegal war.

00:30:31: Es ist vielleicht moralisch verwerflich gewesen, ja. Aber letztendlich ist

00:30:38: es legal nach den Gesetzen Deutschlands über die Bühne gelaufen." Da sind wir aber

00:30:44: sehr beruhigt jetzt. Ja, schließen möchte ich mit einem Zitat vom damaligen Manager von Schalke 04, Rudi

00:30:51: Assauer. Im November 2001 wurde Assauer mit der Geschäftsverbindung zwischen Aufsichtsratschef Möllemann

00:30:57: und dem Spielerberater Rolf Wegener konfrontiert. Der Schalke-Manager erklärte der 'SZ': "Scheißegal

00:31:03: wer am Ende das Geld kriegt, Hauptsache bei uns ist alles sauber gelaufen." Ja...

00:31:10: Tatsächlich habe ich von all diesen Dingen noch nie irgendwas gehört, was es sehr interessant macht

00:31:16: auf jeden Fall. Eine Frage, hat die Fanszene des FC St. Pauli denn ihr eigenes Verhalten im

00:31:23: Nachhinein auch mal kritisch noch quasi aufgearbeitet? Schwierig, wie gesagt

00:31:29: Heterogenität, wir haben natürlich jetzt auch vielleicht bei der Story von Christoph später einen, nicht ähnlich, aber einen

00:31:35: Fall, der in die gleiche Kerbe schlägt, sozusagen die Fanszene als Big Player im Verein. Ich würde dazu, vielleicht können

00:31:41: wir später uns noch mal so austauschen. Also auf jeden Fall grundsätzlich kann man sagen, dass es aber in

00:31:47: dieser ganzen Zeit ab 2000, 2001, 2002, 2003, 2004, die ganze Zeit, die ja

00:31:53: sehr, sehr turbulent war im Verein. Mit Präsidiumswechseln, mit finanziellen Problemen und, und, und, ganz

00:31:59: vielen Anschuldigungen von A nach B. Und da natürlich auch sich die Fanszene zum Teil ja

00:32:06: gespalten ist vielleicht etwas weit, aber doch in die Richtung gehend und gerade auch in kleineren Gruppen. Also z.B.

00:32:13: kann ich das aus der 'Übersteiger'-Redaktion sagen, dass es da auch verschiedene Positionen gab, wo es dann auch teilweise

00:32:19: auch zu, ja menschlichen Problematiken kam und insofern, also

00:32:25: da gab es intern auf jeden Fall. Aber natürlich wie immer muss man sagen, in der Vor-Internetzeit

00:32:31: oder gut, natürlich gab es damals schon Internet, aber sagen wir in der Vor-Social-Media-Zeit wurde natürlich sehr viel einfach auch in internen

00:32:37: Gesprächen, in persönlichen Gesprächen vielleicht geklärt nicht unbedingt, aber auf jeden Fall besprochen und das wurde alles nicht so öffentlich

00:32:44: gemacht, wie es vielleicht heute der Fall gewesen wäre. Ich glaube was man vielleicht auch sich noch in Erinnerung rufen

00:32:50: müsste, um die emotionale Konstellation zu verstehen ist, dass man ja auch, es war eine ungeheure

00:32:57: Ereignisdichte. Es war ja gerade der Beinahe-Abstieg, also 1999/2000, als man

00:33:03: beimahe rausgeflogen wäre, dann der berühmte Aufstieg als Absteiger Nummer Eins. Und dann ging es

00:33:09: aber direkt wieder ganz runter und diese Achterbahnfahrt war dabei. Und Stephan

00:33:16: Beutel wurde glaube ich dann durchaus jetzt auch so ein bisschen wahrscheinlich mit als positive Figur auch gesehen, weil er ja irgendwie auch beim

00:33:22: Aufstieg mit dabei war. Das hat ihm schon auf jeden Fall noch einen Kredit verschafft. Das ist ja auch generell so, das ist auch nachvollziehbar.

00:33:29: Also wenn man so richtig völlig enthusiasmiert sich über irgendwen wahnsinnig doll gefreut hat, dann ist es natürlich etwas

00:33:35: schwer, dann wieder voll auf die rationale Ebene zu kommen. Man muss aber auch dazu sagen, dass Stephan Beutel in der Zeit auch durch

00:33:41: die Verpflichtung von Franz Gerber als Sportdirektor auch quasi weggelobt wurde im Verein. Also er ist zwar aufgestiegen

00:33:48: in den Rängen, war dann ja irgendwann sogar Vize-Präsident und Geschäftsführer, aber für den Sport quasi entmachtet worden.

00:33:54: Hat irgendjemand ne Ahnung, was Stephan Beutel jetzt eigentlich macht? Der ist ja eigentlich durchaus noch nicht im Rentenalter. Unternehmensberater vielleicht.

00:34:00: Thomas googelt schon, ich sehe es. Also ich weiß, dass er in, wo war er, Erfurt? Erfurt

00:34:06: kann ich mich noch erinnern, genau. Rot-Weiß Erfurt, da war er glaube ich auch Sportdirektor oder

00:34:12: sowas. Sowas in der Art, ja. Also zuletzt war er

00:34:18: sportlicher Leiter in Chemnitz tatsächlich, allerdings ist das 2016 gewesen, das ist natürlich

00:34:24: schon ne Ecke her. Insofern, in einem Verein ernsthaft tätig scheint er aktuell nicht zu sein.

00:34:31: Also muss man sagen, ein Zeitzeugen-Interview wäre mal interessant, wie er das jetzt so sieht.

00:34:37: Herr Beutel, Sie sind offiziell eingeladen. Ja, okay, aber wirklich eine

00:34:43: Menge Stoff, wo man auch interessiert noch mal tiefer einsteigen

00:34:49: kann. Wie gesagt, in den Shownotes packen wir noch mal unsere Quellen, dann kann jede/

00:34:55: jeder für sich selber noch mal zu Hause nachrecherchieren. Ja, wollen wir weitermachen? Ja,

00:35:02: ich beschäftige mich quasi mit dem allerersten Skandal am Millerntor, wenn man so

00:35:08: will und gehe zurück in die anarchische Frühzeit des Fußballs. Heute

00:35:16: kann man sich das gar nicht mehr so richtig vorstellen, weil heute ist Fußball ja die populärste Sportart in Deutschland, was die Zuschauer:innen-

00:35:23: Zahlen angeht, die Medienpräsenz und sicherlich auch die Finanzen, würde ich mal vermuten oder bin ich mir

00:35:29: sicher. An die zwei Millionen Menschen spielen auch hierzulande mittlerweile im Verein Fußball,

00:35:35: aber das war nicht immer so. Als der Fußball in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ungefähr, so genau lässt sich das nicht mehr

00:35:41: sagen, nach Deutschland kam, war das erstmal ein großer, Ihr werdet es jetzt sicherlich schon ahnen, Skandal. Und um zu verstehen

00:35:47: warum, muss man sich die Sportlandschaft der wilhelminischen Gesellschaft ein bisschen anschauen. Vor mehr als hundert Jahren

00:35:54: hatte Sport eine komplett andere Funktion als heute. Könnt Ihr euch vorstellen, welche Funktion Sport damals hatte?

00:36:00: Leibesertüchtigung. Vorbereitung für den Militärdienst wohl eher, in

00:36:06: die Richtung auf jeden Fall gehend. Genau, Thomas hat es schon gesagt, körperliche Ertüchtigung hatte

00:36:12: damals vor allem den Zweck, die Jugend auf den Krieg vorzubereiten, also zu guten Soldaten zu erziehen. Das lief so unter

00:36:18: dem Oberbegriff Erziehung zur Wehrhaftigkeit. Und Sport war damals auch nicht so divers wie heute

00:36:25: quasi als Überbegriff, sondern Sport war vor allem Turnen. Und Turnen, das war vor allem Drill und es fand überwiegend an

00:36:31: Geräten statt. Sportler:innen, also es waren natürlich deutlich mehr Männer als Frauen, aber ein paar Frauen gab

00:36:37: es auch und diese Sportler:innen waren damals in Turnvereinen organisiert in der Regel. Die

00:36:43: 1860 gegründete Deutsche Turnerschaft, also quasi der Verband der Turnvereine, verstand sich

00:36:49: bis zur Gründung des Deutschen Kaiserreiches, also des Deutschen Reiches, als paramilitärische Organisation. Ziel

00:36:55: war es, die deutsche Einheit herbeizuführen und die Grenzen nach innen und nach außen zu verteidigen. Das war auch beim 1862

00:37:02: gegründeten Hamburg-St. Pauli Turnverein nicht anders, da wurde im Vorfeld des Deutsch-Französischen

00:37:09: Krieges auch fleißig an den Waffen trainiert. Also die Fechtabteilung, es wurden aber auch so Übungen im Feld gemacht,

00:37:15: die dann auf so militärstrategische Manöver vorbereiten sollten und so. Also das hatte schon einen expliziten

00:37:22: Zweck. Und wenn

00:37:28: dann so öffentliche Veranstaltungen waren, Bälle, Trinkgelage, dann trat

00:37:35: die Turnerschaft auch regelmäßig in so schwarz-rot-goldenen Schärpen an, was damals schon die Farben der

00:37:41: angestrebten Einigung des Deutschen Reiches waren. Und diese

00:37:47: Einstellung setzte sich dann auch nach 1971, also nach der Gründung des Deutschen Reiches quasi ... das

00:37:53: ist so ein Problem, das habe ich immer mit den Jahreszahlen, ich verrutsche immer in den Jahrhunderten. Diese

00:37:59: grundsätzliche Einstellung setzte sich auch nach 1871 fort und führte zu einer bedingungslosen Anpassung der

00:38:06: bürgerlichen Turnvereine an den Obrigkeitsstaat. Die sogenannten Spielabteilungen,

00:38:12: das waren die Abteilungen in den Turnvereinen, in denen dann Schlagball, Faustball, Schleuderball, also

00:38:18: alle Ballspiele und dann halt eben auch Fußball gespielt wurde, die fristeten eher so ein unbeliebtes Nischendasein

00:38:24: innerhalb der Turnvereine. Und Fußball hatte noch mal einen besonders schlechten Ruf, weil die Sportart

00:38:30: aus England kam, also vom großen europäischen Gegenspieler quasi. Und der bekannte Turnlehrer Karl Planck

00:38:37: unterstellte den deutschen Fußballern Ende des 19. Jahrhunderts, sie wären, Zitat, "gehorsame Affen des Auslandes".

00:38:43: Planck war auch der Autor einer Schmähschrift mit dem Titel "Fußlümmelei: Über

00:38:50: Stauchballspiel und die englische Krankheit". Lümmelei klingt ja so ein bisschen niedlich, ist aber oder war

00:38:56: damals tatsächlich eine relativ starke Verunglimpfung. Da ist auch ein zweites tolles

00:39:02: Wort, Stauchball? Ja, das kann ich auch gerne noch erklären. Lümmelei, fangen wir mal da an,

00:39:08: steht für eine grobe Ungezogenheit oder Frechheit, also durchaus eine ernstgemeinte Verunglimpfung.

00:39:15: Und Stauchball ist ein anderes Wort für Fußball. Stauchen bedeutet so viel wie der Fußtritt. Ich finde es super,

00:39:21: weil man ungefähr die gesamte Drittligazeit das FC St. Pauli mit diesem Wort bezeichnen könnte und niemand hätte irgendwas dagegen zu

00:39:27: setzen, glaube ich. Da habe ich den ein oder anderen Stauchball gesehen. Aber ganz im

00:39:34: Ernst ist ja doch erstaunlich, dass wir hier ja nun tatsächlich angesichts der Tatsache sitzen, dass es einen FC St. Pauli

00:39:40: gibt, der sich dann ja gegründet hat. Die müssen da ja irgendwie durchgekommen sein trotz dieses gesellschaftlichen Gegenwindes.

00:39:46: Sind sie, da kommen wir dann später zu. Erstmal bleiben wir bei Herrn Planck, der auch der

00:39:52: Meinung war Fußball sei, Zitat, "nicht nur gemein, sondern auch lächerlich, hässlich und widernatürlich",

00:39:58: Zitat Ende. Das ist ja ähnlich wie die Beschreibung der Frauen, die Fußball gespielt haben

00:40:05: dann später, wo ja ähnliche Zitate dann gefallen sind.

00:40:11: Tatsächlich gibt es da einige Parallelen, da werden Euch noch mehr auffallen vermutlich im Laufe dieses

00:40:18: Themas. Also grundsätzlich waren Turn-Fundamentalisten

00:40:24: wie Planck der Meinung, Fußball "erniedrige Menschen zum Tier". Weil die irgendwie der Überzeugung waren,

00:40:30: ich kann das nicht so ganz nachvollziehen, aber fußballerische Verrenkungen seien einer Gattung, die zum aufrechten Gang fähig ist, unwürdig.

00:40:36: Weil Fußballspieler zu einer, Zitat, "vorgebeugten erbärmlichen Haltung zwingt".

00:40:42: Ich stell mir das so vor, als würden so die Leute irgendwie so nach vorne übergeklappt übers Spielfeld dem Ball hinterherrennen.

00:40:48: Also es ist ja schon grundsätzlich so, dass man meistens relativ eine gerade Körperhaltung hat, auch beim Rennen

00:40:55: und Fußballspielen. Also mein Jugendtrainer z.B. hätte jetzt gleich gesagt, hatte ich wahrscheinlich nicht immer. Weil wenn du nicht so

00:41:01: richtig dich wohlfühlst mit deiner gesamten Körperkoordination, dann guckst du natürlich manchmal schon nach unten, weil du gucken

00:41:07: willst, ist der Ball eigentlich noch da wo ich denke, dass er ist. Und ab einem gewissen Spielniveau, das zumindest haben sie ja immer verzweifelt

00:41:13: versucht bei uns auch im Team zu erreichen, gab es halt oft, dass man bitte den Kopf hoch nehmen möge,

00:41:19: hört das natürlich auf. Also deutet das schon darauf an, dass also auf jeden Fall dieser Mensch sich da auf

00:41:25: Fußball auf einem sehr niedrigen Niveau bezieht, wo die Leute halt wirklich noch gucken müssen, wo der Ball ist.

00:41:32: Wenn man aber als Vergleich, es gibt ja Bilder auch aus dem St. Pauli Turnverein,

00:41:39: also sehr gute Bilder sogar auch qualitativ, wo Menschen auch posieren. Seien es

00:41:45: einzelne Turner oder auch ganze Riegen und wenn man da dann die Körperhaltung sieht, die ist dann schon sehr, sehr stramm

00:41:51: und gerade und militärisch korrekt nenne ich es jetzt mal. Also das ist sicherlich das, was er dann auch meinte,

00:41:57: so stellt man sich das vor als guter Turner. Ja, da gibt es ganz wilde Aussagen aus der Zeit, also ich will da gar nicht so sehr ins Detail gehen. Aber die Herleitung ist schon irgendwie, also warum Turnen jetzt

00:42:11: besonders Deutsch ist im Gegensatz zu Fußball sind da wirklich hanebüchen teilweise. Also es sind dann so Herleitungen

00:42:18: wie, es würde ja dem Deutschtum quasi entsprechen so ritterlich mit dem Arm auszuteilen

00:42:24: und so Armbewegungen, aufrechte, wären irgendwie besonders Deutsch. Und alles was man mit dem Fuß macht dementsprechend besonders undeutsch.

00:42:30: Ah ja. Schon wild und dann zusätzlich

00:42:36: hat Planck auch noch behauptet, finde ich auch besonders gut: In England hätte es schon "hunderte und

00:42:42: tausende Todesfälle beim Fußball durch Tritte in den Unterleib, die Magengrube, gegen das Rückgrat und gegen den Kopf

00:42:48: gegeben." Quellen nennt er leider nicht. Spannend fand ich daran vor allem, dass Desinformationskampagnen offensichtlich

00:42:54: keine Erfindung der Neuzeit sind. Das stimmt. Sondern dass die da auch schon ganz gut drin waren, die Turner. Fußball

00:43:01: galt den Turnern, die wie gesagt einen regelrechten Kaiserkult pflegten, als besonders undeutsch, was

00:43:07: man sich auch noch mal auf der Zunge zergehen lassen muss heute. Fußball ist sehr undeutsch.

00:43:13: Und um das noch mal einzuordnen, all diese Aussagen sind natürlich extrem nationalistisch, das

00:43:20: die vermeintliche Überlegenheit des deutschen Volkes betont. Also auch

00:43:27: sozialdarwinistisch und mit rassistischen Anklängen, wie das so dem Zeitgeist

00:43:34: entsprach. Kommen wir zurück oder kommen wir nach Hamburg. Der erste Fußballclub Hamburgs, in dem

00:43:40: regelmäßig Fußball gespielt wurde, war der Hamburger Fußballclub und der wurde 1888

00:43:46: gegründet. Ungefähr zu derselben Zeit, als Kaiser Wilhelm II. den Thron bestieg und zwar von Schülern des Wilhelm-Gymnasiums.

00:43:52: Und das Wort Gymnasium legt es auch schon nahe, Fußball war zu Beginn kein Arbeitersport, weder in

00:43:58: England noch in Deutschland. In Deutschland wurde der Fußball in der Frühzeit vor allem von Akademikern, Schülern und Kaufmanns-

00:44:04: Söhnen vorangetrieben. Fußball war eine Freizeitmode für Bildungseliten und trotzdem: skandalös.

00:44:11: Die fußballbesessenen Jungs, das ist ein Zitat aus einer Jubiläumschronik

00:44:17: des FC St. Pauli, trafen sich damals auf Dachböden oder in abgelegenen Kellern, um der

00:44:23: Entdeckung durch Eltern und Lehrer zu entgehen. Gespielt wurde auf Wiesen, also möglichst

00:44:29: weit weg, möglichst abgelegene Wiesen, auf versteckten Hinterhöfen. Überall, wo man quasi möglichst

00:44:36: nicht gesehen wurde. Und wer damals einen Ball mit einer echten Gummiblase besaß, hatte vermutlich sehr

00:44:42: viele Freunde. Gespielt wurde aber grundsätzlich mit allem was irgendwie rund war, also sehr beliebt war auch der sogenannte

00:44:48: Lumpenball. Da hat man einfach quasi Stoffreste zusammengebunden mit einem Band und hat dann Fußball gespielt. In

00:44:54: Altona z.B. war es Schülern noch 1905 verboten, Mitglied in einem Fußballverein zu sein. Und da

00:45:00: war der, muss man dann sich auch vorstellen, der Altonaer Fußballclub, ist ja einer der ersten in Hamburg auch gewesen, schon

00:45:06: zwölf Jahre alt, also der wurde 1893 gegründet. Wobei, nur ganz

00:45:13: kurzer Einschub, das ist ja auch interessant. Altona gehörte ja damals noch gar nicht zu Hamburg, aber es wurde ja trotzdem ein

00:45:19: Hamburg-Altonaer Fußballverband gegründet. Also da war man also schon deutlich weiter als die

00:45:25: Politik oder die Stadtgeschichte sozusagen. Dass man den Verband zusammen gegründet hat

00:45:31: für Hamburg und Altona, aber eben die politische Vereinigung ja noch deutlich länger gedauert hat. Aber das

00:45:37: würde heißen, ist Altona 93 dann der älteste am Stück bestehende Fußballverein Hamburgs?

00:45:43: Das könnte sein, also der

00:45:50: erwähnte HFC 88 ist ja einer der Vorgängervereine des HSV, da gibt es ja noch Germania

00:45:56: 87, aber das war auch ursprünglich ein Turnverein, also kein reiner Fußballverein, das

00:46:02: ist wirklich der HFC gewesen. Victoria gibt's seit 1895, also es gab da, aber es sind wenige

00:46:08: übergeblieben sozusagen aus dieser Frühzeit, die wirklich jetzt bis heute bestehen, also das sind glaube ich wirklich Altona und Victoria in der Hauptsache, die

00:46:15: wirklich unter diesen Namen auch noch weiterhin bestehen heute. Ja, ich habe für die Recherche zu diesem

00:46:21: Podcast die 25 Jahre-Jubiläumschronik des DFB gelesen,

00:46:27: die wir auch im Archiv haben, und da wird der Altonaer Fußballclub, der hat zwei eigene

00:46:33: Seiten, der wird auf jeden Fall sehr explizit behandelt, könnte man da noch mal nachlesen. Anfang des 20. Jahrhunderts gab

00:46:39: es immer noch viele Turnlehrer, die "Engländerei" und "Ballgetue" mit Arrest bestraften. Viele junge Spieler legten sich deshalb

00:46:46: ein Fußball-Pseudonym zu, also einen Spitznamen, um möglichst unerkannt Fußball zu spielen. Also wirklich ein Pseudonym, unter

00:46:52: dem sie dann in Fußballvereine eingetreten sind, um nicht erkannt zu werden. Es ist für uns, die wir ja auch relativ viel historische

00:46:58: Recherchen betreiben und immer versuchen, irgendwie mehr rauszufinden über die Leute, die zu der Zeit Fußball gespielt haben. Finde ich

00:47:05: auch ganz interessant, weil man ja dann quasi, also manchmal gibt's da wirklich so Namen die tauchen auf, wo man denkt, so hieß der doch nicht wirklich. Und

00:47:11: jetzt mit dieser Hintergrundinformation, dass sich die Leute tatsächlich Pseudonyme teilweise zugelegt haben, um Fußball zu spielen. Ja,

00:47:17: es ist einfach für die Recherche interessant, jetzt nicht so sehr für die Zuhörer:innen dieses Podcasts, aber für mich war das sehr interessant. Wenn es da dann welche gegeben hat, die spaßeshalber

00:47:25: sich für jedes Spiel einen neuen Namen zugelegt haben, dann wird man die ja nie mehr nachvollziehen können wahrscheinlich. Grandios, klingt für mich ein bisschen

00:47:31: brasilianisch, dass man also quasi so einen Künstlernamen hat. Allerdings haben die dann versucht, dass es so üblichen Namensmustern dann

00:47:37: da genügt. Ich erinnere mich nur dunkel, dass ich mal irgendwann gelesen habe, dass ein Spieler

00:47:44: ich weiß nicht, ob er bei Altona gespielt hat (Victoria, Anm.d.Red.), der Garrn hieß mit Doppel-R, Garrn und

00:47:50: dann irgendwann im Verlaufe der Berichterstattung er dann Garrn, in Klammern (eigentlich Ehlers).

00:47:57: Man macht es den Historiker:innen auf jeden Fall nicht leicht, diese Spieler zu identifizieren. Die Fußballer kämpften nicht

00:48:03: nur gegen das Turn-Establishment und die Schulen und die reaktionären Turnlehrer, sondern auch die Kirchen störten sich daran,

00:48:09: dass Fußballspiele vor allem am heiligen Sonntag stattfanden und mit großem Lärm verbunden waren. Das

00:48:15: war dann quasi eine Entehrung des heiligen Sonntages für viele Kirchenvertreter. Und außerdem wurde

00:48:21: die knappe, leichte Kleidung der Fußballer als Verletzung der Sittlichkeit angesehen. Hmm, ok. Auch

00:48:27: hier wieder eine Parallele zu fußballspielenden Frauen. Ich wollte gerade sagen. Wobei ja mehr als die Knie

00:48:33: eigentlich auch nie frei waren, wenn man so alte Bilder sich anguckt, aber das war dann schon genug. Das war genug, Knie waren tabu.

00:48:41: Knie zeigen war nicht sittsam. Auch die Hamburger Tagespresse bekämpfte den

00:48:48: neuen Sport quasi durch Missachtung. Die allermeisten Blätter berichteten in der Anfangszeit so gut wie gar nicht über Fußball.

00:48:54: Unter Sport verstand man da eher Turnen, Rudern, Radfahren und Pferderennen. Und

00:49:00: was man auch dazu sagen muss ist, dass es relativ früh spezielle Sport-Zeitungen gab, die über Fußball berichtet

00:49:06: haben, die sind heute sehr, sehr schwer zu finden. Deshalb an dieser Stelle nochmal der Appell, wenn Ihr einen

00:49:12: ganzen Stapel Fußball-Fachzeitschriften von 1905 zufällig im Keller habt, würden wir uns sehr

00:49:19: freuen, wenn Ihr uns die zur Verfügung stellt. Auf jeden Fall, 1906 ginge auch. Wir würden auch 1907 nehmen. Wir würden auch

00:49:25: 1918, 1919 und 1920 nehmen. Weiter im Programm: Eine

00:49:32: einzige staatliche Stelle gab es, die von Anfang an das Potenzial des Fußballs erkannte. Könnt Ihr Euch vorstellen, welche

00:49:38: das war? Eine staatliche Stelle? Der Deutsche Fußballbund kann es ja noch nicht gewesen sein. Der war nicht staatlich. Die Schulbehörde?

00:49:50: Das Landwirtschaftsministerium? Nein, das waren natürlich die Militärbehörden, die stellten sogar

00:49:56: Exerzierplätze für Spiele zur Verfügung und führten Spielrunden und Meisterschaften für Soldaten ein. Und es kam natürlich nicht von

00:50:02: ungefähr, weil auf eine Sache konnten sich Turnen und Fußballer zur Jahrhundertwende definitiv einigen, wer sich durch Sport fit

00:50:08: hält, kann das Vaterland besser verteidigen und das Vaterland verteidigen ist extrem wichtig. So,

00:50:14: auf nach St. Pauli. Im Hamburg-St. Pauli Turnverein, den wir eben schon mal kurz angesprochen hatten,

00:50:21: von 1862, das war der Vorläuferverein des FC St. Pauli, gründete sich im April

00:50:27: 1896 eine erste Spielabteilung. Ob damals auch schon direkt Fußball gespielt wurde, lässt

00:50:33: sich heute nicht mehr so genau sagen. Fest steht, dass die Spielabteilung anfangs so wenig Zulauf erhielt, dass sie sich bereits kurze Zeit später

00:50:39: wieder auflösen musste im September desselben Jahres. Und dann gab es 1899 einen zweiten Anlauf. Und die

00:50:46: Protokolle der Spielabteilung aus der Zeit, die wir im Archiv haben, was ein ganz großer Schatz ist, ich glaube Michael Pahl hat

00:50:52: die damals dem Turnverein abgerungen. Ja, das war so im Zusammenhang mit den Vorbereitungen und

00:50:58: Recherchen fürs Jubiläumsbuch, hat Michael mit Jörn Kreuzer da recherchiert. Vielen Dank auch noch mal dem Hamburg-St. Pauli Turnverein, dass

00:51:04: wir das durften. Ja, weil das ist wirklich ganz wertvoll, gerade aus der Zeit, wo es noch nicht so viel Berichterstattung gab. Aber wie

00:51:10: gesagt, wir haben diese Protokolle, wir haben sie transkribiert und können daraus sehr viele wertvolle Informationen entnehmen. Zum Beispiel

00:51:17: die Information, dass ab 1899 mehr oder weniger regelmäßig Fußball

00:51:23: trainiert wurde, nicht gespielt im Sinne von Wettspielen gegen andere Teams, aber trainiert. Wettspiele

00:51:30: gegen andere Mannschaften gab es erstmals 1907. In der Chronik zum 125. Bestehen des Turnvereins

00:51:37: steht, dass die neu gegründete Spielabteilung "zunächst im Verborgenen lebte und

00:51:43: von den Mitgliedern als nicht vollwertig angesehen wurde". Dazu kann man vielleicht

00:51:49: ein paar Zitate aus diesen Protokollen, die Celina eben erwähnte mal, also was das Verhältnis

00:51:56: der Fußballer oder der Spielabteilung eben mit dem eigentlichen Turnverein angeht. Also da finde ich ein paar Sachen ganz

00:52:02: interessant, also als Beispiel schon 1900 ein Eintrag, da ging es darum "Der Antrag,

00:52:08: dem Turnrate", das ist also dann die Vereinsführung in etwa des Turnvereins, der Turnrat,

00:52:14: war ein ganz wichtiges Gremium. "Der Antrag, dem Turnrate nahe zu legen, statt der mehreren Schauturnen ein Turn-

00:52:21: und Spielfest aller Abteilungen unseres Vereines auf dem Heiligengeistfeld zur Ausführung zu bringen, wird vom Antragsteller Reese

00:52:27: zurückgezogen, weil er aus dem Gange der heutigen Verhandlungen zu erkennen glaubt, dass unser Verein für solche galoppierende

00:52:33: Fortschrittsidee nicht empfänglich ist." Also, das ist dann schon so etwas resignierend hört sich das an.

00:52:39: Das ist also erst 1900, da ging das ja gerade erst los. Wenn man also ein paar Jahre

00:52:46: weiter guckt, da sind wir nämlich schon 1910, also kurz bevor offiziell auch Fußball gespielt wird

00:52:52: dann. Da eine Sitzung, da legt ein Herr Bitterauf "sein Amt als Schriftwart nieder,

00:52:58: da der Turnrat den Spielausschuss in keiner Weise anerkennt und ihm in jeder Weise die größten Schwierigkeiten bereitet

00:53:04: und der Kreisausschuss seine Berichte einfach nicht abdruckt." Also auch ein etwas frustrierter Herr augenscheinlich.

00:53:10: Und was ich dann noch sehr interessant war, es gab augenscheinlich auch eine Ringer-Abteilung im Turnverein.

00:53:18: Und für diese Ringer-Abteilung berichtet ein Herr Wohlgehagen "dass dem Vorstand durch die fortgesetzten

00:53:24: Hindernisse, welche ihm von seiten des Turnrats in letzter Zeit in den Weg gelegt worden sind, eigentlich das Vereinsinteresse

00:53:30: abgeschwächt worden ist", also auch da in dieser Ringer-Abteilung war die Stimmung nicht besonders gut, aber "durch die Vereinigung der

00:53:36: beiden Abteilungen verspricht er sich einen besseren Erfolg gegenüber den Angriffen des Turnrats." Also da ging es dann wohl um eine Vereinigung

00:53:42: der Ringer- und Spielabteilung um eben gegenüber diesem Turnrat eine stärkere Stimme zu haben. Also insofern,

00:53:49: das Vereinsleben war nicht so richtig harmonisch augenscheinlich in jener Zeit. Nee, da gibt es auch noch ein Zitat aus der Chronik

00:53:56: zum 50. Vereinsjubiläum des FC St. Pauli, da heißt es dann auch, Zitat, "die

00:54:02: Turnrats-Mitglieder, zumeist in Ehren ergraut, zeigten wenig Verständnis für die modernen Mannschaftsspiele.

00:54:08: Gewöhnt an eiserne Riegen-Disziplin war ihnen das in ihren Augen ungeordnete

00:54:14: Herumrennen der Fußballer zuwider." Ja, also Thomas hat ja auch gerade schon ein paar schöne Beispiele gebracht.

00:54:21: Es war definitiv so, dass es in der Anfangszeit immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Spielabteilung und dem Turnrat kam.

00:54:27: Und ich hab noch ein Zitat mitgebracht aus dem Protokoll des Spielabteilung, aus denen Thomas ja eben auch schon zitiert

00:54:34: hat, und zwar von 1904 ist eine Beschwerde überliefert vom Turnrats-Vorsitzenden Professor Doktor

00:54:40: Hermann Hahn, also Turnen war sehr bürgerlich. Ich zitiere: "Dann

00:54:46: machte der erste Vorsitzende Achilles bekannt, dass dem Turnrat einiges in unserer Spielabteilung nicht gefällt, und erteilt

00:54:52: unserem Vereinsvorsitzenden Professor Doktor Hermann Hahn, welcher deshalb in unserer Versammlung erschienen ist, das Wort.

00:54:58: Professor Hahn hält eine längere Rede über das Spielen und sagt u.a. aus, dass das Spielen unter dem jetzigen Spielausschuss

00:55:05: zu einer Spielerei ausartet und überhaupt keine Ordnung mehr bei den Spielen herrscht etc. und

00:55:12: alles dieses früher nicht vorgefallen ist", also das klassische früher war alles besser Argument. Schon

00:55:18: 1904 war früher alles besser. Nach fünf Jahren Fußball gab es dann also schon

00:55:24: die ersten nostalgischen Sehnsüchte nach dem guten Fußball der 1899er-Jahre. Das kann man ja

00:55:31: heute gut auf der Tribüne bringen, kein Einsatz mehr, aber 1899, da war das noch. Ich glaub,

00:55:37: da ging das eher um die schönen Zeiten ohne Fußball, so würde ich das verstehen. Definitv ja. Früher war alles geordnet

00:55:43: und diszipliniert bevor die Fußballer kamen. Jetzt kommt quasi der Skandal im Skandal. Zur Beschwichtigung

00:55:50: das Turnrates wird dann in derselben Sitzung quasi ein neuer Turnratsnaher Vorsitzender für die Spielabteilung gewählt,

00:55:56: ein gewisser Robert Havelberg. Und dieser, so heißt das auch in diesem Protokoll, ältere

00:56:02: Herr nimmt sich vor, in der Spielabteilung aufzuräumen und Ordnung und Disziplin herzustellen. Was ihm offensichtlich nicht gelingt,

00:56:08: weil sich wenige Sitzungen später auf einmal der Punkt "Auflösung der Spielabteilung von Seiten des Turnrates" auf der Tagesordnung

00:56:14: befindet. Der Turnrat habe "beschlossen, die Spielabteilung als Unterabteilung aufzulösen, da in der Abteilung fortwährend

00:56:21: Streitigkeiten vorkämen." Das geht wirklich gar nicht. Und das sagte dann also aber der Vorsitzende der Spielabteilung, richtig? Genau, der ja gerade

00:56:27: neu gewählt wurde, um Ordnung und Disziplin wieder herzustellen und dann folgten anscheinend Auseinandersetzungen, die laut Protokoll, Zitat,

00:56:34: "ins Persönliche" übergingen und deswegen nicht im Wortlaut wiedergegeben wurden. Da ging's dann hoch her.

00:56:41: Am Ende einigte man sich auf jeden Fall darauf, den Turnrat um eine schriftliche Stellungnahme zu bitten und die kam dann auch.

00:56:47: Und aus der ging dann relativ klar hervor, dass der Herr Havelberg, also der neu gewählte Vorsitzende der Spielabteilung,

00:56:53: den Turnrat selbst darum gebeten hatte, die Spielabteilung aufzulösen. Und er begründet diesen Schritt damit, dass

00:56:59: er bei jedem Versuch Ruhe und Anstand herzustellen von den Spielern nur, Zitat, "dumme Antworten" erhalten habe.

00:57:06: Und er hat dann einfach selbständig beschlossen, die Spielabteilung aufzulösen. Es wird dann laut Protokoll wieder

00:57:12: "persönlich". Sehr schön. Ja, so intrigenmäßig also wirklich ganz gut mit dabei, muss man sagen.

00:57:18: 100 Jahre in der Vergangenheit ist also genauso frisch wie das Intrigenwesen um die

00:57:24: Jahrtausendwende. 125 Jahre nichts geändert. Genau, Fußball war nicht immer toll, aber Intrigen 1A.

00:57:31: Die Spielabteilung hat dann eine Kommission zusammengestellt, die dann mit dem Turnrat noch mal verhandeln sollte über die Auflösung der Spielabteilung und

00:57:38: in dieser Sitzung mit dem Turnrat kamen dann Havelbergs, Zitat, "wahre Beweggründe" zutage und er wurde als

00:57:44: Vorsitzender der Spielabteilung abgesetzt. Also kein Robert-Havelberg-Platz auf dem Heiligengeistfeld. Nein, eher nicht.

00:57:50: Genau, diese Auseinandersetzung ist natürlich und

00:57:56: das belegt das ja auch, was Thomas vorhin schon vorgelesen hat, exemplarisch für sehr, sehr viele Streitigkeiten zwischen der Spielabteilung und dem Turnrat.

00:58:02: Aber mit zunehmender gesellschaftlicher Akzeptanz und Popularität des Fußballs wurden diese

00:58:09: Konflikte weniger. Spätestens 1909 wurde Fußball quasi hoffähig durch den Hohenzollerischen

00:58:15: Kronprinz Wilhelm von Preußen, der stiftete den Kronprinzen-Pokal, also

00:58:21: einen Fußballpokal. Und im selben Jahr stellten die Fußballer des Hamburg-St. Pauli Turnvereins einen Antrag auf Aufnahme

00:58:27: in den Norddeutschen Fußballbund. Das war jetzt auch kein Zufall, dass es in dem Jahr passiert ist. Ab

00:58:33: 1910 erlaubte die Deutsche Turnerschaft gegen erbitterte interne Widerstände die Teilnahme der Fußballabteilungen

00:58:40: ihrer Mitgliedsvereine an Wettbewerben des DFB. Hauptsächlich aus Angst, dass die

00:58:46: Fußballabteilungen sich abspalten und zum DFB überlaufen könnten. Wer erkennt die Parallele

00:58:52: zu meiner letzten Geschichte? Ja, da ging es ja darum, dass

00:58:58: eventuell die fußballspielenden Frauen einen eigenen Verband gründen und da der DFB dann doch lieber das selber in der Hand haben

00:59:04: wollte, hat man dann den Frauen wieder erlaubt in den Vereinen Fußball zu spielen. Genau, also der DFB

00:59:11: wurde dann quasi auch nochmal von seiner eigenen Vergangenheit eingeholt. Im Frühjahr 1910 wurde die Spielabteilung

00:59:17: des Turnvereins dann auch in den Norddeutschen Fußballverband aufgenommen und 1910/1911 war die erste Saison,

00:59:23: in der die Fußballer des Turnvereins am geregelten Spielbetrieb teilnehmen konnten. Deswegen ist 1910

00:59:30: heute das offizielle Gründungsjahr des FC St. Pauli. Und natürlich auch das Jahr, nachdem der Betreiberverein

00:59:36: des FC St. Pauli-Museums benannt ist. Auch sozusagen die klare Begründung, warum gefühlt jede

00:59:42: Veranstaltung im Kontext des FC St. Pauli um 19:10 Uhr anfängt. Was ja gar nicht stimmt, das ist auch etwas, über das wir uns auch gerne mal eine

00:59:48: ganze Folge lang unterhalten können. Ich finde ja die 19:10 Uhr tatsächlich ganz praktisch, weil z.B. unsere Mitgliederversammlung

00:59:55: es historisch so ist, dass wir um 19 Uhr schlicht und einfach meistens noch irgendwas vorzubereiten haben und deswegen passt das

01:00:02: halt sehr gut. Deswegen finde ich es sehr rücksichtsvoll, dass es nicht der FC St. Pauli von 1900 ist. Aber das ist auch in anderen Vereinen so,

01:00:08: ich habe das schon öfter mal gesehen. Beispielsweise bei 1860 München, wo dann wirklich zu 18:60 Uhr eingeladen wird statt zu

01:00:14: um 19 Uhr. Also das werden auch andere Vereine mit entsprechenden Jahreszahlen so machen. Beim HSV fangen die Veranstaltungen 18:87 Uhr an wahrscheinlich.

01:00:20: Das ist möglich, das habe ich noch nicht so gelesen, aber möglich ist alles. Wobei ja tatsächlich der Hamburg-St. Pauli Turnverein, um nochmal ganz

01:00:26: tief in die Mottenkiste zu greifen, ja auch noch einen Vorgänger hat, der von 1852 war. Und ich deswegen, wenn es

01:00:33: so richtig darum geht, wer so richtig, richtig alt ist, ich diese Küken da drüben vom Volkspark oder so nicht

01:00:39: ganz ernst nehmen kann, weil wenn, dann wären wir schon der FC St. Pauli von 1852 und pünktlich acht Minuten vor

01:00:46: 19 Uhr beginnen wir dann also unsere Versammlungen. Vielleicht machen wir das als coole Menschen, die wir sind, einfach in Zukunft genau so. Um die

01:00:52: Mottenkiste noch weiter aufzureißen, worauf Christoph sich bezieht. Weiter als ich, ich bin erschüttert. Dass der Hamburg-St. Pauli Turnverein sich aus wie gesagt zwei Vereinen zusammengesetzt hat, das wurde damals

01:01:05: möglich durch den Fall der Torsperre zwischen der Stadt Hamburg und der

01:01:11: damaligen Vorstadt St. Pauli, die dann irgendwann auch noch mal Hamburger Berg hieß. Also können wir eigentlich nur froh sein, dass wir

01:01:17: heute nicht der FC Hamburger Berg sind. Den es ja durchaus gibt. Übrigens

01:01:23: mit Morike Sako. Also, da sind die Verbindungen da, der spielt da bis heute beim FC Hamburger Berg.

01:01:29: Da muss man natürlich aufpassen, Morike Sako in Sendung über Skandale genannt, aber da wollen wir natürlich nur ganz deutlich sagen, absolut

01:01:35: nichts einzuwenden. In Klammern, kein Skandal. Fürs Protokoll. Wir reisen

01:01:41: ins Jahr 1924, wo ist dann zur sogenannten "Reinlichen Scheidung" zwischen den Turnern und den Fußballern kam. Die

01:01:48: Deutsche Turnerschaft verbot den Spielabteilungen die Doppelmitgliedschaft im DFB und in der Deutschen Turnerschaft, das

01:01:55: heißt, man musste sich entscheiden. Und die meisten Fußballabteilungen der Turnvereine entschieden sich dafür, im DFB

01:02:01: zu bleiben und verließen dann die Turnvereine und das hat

01:02:07: auch der FC St. Pauli gemacht. Aber ja, ich sag es jetzt gleich, ich musste die Seite weiterscrollen.

01:02:13: Der Turnverein, der ja dann anscheinend noch 20 Jahre früher verzweifelt versucht hat,

01:02:19: die Fußballer loszuwerden, war 1924 schon so weit, dass er die Fußballer nicht gehen lassen wollte. So sehr nicht gehen

01:02:25: lassen wollte, dass er sich mit der Deutschen Turnerschaft anlegte und zusammen mit dem ETV kurzzeitig sogar ausgeschlossen

01:02:31: wurde. Also der ETV hat sich auch dagegen gewehrt, die Fußballabteilung gehen zu lassen. Genau, die haben es sogar auch durchgezogen,

01:02:38: die sind also länger gesperrt gewesen. Aber es gibt ein Buch über den ETV von dem ja hier auch nicht ganz

01:02:44: unbekannten Folke Havekost wo dann, Zitat eben zu diesem Thema Deutsche Turnerschaft und

01:02:50: Scheidung. Große Turbulenzen gab's da und dann, Zitat, "gemeinsam mit dem ebenfalls

01:02:56: renitenten", wohlgemerkt, "St. Pauli Turnverein wurde Eimsbüttel am 18. September 1924

01:03:02: aus der Deutschen Turnerschaft ausgeschlossen." Also insofern auch von

01:03:08: fremder Seite durchaus belegt, dass es da mittlerweile einen Gesinnungswandel scheinbar gab im

01:03:14: St. Pauli Turnverein. In der Chronik zum 25-jährigen Vereinsjubiläum des FC St. Pauli heißt

01:03:21: es, Zitat, "1925", das stimmt nicht, das war 1924, wie ich eben

01:03:27: gesagt habe, aber in der Chronik steht "1925 erzwingt die Deutsche Turnerschaft die Trennung zwischen Turnern und Sport.

01:03:33: Unser Stammverein, der ursprünglich mit uns auf Biegen oder Brechen gleich dem Eimsbütteler

01:03:39: Turnverband kämpfen wollte, fügte sich der Deutschen Turnerschaft und wir mussten aus dem Hamburg-St. Pauli Turnverein scheiden.

01:03:45: Wir nennen uns nun FC St. Pauli von 1910 e.V. Yeah! Kenn ich.

01:03:52: Ja, sehr schön auch dahin geleitet. Immerhin bis heute gehalten. Das

01:03:59: stimmt und renitente Menschen haben natürlich das ein oder andere ausgegründet. Christoph, wollen wir

01:04:05: zu Deinem Thema kommen? Die passt tatsächlich auch gut zu den renitenten Fans der Amateure, die

01:04:11: Du letztes Mal vorgestellt hast, insofern wer da angefangen hat zu hören, wird einige Namen auch wiedererkennen und auch Konfliktlinien,

01:04:18: die hier weitergezogen werden. Es gibt noch so viele

01:04:24: tolle Geschichten, die man auch erzählen könnte zu Skandalen, aber ich erzähl jetzt mal nichts zum Bauskandal der 1960er oder Aufsichtsrat

01:04:30: versus Corny Littmann oder Hoyzer-Schnitzler-Wettskandal, das

01:04:37: ist übrigens ein schöner Zungenbrecher, wenn Ihr es mal probieren möchtet. Sondern ich gehe halt in das Jahr oder in die Saison 1995/96

01:04:44: zurück. Freut Euch an dieser Stelle auf Skandale am Millerntor, Teil 2, 3, 4,

01:04:50: 5, 6 und 7. Wie wir es schon zu Beginn gesagt haben, Skandale kann der FC St. Pauli gut, wie wir jetzt

01:04:56: schon an zwei Beispielen und jetzt am dritten Beispiel auch noch hören werden. Vermutlich, mal schauen, es dauert einen kleinen Moment bis der eigentliche Skandal

01:05:02: losbricht, so wie das hier in meinen Notizen ist. Jedenfalls möchte ich Euch mitnehmen nach

01:05:08: 95/96, schon erzählt. War eine ganz schöne Zeit. Januar 1996, nach der Hinrunde

01:05:14: stand der FC St. Pauli auf Platz Neun, und das nicht in der dritten, nicht in der zweiten, nein in der ersten Bundesliga

01:05:20: und das als Aufsteiger. Also muss man wirklich sagen, sportlich sehr schöne Situation. Wir erinnern uns kurz an

01:05:26: den wunderbar chaotischen Aufstieg mit 5:0 gegen Homburg 1995, das können wir ein anderes Mal noch

01:05:32: erzählen. Also es ist halt Januar, es ist Hamburg und da hatte doch jemand die Idee, die viele Fußballteams

01:05:39: auch schon gehabt hatten, vielleicht trainieren wir woanders. Hier in der Variante andalusische

01:05:45: Sonne statt gefrorener Boden. Leider hat in der Frühzeit des Internet wohl niemand auf einem geeigneten Wetter- oder

01:05:51: Reiseportal nachgeschaut. Denn auf die Frage, wann regnet es in Andalusien, heißt es heute: Zwischen

01:05:57: November und Februar kann es in Andalusien schon mal feucht zugehen, dann regnet es recht häufig.

01:06:04: Nun hat man also diese Möglichkeit, dann hat man noch eine relativ lange Winterpause, dann hat man die Reise eben aber ja

01:06:10: doch gebucht und deswegen nehme ich euch jetzt mal mit in die Hölle von Chiclana. Ja,

01:06:18: also, gut aufgelegte Kiezkicker kamen da unter einem Hotel, soweit toll, fünf Sterne. 'Playa la Barrosa', das

01:06:25: heißt heute 'Hipotel', was ich sehr schön finde und auch hip finde, 'Barrosa Park'. "Ein Urlaubsparadies mit

01:06:31: wunderschön angelegten Gärten und ansprechendem Ambiente. Neben speziellen Ermäßigungstarifen für Golfer

01:06:37: bietet unser Hotel eine Vielzahl von anderen Sportaktivitäten." Diese Gratiswerbung habe ich auch deswegen eingefügt,

01:06:43: weil das Hotel vom FC St. Pauli insgesamt nicht allzu viel Liebe bekommen hat. Ich bin dort selber noch nicht gewesen und ich erwarte

01:06:49: mir auch keine Einladung, aber hey, vielleicht einfach mal was nettes über 'Playa la Barrosa' erzählen, dachte ich mir ist zum Einstieg ganz nett. Ich

01:06:55: habe mir das Ganze hier ein bisschen zurechtgelegt in zwanglos bildungsbürgerlicher

01:07:02: Manier nach der Grundstruktur des aristotelischen Dramas. Ach was? Drunter

01:07:08: machen wir es ja sowieso nicht und deswegen erster Akt: "Die Warnung". Zu jeder guten Gruselgeschichte gehört eine Warnung.

01:07:14: Der Geist von Hamlets Vater, die alte Seherin, die warnt, nicht im Spukhaus zu übernachten, sowas. Und genau diese

01:07:20: Rolle übernimmt nun hier Andi Brehme, damals 1. FC Kaiserslautern, ein Verein der ebenfalls in die

01:07:26: gleiche Ortschaft in Andalusien gereist war. Masseur Wolli Wollmann, der damals mit dabei war,

01:07:33: erinnert sich in unserem Zeitzeugeninterview: "Weil Kaiserslautern war schon da, als wir ankamen und dann saßen wir am

01:07:40: Abend mit denen noch zusammen, auch mit Brehme und der sagte 'Ihr könnt abreisen, das bringt doch gar nichts hier'."

01:07:46: Guter Start. Ja, wunderbarer Start, wenn man da ankommt und total

01:07:52: desillusionierte Fußballer in der Lobby sitzen und ich glaube Schalke 04 war irgendwie auch schon abgereist.

01:07:58: Der FC St. Pauli aber blieb und er versuchte tatsächlich

01:08:04: auch erstmal das Beste draus zu machen. In einer Zeit übrigens, die wirklich aus heutiger Sicht ein bisschen fremd ist, wenn man sich

01:08:10: die Zeitungen der Zeit anguckt. Das habe ich dann nämlich auch einmal gemacht um mal zu sehen, was stand denn da so zu diesem Thema. In einer

01:08:16: typischen Hamburger Zeitung, hier also dem 'Abendblatt', da ging es viel um z.B. den HSV-Präsidenten

01:08:22: Uwe Seeler, ein Idol stößt an seine Grenzen. Ich hatte das gar nicht mehr auf dem Zettel, dass da

01:08:28: tatsächlich Uwe Seeler diese schwierige Rolle eingenommen hatte. Es wurde dann auch gestritten, ob Leo Manzi eine Vertragsverlängerung

01:08:34: bekommen sollte und Bernd Hollerbach damals vom FC St. Pauli zum HSV gewechselt, war ein sehr großes Thema.

01:08:41: Mit dem Umweg Kaiserslautern. Ich wollt es gerade sagen, ein halbes Jahr Kaiserslautern lag da aber zwischen, das

01:08:47: war kein direkter Wechsel. Aber hat natürlich trotzdem dann für Aufmerksamkeit gesorgt, als er wieder zurück nach Hamburg kam, aber eben zum HSV wechselte.

01:08:53: War das "Ho-Ho-Hochverrat"? Genau das. Absolut. Es gab alles, Schmähgesänge Aufkleber, Banner,

01:08:59: also da gingen die Emotionen wirklich absolut hoch. Persona Non Grata. Also auch ein Skandal in sich.

01:09:05: Ansonsten aber eine Zeit, sportlich sah das ganz gut aus, Holler-Bashing war so die Neben-Sportart. Der

01:09:12: FC St. Pauli bestach durch Hallenzauber beim Ratsherrn-Cup. Carsten Pröpper, Mittelfeld-Regisseur,

01:09:18: wird zum besten Spieler des Turniers gewählt, also Carsten Pröpper, sehr guter Fußballer. Die Mannschaft ist also dann

01:09:24: auch abgebildet mit einem Riesenpokal, wo ich mich frage, warum haben wir den eigentlich nicht? Wo ist dieser Pokal? Da kann man wirklich mehrere Kleinkinder drin unterbringen.

01:09:31: Ein Hallenpokal, da muss man einen Anbau machen. Wir haben einen Ratsherrn-Cup im Archiv,

01:09:37: der ist allerdings von 1994. Auf jeden Fall, wenn ich mir Zeitungsfoto angucke, größenmäßig noch

01:09:43: verdreifacht. Auf Badewannengröße? St. Pauli-Typisch, es gab wohl damals auch so eine richtige Serie und so weiter.

01:09:49: Die haben wir natürlich nicht gewonnen, aber jedenfalls da beim Ratsherrn Cup haben wir wirklich auch den anderen Hamburger Verein weit

01:09:55: hinter uns gelassen, der wurde nur Vierter und z.B. gegen Spartak Moskau,

01:10:02: haben wir gewonnen, und zwar sogar mit sieben Toren, nicht

01:10:08: ganz schlecht. Gute Zeit sportlich, konnte eigentlich nur noch besser werden. Und jetzt noch so ein richtig schön lange

01:10:14: Winterpause, das ist so ein bisschen auch Erinnerung an die aktuelle Zeit. Jetzt gab es die ja mit dieser merkwürdigen WM und damals

01:10:20: war die Pause halt auch sehr lange. Der 17. Spieltag war am 10.12. zu Ende und erst Anfang Februar

01:10:26: sollte dann wieder Fußball gespielt werden. Deswegen konnte man so schön viel Hallenfußball spielen und deswegen konnte man auch so schön im Trainingslager spielen.

01:10:33: Deswegen wurde auch beschlossen, Trainingslager keine fünf Tage, keine sechs Tage, nein, zwölf Tage. Es

01:10:40: sollten zwölf Tage werden, die den Verein erschütterten. Also das war der erste Akt "Die

01:10:46: Warnung". Jetzt kommt im zweiten Akt in jedem guten Drama nach Aristoteles eine

01:10:52: Steigerung, ich überschreibe dieses Kapitel mit "Hubschrauber her", das habe ich aus der Presse. Im

01:10:58: Abendblatt wurde auch so eingeleitet "Alle Reisenden glauben, dass sie unterwegs sind ins bessere Leben. Nur fort von den

01:11:04: bekannten Plätzen, wo alles so ausgelaugt ist. In der Ferne soll alles schöner sein, in Ordnung." Aber

01:11:12: ja, Ihr habt ja eben schon gehört wie Andi Brehme die Hamburger dann also empfing, als sie dann da ankamen. Und

01:11:18: es war halt schlicht und einfach so, Andalusien hin oder her, Spanien hin oder her, es hat die ganze Zeit geregnet.

01:11:24: Die Abreisen häuften sich also, Schalke, Kaiserslautern hatten wir schon gehört. Der

01:11:31: FC St. Pauli versuchte aber tatsächlich das Beste draus zu machen. Uli Maslo war laut Presse

01:11:37: nach Begehung des Geländes dennoch zufrieden. Kennerzitat hier Uli Maslo: "Der

01:11:43: Rasenplatz hat eine Drainage", das wurde hier beim Millerntor nicht immer so gemacht. Hat er da nicht auch so einen Witz über das Ertrinken gemacht. Das

01:11:51: kam dann etwas später, weil die Drainage vielleicht doch nicht ganz so gut funktioniert hat. Aber so insgesamt fing das ganze eigentlich relativ

01:11:57: happy an und man fragt sich, wo soll denn hier jemals ein Skandal draus werden? Sie machten einen Test gegen den CS Lebrija, glaube

01:12:03: ich aus der vierten spanischen Division. 1.000 Zuschauer, eine uniformierte Kapelle, die gleich viermal die

01:12:09: deutsche Nationalhymne intoniert. Die mitgereisten Fans werde begeistert gewesen sein. Viermal hält besser. Absolut, es

01:12:16: gab sogar einen eigens abgegrenzten VIP-Bereich und während des Spiels gab dann also ein livrierter Butler, der lief da rum

01:12:22: und der kredenzte den Leuten dann Sherry. Der Platz, so meinten alle, sei überraschend gut bespielbar. Aber

01:12:28: das war ja auch nicht der Platz in Chiclana, wo das eigentliche Trainingslager stattfand. Also man hat sich da am Anfang bei

01:12:34: der Ankunft wirklich alle Mühe gegeben, sich das Ganze so einigermaßen zurechtzurücken. Mannschaftsarzt Benckendorff

01:12:40: erzählte zum Beispiel dem Fernsehen damals, dem Sender 'Hamburg1": "Die können trainieren, sie dürfen froh sein, dass sie

01:12:46: trainieren können, denn in Deutschland kann man überhaupt nicht trainieren. Sie können hier laufen auf dem Rasen. Torleute können fliegen auf dem Rasen, also insofern ist es

01:12:53: eigentlich ganz in Ordnung. Noch nicht so blau, es ist ein bisschen dunkelblau, aber nicht hellblau." Ok, die Farbenlehre, auch

01:12:59: sehr wichtig. Absolut, sehr viel blau da drin. Er blickt, muss man dazu sagen, in diesem Fernsehbericht nach oben. Gemeint

01:13:05: ist also der Himmel, nicht etwa die neuen Vereinsfarben. Ja, aber tatsächlich der Trainingsplatz war wirklich

01:13:11: immer noch nass und jetzt wird es langsam so ein ganz klein bisschen absurd. Man

01:13:17: hat halt im Fernsehen gesehen, dass gerade Atletico Madrid unter derselben Problemlage leidend einen

01:13:24: Hubschrauber benutzt hat, um den Platz mit dessen Rotoren trocken zu föhnen. Nein, echt?

01:13:30: Ja und wenn der FC St. Pauli sich was abguckt, dann natürlich nur bei den besten. Bei Atletico Madrid. Dann bei

01:13:36: Atletico Madrid, Barcelona, so diese Kategorie. Haben sie dann also tatsächlich ohne

01:13:42: Witz gemacht. Anfang dritter Akt "Das Grauen". "Aber tatsächlich, der Hubschrauber kam und so etwas

01:13:48: hatte man noch nie gesehen. Wie ein Föhn sollte die aus Sevilla eingeflogene Maschine den Rasen trocken blasen und schwebte

01:13:54: somit über 45 Minuten über dem nassen Grün hinweg." Der Präsident

01:14:00: überwachte die Arbeiten selbst, schrieb das Hamburger Abendblatt. Er bezahlte die Arbeiten angeblich auch selbst. Es wurden

01:14:07: dann so um die 6.000 Mark Kosten kolportiert, ob das nun gestimmt hat oder nicht, schwer zu sagen. Für einen

01:14:14: Hubschrauber schon günstig. Ja, aber ich glaube auch Heinz Weisener hat allmählich so seine Felle auch

01:14:20: wegschwimmen sehen, im wahrsten Sinne des Wortes, weil halt so allmählich traten auch so die ersten Lagerkoller-Fälle auf. Die Leute

01:14:26: hatten ja auch alle keine vernünftigen Videospiel-Stationen zu dieser Zeit. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, gab es den Gameboy damals

01:14:32: schon? Wo sind wir, '95? Das weiß ich nicht so genau, ich glaube da war ich schon

01:14:38: zu alt dafür. Ich hatte einen. Ich hatte keinen, möchte ich dazu sagen, deswegen weiß ich das auch. Jedenfalls

01:14:44: war es dann eben halt so, die Spieler waten dann beim Testspiel gegen Genf trotz Helikopter

01:14:50: durch knöcheltiefes Wasser. Die Bilder sehen fantastisch aus dazu, es spritzt wirklich. Und das Spiel bei der letzten Endes beim

01:14:56: Stand von 1:0 für St. Pauli abgebrochen, aber Trainer Maslo verkündet trotzdem "Wir bleiben hier". Obwohl

01:15:03: also wirklich mehrere Spieler so sagen. Ja, wollen wir nicht langsam mal? Nein, wir bleiben hier.

01:15:09: Die Zeitungs-Schlagzeilen kippen auch so langsam, das ist jetzt also dann nicht mehr Vorfreude, sondern Heimweh nach St.

01:15:15: Pauli. Trainer Maslo wird gefragt, ob er hier noch einmal trainieren würde? "Nur wenn ich die Sportart wechsele", und meinte

01:15:22: damit vermutlich Wasserball. Ganz interessant ist, dass am 31. Januar dann also

01:15:28: die Schlagzeile vorne beim Abendblatt nicht irgendwie FC St. Pauli geht unter oder etwas Lustiges, sondern "Energie am Millerntor". Es

01:15:35: ist ja auch so eine Geschichte, die ja auch bekannt ist, das gerne mal über Stadionbaupläne erzählt wurde, wenn es anderweitig

01:15:41: schlecht lief. Und so gab es dann also eine große Geschichte über die Stadionbaupläne, während nebenan bei

01:15:47: der 'taz' die Headline "Wasserspiele" über genau dieses Genf-Spiel erzählt.

01:15:54: Dieser Lagerkoller den Du da erwähnst, der kommt ja auch in einigen TV-Berichten dieser Zeit zutage.

01:16:00: Dass die Spieler sich da über einiges beklagen, über eben schlechtes Wetter, man kann nichts tun, außer drin zu sitzen. Nicht mal trainieren geht

01:16:06: richtig und dann ist das Essen auch noch schlecht und, und, und. Also da ging einiges wohl schief auch in der Stimmung

01:16:12: dann des Ganzen. Sagten die Spieler, wobei halt die Frage, ob das Essen schlecht war, oder nur schlecht ausgewählt war

01:16:18: und das Buffet in Wirklichkeit hervorragend war, das müssen wir dieser Stelle offen lassen. Ist ja auch eine Geschmackssache letztlich. Ist nämlich möglich,

01:16:24: der FC St. Pauli setzte sich nämlich über die Buffet-Empfehlung hinweg und bestellte stattdessen irgendwie Steak und das war

01:16:30: dann vielleicht auch nicht unbedingt die Stärke der Küche oder wie auch immer. Jedenfalls sagten die Spieler, sie fühlen sich da

01:16:37: nicht so richtig wohl und das lief so nicht so richtig. Dann kippte die Presse auch wieder zurück, vierter Akt trotzdem

01:16:43: "Krise? Welche Krise?" Dramenkenner:innen werden wissen, jetzt kommt das retardierende Moment, ein

01:16:49: bisschen Verzögerung. Also während das 'Abendblatt' titelt "Risse im St. Pauli-Gefüge" und noch mal zusammenfasst,

01:16:56: wir sind jetzt kurz vor der Abreise, "Zum ersten Mal seit zwölf Tagen blieb der Himmel fast frei von Wolken", behauptet

01:17:03: Martin Driller auch noch "Das einzig Positive war die Stimmung in der Mannschaft." Wie Thomas schon völlig richtig sagte, in den Fernsehberichten

01:17:10: kam das durchaus anders rüber und auch schon zu Berichten, die damals schon ausgestrahlt wurden, also während des Trainingslagers. Aber

01:17:16: der Bericht vom 'Abendblatt' trotzdem, wenn du das liest, denkst du ja ok, hat ein bisschen Knatsch gegeben, weil die sich auf die Nerven gegangen sind zusammen auf dem

01:17:22: Zimmer. Aber das 'Abendblatt' porträtiert Maslo eher so als lockeren Typen, der "gerne mediterranes" isst und,

01:17:29: auch eine schöne Episode, die Spieler spontan zum Burger bei einer großen Fast-Food-Kette einlädt. "Selbst,

01:17:35: dass er kein Geld dabei hatte, störte den Trainer nicht." Finde ich auch geil, ich gebe auch am liebsten Leuten etwas aus, wenn ich überhaupt kein Geld hab.

01:17:42: Das hat mich gar nicht gestört. Ah, sorry Portemonnaie vergessen. Noch besser, nicht nur Portemonnaie vergessen, sondern

01:17:48: sie gingen dann tatsächlich hin zu diesem Imbiss und dann war doch der Imbiss zu. Der lockere Uli hat mal so

01:17:54: richtig einen Burger ausgegeben. Das hat dann die Stimmung sicherlich auch super befördert. Absolut, um die Stimmung im Team habe

01:18:00: Maslo sich aber trotzdem gekümmert. Zitat: "Maslo bemühte sich ... so zum Beispiel mit einem erlaubten

01:18:07: Frustsaufen in der Hotelbar." So viel zu diesem Zeitpunkt zu diesem Thema. Das war dann auch wahrscheinlich das, was

01:18:13: Driller mit der guten Stimmung in der Mannschaft meinte. Vermutlich, aber jedenfalls, das war halt der vierte Akt und alle fragen sich natürlich, fünfter

01:18:19: Akt, da kommt doch immer die Katastrophe? Genau! Moment der letzten Spannung und Lösung, das ist dann der fünfte

01:18:25: Akt. Also wer sich gefragt haben sollte, wo denn jetzt bitte der Skandal bleibt. Aus der Hamburger Presse verschwindet das Thema tatsächlich erst mal kurz,

01:18:31: aber das Trainingslager hat ein Nachspiel. Wer die letzte Sendung von uns gehört hat, weiß ja, es gab zwischen Trainer Maslo

01:18:37: und Manager Wähling auch schon sehr lange Spannungen, auch was Kompetenzfelder anging. Da hat auch tatsächlich während des

01:18:43: Trainingslagers im Regen von Chiclana der Präsident dann noch durch ein längeres Dokument versucht zu regeln. Hat wohl nicht so richtig geklappt,

01:18:50: denn am 13.02., also zehn Tage nach der Rückkehr aus dem Trainingslager, tritt Manager Jürgen

01:18:56: Wähling vor die Kameras und kündigt an, seinen Vertrag nicht mehr zu verlängern. Am 30.06. sei

01:19:02: Schluss. Er sagte selber damals "Ich kann mich nicht identifizieren mit dem

01:19:09: FC St. Pauli, wenn Menschen entwürdigt werden." Ja, also da muss schon einiges passiert sein. Man fragt sich jetzt natürlich, nachdem

01:19:15: was Ihr so gehört habt, das war das was die meisten Menschen in Hamburg dann über dieses Trainingslager wussten, was hat er denn? Und

01:19:22: das haben sich natürlich dann auch die Fans gefragt, die im Fanzine 'Übersteiger' versucht

01:19:28: haben also ein bisschen mehr über den Verein zu erzählen, als man in den üblichen Quellen bekommt. Und die hatten

01:19:34: damals auch schon den Eindruck gewonnen, auch über die Geschichte mit den Amateuren, die wir ja auch schon erzählt haben, dass also tatsächlich

01:19:40: Jürgen Wähling oft eine überproportional schlechte Presse hatte. Und dass der auch insgesamt

01:19:46: jetzt in der Presse oft schlechter rüberkam und da gab es also was glatt zu ziehen. Zumal

01:19:53: jetzt auch schon erste andere Geschichten in der Presse dann irgendwie kursierten. Aber wieder mal das Wetter spielte

01:19:59: hier also ein Stück Mediengeschichte oder erzeugte das. Denn ein Spiel gegen Freiburg wurde abgesagt und

01:20:05: der 'Übersteiger' konnte deswegen sein eigentlich schon fertiges Heft noch um eine "Extrawurst", so hieß

01:20:11: das dann so schön damals, erweitern. Also um einige Extraseiten. Thomas wird also natürlich jetzt hier gleich reingrätschen, wenn

01:20:18: ich das erzähle. Ja ja, also das ist richtig, das kann man dem Heft ja auch ansehen, wenn man es aufschlägt heute.

01:20:24: Das war sozusagen geschenkte Zeit durch die Verlegung dieses Spiels und

01:20:31: ein vierseitiges Extrablatt wurde dann noch geschrieben und gedruckt und dann vor allen Dingen händisch

01:20:37: eingelegt in die, was hatten wir damals? 3.000, 3.500 Auflage, das war natürlich auch noch eine gewisse Arbeit. Aber

01:20:44: das Wichtige war natürlich der Inhalt, denn in der Zwischenzeit haben wir von einem mitgereisten

01:20:51: Fan, der bei diesem Trainingslager dabei war in Chiclana, einen Reisebericht bekommen, also einen Gastartikel, was ja

01:20:57: nicht ungewöhnlich war. Aber in diesem Gastartikel kam halt so einiges vor, was er dann neben dem

01:21:03: schlechten Wetter auch beobachtet hat und das wird sicherlich Christoph jetzt noch zum Thema machen, weil darum

01:21:09: geht's ja jetzt. Also die Schlagzeile, die der 'Übersteiger' für seine Extrawurst wählte lautete die nicht umsonst "Der Knall".

01:21:17: Einleitung zitiert nochmals, der Quasi-Rücktritt von Manager Jürgen Wähling in der vergangenen Woche für

01:21:23: immensen Trubel gesorgt habe und den Verein in eine der schwersten Krisen der vergangenen Jahre

01:21:29: gestürzt hätte. Und wenn man dann also in diesem Tagebuch

01:21:36: auch nachschaut, wer sich denn gefragt hat, was hat denn der Herr Wähling? Man findet vorher auch schon Einleitungen,

01:21:42: dass also da mehr passiert sein muss, doch trotz Nachfragen, so der

01:21:48: 'Übersteiger', erfuhr man nur die Spitze des Eisberges wie z.B. die Story im

01:21:54: Reisebericht. Also das heißt, der Reisebericht, da gabs wahrscheinlich sogar noch noch

01:22:00: mehr. Aber wenn man mal in den einstieg, dann findet man z.B.: "Vierter Tag, in

01:22:06: diesem Zusammenhang ist auch das Verhalten unseres stolzen Trainers Maslo zu erwähnen." Mit

01:22:13: Stolz, das ist eine Anspielung, dass Maslo im Fernsehen mal von sich gegeben hat er sei stolz Deutscher zu sein. Das hat er

01:22:19: später versucht zu begründen, hat aber natürlich für einigen Unmut gesorgt. Also "in diesem Zusammenhang ist auch das Verhalten unseres stolzen Trainers

01:22:25: Maslo zu erwähnen, der dem guten Image unseres Vereins grobe Kratzer zufügt, indem er unter

01:22:31: anderem das Restaurantpersonal gängelt oder sogar dermaßen anpöbelt, weil

01:22:37: ihm irgendwas nicht passt oder es wie vielleicht in Deutschland üblich nicht alles 100% perfekt

01:22:44: zu geht." Also das schon mal ein Zitat aus dem Tagebuch. Später

01:22:50: wird nochmal bestätigt, dass also die Regenfälle schon schwierig waren mit Servette Genf

01:22:56: und so weiter, dieser Tag, Ihr erinnert Euch noch, 1:0, dann Abbruch - "bis ein heftiger Platzregen

01:23:02: zum Abbruch führte. Am Abend hatte die Mannschaft so eine Art Frustsaufen, das am Anfang ziemlich

01:23:08: nett war, aber übertrieben wurde. So urinierte ein Spieler, in Klammern C. Pröpper, im besoffenen

01:23:15: Zustand einfach an die Palme in der Hotelbar. Nicht die feine englische Art." Und

01:23:22: entsprechend ging's dann also mit gemischten Gefühlen nach Hause, so der 'Übersteiger'-Bericht. Einerseits mit positiven Eindrücken, aber andererseits

01:23:28: was den Trainer angeht auch negative Eindrücke und dass also das Verhalten dann

01:23:34: doch wirklich nicht so gewesen sei, wie man sich das vom FC St. Pauli erwartet hätte.

01:23:40: Ja, da war's dann also raus, damals dummerweise nicht mit

01:23:46: Pseudonym unterwegs die Leute, also, das wird jetzt vermutlich nicht Chrysostomos Pröpper gewesen sein

01:23:52: oder so, sondern das war dann Carsten Pröpper. Problem war halt jetzt Thomas,

01:23:59: eigentlich ging es ja damals, wenn man die Ausgabe hat, ist es glasklar, um die Kritik. Hier gibt es tiefergreifende Probleme,

01:24:05: die werden unter den Teppich gekehrt. Da wird nicht drüber gesprochen, da hat sich die Mannschaft überhaupt nicht vernünftig verhalten. Aber

01:24:12: wirklich diskutiert wurde wahrscheinlich etwas anderes, oder Thomas? Ja, das war dann noch wieder ein Wetter-Problem, wenn

01:24:18: man so will, weil nämlich auch das angestrebte Nachholspiel gegen Freiburg war das in dem Fall, auch noch ein weiteres

01:24:25: Mal dem Wetter zum Opfer fiel und dann auch die Ausgabe mit diesem Extrablatt eben auch nicht verkauft werden konnte. Aber

01:24:31: das Thema mittlerweile nun auch aufgrund des Rücktritts von Jürgen Wähling natürlich trotzdem schon mal grundsätzlich in der Presse

01:24:37: war. Dass da auf jeden Fall was passiert sein muss in diesem Trainingslager und Teile daraus eben

01:24:43: dann auch in anderen Medien zu finden waren. Nämlich unter anderem auch damals in der 'Sportbild' wohl oder auch in 'Welt', 'Abendblatt'

01:24:49: und so weiter. Aber, weil das ging ja noch weiter dieses Extrablatt, weil das Ganze ist

01:24:56: am Ende nämlich mit dem Artikel mit der Überschrift "Maslo Raus!" geendet sozusagen. Sprich,

01:25:02: wir haben uns dafür ausgesprochen, das Ganze eben ein bisschen größer zu ziehen und eben nicht nur zu sagen,

01:25:08: ja blöd gelaufen und man könnte sich da vielleicht mal entschuldigen und dies und das. Sondern die gesamte Haltung von Maslo

01:25:14: hat uns eben dazu geführt, auch z.B. in dieser Kooperation oder eben Nicht-Kooperation

01:25:20: mit Jürgen Wähling, aber auch viele andere Sachen. Und eben sein Verhalten, das ist sicherlich das auch, was Jürgen

01:25:26: Wähling meinte mit dem entwürdigenden Verhalten. Wie er sich gegenüber zum Beispiel dem Hotelpersonal verhalten hat

01:25:32: und so weiter. Und diese ganze Sache hat uns eben zu diesem "Maslo Raus!" inspiriert möchte ich sagen. Und

01:25:38: genau das war natürlich dann in der Presse zu lesen, verkürzt "Übersteiger oder Fanmagazin fordert Entlassung

01:25:45: des Trainers, weil ein Spieler an die Palme gepinkelt hat", mal verkürzt gesagt. Das war überhaupt nicht

01:25:51: das Thema, steht auch in den Artikeln. Das kann allen mal passieren. Alles nicht schlimm. Macht ihn

01:25:57: eher sympathisch, aber erstens dann sollte man auch dazu stehen, also das Ganze nicht vertuschen und schlicht

01:26:04: lügen. Und zweitens natürlich, es geht uns ums große Ganze und nicht, dass ein Spieler mal

01:26:10: ein Bier zu viel trinkt. Sondern es geht darum, wie sich der Verein darstellt, wie der Trainer sich darstellt, wie sich Teile der Mannschaft darstellen und

01:26:16: das war das Thema. Und das war das einzige Thema eigentlich, nur natürlich in den Medien kam nur raus, wir

01:26:24: scheißen Pröpper an weil er an die Palme pinkelt so, und das war natürlich nicht das Thema eigentlich. Dazu haben wir

01:26:30: auch nochmal zwei O-Töne aus der Zeit dann auch aus einem Fernsehbericht. Also, das fängt an mit Carsten Pröpper

01:26:36: und geht danach über zu Hendrik Lüttmer, damals Fan und in der 'Übersteiger'-

01:26:43: Redaktion. Hier erstmal das Statement von Carsten Pröpper, der natürlich auch gefragt wurde, was ist denn da los gewesen?

01:26:49: "Ja gut, ich war natürlich erschreckt, weil ich den Abend genau im Kopf habe, dass einige Spieler da waren, dass der

01:26:55: Präsident da war, Trainer, Presseleute waren da, wir haben zusammen an der Bar gesessen. Ich glaube, wenn es so passiert wäre,

01:27:01: wie es in den Zeitungen gestanden hat, dann hätten die Jungs neben mir alle feuchte Füße bekommen", so Carsten Pröpper,

01:27:08: der übrigens auch bis zum heutigen Tag jetzt nichts Genaues dazu gesagt hat. Aber die Geschichte muss man sagen

01:27:14: dann, das war für ihn damals nun sicherlich auch kein Spaß. War natürlich dumm, aber will mal dann auch nicht in der Zeitung lesen, wenn man

01:27:20: betrunken Mist baut. Hendrik Lüttmer währenddessen, also auch im selben Fernsehbericht versucht eben das Ganze

01:27:26: wieder vom gederailten, ist ja quasi total entgleist die Geschichte, von der Palme wieder zurück

01:27:32: auf die eigentliche Sache zu bringen. Zitat Lüttmer: "Wir hatten nichts dagegen, dass Carsten Pröpper an die Palme pinkelt.

01:27:38: Wir hatten was dagegen, dass Vorfälle angeblich stattgefunden haben, die dann hinterher von Jürgen Wähling

01:27:44: als menschenverachtend oder wie auch immer beschrieben wurden. Und am nächsten Tag wurde Jürgen Wähling als Lügner beschimpft und nichts hätte

01:27:50: stattgefunden. Das ist das Hauptproblem, das steht auch in der Zeitung drin. Nicht das An-die-Palme-Pinkeln, das kann jedem mal passieren. Aber dann soll man dazu auch stehen." Tatsächlich unter einem

01:27:57: NDR-Beitrag im Januar, weil die Winterpause war so lange, da hat der NDR das ganze übrigens auch noch mal wieder ausgegraben auf Facebook. Da hat

01:28:03: dann ein Michael Pröpper, ich gehe mal davon aus der Bruder von Carsten, da drunter gepostet einen Kommentar "Carsten

01:28:09: Pröpper, bin stolz auf Dich", Foto darunter von einem facepalmenden Husky oder sowas, jedenfalls ein Hund, ich kenne mich da nicht so

01:28:16: aus. Woraufhin Carsten Pröpper antwortet "Michael Pröpper: Fake News, Anzeige

01:28:22: ist raus", aber jetzt dann Schreibe-emoji und Tränenlach-

01:28:28: emoji, Totenkopf-emoji. Also hier glaube ich blinzelt schon so ein winziges

01:28:35: bisschen vielleicht ist da ja doch was gewesen durch. Wir haben natürlich auch unsere

01:28:41: Zeitzeugen gefragt. Ich hoffe, Carsten gibt uns auch noch ein Interview, dazu sind wir noch nicht gekommen, den haben wir bei uns noch nicht auf der

01:28:47: Festplatte. Dirk Dammann versucht es sehr diplomatisch: "Also ich war dicht dabei so vom

01:28:53: Zeitpunkt her, aber ich war dann nachher als es passierte nicht zugegen.". Entweder

01:28:59: schon im Bett oder nicht mehr Herr seiner Sinne. Dirk Dammann war so quasi der, der

01:29:09: einfach am wenigsten vertragen hat oder war er der, der vernünftigerweise gesagt hat, ich bin Fußballprofi, ich lege

01:29:15: mich dann mal hin. Ich würde tendenziell sagen, Dirk Dammann wirkt für mich als sehr korrekter, sehr kontrollierter Mensch und

01:29:21: ich würde sagen wahrscheinlich, Dirk Dammann ist einfach schon im Bett gewesen. Wahrscheinlich. Nicht im Bett dagegen war Masseur Wolli Wollmann,

01:29:27: der ja wahnsinnig viel Vereinsgeschichte aus erster Hand auch miterlebt hat und der in Chiclana auch ordentlich, glaube

01:29:34: ich, Verspannungen wegzumassieren hatte und der redet, muss man wirklich schonungslos sagen, der redet Klartext: "Ich hab gesehen, wie er da hingepinkelt hat.

01:29:41: Aber du kannst ja in dem Moment nichts machen, weil es ist schon passiert. Drehst dich dann weg und hoffst, dass es keiner gesehen hat. Das war ja die Zeit, die haben die Sporttaschen nicht voll Klamotten gehabt,

01:29:53: sondern voll Bier, wenn sie ins Trainingslager gefahren sind, das war die Zeit doch."

01:29:59: Sehr bodenständig alle. Ja, das war die Zeit doch. Wolli spricht Klartext. Ganz eindeutig und ich finds gut.

01:30:05: Die Sporttaschen müssen damals auch deutlich stabiler gewesen sein, also nicht dieses dünnmaschige Funktionszeug. Gutes Bodeninlay gehabt.

01:30:11: Und auch überhaupt, Dosen gab's dann, sonst Bierflaschen, die klappern ja doch sehr

01:30:17: viel auffälliger, also Bierdosen sind akustisch besser zu transportieren. Uli Maslo,

01:30:23: der sich ja gegenüber dem Personal so danebenbenommen hat, den haben wir natürlich auch gefragt, wie

01:30:29: war denn das, Herr Maslo? "Ich hätte mich im Trainingslager, ich war ein sehr sachlicher Trainer, ich war

01:30:35: mit Herzblut bei der Sache und ich soll da Dinge gemacht haben, die vereinsschädigend waren oder nicht

01:30:42: gut gewesen sind? Nein, das geht nicht." Also ganz klares Dementi von Uli

01:30:48: Maslo. Es gab dann aber auch noch eine Sache und das ist dann wohl das was dann in dem Drama so ein bisschen

01:30:54: so die auch wieder beruhigende Lösung dann vielleicht wäre, jedenfalls ein Stück weit. Immerhin, am

01:31:01: 14.03. macht es sozusagen DingDong an der Tür der 'Übersteiger'-Redaktionssitzung

01:31:07: und warst Du damals dabei, Thomas, kannst Du dich erinnern, wer da gekommen ist? Da war ich dabei, ich muss aber auch

01:31:13: sagen, was ich am Anfang schon mal sagte, mir ist es jetzt wieder eingefallen, als ich das gelesen habe, muss ich sagen. Genau, da tauchte nämlich

01:31:19: mich tatsächlich Uli Maslo auf, weil das hatte er auch zugesagt im Laufe dieser ganzen Diskussion, die es nach diesem ganzen Skandal

01:31:26: und unserer Rücktrittsforderung gab. Da müssen wir mal reden, so nach dem Motto und das

01:31:32: hat er wirklich gemacht. Also ich erinnere mich ehrlich gesagt nicht mehr ganz genau, wie da so jetzt das Gespräch jetzt verlief, aber dass er

01:31:38: da auf einmal vor der Tür stand und nicht mal alleine. Sondern die Herren Mazingu-Dinzey und Sobotzik waren auch noch in

01:31:44: seinem Schlepptau und, was das Schönste war eigentlich, wie er da reinkam "Ich halte Wort, Männer".

01:31:51: Man kann es sich wirklich bildlich und auch akustisch vorstellen, wie er da dann auf einmal im

01:31:57: Raum stand im Fanladen ja damals. Hatte er seine blaue Reusch-Trainingsjacke an? Das bin ich mir nicht sicher, ob

01:32:03: er die auch abends getragen hat. Das war ja immer Donnerstag abends die Redaktionssitzung im Fanladen damals in der Thadenstraße.

01:32:09: Aber nee, also wie gesagt, das ist ja noch viel später als jetzt die Geschichte von Dir Christopher

01:32:15: oder noch länger her. Daher also nee, also Modetipps kann ich dir jetzt nicht mehr geben dazu. Also

01:32:22: Sprachtipps von Uli Maslo auch mit Sicherheit ganz sicher nicht, also er liebte ein knorriges Vokabular, das darf man schon mal sagen. Da

01:32:29: also auch in Fernsehberichten sind das immer die Burschen bei ihm in der Mannschaft, sind die Burschen. Aber mit den beiden Burschen

01:32:35: Mazingu-Dinzey und Sobotzik war dann also immerhin beim 'Übersteiger' und hat dann das Gespräch auch gesucht, muss man ihm

01:32:41: immerhin auch anrechnen. Für den 'Übersteiger' war das natürlich eine wahnsinnig aufregende

01:32:47: Zeit und das sieht man dann auch in der nächsten Ausgabe, noch mal ganz kurz noch mal so das Resümee, bei Thomas hat man es ja auch schon anklingen gehört.

01:32:53: Ganz viele Leserbriefe da drin, die Diskussion wird zusammengefasst, also wirklich auch lohnende

01:32:59: Lektüre, kann man gar nicht alles erzählen, aber hier kurz aus dem Artikel "Mit Tritt in die Eier oder wenn Kritik zur Waffe

01:33:05: wird": "Als wir den ÜS zum ersten Mal gegen Freiburg zu Hause verkauften, kamen Leute und sagten 'Euch kaufe ich nicht mehr'.

01:33:11: Diese hatten ihr Wissen um die Maslo-Nummer offensichtlich den Medien entnommen, welche zum Teil haarsträubende Verzerrungen unserer

01:33:18: Standpunkte wiedergaben. Es gab anonyme Anrufe mit Beschimpfungen und Gewaltandrohungen, auch eine sehr

01:33:24: elegante Art mit unterschiedlichen Ansichten umzugehen." Dann werden noch viele Beispiele weiter zitiert und dann

01:33:30: zieht der 'Übersteiger' mit, man kann es durchaus verstehen, gestresstem Frust würd ich mal sagen, dann Bilanz:

01:33:36: "All denjenigen die so kritisieren, können wir nur lauthals zurufen. Kauf den

01:33:42: 'kicker' oder die Stadionzeitung 'pauli', dann bekommt ihr Hofberichterstattung ohne Kritik, aber dann

01:33:48: behauptet bitte nicht länger, Ihr geht zu St. Pauli, weil sich die Fans dort nicht alles gefallen lassen."

01:33:54: Gut gesprochen 'Übersteiger' würde ich sagen. Ja, das war also wirklich

01:34:01: ich glaube auch eine Sache, die die etablierten Medien wahrscheinlich auch ziemlich von den Füßen geholt hat, weil sie mit dieser neuen

01:34:07: Form der Öffentlichkeit nicht gerechnet hatten. Ganz schnell noch mal, das Ganze hat dann noch

01:34:13: eine Pointe, die ich noch kurz erzählen will. Natürlich wollte der FC St. Pauli im nächsten Winter alles besser

01:34:19: machen und viel, viel skandalfreier und aus heutiger Sicht ist das echt schon ziemlich skurril weil: Man wünscht sich im Winter

01:34:25: 1996/97 ein regen- und skandalfreies Trainingslager und reist auf dringende

01:34:31: Empfehlung des Cheftrainers nach ... Katar! Aus heutiger Sicht vollkommen. Das war mir auch neu tatsächlich. Tatsächlich,

01:34:39: selbst die 'taz' hat ein fiktives Interview geschrieben mit irgendwie dem

01:34:45: "Wüstenfuchs mit dem Kassengestell", was angeblich der Ehrenname von Uli Maslo übersetzt gewesen

01:34:51: sei in Katar, der war da wirklich mal Nationaltrainer und so kam die Verbindung zustande. Für ihn sehr bequem, er machte

01:34:57: da seinen Urlaub und danach ging es dann direkt ins Trainingslager. Und auch die 'taz' hat also da keine Kritik an

01:35:03: Katar geäußert, das war irgendwie da noch nicht auf dem Radar der deutschen Öffentlichkeit so

01:35:10: richtig angekommen. Interessant an der Episode ist ja auch, wenn ich das richtig erinnere, das noch glaube ich Maslo

01:35:16: dem 'Übersteiger' vorgeworfen hätte, die Information an die 'Bild-Zeitung' weitergegeben zu haben, ist das

01:35:22: richtig? Den genauen Zeitablauf, der ist mir auch nicht mehr ganz da, aber auf jeden Fall gab es Berichte in der Presse, unter anderem

01:35:28: in der 'Sportbild', obwohl wir noch gar nicht erschienen waren, obwohl wie gesagt, dann eben viele Menschen hier ihr Wissen

01:35:34: oder ihr Wissen über unsere Artikel nur aus der Boulevardpresse hatten. Das ist aber

01:35:40: definitiv, wir haben mit Sicherheit nicht vor Erscheinen unseres Heftes irgendwelche Sachen weitergegeben und erst recht nicht an

01:35:46: die 'Sportbild'. Das wäre also ziemlich absurd zu denken. Interessant daran finde ich ja in so

01:35:52: einem größeren Rahmen, wenn man überlegt, dass so die ersten Fanzines, die auch wirklich über den Verein berichtet haben,

01:35:58: so Anfang der 90er stattgefunden haben. Und die Sportpresse quasi ja gar

01:36:04: kein anderes Bild kannte, also außer das was wir schreiben ist das, was zum Fan oder zu den Fans

01:36:10: durchdringt. Und das erste Mal und das ist ja auch, Christoph, was Du schon meintest, so ein Beispiel für die Berichterstattung beim FC St.

01:36:16: Pauli. Auf einmal gibt es Menschen, die auch journalistisch zum

01:36:23: Teil auch geschult sind, die auch schreiben können, die auch Insiderinformationen haben und eben eine andere Darstellung

01:36:29: liefern. So dass die Sportpresse eben nicht mehr schreiben kann, was sie will, was ja auch oft auch immer

01:36:35: mit ihren Seilschaften, mit den damaligen Funktionären ja auch zu tun hatte. Also wie die 'Bild' ja, oder die 'Sportbild'

01:36:41: öfter mal gesagt hat, "wenn wir wollen" zu gewissen Trainern, "wenn wir wollen, bist Du in drei Wochen weg."

01:36:47: Du warst ja auch immer sehr abhängig davon als Verein und auch als Einzelspieler, als Trainer, dich gut mit der

01:36:53: Presse zu stellen. Und die Presse hat dann ja quasi auch, oder nicht die Presse, sondern in dem Fall deutsche Sportpresse zu der Zeit,

01:36:59: ja auch davon profitiert. Absolut, also das ist sicherlich auch ein Punkt

01:37:05: gewesen wie Du schon sagtest, also auf St. Pauli gab es ab 1989 das erste vernünftige

01:37:12: Fanzine 'Millerntor Roar!' und dann eben ab 1993 unter anderem den 'Übersteiger'. Aber

01:37:18: auch in anderen Städten nach und nach gerade in dieser Zeit wurden immer mehr vernünftige gute Fanmagazine veröffentlicht,

01:37:26: eröffnet und das ist sicherlich auch in anderen Standorten so gewesen, dass dann auf einmal da

01:37:32: so diese Fan-Journalisten, nennen wir es mal so, auf einmal auch dabei waren und mitgemischt haben

01:37:38: und ihre Sicht der Dinge und auch natürlich Interviews geführt haben. Natürlich auch heute ist ja auch sogar bei Interviews

01:37:44: von Fanmagazinen dann irgendwo der Pressesprecher oder die Pressesprecherin dabei bzw. guckt sich die Interviews vor Veröffentlichung

01:37:50: an. Das war damals natürlich überhaupt noch nicht der Fall. Da konnte man sich, wenn man wollte, mit irgendwelchen Spielern treffen und dann hat man halt das gedruckt,

01:37:57: was die gesagt haben mehr oder weniger und das ist sicherlich was Neues gewesen.

01:38:03: Gerade für dann etablierte Menschen, die in der Sportpresse gearbeitet haben, für die war es sicherlich neu auf

01:38:09: einmal dann so. Es war vielleicht auch manchmal eine gute Informationsquelle für Infos, die sie nicht hatten mit Sicherheit,

01:38:15: aber eben auch durchaus eine Art von Konkurrenz. Vielleicht keine monetäre Konkurrenz, aber eben eine Wissens-

01:38:22: Konkurrenz oder Deutungshoheits-Konkurrenz. Gegenöffentlichkeiten nannte man das ja auch. Die 'taz'

01:38:29: z.B. war ja auch eine linke Zeitungsgründung, die auch eine Gegenöffentlichkeit darstellen sollte oder noch

01:38:35: etwas bekannter das Cuxhavener Stadtmagazin 'die Spitze'. Selbstverständlich. In welchem ich meine ersten Zeilen geschrieben hatte. Wer kennt

01:38:42: es nicht? Das sollte auch eine Gegenöffentlichkeit sein. Tatsächlich war es aber damals auch so dann, halt so manche Geschichten konnten dann nicht mehr so unter

01:38:48: der Decke gehalten haben, die Cuxhavener Nachrichten bekamen auch wenig später einen viel besseren Chefredakteur. Nicht wegen

01:38:54: der 'Spitze' wahrscheinlich aber naja, ich wollte die einmal kurz hier gebracht haben. Also

01:39:00: diese Gegenöffentlichkeitssache und dass halt die klassische Gatekeeper-Funktion der Medien so nicht mehr funktioniert hat, irgendwas ungeheuer modernes

01:39:06: auch. Also das erinnert sehr an die Art und Weise, wie Social Media heute funktionieren und gefürchtet werden und

01:39:12: das fand ich auch an dieser Geschichte ebenso interessant. Und eben nicht nur gewisse botanische

01:39:18: Details. Interessant aber darin auch neben diesem Medienaspekt finde ich auch,

01:39:24: dass sozusagen auch da die Fanszene des Vereins sich in

01:39:31: deinem Fall, also in dieser Chiclana-Geschichte, nicht instrumentalisieren lässt, aber trotzdem so als eine Art mittlerweile

01:39:37: dann schon Big Player im diesem Vereinskosmos auftritt. Also das im

01:39:43: Guten wie im Schlechten. Könnte man jetzt sagen, dass in diesem Falle der 'Übersteiger'

01:39:50: als Korrektiv funktioniert hat, während das bei der anderen Geschichte mit Iyodo, die Christopher erzählt hatte, nicht

01:39:56: funktioniert hat? Ja eben weil es Stephan Beutel so gut geschafft hatte, sich frühzeitig persönliche Kontakte zu

01:40:02: sichern. Von Menschen, die sich da gar nicht mehr vorstellen können, dass der nette Stephan sowas macht. Es ist 2002 eine komplett andere Medienlandschaft, da

01:40:08: hat sich ja wirklich alles noch mal deutlich verändert. Auch eine andere Fan-Landschaft

01:40:14: und auch eine andere Vereinsgremien-Landschaft nenne ich es jetzt mal. Also auf vielerlei Ebene, also

01:40:21: als Beispiel: 1996 hatten wir noch keinen Aufsichtsrat, 2002 hatte wir schon den, weiß ich nicht vierten oder so. Also

01:40:27: so Sachen, also da ist wirklich, in diesen Jahren ist wirklich sehr, sehr viel passiert. Jetzt

01:40:33: nicht nur in dem sportlichen Bereich, sondern auch gerade im Drumherum. Und oft ist eigentlich gar nicht

01:40:39: der Skandal selber die große Geschichte, sondern die auch gesellschaftlichen wie die politischen

01:40:46: Zusammenhänge. Das hat man ja auch bei Celina sehr gut gesehen, die Menschen haben ja nichts

01:40:52: anderes gemacht als Fußball gespielt und wurden damit zu Skandalnudeln. Das war einfach auch

01:40:58: auf jeden Fall ein klassischer Generationenkonflikt. Also die wilden jungen Jugendlichen,

01:41:04: die einen neuen Trend aufgegriffen haben und Fußball spielen wollten und die alten Turner, das Establishment,

01:41:10: was sich dagegengestellt hat. Ist ja auch quasi eine Geschichte so alt wie die Menschheit vermutlich. Früher war alles

01:41:16: besser. Die Früher war alles besser-Fraktion. Ja genau, ich meine die Turner, also

01:41:23: das Turnen in Deutschland war auch eine ganze Zeit verboten. Es gab die sogenannte Turnsperre, da waren es die jungen Turner,

01:41:29: die so als Umstürzler verschrien waren und sogar verboten wurden quasi. So

01:41:36: ändern sich die Zeiten. Umsturz natürlich immer sehr, also was sie wollten ist die deutsche

01:41:42: Einheit, als Deutschland noch aus Fürstentümern bestand. Ich mache jetzt noch einen Gerhard Delling: apropos

01:41:49: Umsturz, bevor uns jetzt die Hörer nach zwei Stunden Podcast umstürzen, hören

01:41:55: wir lieber auf, denn Ihr wollt ja alle auch noch Zeit haben, um vielleicht Eure Meinung in eine Bewertung zu gießen. Machts aber nur, wenn es viele

01:42:01: Sterne sind, sonst schaltet das algorithmisch. Gegenöffentlichkeit, wie war das nochmal? Das steht ja im 'Übersteiger'

01:42:07: wahrscheinlich, wenn das alles hier völliger Humbug war. Vielen Dank fürs Zuhören und das

01:42:14: Schlusswort würde ich aber lieber dann wieder übergeben, dann wirds besser. Vielen Dank, das war die zweite Folge

01:42:20: von FCSP Geschichte(n), das n in Klammern. Ich hoffe, wir hören uns nächsten Monat

01:42:26: wieder. Wenn Ihr Anregungen, Fragen oder was auch immer habt, schreibt uns. Alles

01:42:32: steht in den Shownotes, unsere Quellen. Ihr könnt selber noch mal nachverfolgen, die Geschichte der Turner, die Pinkel-

01:42:38: Palmen-Affäre, am Tisch mit Waffenhändlern. Viel Spaß und vielen Dank. Ciao, tschüss, tschüss.

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