#17 Am Ende des Regenbogens: Der FC St. Pauli und das Geld

Shownotes

Der FC St. Pauli steckt seit seiner Gründung in finanziellen Schwierigkeiten. In der 17. Folge FCSP-Geschichte(n) erzählen Celina, Christoph und Christopher drei Episoden aus der braun-weißen Seifenoper "Schlechte Zeiten, Schlechte Zeiten". Es geht um Zigarillo rauchende Patriarchen, verpasste Fristen und Sauftourismus. Außerdem erklärt Celina das Wort "Liquiditätsunterdeckung".

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00:00:00: So, wir laufen übrigens auch schon. Ich hoffe Ihr seid fit,

00:00:04: seid Ihr, habt Ihr alles, müsst Ihr euch noch mal kurz sammeln?

00:00:08: Nein. Nein. Nicht sammeln? Ich fühle mich fit. Wer sagt hallo und

00:00:12: Willkommen im? Das macht Christoph, Christoph kann ja

00:00:15: vielleicht auch kurz noch sagen, dass wir zurück sind aus der

00:00:19: nicht angekündigten Sommerpause. Alles klar. Sehr gut. Und bitte.

00:00:28:

00:00:33:

00:00:37:

00:00:41:

00:00:48: Hallo und willkommen bei FCSP Geschichte(n), das n in Klammern,

00:00:52: dem Podcast des FC St. Pauli- Museums. Wir sind zurück aus der

00:00:55: nicht angekündigten und natürlich viel zu langen

00:00:58: Sommerpause. Alle von unseren Sommersitzen, braun gebrannt.

00:01:03: Und ja, freuen uns jetzt auf Euch. Dabei sind auch dieses Mal,

00:01:06: zu meiner Linken. Celina. Gegenüber. Christopher. Zu meiner

00:01:10: Rechten. Thomas. Und ich, Christoph, hallo. Moin Moin, ja wer neu

00:01:14: dabei sein sollte, kann ja sein, dass man uns neu entdeckt, weil

00:01:18: wir ja so lange nicht da waren. Wir haben in jeder Folge ein

00:01:22: Schwerpunktthema, zu diesem Schwerpunktthema gibt es drei

00:01:25: Geschichten und wenn diese drei Geschichten in irgendeiner Weise

00:01:29: Ergänzungsbedarf haben, dann hat unser Don't Call him

00:01:32: Schiedsrichter, Thomas

00:01:34: immer, dass Mandat zum Faktenchecken und tatsächlich

00:01:37: hat Thomas so viel FCSP- Geschichte erlebt, dass unsere

00:01:40: Hörer*innen wissen, dass nicht ganz selten die interessanteste

00:01:44: Geschichte dann irgendwie doch von Thomas kommt. Also gibt es

00:01:47: oft ne verkappte Vierte.

00:01:49: Ist so so weit glaube ich richtig dargestellt, oder? Thomas stand

00:01:53: schon 1910 mit Zylinder hinterm Tor. Absolut, es gibt Fotos

00:01:56: davon und ich beneide ihn, wir beneiden ihn alle, also niemand

00:02:00: hat so viel FCSP-Geschichte mitgemacht wie Thomas. Das

00:02:03: Wissen ist geblieben der Zylinder leider ist im Laufe der

00:02:06: Jahrzehnte verschwunden. Wer ihn auf seinem Dachboden findet,

00:02:10: bringt ihn uns. Ihr wisst, wir haben ein Archiv. Das gilt ja

00:02:13: auch generell, spannende Sachen gerne bei archiv@1910-museum.de

00:02:17: melden.

00:02:18: Oder auch größere Barguthaben, die Ihr nicht braucht, denn Ihr

00:02:21: wisst ja, wir sind als Museum unabhängig vom, aber in

00:02:24: Partnerschaft mit, dem FC St. Pauli. Heißt, wir finanzieren uns

00:02:27: selbst. Mitgliedschaften sind immer gern gesehen, Spenden sind

00:02:30: gern gesehen, Merch-Käufe sind gern gesehen, kann man eine

00:02:33: ganze Menge zu machen, wenn Ihr die Projekte des Museums, zum

00:02:36: Beispiel auch BAM! Bildung am Millerntor, was ein super tolles

00:02:39: Bildungsprojekt ist. Unser Archiv, andere Sachen gut findet.

00:02:43: Kurzes Intro war das jetzt noch mal zum Museum, jetzt vielleicht

00:02:47: ein kurzes Intro zum Thema, oder? Das wär naheliegend, ja, find

00:02:51: ich. Es ist heute einmal das Geld. FC St. Pauli und das Geld

00:02:55: haben wir uns als Thema ausgesucht und das ist ja seit

00:02:58: jeher ein farbiges, schilderndes Thema. Sehr lange gab es

00:03:01: eigentlich immer so eine klassische Tonart dabei und das

00:03:05: war auf jeden Fall Moll und

00:03:08: wenn darüber gesprochen wurde, wie der FC St. Pauli finanziell

00:03:12: so zuwege ist, dann kommen kommen immer Sachen wie Underdog

00:03:15: und irgendwie Sparkurs. Absteiger Nummer 1 erinnert Ihr

00:03:18: auch noch, 2000 hat es damals geheißen, eben weil man sehr oft

00:03:22: mit den niedrigsten Kader- oder sogar absolut gesehen die

00:03:25: niedrigsten Kaderetat hatte der Liga, das stimmt seit langem gar

00:03:29: nicht mehr, aber es ist verblüffend hartnäckig, es gibt

00:03:32: immer noch viele Leute, weiß nicht wie es Euch geht,

00:03:36: die mir begegnen, die also immer noch sagen, Pauli eigentlich

00:03:38: eher so klassischer Zweitliga- Verein, da fehlt dann

00:03:40: tatsächlich oft das St., wenn das gesagt wird.

00:03:43: Wo das wohl herkommt? Wir hatten bei der Langen Nacht der Museen

00:03:46: mal einen ganz spannenden Vortrag über FC St. Pauli und das Geld und

00:03:50: die Vorbereitungen dazu, ja haben, wenn man sich damit am

00:03:53: Stück beschäftigt, erklären das schon so ein bisschen, weil schon

00:03:57: sehr früh,

00:03:58: wenn Ihr in Büchern und so weiter nachguckt, gibt es die

00:04:01: ersten Stories über Rechnungen, die nicht so ganz bezahlt werden

00:04:04: können. Dann ist es relativ wahrscheinlich, dass Vorurteile

00:04:07: tatsächlich über die frühere Vorstadt, hieß ja mal Hamburger

00:04:10: Berg, dann Vorstadt St. Pauli, wo oft eben auch Leute

00:04:13: mit weniger Finanzen lebten, dann ein bisschen mit

00:04:16: reinspielen und dann eben auch reale und reelle finanzielle

00:04:19: Krisen. Also wir wissen, und wenn Ihr unsere Ausstellung

00:04:22: besucht habt, wisst Ihr es natürlich noch besser, aber

00:04:25: hättet Ihr auch ohne uns wahrscheinlich herausgefunden,

00:04:29: dass eben der FC St. Pauli 1979 einen Zwangsabstieg erleben

00:04:32: musste, weil die Finanzen nicht gestimmt haben. Damit rutschte

00:04:35: man aus der zweiten dann zwangsweise in die dritte Liga.

00:04:38: Damit war man natürlich dann am Abgrund und konnte sich zum

00:04:42: Glück sportlich dort halten, da war es schon mal knapp, aber

00:04:45: wenn man sich die ganzen 80er- Jahre anguckt und dann in die

00:04:48: 90er-Jahre hinein, dann erinnert man ja sicher auch diese

00:04:52: Meldungen, dass da der berühmte Heinz Weisener als Präsident,

00:04:55: Mäzen

00:04:56: dann immer wieder Geld reingeschossen hat und bis heute

00:04:59: haben wir nicht genau die Mittel, das einmal finanziert zu

00:05:02: ermitteln. Ist er eigentlich bei plus-minus-null letztendlich

00:05:05: rausgekommen, hat er wirklich Zuschussgeschäft, also war er

00:05:08: wirklich ein klassischer Mäzen, der Geld gegeben hat

00:05:11: oder dann doch eher ein Investor, der letzten Endes über

00:05:14: lange Sicht doch eine ganze Menge zurückbekommen

00:05:17: hat? Da möchte ich nicht spoilern, aber

00:05:20: darum wird es ja auch gleich gehen. Insofern schon mal sehr

00:05:23: gut, weil genau solche Geschichten wollen wir eben auch

00:05:26: anschauen und diese ganze Weisener-Ära hat aber auch dazu

00:05:29: beigetragen, dass ständig Meldungen da in der Zeitung

00:05:32: standen, von wegen, wenn Weisener nicht wäre, dann wäre der FC

00:05:35: St. Pauli schon längst in der vierten, fünften, sechsten, was weiß ich was

00:05:38: Liga und wahrscheinlich haben viele von Euch dann zum Beispiel

00:05:41: auch Rettershirts zu Hause, das war ja auch noch mal ein ganz,

00:05:44: ganz markanter Einschnitt, als die 2003 verkauft wurden, als es

00:05:47: also aus der ersten in die zweite, es dann in dem Fall

00:05:50: sportlich

00:05:51: direkt in die dritte Liga ging und wieder mal die Insolvenz

00:05:54: sehr nah war. Wenn man sich dann noch anguckt, dass also auch

00:05:58: schon in den 70er- Jahren ja schon vor dieser

00:06:01: Zwangsabstiegsgeschichte zum Beispiel der Verein mit ersten

00:06:05: lebenslangen Mitgliedschaften experimentiert hat, um Geld in

00:06:08: die Vereinskasse zu spülen, heute nicht mehr so

00:06:12: bekannt, bekannter sind ja die lebenslangen Dauerkarten der

00:06:15: Nullerjahre und

00:06:17: dann, wie das damals auch diskutiert wurde, dass das

00:06:19: Stadion leer war, dass man aufsteigen müsse, damit endlich

00:06:22: mehr Zuschauer kommen, die leeren Ränge, die man auf vielen

00:06:25: Fotos von damals sieht, die fehlende Möglichkeit, sowas über

00:06:27: Sponsoren auszugleichen, da sieht man so eine finanzielle

00:06:30: Landschaft, die eigentlich jahrzehntelang in der Tat von

00:06:33: großer Knappheit geprägt war. Naja, das Schöne dabei aber ist,

00:06:36: auf St. Pauli kann man auch pleite sein und gute Stories

00:06:38: daraus machen, insofern wird das jetzt vielleicht nicht ganz so

00:06:41: deprimierend zum Nachholen, wie es jetzt wäre, wenn

00:06:44: man den eigenen Dispo so anguckt oder so.

00:06:48: Okay.

00:06:50: Wenn ich meinen Dispo angucken.

00:06:52: Ich glaube, das interessiert jetzt hier nicht so. Wenn man nicht

00:06:54: knietief im Dispo ist auf jeden Fall ist es zu trockenen

00:06:57: Füßen und deswegen aus dieser bunten Banklandschaft springen

00:07:00: wir doch vielleicht gleich mal in die Geschichten hinein und

00:07:03: machen das diesmal etwas anders als sonst. Denn normalerweise

00:07:06: würde jetzt,

00:07:07: völlig unbestechlich und auch notariell beglaubigt, Thomas die

00:07:10: Reihenfolge der Geschichten auslosen, das machen wir heute

00:07:13: aber nicht, richtig, Thomas? Genau weil, es ist ja so, dass

00:07:15: ich, glaube ich, als einziger so die Geschichten vorher, die

00:07:18: Themen auf jeden Fall vorher schon mal kenne, um auch

00:07:21: irgendwie zu verhindern, dass alle das gleiche erzählen.

00:07:24: Diesmal ist es jetzt nicht das gleiche, aber es ist zeitlich

00:07:27: recht nah beieinander, was wir hier an Geschichten haben, und

00:07:30: deswegen haben wir uns gedacht, oder habe ich mir gedacht, dass

00:07:33: es sinnvoller wäre, diese wirklich in chronologischer

00:07:35: Reihenfolge, wenn man so will, hier zu hören.

00:07:38: Um das auch ein bisschen aufzubauen thematisch.

00:07:42: Und deswegen fangen wir jetzt einfach chronologisch an, und

00:07:45: dann heißt das, dass Christopher die erste Geschichte vortragen

00:07:49: darf.

00:07:50: Mach ich. Gut. Alsdann. Es gab ja schon einen kleinen Teaser.

00:07:55: Genau, denn ich nenne die Geschichte "Zwischen Disneyland

00:07:58: und Moratorium oder Schulden soll man machen, wenn es am

00:08:01: schönsten ist".

00:08:04: Ich möchte einmal die sportlich mit Abstand erfolgreichste Phase

00:08:07: der Vereinsgeschichte beleuchten. Aufstiege sind ein

00:08:10: Grund zum Feiern, das ist ja klar.

00:08:13: Doch auf Aufstiege folgen beim FC St. Pauli auch regelmäßig

00:08:17: die Abstiege.

00:08:18: Wir sind sechsmal in die Bundesliga aufgestiegen und bisher fünfmal

00:08:22: wieder abgestiegen. Ende offen. Dabei bleibt es natürlich auch.

00:08:26: Klar und jeder Abstieg offenbart auch schonungslos den Zustand

00:08:30: des Vereins.

00:08:33: Wir fangen mal da an, wo es weh tut. 30. Juni 1991, mit

00:08:36: bedrückter Miene sitzt FC St. Pauli-Vizepräsident Christian

00:08:41: Hinzpeter bei N3 und muss sich zu den Klängen von "It's all over

00:08:45: now Baby Blue" den Abstieg seines FC St. Pauli vom Vortag nochmal

00:08:50: zu Gemüte führen. Der FC St. Pauli war im dritten

00:08:53: Relegationsspiel gegen die Stuttgarter Kickers in

00:08:56: Gelsenkirchen nach drei Jahren erster Bundesliga abgestiegen.

00:09:00: Und da hören wir jetzt mal kurz in diesen Bericht rein:

00:09:03: "Bevor wir so ein bisschen Ursachenforschung betreiben

00:09:06: wollen und natürlich auch fragen wollen, wie geht's weiter,

00:09:09: wollen wir uns ein paar Bilder anschauen, eindrucksvolle

00:09:11: Bilder, wie ich finde von Wolfgang Biereichel, der Tag der

00:09:14: Niederlage.

00:09:27: Es ist im Moment noch unbegreiflich, dass wir

00:09:29: abgestiegen sind. Guck Dir doch die Leute an hier.

00:09:34: Die haben das nicht verdient abzusteigen.

00:09:36: Das hat mich zutiefst bewegt, irgendwie so,

00:09:39: das ist irgendwie,

00:09:40: muss ich ganz ehrlich sagen, das hat irgendwas in dem Sinne dann

00:09:43: nicht direkt was mit Fußball zu tun, sondern was nur noch mit

00:09:46: Gefühlen und Menschen zu tun hat und dass irgendwie

00:09:49: auch bei St. Pauli irgendwie in erster Linie das Gefühl und

00:09:52: dann in zweiter Linie der Fußball gesehen wird."

00:09:56: Wir hörten also gerade ein Stück Fußballgeschichte. Die Reportage

00:10:00: über den Abstieg des FC St. Pauli 1991 im NDR von Wolfgang

00:10:03: Biereichel. Genau und Herz-Emoji Volker Ippig möchte ich an

00:10:07: dieser Stelle noch mal anhängen, denn der war ja am Schluss zu

00:10:10: hören. Genau, Volker Ippig war am Ende zu hören und redete eben

00:10:14: davon, dass es bei St. Pauli um mehr geht als nur um Fußball.

00:10:17: Also große Trauer und ein Schock für Spieler, Funktionäre und Fans,

00:10:20: die den FC St. Pauli seit knapp sieben Jahren eigentlich nur auf dem

00:10:24: Weg nach oben kannten.

00:10:26: Der Verein war wieder mal am Boden, sportlich und finanziell.

00:10:30: Aber, und

00:10:31: das kann man sich natürlich gut vorstellen, die Misere am

00:10:34: Millerntor fängt natürlich vorher an.

00:10:38: Da holen wir mal ein bisschen aus, und zwar, nach dem

00:10:41: Bundesligaaufstieg 1988 hatte der Zug erstmal keine Bremsen,

00:10:44: es folgte die bis heute höchste Tabellenplatzierung in der

00:10:47: Vereinsgeschichte mit Platz 10 und der Europapokal-

00:10:50: Qualifikation in Sichtweite. Eine Saison später schaffte der

00:10:54: FC St. Pauli am 34. Spieltag trotz einer 0:7-Niederlage in

00:10:57: Düsseldorf etwas bis heute unerreichtes, man stieg zum

00:11:00: wiederholten Male nicht aus der Bundesliga ab. Die Freude wurde

00:11:03: nur dadurch getrübt, dass man sich durch diese

00:11:06: Rekordniederlage auswärts in Düsseldorf das Torverhältnis

00:11:09: so versaute, dass man letztendlich doch hinter dem

00:11:11: punktgleichen HSV landete. Also auch da wäre etwas Historisches

00:11:15: möglich gewesen. Mit Spielern wie Jan Kocian, André Trulsen,

00:11:19: Volker Ippig, Ivo Knoflicek und André Golke, um den es später

00:11:22: noch gehen soll, hatte man also ein solides Fundament an

00:11:26: Leistungsträgern und profitierte von einem vermeintlichen Wir-

00:11:29: Gefühl auf dem Platz und auf den Rängen. Trainer Helmut Schulte

00:11:34: an der Seitenlinie war ein Fanliebling und rund um den

00:11:37: Verein entstanden neue progressive Fanstrukturen und

00:11:40: der Mythos Millerntor wurde kultiviert und gelebt. Auch die

00:11:44: Folgesaison 1990/91 ging eigentlich gar nicht mal so

00:11:47: schlecht los, man gewann dann das Auftaktspiel in Berlin beim

00:11:51: Aufsteiger Hertha mit 2:1 und damit könnte man sagen,

00:11:54: eigentlich war ja alles im Lot beim FC St. Pauli.

00:11:59: Aber natürlich nicht ganz so, wie es schien. Das vermeintliche

00:12:03: Wir-Gefühl bekam bereits 1989, Anfang 1989 ganz grobe Risse,

00:12:07: Präsident Otto Paulick und sein Vizepräsident Heinz Weisener

00:12:12: wollten den Klub ganz nach oben bringen. Mit der Vision, "FC St.

00:12:16: Pauli 2000", so wurde das Konzept genannt, wollte man den stets

00:12:20: klammen, sympathischen, aber abgerockten FC St. Pauli zu

00:12:24: einem Big Player in der Bundesliga machen und

00:12:27: die Nummer 1 der Stadt werden. Die ersten Schritte der

00:12:30: Visionäre wurde auf einer Pressekonferenz im Januar 1989

00:12:34: vorgestellt. Ein 500 Millionen D-Mark teures Stadionbauprojekt

00:12:37: für 50.000 Menschen auf dem Heiligengeistfeld. Da hatte man noch

00:12:41: Visionen. Die Vision war der sogenannte Sport Dome. Ihr müsst

00:12:44: Euch jetzt so vorstellen, als wäre Hall auf meiner Stimme.

00:12:48: Das kannst du vielleicht tatsächlich. Das baut sich dann so

00:12:51: auf. Ich habe jetzt die Story übrigens auch schon mal mit

00:12:54: 500 Millionen Euro gehört, das war noch beeindruckender.

00:12:58: D-Mark ist richtig. Eine Milliarde D-Mark.

00:13:02: Ja, potenzieller Spielort für die Nationalmannschaft,

00:13:06: Austragungsort für EM- und WM- Spiele, sowie Mehrzweckarena für

00:13:09: die ganz großen Events Norddeutschlands, bestückt mit

00:13:12: Shopping Mall, Restaurants, einem Hotel und einem riesigen

00:13:16: Parkhaus in der Optik eines Schnellkochtopfs, also alles

00:13:19: dabei. Doch bereits im April 1989 dann bereits das

00:13:23: Aus für das gigantomanische Projekt. Erstmals liefen Fans

00:13:26: und Viertel gegen ihren eigenen Verein Sturm, ein Novum.

00:13:30: Was brannte denn damals anno 1989 den Fans so unter den

00:13:34: Nägeln? Da können wir ja mal kurz reinhören: "Millerntor soll

00:13:37: so bleiben, wie es ist und deswegen machen wir unsere

00:13:40: Aktion hier. Ich komme aus Karlsruhe, ich habe das Ganze

00:13:43: alles verfolgt und ich hoffe, dass dieses Stadion so bleibt,

00:13:47: wie es bisher ist. Hauptsächlich wegen der Stimmung soll der

00:13:50: Sport Dome eben nicht gebaut werden". Protest

00:13:54: am Millerntor 1989, selbst

00:13:56: aus Karlsruhe. Klares Meinungsbild. Internationaler

00:13:58: Protest.

00:13:59: Ich glaub, da hab ich auch mal ne Podcast-Folge zu gemacht. Genau.

00:14:03: Karlsruhe? Äh. Proteste am Millerntor. Die 'taz' schrieb dazu im Frühjahr

00:14:08: 1989 "Kein Disneyland auf dem Kiez", da les ich mal draus vor.

00:14:14: Also, ich zitiere: "Auch Otto Paulick mag plötzlich nicht mehr

00:14:18: mittun beim Megaprojekt Sport Dome. Er, der der

00:14:20: Planungsgesellschaft schon einmal als Teilhaber angehörte,

00:14:24: distanzierte sich nun vom 500 Millionen-Mark-Projekt, das sein

00:14:27: Vizepräsident und Architekt Heinz Weisener konzipiert hat.

00:14:31: Jetzt will Paulick von Erlebniswelten, die die

00:14:33: Stadionplaner versprachen, nichts mehr wissen. "Bei diesem

00:14:37: Gerede wird mir ganz elend".

00:14:39: Paulick hatte mal wieder seine Nase im Wind. Er hatte

00:14:42: registriert, dass die Vereinsmitglieder, die Anwohner

00:14:44: des Stadtteils St. Pauli und vor allem die Fußballfans auf den

00:14:48: Stadionneubau verzichten wollen, weil, so ein leidenschaftlicher

00:14:51: Besucher von Heimspielen des FC St. Pauli, "wir eine

00:14:54: Erlebniswelt doch jetzt schon haben". In Immobilienkreisen wird

00:14:57: allerdings noch ein anderer Grund für das Scheitern des

00:14:59: Projekts genannt, der Sport Dome- Planungsgesellschaft sei es

00:15:02: nicht gelungen, das Projekt mit einer soliden Kalkulation zu

00:15:05: unterfüttern.

00:15:06: Abschreibung, Instandsetzung und laufende Ausgaben hätten

00:15:09: jährliche 50 Millionen Mark verschlungen." Das ist mal eine

00:15:12: Summe auf jeden Fall 50 Millionen Mark im Jahr.

00:15:16: "300.000 Mark pro Veranstaltung (Showveranstaltungen

00:15:20: Welt- und Europameisterschaften) hätten eingenommen

00:15:24: werden müssen.

00:15:26: Präsidiumsmitglied Hans Apel hält diese Kalkulation für

00:15:29: unseriös: "Der Weg in den Konkurs wäre vorgezeichnet". Also kein

00:15:33: Disneyland auf dem Kiez. Der Verein steht so hoch in der

00:15:36: Kreide, dass Investitionen in Spieler, in Sicherheitsauflagen

00:15:39: und in die Sanierung des Stadions vom Millerntor-Club vom

00:15:42: FC St. Pauli ohne Sponsor nicht hätten finanziert werden können."

00:15:46: Ja, also es sah offensichtlich nicht so gut aus, denn der FC

00:15:49: St. Pauli war trotz drei Jahren erster Liga tief in den roten

00:15:52: Zahlen. Bereits rund um den geplanten Bau des Sport Domes

00:15:55: stand Präsident Dr. Otto Paulick

00:15:57: regelmäßig in der Kritik. Zwar wurde ihm hoch angerechnet, den

00:16:00: Verein Anfang der 80er-Jahre mit seinem Geld überhaupt erst am

00:16:04: Leben erhalten zu haben, doch wurde ihm laut dem Abendblatt,

00:16:08: ich zitiere, "dubiose Geschäfte" vorgeworfen, sowie "ständig in der

00:16:11: Grauzone zwischen legal und illegal" agiert zu haben.

00:16:14: Gleichzeitig hätte Paulick aber den FC St. Pauli wiederholt mit

00:16:18: Tricks und advokatischen Winkelzügen vor dem Bankrott

00:16:21: bewahrt.

00:16:23: 1988 warf der zurückgetretene Vizepräsident Helmuth Johannsen

00:16:27: Paulick vor, dem Präsidium Informationen zur finanziellen

00:16:30: Lage des Vereins vorzuenthalten. Daraus resultierte ein zwei Jahre

00:16:34: langer Rechtsstreit. Im Januar 1990 urteilte das Landgericht

00:16:37: Hamburg, dass Johannsen weiterhin behaupten dürfe, Paulick habe als

00:16:41: Präsident des FC St. Pauli eine falsche Bilanz vorgelegt, dem

00:16:44: Verein Geld entzogen sowie Vereinsmitglieder getäuscht.

00:16:49: Gute Stimmung. Gute Stimmung, gute Stimmung. Die Stimmung war

00:16:53: dann auch im Januar 1990 dann so gut, dass nur ein Monat später

00:16:57: nach dem Urteil des Landgerichts

00:16:59: Otto Paulick seinen Rücktritt nach über zehn Jahren

00:17:02: Präsidentschaft am Millerntor erklärte.

00:17:06: Sein Nachfolger, der bisherige Vizepräsident, Architekt des

00:17:09: Sport Dome und CDU-Mitglied Heinz Weisener. Nicht unbedingt zur

00:17:13: Freude der Fans. Die Presse urteilte damals trocken, "Heinz

00:17:16: Weisener passt zu St. Pauli wie Heidi Kabel in die

00:17:19: Herbertstraße".

00:17:21: Zum Rücktritt von Paulick schrieb die 'taz': "Abschied des großen

00:17:26: Otto.

00:17:28: Stehende Ovationen zum Abschied für den Mann, unter dessen Führung der

00:17:31: FC St. Pauli zum sympathischsten Fußballverein der Bundesrepublik

00:17:35: gedieh, der aus dem Kiezclub ohne Geld einen Stadtteilverein

00:17:37: von Bundesligazuschnitt machte.

00:17:39: Doch nachdem der DFB den Vereinsbuchhaltern hinter

00:17:42: vorgehaltener Hand signalisiert hatte, dass eine

00:17:44: Lizenzverlängerung mit einem Präsidenten Paulick nicht zu

00:17:47: machen sei, stand für die jetzigen Sponsoren des Vereins

00:17:50: fest: Der schlitzohrige Mann muss gehen."

00:17:53: Der schlitzohrige Mann.

00:17:56: Ja, und wenn das alles nicht genug wäre, auch sportlich

00:17:59: geriet man in Schieflage. Stand man zum 11. Spieltag der Saison

00:18:03: 1990/91 nach sechs ungeschlagenen Spielen noch auf

00:18:06: Platz 9,

00:18:07: so rutschte man im Winter auf einen Relegationsplatz ab.

00:18:11: Helmut Schulte, die Trainer- Ikone, musste überraschend gehen

00:18:14: und Horst, genannt Fussel, Wohlers, ehemaliger Star-Spieler

00:18:18: von St. Pauli und Borussia Mönchengladbach, übernahm das

00:18:21: Ruder. Helmut Schulte kommentierte seine eigene

00:18:24: Entlassung mit "Der FC St. Pauli hat seine Unschuld verloren".

00:18:30: Interessante Aussage von einem Trainer, der gerade entlassen

00:18:32: wurde, oder Helmut Schulte ist die Unschuld? Weiß ich nicht. Ich

00:18:36: möchte nicht ins biologische Detail gehen, aber ich weiß

00:18:38: nicht, ob er sich das so genau überlegt hat. Ich nehme an, nein,

00:18:41: in der Situation ganz sicher nicht. Was sich Helmut Schulte

00:18:44: übrigens auch nicht so richtig gut überlegt hat war nämlich,

00:18:47: was zehn Tage später passiert ist. Denn zehn Tage später nach Schultes

00:18:51: Entlassungen wie aus dem Nichts: 1:0-Sieg vom FC St. Pauli

00:18:54: beim FC Bayern München im Olympiastadion, beim großen FC

00:18:56: Bayern, Ralf Sievers mit dem goldenen Tor und im

00:18:59: Auswärtsblock zur Freude der mitgereisten

00:19:01: Fans: Ex-Trainer Helmut Schulte. "Wo die mitgereisten St. Pauli

00:19:04: Fans stehen, entdecken wir Wohlers' Vorgänger. Mit St. Pauli-

00:19:07: Fanschal behängt, umringt von Zuschauern steht Helmut Schulte.

00:19:11: Sicherlich einmalig im Fußball, der Trainer als Fan. Dennoch

00:19:14: die Frage, was ist das zehn Tage nach dem Rausschmiss für ein

00:19:17: Gefühl nicht auf der Bank zu sitzen? Verdammt beschissenes

00:19:20: Gefühl, aber ich hab gesagt, dass ich das Spiel mir angucken will

00:19:24: auf jeden Fall. Ich will meine Mannschaft sehen wie sie spielt

00:19:27: und deshalb bin ich hier.

00:19:30: Wir haben den Helmut Schulte oben im Block H bei den Fans,

00:19:33: bei den St. Pauli-Fans mit Schal und so weiter gefunden.

00:19:36: Wie finden Sie das, dass er jetzt nun als Fan sozusagen

00:19:38: mitreist? Ich glaube, dass Horst Wohlers

00:19:42: cool genug ist um das nicht als Belastung zu empfinden.

00:19:46: Ansonsten weiß ich noch nicht, wie ich das beurteilen soll."

00:19:51: Ja. Häh? Was soll denn das?

00:19:55: Wilde Szenen. Der steht im Publikum. Ich meine, hätte es

00:19:58: sich sonst im Fernsehen angeguckt, das Spiel wäre

00:20:00: vermutlich nicht an ihm vorbeigegangen. Ich weiß nicht,

00:20:02: wie ich das beurteilen soll.

00:20:04: Also was wir nicht hören konnten, war noch die Frage, ob

00:20:07: Helmut Schulte Stadionverbot bekommt am Millerntor. Das konnte

00:20:11: Weisener noch nicht verneinen. Denn wir haben, falls Ihr es

00:20:14: nicht selber gehört habt, am Ende hörten wir übrigens

00:20:17: Präsident Heinz Weisener.

00:20:19: Der auch hörbar happy über den Besuch des Ex-Trainers in der

00:20:21: Kurve war.

00:20:23: Und dann wollen wir uns mal kurz Heinz Weisener widmen, wo wir

00:20:27: jetzt gerade mal schon bei ihm sind, denn der 'Spiegel' schrieb

00:20:31: dann im April 1991

00:20:33: eine Homestory über den kriselnden FC St. Pauli und

00:20:36: den Mann, der den FC St. Pauli nun visionär ins Jahr 2000

00:20:40: führen sollte. Und Thomas kann ja mal kurz diesen sehr

00:20:44: wunderbaren 'Spiegel'-Artikel vorlesen. Ja.

00:20:47: Der geht so los: "In die Tasche gelogen. Vom Mythos des FC St.

00:20:51: Pauli ist nichts mehr geblieben. In seltenen Momenten der Ruhe

00:20:55: glätten sich die Stirnfalten von Heinz Weisener. Entrückt

00:20:58: starrt der Präsident des FC St. Pauli dann aus dem Fenster

00:21:01: seines Büros,

00:21:03: als sehe er draußen den Klub der Zukunft. Wirtschaftlich stabil

00:21:07: und sportlich erfolgreich wie nie. Aber, Zitat dann, "noch

00:21:10: liebenswert wie früher".

00:21:12: Das Schrillen des Telefons beendet meist harsch die

00:21:15: Tagträume. Mit resigniertem "Ja, bitte" lässt sich Weisener

00:21:19: Anrufer aus der Fußballbranche durchstellen. Er weiß schon, was

00:21:22: kommt. Der Deutsche Fußballbund macht Ärger mit der Lizenz,

00:21:25: Spieler wollen fort oder mehr Geld oder er muss beim Hamburger

00:21:29: Senat um Hilfe für den Stadionausbau betteln. So

00:21:32: verzwickt hatte sich der Architekt den Wandel vom

00:21:34: chaotischen Stadtteilverein zu einem halbwegs

00:21:37: bundesligatauglichen Club nicht vorgestellt.

00:21:40: Denn trotz Weiseners Millionen schreitet die Sanierung

00:21:43: des "letzten Freudenhauses der Bundesliga", wie die 'Süddeutsche

00:21:47: Zeitung' schrieb, nur schleppend voran. In zweieinhalb Jahren

00:21:50: Bundesliga wuchsen die Schulden von eineinhalb auf über sieben Millionen

00:21:54: Mark, während die Zuschauerzahlen jährlich sanken. Selbst die

00:21:57: Fans, einst "kritiklos begeisterungsfähig" monieren in

00:22:00: der Fanzeitung 'Millerntor Roar!' "stinknormalen Profifußball", der

00:22:03: nach "schmierigen Regeln" funktioniere.

00:22:06: Vizepräsident Christian Hinzpeter, als linker Anwalt

00:22:09: eine Art Otto Schily des deutschen Fußballs,

00:22:14: hat sich von Illusionen verabschiedet.

00:22:17: Zitat "Wer dachte, wir könnten unsere Idylle retten, der hat

00:22:20: sich in die Tasche gelogen. Die Gesetze der Branche gelten auch

00:22:24: für uns". "Wir sind kein Club zweiter Klasse", sagt der

00:22:27: Golfspieler und Jaguarfahrer Weisener und müht sich um ein

00:22:30: zuversichtliches Lächeln.

00:22:32: Vorsichtig lässt er sich in seinen ledernen Bürostuhl sinken

00:22:35: und zieht am Davidoff Zigarillo."

00:22:39: Das sind Beschreibungen. Es ist schön, ja, die Adjektive. Und

00:22:42: sagt dann, "ein Bundesliga Verein ist eben unpolitisch und kein

00:22:45: Stadtteilverein".

00:22:48: Die Fanszene unterdessen hat sich vom real existierenden FC

00:22:51: St. Pauli entfernt. Die Entfremdung von Kiez und einem

00:22:54: kapitalistischen Unternehmen der Unterhaltungsindustrie ist

00:22:58: vollzogen."

00:23:00: Ja, also Heinz Weisener raucht sein Davidoff Zigarillo und

00:23:03: sagt, Fußball muss unpolitisch bleiben, sehr zur Freude der

00:23:07: Fans.

00:23:10: Ja, klingt alles sehr fatal. Kann man ja mal so sagen. Doch

00:23:13: es kam noch schlimmer.

00:23:17: Der FC St. Pauli landete, und wir haben es eingangs gehört, nach

00:23:20: dem 34. Spieltag auf Rang 16., dem gefürchteten

00:23:23: Relegationsplatz. In zwei Entscheidungsspielen trat man

00:23:27: nun gegen die Stuttgarter Kickers an, nach zwei 1:1-

00:23:30: Unentschieden in Hin- und Rückspiel musste das

00:23:33: Entscheidungsspiel also am 29. Juni 1991, das muss man sich mal

00:23:36: vorstellen wie spät das war,

00:23:39: auf neutralem Boden im Gelsenkirchener Parkstadion

00:23:42: ausgetragen werden. Man verlor 1:3 und für Fans und Verein

00:23:45: brach eine Welt zusammen.

00:23:48: Einen Tag später also, wie eingangs eben erwähnt, saß

00:23:51: Vizepräsident Christian Hinzpeter, ähm, wie wir ja hörten,

00:23:55: der Christian Ströbele des Fußballs, ach nee, der andere,

00:23:58: der Otto Schily, zum Glück nicht der Horst Mahler des Fußballs,

00:24:02: nun bei N3 im Sportstudio.

00:24:04: Und wir hören noch mal rein.

00:24:09: "Ja, Hunderte von Fans sind gestern spontan nach dem Spiel

00:24:11: zum Millerntor-Stadion gefahren, haben dort getrauert. Christian

00:24:14: Hinzpeter Was haben Sie getan gestern Abend? Wir hatten zu

00:24:17: arbeiten, das ist manchmal ganz gut, wenn man in so einer Zeit,

00:24:20: wo man, Sie haben es gesehen, wo man den Tränen nahe ist, oder

00:24:23: sie einfach rauslässt, weil sie raus müssen, sonst kriegt man

00:24:26: Magengeschwüre, ist ja auch nicht gut, dazu wird man

00:24:29: möglicherweise zu viel gebraucht.

00:24:31: Wir haben gestern Abend uns spontan direkt nach diesem.

00:24:36: Spiel uns zurückgezogen ins Hotel mit der Mannschaft und

00:24:40: haben dann

00:24:43: im Beisein von oder unter Mitwirkung von Herbert Liedtke,

00:24:46: Horst Wohlers und

00:24:48: Heinz Weissner und ich haben uns mit den Spielern unterhalten und

00:24:51: haben Einzelgespräche geführt, denn wir mussten ja auf alles

00:24:54: vorbereitet sein." Problem Nummer Eins: Der Klub war durch die enorm

00:24:57: späte Ansetzung des dritten Relegationsspiels arg gebeutelt.

00:25:00: Bereits drei Wochen nach dem Spiel startete bereits die neue

00:25:03: Zweitligasaison.

00:25:05: Die Spielerverträge jedoch verloren mit dem 1. Juli, also zwei

00:25:08: Tage nach dem Spiel oder drei Tage nach dem Spiel ihre Gültigkeit. Also

00:25:11: musste noch in der Nacht nach dem Abstieg mit den Spielern

00:25:13: verhandelt werden, um Klarheit darüber zu bekommen, wer in drei

00:25:16: Wochen für den FC St. Pauli beim ersten

00:25:19: Spiel der Saison 91/92 auflaufen kann. Dazu erzählte uns der

00:25:23: leider 2021 verstorbene Christian Hinzpeter im Jahr

00:25:27: 2019 dann folgendes: "Da haben wir dann in diesem Hotel, das weiß

00:25:31: ich alles noch, fürchterlich, im Hotel nachts sehr lange

00:25:35: zusammengesessen.

00:25:38: Und dann bin ich irgendwie ins Bett gegangen um 3 oder was.

00:25:41: Präsidiumssitzung gemacht und dann sind wir um 3 alle ins Bett

00:25:44: gegangen und kann ich überhaupt nicht schlafen, bin um

00:25:47: 04:30 Uhr dann mit dem Auto nach Hause gefahren und dann mal

00:25:49: versucht irgendwie wieder klar zu werden und dann eben dir einen

00:25:52: Plan zu machen. Was müssen wir eigentlich heute alles regeln.

00:25:55: Du konntest sowieso keine Spieler kaufen und dich auf dem

00:25:58: Markt mal ein bisschen umgucken, das ging auch nicht, weil du ja

00:26:01: nicht wusstest, wenn du in der ersten bleibst ist es so. Wie

00:26:04: geht das mit Geld eigentlich, wie haben wir das, was ist

00:26:07: mit Weisener?

00:26:08: Das war schon. Es war grauenhaft. Ja, da waren

00:26:10: natürlich ein paar Spieler auch wahnsinnig hilfreich, die sofort

00:26:13: gesagt haben, ich gehe auf gar keinen Fall weg und mach dir

00:26:16: keinen Kopf, ich bin jetzt nicht mehr da, aber ich bleibe.

00:26:19: Da bin ich auch nicht hinterher gelaufen und habe denen

00:26:21: irgendwelche Unterschriften abgetrotzt, das war ja

00:26:24: scheißegal.

00:26:26: Auch das ist natürlich eine völlig andere Welt. Ich gehe mal

00:26:29: davon aus, dass sowas heute anders gelöst wird von Spielern

00:26:32: und deren Beratern." Davon ist auszugehen, dass das heute anders ist. Alles

00:26:35: so ein bisschen, so einen Tick anders und

00:26:38: quasi haben die Spieler, wenn ich das richtig, wenn ich das so

00:26:41: richtig raus höre aus Christian Hinzpeters Erzählung quasi ohne

00:26:44: gültigen Vertrag die ersten Spiele der neuen Zweitligasaison

00:26:47: bestritten.

00:26:49: Problem Nummer 2: Der Verein hatte faktisch kein Geld mehr

00:26:53: und hohe Auflagen vom DFB, der NDR damals noch N3, hakte

00:26:57: schonungslos nach. Wir hören da auch mal rein.

00:27:00: "Der FC St. Pauli hat rund siebeneinhalb Millionen Mark

00:27:03: Verbindlichkeiten für einen Großteil rund sechs Millionen bürgt der

00:27:06: Präsident. Wieviel mehr Bürgschaften schließt er denn

00:27:09: ab, um das Abenteuer zweite Liga zu finanzieren? Das ist ne

00:27:12: Situation, die natürlich uns allen nicht lieb ist. Herrn

00:27:15: Weisener nicht, weil er das finanzieren muss und weil

00:27:17: Gelder, die man verbürgt, dafür muss man ja auch Gelder zur

00:27:20: Verfügung stellen, das heißt, das kostet Geld, wenn man Geld

00:27:23: bereitstellt. Konkret auf die Frage kann ich sagen, dass wir

00:27:27: dem DFB größere Sicherheiten zugestehen müssen, um

00:27:31: die Transfereinnahmen abzudecken, die ja noch nicht

00:27:34: abgeschlossen sind. Wir müssen jetzt erstmal sehen, wie es mit

00:27:38: André Golke wird, was mit Truller tatsächlich wird."

00:27:41: Also es klang durch, die wichtigste Personalie bei der

00:27:44: finanziellen Konsolidierung für Liga 2 war André Golke. Bis heute

00:27:48: der erfolgreichste Goalgetter des FC St. Pauli Liga 1 und über

00:27:52: viele Jahre Leistungsträger beim FC St. Pauli.

00:27:56: Nicht nur André Golke wollte weg, sondern der FC St. Pauli

00:27:59: musste ihn also dringend für viel Geld verkaufen, um die

00:28:01: angesprochenen

00:28:02: Verbindlichkeiten zu tilgen, um überhaupt die Auflagen durch den

00:28:05: DFB erfüllen zu können.

00:28:07: Der damalige Sportdirektor Manfred Campe erinnert sich an

00:28:11: den Transfer von André Golke zum 1. FC Nürnberg und

00:28:15: erzählt uns mal was davon: "Was aber noch mal sehr

00:28:19: bedrohlich war, war das Thema Golke. André Golke ist zu Nürnberg

00:28:23: gegangen, den haben wir transferiert, haben eine

00:28:26: Ablösesumme vereinbart und diese Ablösesumme wurde nicht gezahlt.

00:28:30: Als ordentlicher Kaufmann habe ich das Mahnverfahren

00:28:34: eingesetzt, erste Mahnung, zweite Mahnung. Die haben nicht

00:28:38: reagiert. Habe ich Herrn Holzhäuser angerufen, habe

00:28:42: gesagt, Herr Holzhäuser tut mir leid, aber ich muss gegen 1. FC

00:28:46: Nürnberg vollstrecken. Wie? Sag ich ja, Sie wissen ja und

00:28:49: ich hole mir jetzt einen Titel,

00:28:52: also einen vollstreckbaren Titel. Und den legt der Gerichtsvollzieher

00:28:55: dann beim 1. FC Nürnberg vor." Ja, also Sportdirektor

00:28:58: Manfred Campe war im Sommer 1991 also hochbeschäftigt, Geld

00:29:01: für den FC St. Pauli einzutreiben, Nürnberg war mit

00:29:04: Ach und Krach in der ersten Liga geblieben, aber galt damals

00:29:07: ebenfalls als eher halbseiden und wirtschaftlich nicht

00:29:10: besonders stabil.

00:29:13: Der Club, wie man ihn auch nennt, stellte übrigens damals

00:29:16: ein Konzept vor, es hieß "Club 2000", das neben einem

00:29:19: Stadionneubau mit Hotel und Shopping Mall auch die

00:29:21: Etablierung des 1. FC Nürnberg in der Bundesliga-

00:29:24: Spitze vorsah, kommt mir irgendwie bekannt vor.

00:29:27: Hat sich irgendwie auch nicht durchgesetzt, glaube ich.

00:29:29: Komisch, das war, also ging wahrscheinlich rum damals bei

00:29:32: Clubs. Dem 1. FC Nürnberg ging es dann später übrigens,

00:29:35: Spoiler, so wie dem FC St. Pauli. Zur Überraschung von

00:29:37: Campe meldete sich der DFB zwei Tage nach seinem Telefonat mit

00:29:40: dem 1. FC Nürnberg und sagte, er solle nach Frankfurt

00:29:43: kommen. "Herr Campe.

00:29:46: Jetzt, übermorgen, Freitag, Frankfurter Flughafen, finden

00:29:49: Sie sich da bitte ein. Dann gab es ein sogenanntes Moratorium,

00:29:52: da waren all die Vereine eingeladen, die einen Spieler an den

00:29:55: 1. FC Nürnberg verkauft haben und das Geld nicht bekommen haben,

00:29:58: wir waren 4 oder 5 Vereine, der Herr

00:30:02: Hegerich von Bayern München, Schatzmeister damals glaube ich

00:30:05: war auch dabei, ja wir müssen eine Lösung finden, weil geht

00:30:08: nicht Bundesliga und dann Annullierung aller Spiele und

00:30:11: Nürnberg bankrott funktioniert nicht, darf nicht passieren.

00:30:16: Einigung. Alle anderen haben gesagt, selbstverständlich, wir

00:30:19: stunden das, wir brauchen das jetzt nicht, auf die nächste

00:30:22: Saison und ich habe gesagt, nein, ich möchte das Geld haben.

00:30:25: Nürnberg saß ja auch mit am Tisch, dann haben die Herrn Roth

00:30:28: angerufen, Teppichhändler.

00:30:30: Der war so was wie Weisener bei Nürnberg. Telefon ja FC St.

00:30:35: Pauli und Sie wissen in der Situation et cetera et cetera.

00:30:39: Ja,

00:30:41: ich sichere Ihnen zu, Herr Campe. Mit Zusicherung ist es

00:30:44: nicht mehr getan.

00:30:47: Ja, dann gebe ich eine Bürgschaft, dann bin ich mit der

00:30:50: Bürgschaft über 750.000 D-Mark

00:30:53: glaube ich oder was das waren, bin ich nach Hause, sonst

00:30:57: hätten wir auch Riesenprobleme bekommen als Verein.

00:31:00: Riesenprobleme." Also ein Moratorium und der 1. FC

00:31:04: Nürnberg schuldet also fünf Vereinen Geld, unter anderem dem FC St.

00:31:07: Pauli, also dank Manfred Campes Hartnäckigkeit ging es weiter

00:31:11: für den Verein.

00:31:12: Und trotz einem Aufstieg 1995 gelang es Heinz Weisener nicht,

00:31:16: den FC St. Pauli finanziell langfristig in seiner Amtszeit

00:31:19: finanziell zu stabilisieren. Mehrfach rettete er den Klub

00:31:22: durch Zuschüsse aus seinem Privatvermögen vor dem drohenden

00:31:25: Ruin oder fädelte zum Beispiel dubiose Leasingdeals für die

00:31:29: Flutlichtmasten am Millerntor ein. Als dem Verein 1999 die

00:31:32: Teilnahmeberechtigung an der zweiten Bundesliga seitens des

00:31:35: DFB verweigert wurde, bürgte Heinz Weisener

00:31:39: für ein Darlehen in Höhe von 7 Millionen D-Mark. Das Projekt "FC

00:31:42: St. Pauli 2000" endete dann endgültig im, wie soll es sein,

00:31:45: Jahr 2000. Nach zehn Jahren als Präsident und 10 Millionen D-Mark,

00:31:48: die er in den Verein gepumpt hatte, trat "Papa" Heinz Weisener

00:31:51: mit den Worten von seinem Amt zurück "Ich habe bis an die

00:31:54: Grenzen des Vertretbaren in den Verein investiert."

00:31:58: Sein Vizepräsident Reenald Koch übernahm seine Nachfolge und

00:32:01: erlebte etwas Unfassbares. Der FC St. Pauli stieg also kurz

00:32:05: nach Heinz Weiseners Rücktritt mit dem kleinsten Etat

00:32:08: der Liga als Absteiger Nummer 1 am Ende der Saison 2000/2001 in

00:32:12: die Bundesliga auf.

00:32:13: Und wie sagte ich eingangs, doch auf Aufstiege beim FC St.

00:32:17: Pauli folgen in der Regelmäßigkeit auch Abstiege und jeder

00:32:20: Abstieg offenbart auch schonungslos den Zustand des

00:32:23: Vereins.

00:32:25: Ja, wohl wahr. Ja wirklich sehr quellenreich und das war

00:32:28: toll, da noch mal einzusteigen, auch wenn die Materie natürlich

00:32:31: komplett haarsträubend ist. Eine Sache finde ich ja immer ganz

00:32:34: faszinierend, die werde ich nie ganz verstehen.

00:32:38: Also ich hatte

00:32:40: so full disclosure hier. Ich hatte glaube ich in meinem Leben

00:32:43: noch nie mehr als 499 Millionen Euro auf dem Konto, vielleicht sogar

00:32:47: etwas weniger. Also und der Herr Weisener war ja

00:32:49: offensichtlich, der war ja doch gut liquide, da frage ich mich

00:32:53: dann schon, warum mein so ein 750.000 Mark Drama passieren lässt,

00:32:56: wenn es einem im Grunde genommen wurscht ist, ob man nun eine

00:32:59: oder zwei Millionen weniger auf dem Konto hat, das werden wir jetzt

00:33:03: nicht beantworten können, vielleicht hatte er ja auch nur

00:33:06: 5 Millionen plus auf dem Konto gehabt, dann verstehe ich die

00:33:09: Zurückhaltung schon eher.

00:33:10: Aber es klingt schon so, als ob insgesamt eben der

00:33:13: Geschäftssinn, den ich sehr gut verstehen kann, aber dann doch

00:33:16: so stark ausgeprägt war, das halt die Schmerzgrenze komplett

00:33:19: anders ist. So also im Sinne von wo ich jetzt

00:33:22: vielleicht überlege, kann man da und dafür jetzt irgendwie 50€

00:33:25: investieren, würde ich jetzt überlegen, wäre jetzt ne Million

00:33:28: für Heinz Weisner gewesen vielleicht. Ich glaube und da

00:33:31: möchte ich auch Heinz Weisener nicht zu nahe treten, der ist ja auch

00:33:34: 2005 bereits verstorben, aber

00:33:36: ich glaube auch nicht, dass es finanziell für Heinz Weisener

00:33:39: immer so reibungslos

00:33:42: im privat und in seinem Unternehmen lief. Von daher, der

00:33:45: FC St. Pauli muss man glaube ich sagen, ist eigentlich Zeit

00:33:48: seines Bestehens immer ein Fass ohne Boden gewesen. Da kannst du

00:33:52: auch noch 20 Millionen drauf schmeißen, wenn es nicht richtig

00:33:55: angelegt wird, wir gucken rüber in die Vorstadt, in die heutige

00:33:59: Vorstadt nach Stellingen, da verschwinden ja auch mal

00:34:02: 25 Millionen von der Stadt irgendwo im Nichts und von daher, egal

00:34:05: wieviel du drauf wirst, wenn du nicht richtig wirtschaftest,

00:34:09: dann ist das auch weg. Nee, das ist natürlich klar, aber jetzt

00:34:13: dass man wirklich da so ne totale

00:34:16: High Noon Situation mit 2 vor 12 hatte ist schon ganz spannend,

00:34:20: wenn es theoretisch irgendwo noch einen Dispokredit gegeben

00:34:24: hätte.

00:34:25: Aber diese Situation gab's dann ja auch relativ bald

00:34:28: wieder.

00:34:31: Ist das eine Überleitung? Eine wahnsinnige Überleitung ist

00:34:35: das tatsächlich zu der chronologisch nächsten

00:34:37: Geschichte, und die würde Celina uns dann kredenzen. König der

00:34:41: Überleitungen Thomas.

00:34:45: Die meisten von Euch haben es hoffentlich schon mitbekommen.

00:34:47: Wir haben rund um die Meisterschale der zweiten

00:34:50: Bundesliga einen komplett neuen Ausstellungsteil im FC St.

00:34:52: Pauli-Museum gestaltet.

00:34:54: Und der neue Raum ist nicht einfach nur ein Trophäenraum,

00:34:58: der die Meisterschale und den Aufstieg inszeniert. Also das

00:35:01: passiert natürlich auch, keine Sorge. Aber es war uns darüber

00:35:04: hinaus wichtig, eine Geschichte zu erzählen, und deshalb wirft

00:35:08: der neue Ausstellungsteil ein Schlaglicht auf die Entwicklung

00:35:11: des FC St. Pauli zwischen 2003 und 2024 und trägt den Titel "Vom

00:35:15: Abgrund bis zur Schale" und ich möchte Euch heute noch einmal

00:35:18: mitnehmen an den Rand dieses Abgrundes.

00:35:21: Den man, glaube ich, einmal gesehen und verstanden haben

00:35:24: muss, um zu begreifen, wie weit der Verein seitdem gekommen ist.

00:35:28: Das hilft dann vielleicht auch dabei, die Finger manchmal noch

00:35:30: mal wieder von der Tastatur runterzunehmen, wenn man sich

00:35:33: nach ein paar missglückten Bundesligaspielen in Social

00:35:35: Media-Hasstiraden reinsteigert und anfängt, die

00:35:37: guten alten Zeiten zurückzufordern.

00:35:39: Moment, dieses Vergnügen lass ich mir nicht nehmen. Ich hab die acht

00:35:42: Facebook-Pseudonyme in wirklich monatelanger Arbeit angelegt, da

00:35:45: machst Du Dich jetzt nicht drüber lustig. You do you.

00:35:49: Wir fassen erstmal wieder ein bisschen Gras an, das Gras am

00:35:52: Rande des Abgrunds und reisen ins Jahr 2003.

00:35:56: Das Jahr, in dem myspace an den Start gegangen ist und die FC

00:35:59: St. Pauli Expert*innen ihre Hot Takes noch im FC St. Pauli-

00:36:03: Forum ausgetauscht haben.

00:36:05: Medien, die nicht tagesaktuell erscheinen, haben beizeiten das

00:36:08: Problem, dass sie in ihrer Berichterstattung von den

00:36:11: aktuellen Ereignissen überholt werden.

00:36:14: So ging es auch dem 'Übersteiger', als dieser im Mai 2003 zum

00:36:18: letzten Heimspiel der Saison gegen Duisburg ein Interview

00:36:21: mit Stephan Beutel abdruckte, das zum Zeitpunkt der

00:36:24: Veröffentlichung bereits einen guten Monat alt war. Zum

00:36:27: Zeitpunkt des Gespräches zwischen dem 'Übersteiger' und dem

00:36:30: damaligen FCSP-Manager kurz vor dem 28. Spieltag war die

00:36:33: Situation des Vereins ziemlich düster, aber nicht hoffnungslos.

00:36:37: Der Bundesliga-Absteiger FC St. Pauli steckt mitten im

00:36:40: Abstiegskampf, also im Zweitliga- Abstiegskampf und steht mit 25

00:36:44: Punkten vor Mannheim und

00:36:45: Braunschweig auf dem von Christopher vorhin schon

00:36:47: beschriebenen gefürchteten 16. Tabellenplatz. Noch ist man am

00:36:50: Millerntor guter Dinge, dass der Klassenerhalt gelingen kann,

00:36:53: trotzdem spricht der 'Übersteiger' mit Beutel schon mal ausführlich

00:36:56: über die möglichen sportlichen und finanziellen Konsequenzen

00:36:59: eines Absturzes in die Regionalliga.

00:37:01: Für den unwahrscheinlichen Fall eines Abstiegs plant Beutel zum

00:37:06: Zeitpunkt des Interviews mit einem Etat von 2,3 Millionen Euro für

00:37:10: die Lizenzabteilung bei 3,3 Millionen Euro Gesamtetat.

00:37:14: Auf die Frage des 'Übersteigers', ob diese Summe nicht ein

00:37:16: bisschen zu knapp bemessen sei für den direkten Wiederaufstieg,

00:37:19: antwortet Beutel "Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man

00:37:22: die Etatgröße nicht gleichsetzen darf mit dem sportlichen Erfolg",

00:37:25: auch mit einem noch kleineren Budget könne man am Millerntor

00:37:28: einiges reißen und sich in die zweite Liga zurückkämpfen.

00:37:32: Hat Beutel gesagt, der unwahrscheinliche Fall des

00:37:36: Abstiegs? Nee, das war der generelle Tenor zu

00:37:40: diesem Zeitpunkt dieses Interviews. Ok.

00:37:45: Kurzer Realitätsverlust bei

00:37:47: Stephan Beutel.

00:37:49: Kurz ist gut, kurz ist gut. Nee, das Zitat Stephan Beutel war nur:

00:37:53: "Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man die Etatgröße

00:37:55: nicht gleichsetzen darf mit dem sportlichen Erfolg".

00:37:59: Hätte dieses Interview ein paar Wochen später und damit näher am

00:38:03: Erscheinungstag des 'Übersteigers' stattgefunden, hätte die Frage

00:38:06: mit Sicherheit anders gelautet. Zum Beispiel, wie verhindert man

00:38:10: eigentlich mit 0€ Etat und einem riesigen Schuldenberg den

00:38:13: Zwangsabstieg in die Oberliga? Innerhalb eines Monats hatte

00:38:16: sich die Situation des Vereins von schlecht zu katastrophal

00:38:20: verändert. Das sind ja Aussichten.

00:38:24: Am 18. Mai 2003, also vor dem letzten Heimspiel der Saison,

00:38:27: existierte die Chance auf den Klassenerhalt nur noch in

00:38:30: akrobatischen Rechenbeispielen. Und die vielleicht noch größere

00:38:33: Hiobsbotschaft, der FC St. Pauli war mal wieder pleite. Nicht das

00:38:37: erste Mal. Nur gab es 2003 keinen Präsidenten und/oder

00:38:40: Gönner, der bereit war, das Loch aus seinem Privatvermögen zu

00:38:43: stopfen. Aber der Reihe nach: Kurz nach dem

00:38:46: 'Übersteiger'-Interview mit Stephan Beutel hatten sich in der

00:38:49: Presse Meldungen über die katastrophale finanzielle

00:38:52: Situation des FC St. Pauli gehäuft, also die

00:38:54: Gerüchteküche lief heiß und eine Indiskretion führte zur anderen.

00:38:59: Am 7. Mai 2003 sah sich das Präsidium schließlich

00:39:02: gezwungen, kurzfristig eine Pressekonferenz einzuberufen.

00:39:05: Zähneknirschend räumte Corny Littmann eine

00:39:07: Liquiditätsunterdeckung in Höhe von 2 Millionen Euro ein.

00:39:10: Liquiditätsunterdeckung klingt erst mal kompliziert, ist

00:39:13: es aber nicht. Liquidität beschreibt einfach

00:39:16: die Fähigkeit eines Unternehmens, seine

00:39:18: Zahlungsverpflichtungen fristgerecht zu erfüllen.

00:39:23: Liquiditätsunterdeckung heißt dementsprechend, es fehlen die

00:39:26: finanziellen Mittel, um fällige Zahlungen rechtzeitig zu leisten

00:39:29: und Liquiditätsunterdeckung in Höhe von 2 Millionen Euro heißt, es

00:39:33: fehlen 2 Millionen Euro, um fällige Zahlungen rechtzeitig zu

00:39:36: leisten.

00:39:37: Journalist*innen, Mitglieder und Fans stellten sich gemeinsam die

00:39:41: Frage, wie konnte das passieren? Eigentlich hatte der unerwartete

00:39:45: Bundesliga-Aufstieg 2001, wir haben darüber in Christophers

00:39:48: Story gehört, dem Verein doch einen warmen Geldregen beschert,

00:39:52: Fernsehgelder, Werbegelder, gestiegene Eintrittspreise und

00:39:55: so weiter. Der FC St. Pauli ging danach zwar zurück in die zweite

00:39:58: Liga, aber mit schwarzen Zahlen, zumindest auf dem Papier. Auf der

00:40:02: Jahreshauptversammlung im Herbst 2002 wurde ein beeindruckend

00:40:06: positiver Jahresabschluss präsentiert, das

00:40:08: Vereinsvermögen betrug zum Stichtag laut Bericht rund

00:40:11: 760.000 Euro plus. Das waren dann die Gelder,

00:40:14: was wir für André Golke bekommen haben. Das André Golke-Geld, da ist es.

00:40:18: Das lag immer noch rum 10 Jahre später. Haben wir nicht

00:40:21: gebraucht.

00:40:22: Das ist für FC St. Pauli- Verhältnisse fast erschreckend

00:40:25: solide.

00:40:26: Das Wirtschaftsunternehmen MDS Möhrle schätzte den Etatansatz

00:40:30: für die Zweitligasaison 2002/ 2003 außerdem als äußerst

00:40:33: konservativ ein. Die wirtschaftlichen Risiken seien

00:40:36: bei Erzielung der zu erwartenden Einnahmen sehr gering. Christoph

00:40:39: schmeißt sich weg hinterm Mikrofon. Ja, auch deshalb weil

00:40:42: MDS Möhrle so ein toller Name ist. Es gibt in der Nähe des

00:40:46: Dorfes wo ich wohne eine MDS Schnackscheune und die

00:40:49: Schnackscheune heißt deswegen MDS, weil es kein wirkliches

00:40:52: Catering vor Ort gibt, also da arbeitet keiner der Pizza macht

00:40:56: oder so, sondern MDS heißt mach's Dir

00:40:57: selbst, das heißt, es liegt eine Anleitung, wie du hier die

00:41:00: Pizza bringen lassen kannst dahin. Der Pizzaservice freut

00:41:03: sich bestimmt jedes Mal, wenn er irgendwie 20 Kilometer in die

00:41:06: Pampa fahren darf, um irgendwie eine Pizza bei einer

00:41:09: Schnackscheune abzusetzen und lange Rede kurzer Sinn, mach es

00:41:11: dir selbst Möhrle find ich für ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen

00:41:14: total vertrauenserweckend. Das würde

00:41:16: aber auch erklären wie es dazu kam, wie es kam.

00:41:20: Ja, mach's dir selbst, die Bilanz. Die wirtschaftlichen

00:41:24: Risiken, so MDS Möhrle, seien bei Erzielung der zu erwartenden

00:41:27: Einnahmen sehr gering. Man war guter Dinge, sogar unter

00:41:31: Zweitliga-Bedingungen Gewinne erzielen zu können.

00:41:33: Liquiditätsengpässe extrem unwahrscheinlich. Was ich nicht

00:41:37: verstehe an der konservativ... Man muss ja sagen, dass der

00:41:40: teuerste Transfer der Vereinsgeschichte in dieser

00:41:43: Saison ja stattgefunden hat. Marcao, richtig? 1,2 oder?

00:41:46: Ugur Inceman. Ja natürlich, Ugur Inceman verdammt nochmal. Und

00:41:49: Marcao war ja günstig im Vergleich.

00:41:51: Das war im Jahr davor oder? Es geht hier um

00:41:54: um die Planung für die nächste Saison. Ah ok.

00:41:58: Für die Drittliga- Saison. Man hatte gut 2 Millionen Euro plus für

00:42:01: Spieler rausgeledert und trotzdem noch 750.000 plus, angeblich, auf dem

00:42:05: Konto. Na gut.

00:42:07: Den Etatansatz. Es geht um den Etatansatz für die Zweitliga-

00:42:11: Saison 2002/2003.

00:42:13: Der wurde als konservativ eingeschätzt.

00:42:17: Konservativ heißt vorsichtig.

00:42:20: Als Reenald Koch im Dezember 2002 sein Präsidentenamt aufgab, lag

00:42:24: laut Frank Fechner, Geschäftsführer von Januar 2003

00:42:27: bis Sommer 2005, eine offizielle Liquiditätsplanung vor, die bis

00:42:31: Sommer 2003 einen Überschuss von 400.000 Euro aufwies.

00:42:38: Wie kann es dann sein, dass der FC St. Pauli gerade einmal vier

00:42:41: Monate später eine Liquiditätslücke von 2 Millionen Euro

00:42:44: stopfen musste? War das Geld irgendwie verschwunden oder war

00:42:47: die finanzielle Situation des Vereins in Wahrheit viel

00:42:50: schlechter als gedacht, hatte Reenald Kochs Rücktritt am Ende

00:42:53: sogar etwas mit frisierten Zahlen zu tun? Sein Nachfolger

00:42:56: Corny Littmann, der im Februar 2003 offiziell das Amt des

00:42:59: Präsidenten übernahm, vermutet einen Zusammenhang:

00:43:03: "Die, sag ich mal, Mutmaßung liegt nahe,

00:43:06: dass Reenald Koch schon zu dem Zeitpunkt seines Rücktritts

00:43:10: wusste, in welchen finanziellen Problemen der Verein ist,

00:43:14: beziehungsweise in welche er geraten kann. Und von da gesagt

00:43:18: hat, also bevor das hier alles den Bach runter geht,

00:43:23: mach ich lieber einen schnellen Abgang. Die Spekulation ist

00:43:26: nicht weit hergeholt aufgrund dessen was dann anschließend

00:43:29: kam."

00:43:31: Kurze Gegendarstellung Reenald Koch:

00:43:33: Und ich bin im November gegangen auf der

00:43:35: Mitgliederversammlung, weil es gab ja auch 30 Abwahlanträge

00:43:39: gegen mich, weil ich mich natürlich, weil ich dann wieder

00:43:42: den Unternehmer rausgekehrt habe und das passte natürlich

00:43:45: dem einen oder anderen nicht. Indem ich gesagt habe, wir

00:43:48: müssen hier cost cutting machen, so dass hier der Verein

00:43:52: vernünftig existieren kann. Nachdem ich dann

00:43:55: abgetreten bin oder zurückgetreten bin,

00:43:59: weil ja da die 30 Abwahlanträge waren und weil es einfach auch

00:44:02: zeitlich nicht mehr zu schaffen war. Ich konnte ja nicht 100

00:44:05: Stunden die Woche arbeiten und St. Pauli und das muss man, und

00:44:09: das hat St. Pauli jetzt zum Glück beendet, dass es endlich

00:44:12: eine hauptamtliche Führung hat, man kann so einen Verein

00:44:15: niemals ehrenamtlich führen, das geht weit über die Grenzen

00:44:18: hinaus. Und dann hat man dann für die Rückserie, nach meinem

00:44:22: Rücktritt sind dann im Januar ja Spieler verpflichtet worden.

00:44:26: In einer Größenordnung x.

00:44:29: Aber der Klassenerhalt konnte nicht gesichert werden. Und dann

00:44:32: kam es zum Supergau.

00:44:35: Das ist die Wahrheit.

00:44:37: Also, wie ich gegangen bin, war genug Geld da.

00:44:42: Und die Strukturen waren auch da." Der Supergau, den Reenald Koch

00:44:45: da anspricht, war dann die schmerzhafte Erkenntnis, dass

00:44:48: die wahren Zahlen verheerend aussahen.

00:44:51: Die vereinsinternen Unterlagen, die etwas anderes behauptet

00:44:54: hatten, waren schlichtweg falsch oder mindestens unvollständig.

00:44:57: Die Verbindlichkeiten waren wesentlich höher als angegeben.

00:45:01: Und es ist mindestens zweifelhaft, ob es die

00:45:03: Spielerverpflichtungen unter Littmann waren, die den

00:45:05: Untergang eingeläutet haben. Das deutet Koch ja so ein bisschen an.

00:45:08: Die Entscheidung in die Mannschaft zu investieren

00:45:10: erfolgte ja auf Grundlage der bestehenden Liquiditätsplanung,

00:45:13: wir erinnern uns an angeblich 400.000 Euro

00:45:16: Überschuss.

00:45:18: Das Problem waren in Wahrheit ganz andere Posten. Allein der

00:45:22: Rückerwerb bzw. Erwerb der Vermarktungsrechte und der

00:45:25: Stadionplanung von Heinz Weisener hatten den FC St.

00:45:28: Pauli 2,7 Millionen Euro gekostet. Hinzu kamen Mehrausgaben für das

00:45:31: Jugendleistungszentrum am Brummerskamp, Verluste aus der

00:45:35: Vereinszeitschrift 'Viertel nach Fünf' und so weiter. Außerdem war

00:45:38: unter Reenald Koch ein Umsatzsteuerdefizit von über 600.000 Euro

00:45:41: entstanden, aber das kam erst 2005 raus, also andere

00:45:45: Krise, anyway.

00:45:47: Um die Lizenz für die Regionalliga zu erhalten und

00:45:49: nicht in die Oberliga strafversetzt zu werden, musste

00:45:52: der Verein dem DFB bis zum 11. Juli 2003 eine

00:45:55: Liquiditätsreserve in Höhe von 1,95 Millionen Euro vorweisen. Dass der

00:45:58: DFB überhaupt so eine hohe Liquiditätsreserve haben

00:46:02: wollte, war laut Corny Littmann übrigens die Schuld von Stephan

00:46:05: Beutel. Der hätte laut Corny Littmann nämlich Einspruch

00:46:08: erheben können und müssen, bei erfolgreichem Widerspruch wäre

00:46:12: die Summe deutlich geringer ausgefallen: "Der Vorgang

00:46:15: war so, dass Stephan Beutel qua Amt

00:46:18: diese Lizenzierungsunterlagen erstellt hat,

00:46:22: eingereicht hat beim DFB.

00:46:26: Und wir einen entsprechenden Bescheid über besagte 1,9

00:46:30: Millionen gekriegt haben. Und dann hatten wir, erinnere ich

00:46:35: mich sehr genau,

00:46:38: eine Sitzung des Präsidiums im Astraturm. Damals war Stephan

00:46:42: Beutel nicht mehr Mitglied des Präsidiums, aber natürlich

00:46:48: als sportlich Verantwortlicher, als Sportmanager immer präsent

00:46:53: bei diesen Sitzungen.

00:46:56: Und es kam die Frage auf, also von mir aufgeworfen, hast Du

00:47:00: Einspruch erhoben?

00:47:03: Und da hat er gesagt, ja, das hab ich gemacht.

00:47:09: Daraufhin habe ich gesagt, davon möchte ich mich aber persönlich

00:47:13: überzeugen.

00:47:14: Wer ist der zuständige beim DFB?

00:47:18: Der zuständige beim DFB damals zumindest war Herr Möglich.

00:47:22: Ja, auch Ironie irgendwie, Herr Möglich. Ok, also ich geh in den

00:47:27: Nebenraum, ruf Herrn Möglich an. Herr Möglich teilt mir mit, der FC

00:47:32: St. Pauli hat die Einspruchsfrist versäumt.

00:47:38: Das war der Grund für die sofortige Trennung von Stephan

00:47:41: Beutel.

00:47:44: Es war kein Einspruch mehr möglich.

00:47:48: Die Summe stand fest. Davon rückte der DFB auch nicht ab."

00:47:51: Wie toll man sitzt ja fast wirklich mit dabei und

00:47:55: man sieht, wie Stephan Beutel drei Tage zu spät oder so Herrn

00:47:58: Möglich anruft und sagt, Einspruch, Hallo Einspruch,

00:48:01: Einspruch und Möglich natürlich ja, Frist vorbei und

00:48:04: dann Beutel sich selber sagt, ich habe nicht gelogen, ich habe

00:48:08: Einspruch erhoben. Eben, er hat ja Einspruch erhoben, nur halt

00:48:11: zu spät.

00:48:13: Ja, das hat Corny Littmann so explizit ja nicht gefragt wann,

00:48:17: nur ob. Sensationell. Also so stelle ich es mir halt

00:48:20: vorher.

00:48:23: Wir halten fest, kein Einspruch mehr möglich bei Herrn Möglich. Ich

00:48:26: fass das noch mal zusammen bei so Finanzthemen verliert man ja

00:48:29: auch manchmal den Überblick. Im Mai 2003 schaut der FC St. Pauli

00:48:32: in einen gähnenden Abgrund, der Abstieg in die Regionalliga ist

00:48:35: besiegelt, es droht sogar der Zwangsabstieg in die Oberliga.

00:48:38: Dem Verein bleibt weniger als ein Monat

00:48:41: Zeit um eine Liquiditätsreserve von fast 2 Millionen Euro vorzuweisen.

00:48:44: Niemand wusste so richtig wie es dazu kommen konnte und niemand

00:48:47: wusste so richtig wie es weitergehen sollte. Ich zitiere

00:48:50: mal einen ehemaligen Aufsichtsrat:

00:48:54: "Es gab kein richtiges Controlling, der Verein war

00:48:56: relativ im Blindflug unterwegs und du merkst irgendwie, du

00:48:58: siehst das Problem, du kannst es noch nicht richtig fassen und

00:49:01: nahezu alle handelnden Personen sind da neu in der Position. Wir

00:49:04: haben kaum Kollegen gehabt, die wirklich Insights liefern

00:49:07: konnten, wie man das heute so sagt, das war schon bedrohlich

00:49:09: und wir können glaube ich rückblickend schon bei aller

00:49:12: Kritik an Corny Littmann sagen, dass wir Glück hatten, dass wir

00:49:15: ihm zu diesem Zeitpunkt gewinnen konnten."

00:49:19: Denn unter Corny Littmann startet ein Komplett-Ausverkauf,

00:49:22: der den Klub vor der Insolvenz bewahren soll. Ein

00:49:25: Maßnahmenbündel unter dem Motto "Wir glauben an den FC St.

00:49:28: Pauli", im Rückblick eher als die Retterkampagne bekannt.

00:49:31: Der offizielle Kampagnenname war "Wir glauben an den FC St.

00:49:35: Pauli"? Ja. Es gab ja damals auch diese Dauerkarten mit den

00:49:37: betenden Händen vorne drauf, also sie haben es schon

00:49:40: durchgezogen.

00:49:41: Und es gab ja auch die Fotos, waren die nicht in/vor

00:49:45: irgendeiner Kirche aufgenommen, das Mannschaftsfoto das Jahr?

00:49:51: So ein bisschen sakraler Touch war da auf jeden

00:49:54: Fall. Ja, ja, das war das erste Jahr, ja ja doch. Genau, ja doch,

00:49:57: also das offizielle Motto war "Wir glauben an den FC St.

00:50:00: Pauli", also für dieses ganze Maßnahmenpaket.

00:50:03: Und das sah dann so aus, dass auf Treuhandkonten Spenden

00:50:06: gesammelt wurden und dass der Dauerkartenverkauf früher

00:50:09: als geplant startete und bereits am ersten Tag holten sich dann

00:50:12: mehr als 1.000 Menschen diese neue Dauerkarte mit den von

00:50:15: Christoph schon erwähnten betenden Händen.

00:50:18: Und dann gab es natürlich das Weltpokalsiegerbesiegershirt

00:50:21: mit dem Zusatz Retter, das dann von Drogeriemarkt und Fast Food-

00:50:25: Ketten verkauft wird und von Freiwilligen, die das Geld

00:50:28: anschließend in der Geschäftsstelle abgeben, auf

00:50:31: Vertrauensbasis.

00:50:32: Also ich kann mich tatsächlich erinnern, dass wir

00:50:35: mal an einem Sonnabendabend auf der Reeperbahn beziehungsweise

00:50:38: auf dem Spielbudenplatz gestanden haben und auf

00:50:41: so einer Art Tapeziertisch diese

00:50:43: Rettershirts verkauft haben mit ein paar Leuten direkt vorm

00:50:46: Schmidt-Theater oder Tivoli, auf jeden Fall da auf der Höhe und

00:50:49: haben dann auch nachher am Ende die übriggebliebenen

00:50:52: Shirtkisten im Tivoli in einen Abstellraum gestellt und ich

00:50:55: glaube sogar die Kasse auch da irgendwo abgegeben. Und da

00:50:58: stehen

00:50:59: sie noch heute. Möglicherweise, kann natürlich sein. Ich sag mal

00:51:02: so, der Untergang des FC St. Pauli hatte vielleicht auch mit

00:51:05: solchen Geschäftsgebaren auch irgendwie zu tun. Ich geh

00:51:08: jetzt grundsätzlich mal davon aus, dass das auch reichlich

00:51:11: eingenommene Geld, also gerade auch wirklich so tourimäßig da Leute

00:51:14: geil, nehm ich und so. Also das hat glaube ich schon, ich gehe

00:51:17: auch davon aus, dass das Geld da angekommen ist, wo es hätte

00:51:20: ankommen sollen, da gehe ich jetzt einfach davon aus.

00:51:22: Dieser T-Shirt- Verkauf lief extrem gut, sogar so

00:51:25: gut, dass es zumindest laut Corny Littmann in Europa dann

00:51:28: irgendwann keine braunen T- Shirts mehr zu bestellen gab, da

00:51:31: hat man dann beim FC St. Pauli

00:51:32: eben schwarze bestellt und rosane und kleinere Größen.

00:51:36: Ihr erinnert Euch, es gab so ne ganze Kollektion am Ende.

00:51:39: Retterchen, genau ja. Und an Pfingsten gab es dann

00:51:42: noch mal ein Special wo im ganzen Viertel für St. Pauli gesoffen

00:51:45: wurde, saufen für St. Pauli.

00:51:48: Ja, spätestens als Ole von Beust dann medienwirksam anfängt,

00:51:51: Dauerkarten zu verticken und Altona 93-Fans im Derby gegen die FC

00:51:55: St. Pauli Amateure "St. Pauli, Mc Donald's und die CDU"

00:51:58: skandieren, geht vielen St. Paulianer*innen der Ausverkauf

00:52:01: ein bisschen zu weit. Aber was man sagen muss, die

00:52:04: Retterkampagne wirkt. Am 10. Juni übernimmt die HSH Nordbank eine

00:52:07: Bürgschaft über die volle vom DFB geforderte Summe.

00:52:11: Im Juli spült ein Benefizspiel gegen Bayern dann noch mal

00:52:15: 200.000 Euro in die leeren Kassen. Doch das einzige,

00:52:19: was am Ende mit der Retterkampagne wirklich gerettet

00:52:22: wurde, war die Regionalliga- Lizenz. Abgestiegen war man

00:52:26: trotzdem und pleite war man auch trotzdem, denn: "Die dann folgende,

00:52:30: ja im Frühjahr/Sommer folgende Retterkampagne nicht mehr und

00:52:34: nicht weniger bewirkt hat,

00:52:39: als dass wir den

00:52:43: geforderten

00:52:44: Betrag, um die Lizenz für die dritte Liga zu erhalten,

00:52:48: erbringen konnten.

00:52:51: Diese Summe, die wir aufbringen mussten, hat mitnichten die

00:52:55: Verbindlichkeiten des FC St. Pauli getilgt." Nur einen Monat,

00:52:59: nachdem Uli Hoeneß im Rettershirt Ehrenrunden am

00:53:02: Millerntor gedreht hatte, erschien ein Artikel mit der

00:53:06: Überschrift "FC St. Pauli wieder vor der Insolvenz. Der Hamburger

00:53:10: Fußballligist FC St. Pauli muss schon wieder um seine Existenz

00:53:14: fürchten.

00:53:16: Während der Jahreshauptversammlung des Klubs

00:53:18: prognostizierte das Präsidium eine finanzielle Lücke von

00:53:22: 886.000 Euro zum Saisonende. Anstatt einer Rettungsaktion wie in

00:53:25: diesem Sommer soll nun eine Kunstauktion helfen."

00:53:30: Was soll ich sagen, es waren finanziell schwierige Zeiten.

00:53:34: Wie so häufig.

00:53:37: Alles klar. Ja, also wir haben ja jetzt so eine schöne, auch

00:53:40: stimmungsmäßig und lichtmäßig so eine gewisse Entwicklung auch,

00:53:44: die sich ein wenig dem Titel von Leonard Cohens 14. und letzten

00:53:47: Studioalbum "You Want It Darker" anschließt, insofern möchte ich

00:53:51: eigentlich gerne noch draufsetzen, ich weiß nicht

00:53:53: genau, ob es mir so ganz gelingt, vielleicht kommen auch

00:53:56: ein paar Farben rein, auch deshalb, weil meine Geschichte

00:53:59: den Titel trägt "Rainbow Connection".

00:54:03: Wenn jetzt jemand einen Ohrwurm im Kopf hat, ist er mir noch mal

00:54:06: extra sympathisch, weil das ein ganz wunderschönes Lied ist. "Why

00:54:09: are there so many songs about rainbows and what's on the other

00:54:13: side?" Das fragt sich Kermit der Frosch, größter Entertainer

00:54:16: des 20. und 21. Jahrhunderts, in einem seiner schönsten Songs.

00:54:19: Naja, am anderen Ende des Regenbogens, so heißt es, liegt

00:54:22: bekanntlich ein Topf mit viel Gold vergraben, und so ist es

00:54:26: vielleicht kein Wunder, dass der FC St. Pauli in der Mitte der

00:54:29: Nullerjahre, also ganz kurz nach Celinas Geschichte, nach seiner

00:54:32: eigenen

00:54:33: Rainbow Connection suchte, so der Titel von Kermits Lied.

00:54:38: Sportlich, wir erinnern uns, lief es eher geht so. Im Herbst

00:54:42: 2004 spielt der FC St. Pauli im Mittelfeld der dritten Liga.

00:54:47: 1:1 gegen Hertha BSC II.

00:54:49: 1:1 gegen Wuppertal, 0:1 beim KFC Uerdingen und immerhin 2:0

00:54:55: bei Holstein Kiel am 11.12.2004.

00:54:59: Ich glaub da war ich. Ah. Sieg in Kiel ist auch nicht

00:55:02: selbstverständlich und ich find halt einfach auch, die

00:55:05: Gegnernamen aufzuzählen ist irgendwie auch, ach irgendwie

00:55:09: bringt so ein schönes Gefühl zeitlicher Distanz. Also

00:55:12: wir verlieren zwar immer noch.

00:55:14: Gut, Augsburg ist jetzt auch nicht so der Hammer-Name,

00:55:17: aber die kommen ja alle noch, die kommen ja alle noch, die

00:55:20: Namen kommen ja alle noch. RB Leipzig am Sonntag. Genau, die

00:55:23: lass ich noch nicht als Name gelten erstens und ich glaub

00:55:25: wir müssen noch RaBa sagen, Rasenballsport hab ich mir beibringen

00:55:28: lassen.

00:55:30: RaBa natürlich. Ist ja ein

00:55:32: Verein. Genau. Also ich finde auch das ist diese ganze

00:55:35: Geldmacherei passiert eher aus Versehen.

00:55:39: Zurück zu 2004 ist finanziell die Retterzeit halt noch lange

00:55:42: nicht zu Ende. Statt Abstiegsgespenst kommt das

00:55:45: Pleitegespenst zurück und wie es aussieht, stärker denn je.

00:55:50: "Finanzkrise ohne Ende", meldet das 'Hamburger Abendblatt' am

00:55:54: 26.11.2004. St. Pauli habe eine fällige Rechnung für den

00:55:57: Rückkauf der Vermarktungsrechte an das Unternehmen Upsolut nicht

00:56:01: überweisen können. Grund: Fehlende Liquidität.

00:56:05: Im Artikel werden einige haarsträubende Details genannt.

00:56:08: Ich habe ein déja vu irgendwie. Eben, das finde ich so schön.

00:56:11: Kommt mir alles bekannt vor. Haben wir das echt alles,

00:56:14: also hat das der Verein wirklich alles überstanden, man kann es

00:56:17: sich kaum vorstellen. Auch immer wieder gleich in der Abfolge finde

00:56:20: ich. Es ist tatsächlich irgendwie ähnlich und insofern

00:56:23: hat es auch quasi der Refrain von einem guten Popsong,

00:56:26: der wird ja auch wiederholt. "St. Paulis Vizepräsident Marcus

00:56:29: Schulz", so schreibt das 'Abendblatt', "verhandelte in den

00:56:32: vergangenen Tagen mit Upsolut über eine Aufschiebung der

00:56:35: Zahlung. Hintergrund:

00:56:36: St. Pauli braucht zur Begleichung das zinslose

00:56:38: Darlehen des Catering- Unternehmens Holz in Höhe von

00:56:41: 800.000 Euro." Wer übrigens möchte, darf jetzt

00:56:44: gleich bei nicht ganz so beliebten Städtenamen, wenn sie

00:56:47: fallen, raunen, das macht es glaube ich akustisch lebendiger.

00:56:51: "Der Rostocker Unternehmer Wolfgang Holz bewilligte dem

00:56:54: Kiezclub diese Summe und erhielt im Gegenzug für 10 Jahre das

00:56:58: Recht, bei Heimspielen für das leibliche Wohl der Zuschauer zu

00:57:03: sorgen. Bislang blieb die Bezahlung aus. Holz,

00:57:06: Aufsichtsratsvize bei Hansa Rostock." Ach, das ist ja super. Wer hat denn

00:57:10: den Deal eingetütet? Das ist ein ganz toller Deal. "Es sind nur noch einige formelle

00:57:14: Dinge zu regulieren, die Zahlung wird in der nächsten Woche

00:57:18: erfolgen."

00:57:19: Das ist doch ein U-Boot. Klingt ein bisschen so, vor allem

00:57:22: leibliches Wohl. Den Verein von innen heraus zerstören. Wir sind was

00:57:26: wir essen. Ja, das 'Abendblatt' weiter: "Sollte St. Paulis

00:57:29: Finanznot noch akuter werden, könnte Littmann auch privat

00:57:32: betroffen sein. Der Präsident bestätigte, dass er sich

00:57:35: mittlerweile mit 300.000 Euro aus seinem Privatvermögen beim FC

00:57:38: St. Pauli engagiert." Zitat Littmann: "Das ist nicht

00:57:41: unproblematisch." Kurz- bis mittelfristig, da sind sich die

00:57:45: Verantwortlichen einig, müssen weitere Sparmaßnahmen getroffen

00:57:48: werden, um eine

00:57:49: Insolvenz zu verhindern. Die Aufgabe des Trainingszentrums

00:57:52: Kollaustraße wird bereits diskutiert."

00:57:56: Ja, immer wieder noch irgendwas, was man dann doch noch

00:57:59: verscherbeln kann. Also zu der Zeit beim FC St. Pauli für

00:58:02: Finanzen verantwortlich zu sein, das war schon ein ganz spannender

00:58:06: Job, sag ich mal.

00:58:08: Rosig also sieht die Lage ganz gewiss nicht aus zu der Zeit.

00:58:11: Ich meine sportlich, St. Pauli performt im Oddset-Pokal ganz

00:58:14: gut, aber was soll man sich davon bitte kaufen können?

00:58:17: Also das ist ja gar nichts, Oddset-Pokal, nee.

00:58:19: Trost finden St. Paulianer*innen immerhin in der Nostalgie.

00:58:23: Am 14.02.2005 feiert das Millerntor ein Duell der

00:58:26: Legenden, Truller versus Stani. Erinnert sich jemand noch daran.

00:58:30: Ich war dabei. Ich war tatsächlich auch dabei. Doch, ja. War

00:58:33: auch ganz putzig, das war irgendwie auch schön, weil

00:58:37: genau... Ich bin in der Halbzeit gegangen. War kalt.

00:58:40: Wie gesagt, ich hatte ein signiertes Astra-Trikot, was dann

00:58:44: umsichtigerweise,

00:58:46: ja, ich weiß nicht, ob sie das hört, aber meine damalige

00:58:49: Partnerin hat es einfach in die Waschmaschine getan. Dann waren

00:58:52: die Unterschriften weg, ich hatte nur Kugelschreiber. Die Beziehung

00:58:55: war auch vorbei. Hat ein bisschen länger gehalten, aber

00:58:58: aber es ist nicht meine jetzige.

00:59:01: Anfang vom Ende. Eine reinliche Frau offenbar. Wenn sie es hört,

00:59:04: wird sie jetzt vielleicht ein bisschen schmunzeln. Das

00:59:07: Abschiedsspiel liefert die wehmütig schönen Emotionen,

00:59:10: die Liga- und Finanzschlagzeilen zu dieser Zeit ganz sicher nicht

00:59:13: abwerfen. "Endlich wieder St. Pauli", heißt es in einer

00:59:16: Hamburger Tageszeitung. "Neben Dieter Schlindwein", kann man

00:59:19: natürlich auch raunen, Ihr hört unsere Folge dazu.

00:59:22: "Dirk Zander, Torsten Fröhling, Dirk Dammann, Oliver Schweißing, Jan

00:59:26: Kocian, Klaus Thomforde, Carsten Pröpper und Frank Böse

00:59:29: hätten auch Carsten Wehlmann vom VfB Lübeck, Holger Wehlage vom

00:59:32: MSV Duisburg und Stürmer Nico Patschinski von Eintracht Trier

00:59:35: ihre Teilnahme zugesagt.

00:59:37: Den kickenden Prominenten werde unter anderem TV-Moderator Elton

00:59:41: gehören." Na super. Ah, dem habt ihr bestimmt besonders laut

00:59:45: zugejubelt. Endlich wieder St. Pauli also, "den finalen Akt des

00:59:49: Spiels, das Tor zum 11:7 setzte übrigens Tobias, der

00:59:53: zwölfjährige Sohn von André Trulsen", weiß 11 Freunde. Ein

00:59:57: Retterspiel war das dann allerdings nicht und auch der

01:00:01: Marketingpreis des Sports, den der FC St. Pauli eine Woche

01:00:04: zuvor beim ISPO Sportsponsoring Kongress 2005 für

01:00:08: die St. Pauli-Kampagne samt Trainingslager in Kuba gewonnen

01:00:11: hatte, änderte nichts daran. Trotz 6.000 Zuschauerinnen am

01:00:14: Millerntor bei "Trullislawskis" Abschied blieb der FC St.

01:00:17: Pauli am Rande der Pleite. Den Preis mache ich dann in unserer

01:00:20: nächsten Titel, Thesen, Temperamente-Folge. Ja, das hatte

01:00:23: ich tatsächlich auch vergessen, ich war überrascht, als ich

01:00:26: darüber gestolpert bin. Trainingslager auf Kuba auch

01:00:29: noch mal ein eigener... Ganz easy, wir machen nur die leichten

01:00:32: Dinger. Rechtsschutzversicherung. Ein junger

01:00:34: 'taz'-Reporter namens Oke Göttlich zeigte die Sache mit der Pleite

01:00:38: in seinem "Duell der Legenden"- Nachbericht gnadenlos auf.

01:00:41: Zitat Göttlich. "Die Inszenierung einer Zeit, in der alles besser

01:00:45: war, passt zur derzeitigen Lage des FC St. Pauli. Immer wieder

01:00:48: sorgen finanzielle Unregelmäßigkeiten für Sorgen

01:00:51: bei den Fans, die weiter zahlreich die Spiele St. Paulis

01:00:55: besuchen, allein auf St. Pauli tritt mal wieder ein besonderes

01:00:58: Versäumnis zu Tage. Über 600.000 Euro Steuernachzahlungen

01:01:01: belasten den Verein, eine Summe die nicht etwa aus den

01:01:05: aktuellen Steuererklärungen herrührt, sondern aus dem Jahr

01:01:07: 2002." Das haben wir doch eben gerade schon irgendwie gehört.

01:01:10: Kann das sein? Déja vu.

01:01:13: Eine Kette. Also, ich sage mal, als Reenald Koch

01:01:16: gegangen ist, war genug Geld da. So sieht das aus, die

01:01:19: Buchhaltung sei damals angewiesen worden, die fällige

01:01:22: Umsatzsteuer auf Einnahmen und unter anderem aus

01:01:24: Kartenverkäufen und Fernsehgeldern nicht anzumelden.

01:01:27: Das klingt illegal. Hm, das klingt so, nun drohe darum eine

01:01:30: Nachzahlung auf immerhin rund 4 Millionen Euro Umsatz. Übrigens Fun

01:01:34: Fact dazu. Club 2000, das Konzept, der Club musste übrigens

01:01:37: zwangsabsteigen, weil man Steuern hinterzogen hat durch

01:01:40: Nichtangabe von der Umsatzsteuer.

01:01:43: Nürnberg. Alles wiederholt sich. Es ist wirklich verblüffend und

01:01:46: Nürnberg hat ja auch mal einen Geschäftsführer von uns

01:01:49: übernommen, wobei man sagen muss, dass der übernommene

01:01:52: Geschäftsführer dann mit der ganzen Misere nichts zu tun

01:01:55: hatte. Das war Michael Meeske und der hat jetzt glaube ich,

01:01:58: nichts. Das war deutlich später. Einfach Kinder aus demselben Haus. Also Michael

01:02:01: Klage zurückziehen, wir haben das hier ganz deutlich

01:02:03: eingetütet. Jetzt wieder 2004/05 diese Saison. Präsident Littmann

01:02:07: kündigte an, dass man schon einen Weg finden werde, zu

01:02:10: Problemen mit der Lizenz- Erteilung werde es nicht kommen.

01:02:13: "Aber", so Oke Göttlichs 'taz'-Artikel

01:02:14: weiter, "viel größere Sorgen dürfte ihm machen, dass der

01:02:17: Aufsichtsrat bereits nach geeigneten Präsidiumskandidaten

01:02:20: forscht, die auf Littmann folgen könnten. Erst jüngst wurde dem

01:02:24: Gremium ein Kandidat aus dem Clan des früheren FCSP-

01:02:27: Präsidenten", Ihr werdet Euch erinnern, "Paulick

01:02:30: vorgeschlagen". Spannend, was das wohl für ein Kandidat war. Muss

01:02:34: man schon sagen. Oke gut informiert, das war wirklich

01:02:38: offenbar der erste Artikel wo diese Personalspekulation

01:02:41: geäußert wurde. Das 'Abendblatt' war später dran, das nennt etwas

01:02:45: später dann aber tatsächlich auch einen Namen.

01:02:49: Während also in diesem 'Abendblatt'-Artikel Corny

01:02:52: Littmann stolz verkündet, man habe beim Finanzamt einen

01:02:54: Aufschub für die fällige Zahlung erwirkt, sei eine, und zwar zu

01:02:58: dieser Zeit wohl die medienpräsenteste

01:03:00: Unternehmergestalt Norddeutschlands im Gespräch

01:03:03: für die Littmann-Nachfolge.

01:03:04: Jetzt kommt der Artikel: "Der potente Unternehmer", das stand da

01:03:09: wirklich so, "Der potente Unternehmer Mathias Kampmann (42,

01:03:12: Rainbow Tours)".

01:03:15: Ja, Rainbow Tours rings any bells hier? Lloret de Mar, 48

01:03:18: Stunden mit dem Bus. Richtig, Ihr erinnert Euch, Ihr wart alle

01:03:22: dabei. Habe ich mal gemacht tatsächlich, aber schon früher. Was, Lloret? Ja,

01:03:25: aber das war, das muss aber in den Achtzigern schon gewesen sein,

01:03:29: gab's die da schon?

01:03:32: Nee, in den Achtzigern noch nicht. Dann war es ein anderer Anbieter.

01:03:35: Das war ein ganz großes Ding zu meiner Jugend, aber

01:03:38: schon damals habe ich beschlossen, dass ich mich,

01:03:41: glaube ich eher...

01:03:43: So haben wir unsere Abireise gemacht. Das Gute ist, ich war nicht dabei.

01:03:46: Weil Du kein Abi gemacht hast. Doch ich hab Abi

01:03:49: gemacht. Aber ich hab die Reise boykottiert, weil als ich dann

01:03:51: mir die Tour angeguckt, dass man von Hamburg erstmal nach Berlin

01:03:54: und dann nach Bremen und dann erst nach Lloret de Mar.

01:03:56: Wirklich weltweit auch. Wir waren auf Neuwerk, da sind wir

01:03:59: zu Fuß hingegangen.

01:04:02: Ohne Rainbow Tours, aber mit Wattwagen dann auf der Rückfahrt

01:04:05: und alle grün im Gesicht. Ich bin auch

01:04:08: zurück gelaufen. Das waren noch Zeiten, barfuß nach Neuwerk.

01:04:12: Alles andere macht auch nicht wirklich Sinn wegen Watt und

01:04:15: so weiter. Wer

01:04:16: das kennt, wird wissen, was ich meine. Ja, das war also

01:04:19: tatsächlich, Rainbow Tours war vor der Ära des Billigfliegers

01:04:22: der günstigste Weg, um irgendwie in den Süden zu kommen und das

01:04:26: Geschäft für Mathias D. Kampmann, der halt diese Firma

01:04:29: besaß und mitgegründet hatte, das boomte und nun suchte also

01:04:33: dieser Mathias D. Kampmann neue Beschäftigungsfelder. Warum

01:04:36: Fußball? Immerhin war er einmal Stürmer bei Altona 93 gewesen.

01:04:39: Und warum der FC St. Pauli? Super Grund kommt jetzt:

01:04:43: "Der Verein braucht Seriosität", so Kampmann gegenüber der Presse.

01:04:50: Seriosität? Ah ja.

01:04:52: Damit kennt Mathias und kannte Mathias D. Kampmann man sich auch

01:04:56: schon damals aus. Wir blenden da mal ganz kurz rüber zu einer

01:04:59: Fernsehreportage eines renommierten TV-Senders über

01:05:02: eine typische Rainbow Tours- Reise: "Und jetzt zu einem Urlaub,

01:05:05: der ganz gewaltig in die Hose geht. Aimée und Patricia machen

01:05:09: einen Kurztrip nach Lloret de Mar. Sie wollen ordentlich Party

01:05:12: machen und Spaß haben." Ja, Thomas war da nicht mit an Bord, das

01:05:16: wissen wir, das war schon früher, er hatte den Trend schon

01:05:19: 20 Jahre früher erkannt. Und Party im Bus weiß ich auch gar nicht.

01:05:22:

01:05:23: Also das war halt ein anderer Anbieter, aber die Tour war so

01:05:26: ähnlich. Party machen und Spaß haben jedenfalls, auch das

01:05:30: natürlich eine glasklare Verbindung zum Millerntor, wie

01:05:33: Kampmann richtig erkannt haben wird. Seine seriösen

01:05:35: Reisebegleiter, die heizen dann im Bus immer die Stimmung

01:05:38: ordentlich an, die Fete beginnt schon vor der ersten

01:05:41: Autobahnraststätte, auch hier noch einmal ein original

01:05:44: Dokument.

01:05:48: "Party im Bus, wie ist das? Super geil. Prost. Warum?

01:05:53: Sieht man doch, oder? Keine Worte.

01:05:57: Einfach nur Spaß, Alkohol, nette Leute, Party"

01:06:02: Ok. Da will man dabei gewesen sein. Genau, das war keine Reportage

01:06:05: vom Millerntor, das war eine Reportage aus dem Rainbow Tours-

01:06:08: Bus. Für Mathias D. Kampmann war es wahrscheinlich mehr oder weniger

01:06:11: das Gleiche. Wo war die erste Raste, Tecklenburger Land?

01:06:14: Aber Spaß, Alkohol, nette Leute haben wir hier auch, das passt schon.

01:06:17: Es könnte auch eine Reportage von der Gegengerade sein. Es

01:06:20: könnte auch eine Reportage Hooliganszene der 80er-Jahre

01:06:23: sein. So ist es. Ja ich weiß tatsächlich auch nicht was

01:06:26: Aimée und Patricia sonst so gemacht haben, wir hören sie etwas später noch

01:06:29: mal ganz kurz. Jedenfalls

01:06:30: exzellente Referenzen um, wie Kampmann ankündigt, "den FC St.

01:06:33: Pauli wie ein seriöses Unternehmen zu führen."

01:06:37: Nochmal kurz, weil die Portraits einfach so schön sind.

01:06:40: "Nach außen hin gibt er sich selbstbewusst". So ein Artikel

01:06:43: im 'Abendblatt', sein Arbeitsmotto lautet "Kick It like Kampmann", ihm

01:06:46: imponiere Rückgrat, wenn er eine Million Euro

01:06:49: zu verschenken hätte, würde er seine Wettbewerber

01:06:52: bedenken, weil sie es so schwer hätten. Kampmann fährt Porsche,

01:06:55: seine Frau auch. Im Stall hinter seinem Haus stehen acht Pferde, die

01:06:59: Tiere verfügen über ein Solarium und ein Laufband, ließ er

01:07:02: wissen."

01:07:02: Rauchen Davidoff-Zigarillos wahrscheinlich. Dies ganz kurz nach dem Spieler

01:07:05: des FC St. Pauli im Pferdesand trainieren mussten, weil

01:07:08: ihr damaliger Präsident Wolfgang Kreikenbohm dummerweise nur

01:07:11: einen Reiterhof besaß, und die hatten also kein Solarium und

01:07:14: kein Laufband. Schade.

01:07:15: Also tja, artgerechte Haltung weiß ich jetzt auch

01:07:18: nicht. Dass der eine oder andere im Verein vielleicht doch

01:07:21: leichte Bedenken hat und dass die Sache jetzt wohl auch in der

01:07:25: Fanszene nicht ganz so super ankam, also Kampmann kann

01:07:28: das überhaupt nicht verstehen. Es kommt dann wohl

01:07:31: tatsächlich zu einem Gespräch mit dem Aufsichtsrat. Doch

01:07:34: irgendwie kommt man nicht zusammen, obwohl Kampmann

01:07:36: praktisch mit Scheinen wedelt und selbst Cheftrainer Andreas

01:07:39: Bergmann sich inzwischen in die Finanzdebatte einschaltet, den

01:07:42: Begriff Steuerschulden, den könne er nun wirklich nicht mehr

01:07:45: hören, so Bergmann gegenüber der Presse, er hätte größte

01:07:48: Mühe, sein Team angesichts der Negativschlagzeilen auf das

01:07:51: Heimspiel gegen die Amateure des 1. FC Köln einzustellen, ein

01:07:54: Spiel, wo man sonst selbstverständlich von selber

01:07:57: brennt.

01:07:58: Es war ein Spiel, das 2:0 gewonnen wurde am 18. Februar

01:08:01: 2005. Ich glaube, ein Jahr zuvor hat man 4:0 gewonnen noch. Es

01:08:05: ging bergab, also insofern. Genau, vier Tore Mourad Bounoua.

01:08:08: Aber ob es jetzt dieser Sieg war, irgendetwas

01:08:12: muss den Verantwortlichen beim FC St. Pauli den Mut gegeben

01:08:15: haben, den Möchtegern-Retter mit den Millionen vom Ende des

01:08:19: Regenbogens zu widerstehen, denn, so meldet die 'Welt' am 24. Februar

01:08:23: 2005, das war also jetzt ungefähr

01:08:26: zwei Wochen nach dem Oke Göttlich die Story gebroken

01:08:30: hatte.

01:08:31: "Kampmann gibt St. Pauli einen Korb". In dem Artikel wird

01:08:35: Kampmann reichlich zitiert. Kampmann:

01:08:39: "In einem Gespräch mit Vertretern des Aufsichtsrats habe ich

01:08:41: leider feststellen müssen, dass der von mir vorgestellte und auf

01:08:44: 3 bis 4 Jahre angelegte Plan bei St. Pauli schwer durchsetzbar

01:08:47: ist. Die Anwesenden müssen sich erst einmal darüber klar werden,

01:08:50: was sie wollen."

01:08:51: Der Chef des Reiseveranstalters Rainbow Tours, so der Artikel

01:08:54: weiter, habe vorgehabt, den Verein zu restrukturieren und

01:08:57: anschließend in die Mannschaft zu investieren. Seine Idee, den

01:09:00: Kiezclub weitestgehend wie ein Unternehmen zu führen, sei vom

01:09:04: Aufsichtsrat nicht angenommen worden. Kampmann weiter: "Ich habe

01:09:07: das Gefühl, dass der absolute Wille fehlt, den Verein dorthin

01:09:10: zu bringen, wo er sein kann und muss. Teilweise versteckt man

01:09:13: sich intern hinter alten Fassaden und Strömungen des

01:09:16: Vereins" Der Glaube an den Kultstatus des Vereins scheine

01:09:19: ihm intern zu sehr

01:09:20: zu dominieren."

01:09:23: Ja.

01:09:26: Neustrukturierung und dann Investment. Erstmal alle

01:09:29: rausschmeißen und dann investieren. Power to the

01:09:31: Führung klingt ein bisschen so, wie das in Amerika die

01:09:34: Präsidentschaft angelegt wird, also so oder werden soll laut

01:09:38: Supreme Court. Also jedenfalls hat Kampmann einen Punkt, wenn es

01:09:41: etwas gibt, das uns hier beim Museum antreibt, dann würde ich

01:09:44: sagen, ich guck in die Runde, der Glaube an den Kultstatus, oder? Kultmuseum. Nichts anderes.

01:09:47: Unbedingt. Also ich finde auch, das Kultmuseum.

01:09:51: Jetzt habe ich es verraten. Okay, Banner sind schon in Druck, das

01:09:54: werden wir auch nicht mehr ändern. Wie dem nämlich auch

01:09:56: sei, zurück nach 2005. Der Kampmann-Einstieg war damit wohl

01:09:59: vom Tisch.

01:10:00: Dass damit nicht etwa ein Topf Gold am Ende des Regenbogens,

01:10:03: sondern vielleicht doch ein ziemlich unappetitlich gefüllter

01:10:06: Kelch am Verein vorbeigegangen ist, das wurde nachträglich nach

01:10:10: und nach deutlich.

01:10:12: Zunächst nämlich steigt Kampmann statt beim FC St. Pauli dann

01:10:17: eben bei Bergedorf 85 ein, auch hier mit großen Versprechungen.

01:10:21: In drei Jahren sollte es in die mindestens dritte Liga gehen,

01:10:25: damals hieß die ja noch Regionalliga, doch, so meldet der

01:10:29: 'kicker' am 18. Januar 2006: "Bergedorf vor Turbulenzen,

01:10:33: Hauptsponsor Mathias Kampmann zieht sich zurück. Dabei

01:10:37: hatte der Unternehmer, der einst für", so der Artikel weiter, "der

01:10:40: einst für Altona 93 die Stiefel in der Oberliga schnürte, einen

01:10:43: großen Dreijahresplan angekündigt. Im Jahr 2008 sollte

01:10:46: der Aufstieg in die Regionalliga gelingen, das Stadion komplett

01:10:49: umgebaut und eine Flutlichtanlage installiert

01:10:51: worden sein, doch die Realität sieht anders aus, nach einem

01:10:54: Jahr nimmt Kampmann seinen Hut und der Zuschauerschnitt ist

01:10:57: weiterhin unbefriedigend." Na sowas, dabei war das doch so

01:11:00: eine Granate.

01:11:01: Ich find vor allem auch, ein Dreijahresplan für so komplette

01:11:04: Neustrukturierung und Umwälzung eines Vereins reicht

01:11:07: glaube ich, Drei Jahre. Logisch. Du hast einfach keine Visionen. Für

01:11:11: Dich vielleicht nicht für mich, vielleicht nicht, für Mathias

01:11:14: D. Kampmann ist das etwas anderes.

01:11:17: Deswegen hast Du auch einen überzogenen Dispo und kein

01:11:19: erfolgreiches Busunternehmen. Vielleicht solltest Du noch mal

01:11:23: bei Herrn Lejeune in die Schule gehen. Herr Lejeune, bitte melden. Ich

01:11:26: glaube der Werbeslogan von Rainbow Tours war tatsächlich

01:11:29: auch "Ich würde es jederzeit wieder tun" oder "Ich würde es immer

01:11:32: wieder tun."

01:11:34: Das war tatsächlich ganz interessant, weil ich würde es

01:11:37: immer wieder tun, Ihr werdet es gleich noch sehen, hat eine

01:11:40: gewisse Ironie, auch wenn man sich seinen Weg so anschaut.

01:11:43: Also Kampmann begründet diesen Schritt, also jetzt rein bei

01:11:46: Bergedorf, wieder raus bei Bergedorf, zu dieser Zeit jetzt

01:11:49: allerdings eher damit, dass er für die Regionalliga und in der

01:11:52: Regionalliga eben nun doch beim VfB Lübeck bessere Perspektiven

01:11:55: sehe, der spielte da nämlich schon, also in der dritten Liga.

01:12:00: Ja, Lübeck zu dieser Zeit eben im Februar 2006 immerhin

01:12:03: Tabellenfünfter, wenn sie auch gerade eine schlechte Strecke

01:12:06: hatten. Sie haben dann mal wieder gewonnen und so richtig

01:12:09: Ruhe kam da aber doch nicht auf, das meldet die 'Welt' dann im

01:12:12: selben Monat. Wir sind jetzt also Februar 2006. "Nach sechs

01:12:15: sieglosen Spielen in Folge", heißt es da, "gewannen die

01:12:18: Schleswig-Holsteiner mit 2:0 gegen die zweite Mannschaft von

01:12:21: Werder Bremen, doch auch dieser Erfolg kann nicht darüber

01:12:24: hinwegtäuschen, dass im Verein

01:12:26: derzeit", Überraschung, "große Unruhe herrscht. Mehrere Spieler

01:12:30: des VfB boten sich jüngst bei St. Pauli und anderen Vereinen

01:12:33: an, zudem soll eine Zahlungsgarantieurkunde eines

01:12:36: Sponsors gefälscht sein. Kritiker sehen den neuen

01:12:39: Wirtschaftsrat

01:12:40: Mathias Kampmann als Hauptgrund für die Querelen". Na sowas, war

01:12:44: der vielleicht doch nicht so gut, weiß ich nicht. Also falls

01:12:47: irgendjemand jetzt Zweifel haben sollte, kann man ruhig haben.

01:12:52: Aber er hatte einen Porsche, seine Frau auch und acht Pferde. Und ein

01:12:56: Solarium für die Pferde. Da wurde jeder Schimmel braun. Ein Solarium

01:12:59: und ein Laufband. Und jetzt werdet

01:13:03: Ihr richtig doll überrascht sein wenn Ihr hört,

01:13:06:

01:13:07: Kurz darauf ist für Kampmann aber auch in Lübeck

01:13:11: Schluss.

01:13:12: Und jetzt kommt die riesengroße Überraschung, weil es klang noch

01:13:16: alles so solide, denn wenige Jahre später war auch für

01:13:19: Rainbow Tours Schluss. Im Januar 2012 meldet das 'Hamburger

01:13:22: Abendblatt':

01:13:24: "In der kommenden Woche fällt die Entscheidung über eine Hamburger

01:13:27: Pleite. Nicht in Hamburg, sondern fast 300 Kilometer entfernt in

01:13:31: Neubrandenburg. Das Amtsgericht der mecklenburgischen Stadt wird

01:13:34: darüber befinden, ob sich ein Insolvenzverfahren für die

01:13:36: Hamburger Kultmarke Rainbow Tours überhaupt noch lohnt."

01:13:39: Kultmarke. Da war es wieder. Kult. Ja, eben, also es ist so eng. Es hätte so gepasst.

01:13:43: Perfect fit, ich weiß auch nicht, schade, schade. "Laut Hamburger

01:13:47: Staatsanwaltschaft laufen umfangreiche Ermittlungen gegen

01:13:50: ehemalige Geschäftsführer von Rainbow Tours. Mittlerweile

01:13:54: seien 40 Anzeigen aus dem ganzen Bundesgebiet eingetroffen, es

01:13:57: geht um Insolvenzverschleppung und Betrug."

01:14:01: Ja, erstaunlich, das ganze so solide seriöse Rainbow Tours-

01:14:05: Geschäftsmodell habe letztlich auf Steuerbetrug gefußt, der

01:14:09: wiederum durch die Onboard- Partys und den reichlichen

01:14:12: Alkoholkonsum in den Bussen massiv begünstigt wurde.

01:14:16: Hätte ja eigentlich auch gepasst. Absolut. Also Suff mit

01:14:19: System sozusagen. Das hätte also quasi auch ein Claim des FC

01:14:22: St. Pauli sein können.

01:14:25: Das 'Abendblatt' beschreibt das System dann so in diesem Artikel

01:14:28: von 2012: "Sobald ein Rainbow Tours-Bus in Deutschland losfuhr,

01:14:32: begann die Arbeit der Reiseleiter. Viele Reisende

01:14:34: waren schon vor Fahrtantritt betrunken, auch im Bus gab es

01:14:37: reichlich Alkohol, die besten Bedingungen für

01:14:40: Verkaufsgespräche. Die Reiseleiter starteten

01:14:42: Verkaufsvideos im Bus, verkauften Clubkarten an die

01:14:45: Gäste. Wer eine kaufte, bekam später ein Bändchen um den Arm,

01:14:49: das den Eintritt in Diskotheken gewährleistete, auch Ausflüge

01:14:52: oder Partys wurden so verkauft.

01:14:55: Das Geld kassierten die Reiseleiter in bar und stellten

01:14:57: eine Quittung aus.

01:14:59: Und die Quittung mussten die Reisenden am Ziel gegen das

01:15:02: Bändchen einlösen. Damit war die Quittung wieder weg." Tja,

01:15:06: verdammt.

01:15:08: Wenn die Rainbow-Touristinnen Aimée und Patricia das vor ihrer

01:15:11: Urlaubsbuchung gewusst hätten.

01:15:15:

01:15:18: Wobei,

01:15:21: geahnt haben sie vielleicht schon was, jedenfalls so ein

01:15:25: bisschen. Originalszene:

01:15:27: "Ja, aber ich wusste nicht, dass das hier so eskaliert. Ich

01:15:30: dachte... Was heißt denn eskaliert? Wir machen hier

01:15:32: Party."

01:15:35: Heimliches Motto dieser Folge auch: "Was heißt denn eskaliert?

01:15:38: Wir machen hier Party."

01:15:41: Mathias D. Kampmann beschäftigte die Gerichte noch

01:15:44: gute zehn Jahre. Im Februar 2021 wurde vor dem Landgericht

01:15:47: Hamburg dann das Urteil gegen ihn gesprochen, ein Jahr und zehn

01:15:51: Monate Bewährungsstrafe wegen zweifachen Bankrotts und

01:15:55: Insolvenzverschleppung, so die 'FAZ'. So viel zum Thema

01:15:59: Seriosität.

01:16:01: Apropos, was wurde eigentlich aus der braun-weißen

01:16:04: Steuerkrise? Wir erinnern uns, der FC St. Pauli, der hatte ja

01:16:07: 2004/05 den Oddset-Pokal gewonnen, den kann man übrigens

01:16:10: bei uns im Museum auch besuchen, direkt neben der Meisterschale.

01:16:14: Der Oddset-Pokal wiederum ermöglichte dem Drittligisten FC

01:16:17: St. Pauli bekanntlich die Teilnahme am DFB-Pokal und der

01:16:20: Rest ist Geschichte, ich sage nur Bokalserie. In der 'taz' vom

01:16:24: Oktober 2006 klingt das dann so:

01:16:26: "Der FC St. Pauli ist zum ersten Mal seit Jahrzehnten

01:16:29: schuldenfrei. Vizepräsident Marcus Schulz verkündet stolz,

01:16:33: nach dem lukrativen Pokalspiel gegen Bayern München vor einigen

01:16:36: Wochen habe der Verein, Zitat, "die letzten Schulden beim Finanzamt

01:16:40: bezahlt", Zitat Ende" und steht

01:16:42: nun auch beim Fiskus nicht mehr in der Kreide." Sieht also ganz

01:16:46: so aus, als hätte da tatsächlich irgendwie doch ein Topf voll

01:16:50: Gold am Ende des Regenbogens gewartet. Sein Name: DFB-Pokal.

01:16:56: Den wir nicht gewonnen haben. Den wir nicht gewonnen haben.

01:16:58: Aber die Kohle haben wir mitgenommen, immerhin, die

01:17:01: Erinnerung auch, das war schon ne besondere Serie und ja, also

01:17:04: ein wirklicher Ritt in der Finanzgeisterbahn, würde ich

01:17:08: sagen und das über 20 entbehrungsreiche Jahre,

01:17:12: eigentlich mehr als das. Die

01:17:14: späten 70er und so weiter spielten ja auch noch eine Rolle.

01:17:17: Wenn ich überlege, würde ich sagen, Finanzen waren ja schon

01:17:21: ab den 50er-Jahren knapp, ab den Sechzigern katastrophal und dann

01:17:25: ging es bergab.

01:17:28: Fürwahr. Ja, in der Tat hatte der Verein ja auch schon bei

01:17:31: Wilhelm Koch Schulden angehäuft, was dann dazu führte, dass das

01:17:34: Millerntor-Stadion zeitweilig in Wilhelm-Koch-Stadium umbenannt wurde. Ich

01:17:38: glaube, da gab es schon mal eine Podcast-Folge zu dem Thema. Auch

01:17:41: darüber haben wir schon mal gesprochen, genau also die

01:17:44: Backstory der Backstory der Backstory. Die romantische

01:17:47: Umbenennung des Millerntor- Stadions in Wilhelm-Koch-Stadion

01:17:51: durch Ernst Schacht und Werner Velbinger, aufgrund dessen...

01:17:54: Kurz nochmal zusammengefasst: Wilhelm Koch

01:17:57: eine erstaunliche Menge an Geld privat in den FC St. Pauli

01:18:01: gesteckt hat und um diese Rückzahlung zu verhindern,

01:18:04: einigte man sich mit seinen Nachfahren darauf, das Stadion

01:18:07: in seinen Namen umzubenennen und dafür nur die Hälfte

01:18:11: zurückzuzahlen. So sieht es aus. Der FC St. Pauli hat immer tolle

01:18:14: Tricks und Kniffe am Start.

01:18:17: So, und wer das alles hörte, der merkt einfach, wie sinnvoll das

01:18:20: ist, einfach Geld ins Museum zu stecken, weil da weiß man, was

01:18:24: man kriegt, man kann es sogar besuchen. Das Geld, na

01:18:27: nicht ganz, aber indirekt. Ja indirekt, also Schalenraum und

01:18:30: so weiter, also zumindest ist ziemlich transparent was

01:18:33: damit passiert. Wir haben bislang noch keine Spieler nach

01:18:36: Ansicht von VHS-Videos verpflichtet. Aber schon darüber gesprochen.

01:18:40: Sehen da nicht unsere primäre Aufgabe drin.

01:18:43: Ja, Ihr habt bis jetzt zugehört, das hoffen wir mal sehr.

01:18:47: Ihr empfehlt uns vielleicht weiter oder lasst uns ein paar

01:18:50: Sterne da, wenn es Euch gefallen hat, das wäre auch nicht

01:18:53: schlecht. Ich würde sagen wir wir schließen mit den Worten von

01:18:57: Werner Velbinger 1976: "Der FC St. Pauli auf dem Weg zur

01:19:00: Spitze". Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht

01:19:03: bergab. So ist es.

01:19:06: Ja, dann bis zum nächsten Mal. Auf Wiedersehen und -hören.

01:19:09: Tschüss, Tschüss.

01:19:12:

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