#15 Sonderfolge: Die Geschichte der Kollaustraße. Gast: Dr. Claudia Bade

Shownotes

Sonderfolge anlässlich der Einweihung der Gedenktafel auf dem Trainingsgelände des FC St. Pauli in Erinnerung an die verfolgten jüdischen Sportler*innen, die von 1934 bis 1938 an der Kollaustraße aktiv waren. Celina und Christopher unterhalten sich dazu mit Dr. Claudia Bade, Historikerin und Expertin für jüdischen Sport in Hamburg.

Transkript anzeigen

00:00:05:

00:00:09:

00:00:12:

00:00:15:

00:00:19:

00:00:24: Herzlich willkommen zu einer Sonderfolge von FCSP-

00:00:27: Geschichten. Wir sprechen heute über die Kollaustraße, für

00:00:31: die von Euch, die das nicht wissen, an der

00:00:34: Kollaustraße befindet sich das Trainingsgelände des FC St.

00:00:38: Pauli

00:00:39: in einem Stadtteil von Hamburg, Lokstedt. Genau, denn

00:00:43: jetzt am 7. Juli, wurde eine Gedenktafel eingeweiht an der

00:00:48: Kollaustraße.

00:00:50: Ich gehe mal ein bisschen zurück, und zwar um das einmal

00:00:53: ganz kurz zu erklären. Wie Ihr es ja vielleicht im Rahmen der

00:00:56: Sonderfolge gelesen habt oder gehört habt, geht es um die

00:00:59: Kollaustraße

00:01:02: Am 20. Juni 2001 eröffnete der FC St. Pauli zum

00:01:05: Trainingsauftakt der Bundesliga- Saison 2001/2002 mit einem

00:01:08: großen Fanfest sein neu gepachtetes Trainingsgelände an

00:01:12: der Kollaustraße. Da war ich übrigens auch als kleines Kind

00:01:15: und habe mir Autogramme geholt.

00:01:19: Für den FC St. Pauli war das auf jeden Fall ein Meilenstein der

00:01:22: Klubgeschichte.

00:01:24: Bis dahin hatte der FC St. Pauli kein eigenes Trainingsgelände.

00:01:29: Es wurde jahrelang zwischen Bahrenfeld, Eidelstedt, dem

00:01:32: Grandplatz an der Feldstraße und dem Millerntor selber hin und

00:01:35: her gependelt. Und das war natürlich für einen

00:01:38: Profifußballverein ein untragbarer Zustand.

00:01:41: Aber als der FC St. Pauli dann diesen Platz an der Kollaustraße

00:01:44: 2001 eröffnet hat, muss man dazu sagen, er hat diesen Platz nicht

00:01:48: erbaut, denn dieser Platz

00:01:51: hat eine weit zurückgehende Geschichte. Denn was viele nicht

00:01:55: wissen, ist, dass der Platz 1934 von jüdischen Sportler*innen

00:01:59: gepachtet und modernisiert und ausgebaut wurde. Und darüber

00:02:03: wollen wir uns heute

00:02:05: unterhalten. Genau, das hat Christopher ja schon mal kurz

00:02:08: erwähnt. Wir haben am 7. Juli an der Kollaustraße in Kooperation

00:02:11: mit dem FC St. Pauli eine Gedenktafel eingeweiht, um eben

00:02:14: an die jüdischen Sportler*innen zu erinnern, die zwischen 1934

00:02:18: und 1938 dieses Gelände ausgebaut haben und darauf

00:02:21: trainiert haben und gespielt haben.

00:02:24: Zur Zeit der nationalsozialistischen

00:02:26: Verfolgung befand sich auf dem heutigen Trainingsgelände des FC

00:02:29: Pauli eben dieser Sportplatz und darüber möchten wir heute

00:02:32: sprechen. Und um das zu tun, haben wir uns eine Expertin

00:02:35: eingeladen, nämlich Frau Dr. Claudia Bade. Claudia, magst Du

00:02:39: Dich einmal vorstellen? Ja, das kann ich gerne tun, guten Tag

00:02:42: erstmal. Hallo Ihr beiden.

00:02:45: Ja, ich bin Historikerin und habe mich vor etlichen Jahren

00:02:49: schon mal mit jüdischem Sport beschäftigt im Rahmen einer

00:02:54: Ausstellung, die wir damals von der KZ Gedenkstätte Neuengamme

00:03:01: als Rathausausstellung im Januar zum Gedenken an 27. Januar

00:03:07: gezeigt hatten über Fußball in Hamburg

00:03:10: im Nationalsozialismus und diese Ausstellung, die jetzt auch

00:03:14: gerade wieder zu sehen ist, noch wenige Tage, denke ich.

00:03:19: Ja, da hatten wir damals so ein Team gebildet. Herbert Diercks,

00:03:24: Paula Scholz, Werner Skrentny und ich. Und ich hatte dabei die

00:03:28: Aufgabe, mich mit jüdischen Sport zu beschäftigen, also

00:03:31: Personen und Vereinen.

00:03:34: Und ich kam dazu, weil ich vor längerer Zeit davor, also in den

00:03:38: 1990er-Jahren, meine Magisterarbeit zu einer

00:03:42: jüdischen Jugendgruppe, die relativ deutsch-patriotisch

00:03:46: bis deutschnational eingestellt war, geschrieben habe. Das war

00:03:50: das "Schwarze Fähnlein" und

00:03:54: diese sehr kleine Gruppe, die erst am Ende der Weimarer

00:03:57: Republik sich konstituiert hatte, hatte Verbindungen damals

00:04:00: schon zum Sportbund "Schild" und daher kam irgendwie so diese

00:04:04: Verbindung und ich wurde sozusagen gefragt, ob ich nicht

00:04:07: Lust habe, mit an der Erstellung

00:04:10: dieser Ausstellung mich zu beteiligen. Etliche Jahre her

00:04:13: klingt so unglaublich lange, so lange ist das noch gar nicht

00:04:17: her, wann war die Ausstellung? 2016 wurde sie erstmals

00:04:20: gezeigt

00:04:21: im Hamburger Rathaus. Genau. Wir haben ja

00:04:24: schon angeteast, dass wir jetzt quasi mit Dir einmal darüber

00:04:27: sprechen, welche Konsequenzen der Machtantritt der

00:04:29: Nationalsozialisten im Januar 1933 für jüdische und als jüdisch

00:04:32: verfolgte Sportler*innen hatte.

00:04:34: Vielleicht gehen wir noch mal ein bisschen zurück und sprechen

00:04:37: einmal darüber, wie der jüdische Sport in Hamburg vor 1933

00:04:40: aussah. Was kannst Du uns dazu sagen?

00:04:43: Ja, also vor 1933 gab es in Hamburg und auch reichsweit

00:04:47: sozusagen, also im gesamten Deutschen Reich schon jüdische

00:04:50: Sportvereine. Aber die meisten Jüdinnen und Juden waren

00:04:54: eigentlich in sogenannten paritätischen Sportvereinen, das

00:04:58: heißt

00:04:58: sozusagen überkonfessionellen Vereinen.

00:05:02: Wie eben St. Pauli Turnverein und SC Victoria,

00:05:08: ETV, HSV und so weiter.

00:05:11: Das sozusagen für sie war das ein Zeichen der

00:05:15: Integration, gerade in der liberalen Demokratie, dass sie

00:05:19: sich eben

00:05:22: ganz normalen deutschen Vereinen, überkonfessionellen

00:05:25: deutschen Vereinen anschlossen. Nichtsdestotrotz gab es, so wie

00:05:29: sie auch eine zersplitterte jüdische Jugendbewegung nach dem

00:05:33: Ersten Weltkrieg gab, gab es eben auch ein beginnendes

00:05:36: Vereinswesen, was eben vor allem eher zionistisch geprägt war,

00:05:40: also sozusagen jüdische Menschen, die auf eine

00:05:43: Auswanderung ins damalige Mandatsgebiet Palästina sich

00:05:47: ausrichteten und ich glaube

00:05:49: Bar Kochba ist ein Verein, der sich schon in der Weimarer

00:05:54: Republik gegründet hat in Hamburg.

00:05:58: Hatte aber verhältnismäßig wenig Mitglieder. Ja, und die

00:06:02: Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933

00:06:06: war dann natürlich ein großer Einschnitt für

00:06:10: Jüdinnen*Juden im

00:06:11: Deutschen Reich allgemein, für Sportler*innen natürlich aber

00:06:14: auch noch mal im Speziellen. Wie hat sich das denn ausgewirkt auf

00:06:18: die jüdische Sportbewegung?

00:06:22: Ja, es gab, so kann man das eigentlich sagen, einen großen

00:06:26: Zulauf für jüdische Sportvereine. Und überhaupt es

00:06:29: gründeten sich auch erst neue Sportvereine.

00:06:33: Das hatte aber natürlich einen bestimmten Hintergrund, nämlich

00:06:37: den, dass aus den sogenannten paritätischen Sportvereinen

00:06:41: Jüdinnen und Juden

00:06:43: ausgeschlossen wurden oder vertrieben wurden.

00:06:48: Oder freiwillig, unfreiwillig natürlich meistens, gegangen sind

00:06:53: oder gegangen wurden.

00:06:57: Obwohl es gar keinen offiziellen "Arier-Paragraphen" gab

00:07:01: oder also sogenannten "Arier- Paragraphen" oder einen Befehl,

00:07:05: dass jetzt Juden den Verein zu verlassen hätten, haben aber

00:07:09: doch sozusagen selbständig die allermeisten

00:07:14: bürgerlichen deutschen Vereinen

00:07:17: dafür gesorgt, dass beispielsweise

00:07:21: in den Vorständen keine Juden mehr sein durften. Es gab so

00:07:26: eine Richtlinie, beispielsweise vom SC Victoria kann ich das

00:07:31: sagen. Es gab so eine Richtlinie vom DFB und vom

00:07:35: Leichtathletik-Verband usw.,

00:07:39: die es Juden und Jüdinnen untersagte, in

00:07:43: den Vorständen der Vereine noch weiterhin tätig zu sein.

00:07:48: Und eigentlich hätten sich natürlich die Vereine auch nicht

00:07:51: unbedingt dran halten müssen, oder es gab immer einzelne

00:07:54: Akteure, die das vielleicht auch nicht wollten, aber es haben

00:07:58: sich dann eben, bei Victoria war das so, diejenigen durchgesetzt,

00:08:01: die das 1:1 umsetzen wollten.

00:08:05: Ein offizielles Verbot für Jüdinnen und Juden,

00:08:11: im Verein noch weiter Sport zu machen, gab es glaube ich erst

00:08:14: 1940. Also daran sieht man, dass es in einer, also jahrelang

00:08:17: vorher wirklich direkt nach der Machtübernahme eigentlich schon

00:08:22: begonnen wurde, die Jüdinnen und Juden auszuschließen und

00:08:26: dadurch, dass eben in den Vorständen dann die Juden nicht

00:08:30: mehr gewählt wurden, haben sie dann einfach größtenteils dann

00:08:34: die Vereine auch verlassen, wurden rausgeekelt.

00:08:39: Ja, und gründeten dann einfach neue Vereine und beziehungsweise

00:08:43: gingen dann zu Bar Kochba was Hamburg betrifft. Du hattest

00:08:47: jetzt ja einmal schon die Sportgruppe "Schild" erwähnt. Ja.

00:08:51: Das ist ja auch die Sportgruppe, die dann später die

00:08:54: Kollaustraße gepachtet und ausgebaut hat.

00:08:59: Dann ist jetzt natürlich die naheliegende Frage, wer war denn

00:09:03: diese Sportgruppe "Schild", wer stand dahinter, wer hat diese

00:09:07: Gruppe gegründet und warum?

00:09:10: Ja, also gegründet wurde sie dann erst im Juni 1933, oder

00:09:17: was heißt erst, schon.

00:09:22: Und

00:09:24: die Akteure, die dahinter standen, kann man eigentlich

00:09:28: sagen, waren Männer vom Reichsbund jüdischer

00:09:31: Frontsoldaten. Das war ein Veteranenverein, wenn man so

00:09:35: will, ein Veteranenverein

00:09:38: von jüdischen Frontkämpfern des Ersten Weltkriegs.

00:09:44: Dieser Reichsbund war nach dem Ersten Weltkrieg gegründet

00:09:48: worden,

00:09:50: um so ein bisschen gegen diese

00:09:53: Dolchstoßlegende anzugehen.

00:09:56: Dass Juden ja irgendwie drückebergerisch, sich im

00:09:59: Hinterland der Front irgendwie versteckt hätten während des

00:10:03: Ersten Weltkrieges, das hat es ja gegeben und tatsächlich

00:10:06: hatte diese Dolchstoßlegende ja auch einen unglaublichen,

00:10:13: wie sagt man einen, unglaublichen

00:10:16: Antisemitismus oder Zunahme von Antisemitismus zur Folge gleich

00:10:20: zu Beginn der Weimarer Republik.

00:10:23: Dieser Reichsbund jüdischer Frontsoldaten, darin hatten

00:10:26: sich

00:10:28: Patrioten versammelt, die also deutsche Patrioten bis teilweise

00:10:33: bis deutschnational, aber durchaus auch republikanisch

00:10:38: gesinnte Männer, die aber einfach sozusagen

00:10:43: ihre Zukunft als Juden in Deutschland sahen. Und dieser

00:10:48: Reichsbund hatte eben so eine Art Unterabteilung, wenn man so

00:10:53: will. Der Sportbund "Schild" wurde

00:10:57: reichsweit 1925 glaube ich gegründet, in Hamburg gab es aber

00:11:01: überhaupt keine Ortsgruppe, das war anscheinend sozusagen nicht

00:11:05: nicht notwendig oder so für diese patriotischen Juden.

00:11:12: Ja, und nun gab ergab es sich also so, dass beispielsweise

00:11:16: Alfred Cossen, ein

00:11:20: wie soll ich sagen, er war 1898 geboren, ein

00:11:24: Hamburger Kaufmann jüdischer Abstammung, der eben beim schon

00:11:28: erwähnten SC Victoria sehr aktiv gewesen war, sowohl als Sportler,

00:11:32: als Leichtathlet als auch vor allem als

00:11:37: Vorstandsmitglied und

00:11:41: Funktionär, wenn man so will. Er hatte also unglaublich viel

00:11:45: Vorstandserfahrung und Erfahrung im Organisieren von

00:11:48: Veranstaltungen, Wettbewerben, Wettkämpfen und so. Alfred Cossen, da

00:11:51: weiß ich ehrlich gesagt gar nicht, ob der auch im Reichsbund

00:11:55: jüdischer Frontsoldaten Mitglied war. Er war jedenfalls als sehr

00:11:58: junger Mann

00:12:01: im Ersten Weltkrieg gewesen, hatte danach beim Freikorps

00:12:05: Bahrenfeld gekämpft. Also man kann ihn schon als politisch

00:12:09: eher konservativen Menschen

00:12:11: einordnen, glaube ich.

00:12:14: So dass also man sagen kann, die Hamburger Sportgruppe "Schild"

00:12:18: wurde also von Männern des Reichsbund jüdischer

00:12:21: Frontsoldaten gegründet und eben von jüdischen Aktiven, die in

00:12:25: ihren vorigen Vereinen keinen Platz mehr gefunden hatten, wie

00:12:29: eben Alfred Cossen, der tatsächlich aus dem SC Victoria

00:12:33: rausgeekelt wurde, wenn man so will.

00:12:38: So wie auch der Schiedsrichter Martin Stock. Der gehört auch

00:12:42: noch dazu, also tatsächlich Aktive, die regional und

00:12:45: überregional bekannt waren und in ihren Vereinen einfach nicht

00:12:49: mehr gern gesehen waren und vermutlich auch als Gegenstück

00:12:53: zu den ansonsten, also Bar Kochba war ja wie gesagt

00:12:56: zionistisch ausgerichtet. Die Mehrheit insbesondere der

00:12:59: Hamburger Juden, aber das betrifft eigentlich die Mehrheit der

00:13:02: deutschen Juden insgesamt,

00:13:05: war eben nicht zionistisch, sondern sah ihre Zukunft,

00:13:08: also war assimilatorisch angelegt sozusagen.

00:13:12: Wollte sich eben in, sah sich in Deutschland beheimatet und hat

00:13:15: deswegen unter dem Dach des Reichsbundes jüdischer

00:13:19: Frontsoldaten,

00:13:21: die Abkürzung war RjF,

00:13:24: hat sich also unter diesem Dach dann der die Sportgruppe "Schild"

00:13:29: gegründet.

00:13:31: Das heißt dass für die Gründer*innen, ich weiß noch

00:13:34: nicht, ob da überhaupt Frauen dabei waren am Anfang, aber... Ich

00:13:37: glaube nicht, nein. Aber für die Gründer von "Schild" wäre es dann

00:13:40: nicht in Frage gekommen, sich einem bestehenden Sportverein

00:13:42: wie Bar Kochba anzuschließen, weil das einfach nicht ihrer

00:13:45: Ausrichtung entsprochen hätte? Genau, es war nicht

00:13:48: ihre Ausrichtung.

00:13:51: Ja, so kann man es sagen. Es war nicht ihre Ausrichtung, also in

00:13:54: diesem innerjüdischen

00:13:57: Konflikt vielleicht. Das

00:14:01: heißt, unter diesem Dach von "Schild" haben sich dann erstmal die

00:14:04: Leute gesammelt, die aus den paritätischen Vereinen

00:14:07: ausgeschlossen wurden vorwiegend? Ja genau, so kann

00:14:10: man das sagen. Wenn man sozusagen noch mal absieht von

00:14:13: der politischen Bestrebung auch dieser Gruppen,

00:14:16: kannst Du was dazu sagen, welche Rolle der Sport gespielt hat für

00:14:20: die Leute, also es hat ja am Ende natürlich auch, also der

00:14:23: Sport hat natürlich auch den klaren Fokus, kannst Du dazu was

00:14:26: sagen,

00:14:28: welchen Stellenwert der hatte?

00:14:30: Ja, einen sehr großen Stellenwert. Zum einen war es natürlich

00:14:33: wichtig, überhaupt weiter Sport treiben zu können, weil wenn man

00:14:37: sich vorstellt, man ist eben also sportbegeistert und darf

00:14:41: also nicht mehr in dem ursprünglichen Verein

00:14:44: sich betätigen.

00:14:47: Da muss ja irgendwie Ersatz her. Und das war also der

00:14:51: erste Hintergrund

00:14:53: für die Leute sich da beim Sportbund "Schild" oder

00:14:56: Sportgruppe "Schild" in Hamburg zu engagieren, war tatsächlich

00:15:00: so ein Ersatz dafür. Aber zugleich sollte es eben auch die

00:15:03: Gemeinschaft fördern und die Kameradschaft, wenn man so will,

00:15:07: unter Sporttreibenden, in diesem Fall jüdischen Sporttreibenden

00:15:11: und das hat sich dann ja

00:15:14: im Laufe der Jahre bis zur Auflösung nachher 1938 auch so ein

00:15:18: bisschen was verändert. Also selbst der Reichsbund jüdischer

00:15:22: Frontsoldaten genauso wie der Zentralverein,

00:15:27: die eigentlich immer so gegen die Auswanderung eigentlich

00:15:30: gewesen waren, haben natürlich dann doch irgendwann die

00:15:34: Realitäten akzeptiert oder gesehen auch und haben dann doch

00:15:37: auch propagiert, dass die eigenen Anhänger und

00:15:41: Anhängerinnen auswandern müssen, wenn auch eben nicht nach

00:15:44: Palästina, da sie keine Zionisten waren. Also diese, ich

00:15:48: glaube, man kann auch irgendwie sagen, dass zusätzlich zu der

00:15:52: Sportkameradschaft und dem Sporttreiben an sich

00:15:56: doch auch so ein bisschen identitätsstiftend war also

00:15:59: sowohl was das Deutsch-Jüdische angeht, als auch speziell dann

00:16:03: vielleicht in den späteren Jahren, bevor

00:16:07: doch mehr Leute dann ausgewandert sind, tatsächlich

00:16:10: auch jüdische Identitäten zu bilden, denn die waren

00:16:13: größtenteils gar nicht religiös oder hatten auch gar nicht so

00:16:16: viel Verbindung eigentlich zum Judentum. Davon abgesehen, das

00:16:20: darf man auch nicht vergessen, sind ja viele Leute, obwohl

00:16:23: sie getaufte Christen waren oder auch schon von

00:16:27: getauften.

00:16:28: Christen jüdischer Abstammung als Eltern hatten, also

00:16:31: abstammten, die wurden ja auch als Juden verfolgt, auch wenn

00:16:34: sie sich überhaupt gar nicht als Juden verstanden haben.

00:16:40: Ja, und diese Leute wussten ja dann gar nicht, also hatten

00:16:44: teilweise sozusagen gar keine Ahnung, um es mal

00:16:49: etwas

00:16:52: einfach auszudrücken, keine Ahnung vom Judentum oder wussten

00:16:55: nicht so gut Bescheid. Alfred Cossen kam ja vor allem

00:16:58: aus dem Bereich Leichtathletik. Genau.

00:17:03: Ich nehme an, Leichtathletik wurde dann auch bei

00:17:05: "Schild" betrieben schon relativ am Anfang, wenn er zu den

00:17:08: Mitgründern gehörte. Welche Sportarten waren denn da noch im

00:17:12: Fokus?

00:17:15: Eigentlich alles, was man sich so vorstellen kann. Also

00:17:19: Handball, Fußball, also auf dem Sportplatz dann nachher

00:17:23: in der Kollaustraße ab 1934 waren es Handball, Fußball, Hockey.

00:17:28: Handball wurde damals ja auch als Feldhandball gespielt,

00:17:31: Hockey, Faustball.

00:17:34: Und es gab natürlich Turnen auch, also sowohl für

00:17:38: Jugendliche als auch für Erwachsene.

00:17:42: Außerdem hat sich relativ früh schon, ich glaub fast vor der

00:17:46: Fußballabteilung noch, eine Jiu Jitsu-

00:17:51: und eine Box-Abteilung gegründet, was ja so ein bisschen

00:17:54: kämpferische Sportarten sind.

00:17:58: Und ich glaube, das war für viele junge Menschen,

00:18:01: insbesondere Jugendliche, dann eben auch sehr wichtig,

00:18:03: Selbstverteidigung zu üben in einer Welt, die wirklich dann

00:18:07: jedes Jahr, jeden Monat, eigentlich oder täglich

00:18:09: schlimmer und diskriminierender wurde und auch die

00:18:12: Gewalterfahrungen natürlich zunahmen. Wenn wir vielleicht

00:18:15: einen Schritt zurückgehen noch, kannst Du uns vielleicht noch

00:18:18: was dazu sagen, wie es losging mit der Kollaustraße, also wie

00:18:21: kam es denn dazu?

00:18:24: Was war das für ein Ort vorher, oder wie kam es

00:18:27: dazu, dass die Sportgruppe "Schild" diesen Platz dann bebaut

00:18:31: hat?

00:18:34: Das war so.

00:18:37: Dass, also wie soll ich sagen, nach der

00:18:40: Machtübernahme der Nazis war es jüdischen

00:18:44: Sportlern eigentlich verboten,

00:18:47: Schulturnhallen zu benutzen, das heißt, es gab sozusagen für

00:18:51: Indoor-Sportarten gar keine Orte mehr, wo man sich treffen

00:18:55: konnte, außer eben in den jüdischen Schulen. Das waren

00:18:58: natürlich nicht so viele.

00:19:01: Und es war damals so, dass über den staatlichen

00:19:07: Bund für Leibesübungen, glaube ich, so hieß der,

00:19:12: Plätze angemietet werden konnten, also allgemeine

00:19:15: öffentliche Sportplätze.

00:19:19: Aber der NS-Staat war natürlich sehr restriktiv mit

00:19:23: der Sportplatzvergabe gegenüber den jüdischen

00:19:26: Sportlerinnen und Sportlern. Das heißt,

00:19:31: "Schild" hatte eine offizielle Genehmigung,

00:19:34: bestimmte Plätze zu benutzen, aber immer nur für bestimmte

00:19:38: Tage. Es durften also keine Wochenenden dabei sein,

00:19:41: weil da Wettbewerbe stattfinden, das heißt, sie konnten am Anfang

00:19:45: eigentlich auch kaum Wettbewerbe durchführen. Es gab von Bar Kochba

00:19:49: einen Hockeyplatz in Bramfeld, glaube ich, der dann für

00:19:52: andere Sportarten auch geöffnet wurde, aber das war ja ein

00:19:56: anderer Verein, also insofern hat

00:19:58: dann "Schild" versucht,

00:20:01: auf normalen allgemeinen öffentlichen Plätzen ihre

00:20:05: Sportarten auszuüben.

00:20:08: Es wurden auch so Läufe und sowas, wurde dann teilweise auf

00:20:12: wie nennt man das, so Geländeläufe oder so verlegt.

00:20:15: Auch die Wettbewerbe oder Staffeln oder so, weil man sich

00:20:19: nicht anders zu helfen wusste. Deswegen ist schon relativ früh

00:20:23: die Entscheidung gefallen im Vorstand des "Schild", dass man ja

00:20:26: einen eigenen Platz bräuchte. Nun ist es tatsächlich so, dass

00:20:30: viele "Schild"-Vereine in Deutschland nicht

00:20:34: diesen Vorteil hatten sozusagen, einen eigenen Platz zu haben.

00:20:38: Ja, und so hat ist man auf die Suche gegangen in

00:20:41: Hamburg, sollte eigentlich möglichst zentral

00:20:43: liegen, das ist dann ja nicht so ganz gelungen. Also das war

00:20:46: glaube ich damals richtig vor den Toren der Stadt. Es gab

00:20:49: allerdings eine Straßenbahn, die dahin führte

00:20:53: nach Lokstedt. Also ich denke wirklich, also es ist

00:20:57: eigentlich im Grunde Alfred Cossen zu verdanken, dass dieser

00:21:01: Platz gefunden wurde. Ich vermute das, weil er ja in den

00:21:05: 20er-Jahren schon, also er war schon als Fünfzehnjähriger beim

00:21:09: SC Victoria Mitglied geworden und dass er durch seine lange

00:21:13: Zeit im Vorstand und in diesen ganzen Verbänden. Er war

00:21:16: also auch im Hamburger Leichtathletik-Verband, im

00:21:20: Sportverband und so weiter und sofort. Ich glaube, dass er

00:21:24: einfach so ein Netzwerker gewesen ist, dass er dann

00:21:28: diesen Platz gefunden hat und ich denke, dass der aber länger

00:21:33: nicht mehr, zumindest nicht mehr

00:21:37: täglich bespielt wurde oder so. Ich weiß nicht, es soll ein

00:21:40: Hockeyplatz gewesen sein, ich weiß nicht genau was Ihr da für

00:21:43: Informationen habt. Genau, also nachdem was wir wissen ist es ab

00:21:46: 1926 im Besitz von Eintracht Lokstedt gewesen, die dort

00:21:49: Hockey und Fußball gespielt haben.

00:21:51: Es gibt einen Artikel im 'Hamburger Familienblatt', also

00:21:55: der jüdischen Zeitung in Hamburg,

00:22:00: wo ein Artikel über die Sportgruppe "Schild" erschienen

00:22:03: ist, dass sie im Mai 1934 angefangen hätten, den Platz

00:22:06: auszubauen.

00:22:07: Und dort wurde eben erwähnt, dass man zwei Plätze baut und

00:22:11: dass schon Plätze vorhanden waren, aber davon ein

00:22:15: verrotteter Fußballplatz und ein Platz, der so im halbwegs

00:22:20: okayen Zustand war, aber keinerlei Infrastruktur geboten hat.

00:22:25: So haben sie dann begonnen, das tatsächlich mit

00:22:30: eigener Kraft, mit eigener Manpower irgendwie aufzubauen.

00:22:34: Also in diesem Artikel

00:22:37: im 'Familienblatt', glaube ich, ist das Bild zu sehen, wo sie

00:22:40: Schienen gelegt haben und mit so einer Lore da irgendwie Sand und

00:22:44: Grassoden hingeschafft haben, also dass war doch recht

00:22:47: aufwändig. Es gab eine Unterstützung von der

00:22:50: jüdischen Gemeinde.

00:22:53: Ansonsten ja, das war dann später von dem anderen

00:22:56: Sportverein Blau-Weiß, die in der Nachbarschaft direkt zwei Jahre

00:23:00: später auch einen Platz selber umgebaut haben.

00:23:05: Von da also beide

00:23:07: Vereine haben sozusagen wohlhabende Mitglieder gehabt, die da auch ein

00:23:11: bisschen Finanzen zu beisteuern konnten. In dieser ersten Zeit

00:23:15: nach der Machtübernahme ging es dann wohl einigen auch noch

00:23:18: wirtschaftlich relativ gut, das ist dann ja erst später

00:23:22: erst gekommen, dass einfach gar keine

00:23:25: wirtschaftliche Kraft mehr dahinter war. Aber zu der Zeit

00:23:29: offensichtlich gab es noch Sponsoren, wenn man so will,

00:23:33: wenn man es so mit heutigen Begriffen mal belegen würde.

00:23:37: Und dann gab es ja am 8. Juli 1934 die große

00:23:40: Einweihung des Sportplatzes, über die ja auch groß berichtet

00:23:44: wurde dann in der jüdischen Presse. Das war ja nun

00:23:47: so, dass auf diesem Sportplatz wahrscheinlich nicht alle Sportarten

00:23:51: gemacht werden, also

00:23:52: gespielt werden konnten, das ist ich nehme an, es gab ja glaub

00:23:56: ich auch ne Wassersport-, ne Schwimmgruppe, es gab glaub

00:24:00: ich noch ne Schachrunde und eine Sporthalle stand da ja

00:24:03: auch nicht. Nee sie hatten glaub ich

00:24:07: so ne Art Unterstand oder eine Hütte oder so gebaut.

00:24:10: Ich weiß nicht genau ob das dann für die Umkleide war, aber vor

00:24:14: allem sollte das als

00:24:17: Unterstand sozusagen dienen, wenn es irgendwie regnet

00:24:21: und auch Zuschauerinnen und Zuschauer da sind. Und ja,

00:24:24: genau, es sollte ein Platz wirklich so als Fußballplatz/

00:24:28: Handballplatz eben mit Grasboden ausgebaut werden, eine

00:24:32: Laufbahn drumherum, und dann gab es einen Übungsplatz und es

00:24:36: wurden auch ja so Weitsprunganlagen und so

00:24:39: eine Anlage für Stoß- und Wurfsportarten und so, also für

00:24:42: die Leichtathletik, das ist natürlich dann auch, Du hattest es ja

00:24:46: erwähnt,

00:24:48: Cossen als alter Leichtathlet.

00:24:51: Hat er sich dann dafür eingesetzt natürlich, und es

00:24:54: gab auch noch so ein Spielplatz glaube ich wurde noch gebaut mit

00:24:58: Sandkiste und so, dass wirklich auch die Familien kommen konnten

00:25:01: an den Wochenenden.

00:25:02: Und so weiter. Also genau, sie hatten aber dann eben diese zwei,

00:25:07: also sicherlich in den ersten Jahren noch mehr, aber

00:25:11: von der ich glaub 37/38 hab ich so eine Aufstellung, so eine

00:25:14: Trainingsliste sozusagen gefunden.

00:25:18: Dass in der Turnhalle der Talmud

00:25:22: Tora schule auch noch trainiert wurde oder beziehungsweise

00:25:25: geturnt wurde und in der Turnhalle in

00:25:28: der Karolinenstraße, also die beiden größeren jüdischen

00:25:31: Schulen.

00:25:33: Genau, was man da ja auch noch mal dazu sagen kann, ist,

00:25:36: dass tatsächlich eben "Schild" dezentral Sport auch

00:25:39: ausgeübt hat. Also ab von der Kollaustraße und was vielleicht

00:25:43: auch so ein bisschen in Vergessenheit geraten ist, ist,

00:25:47: dass St. Pauli ein zentraler Ort für die

00:25:50: Sportgruppe "Schild" war, denn wie Du schon sagtest, die

00:25:53: Karolinenstraße, in der die Israelitische Töchterschule ihre

00:25:57: Räume hatte und ja heute die Gedenkstätte ist dort,

00:26:00: wurde geturnt, wie Du sagst. Die Talmud Tora Schule befand sich ja

00:26:04: zu dem Zeitpunkt schon im Grindelviertel, die ehemalige

00:26:06: Talmud Tora Schule, also der erste Bau der Talmud

00:26:09: Tora Schule, war in den Kohlhöfen, also in der Neustadt,

00:26:12: also einen Steinwurf vom Heiligengeistfeld entfernt.

00:26:16: Das Männerturnen fand in der Kampstraße statt. Das ist

00:26:20: heute die Flora-Neumann-Straße im Karolinenviertel, Nähe der

00:26:24: Marktstraße. Und was wir noch herausgefunden haben, ist, dass

00:26:28: die Fußballer und die Handballer, bevor es die

00:26:31: Kollaustraße gab, also 1934, haben die Fußballer und die

00:26:35: Handballer auf dem Heiligengeistfeld gespielt, und zwar

00:26:39: oben an der Feldstraße, und dort war das Umziehlokal der

00:26:42: "Gerichtskeller".

00:26:44: Das ist heute da, wo das "September" ist, da kann man mal

00:26:47: gucken, da ist das "September", ist ein Restaurant da genau

00:26:50: an der Ecke Richtung Karolinenstraße und da ein Stück

00:26:53: weiter ist ein, ich glaube da ist jetzt auch ein

00:26:56: Restaurant drin, glaub ich ein asiatisches Restaurant wenn ich

00:27:00: das richtig im Kopf hab, und das ist aber noch dieser ehemalige

00:27:03: Keller und dieser "Gerichtskeller" war dann auch in den 50er-Jahren

00:27:06: und 60er-Jahren auch einer von vielen

00:27:09: verschiedenen Vereinskellern des FC St. Pauli.

00:27:12: Aber in diesem "Gerichtskeller" durften sich dann die Sportler

00:27:15: von "Schild" umziehen. Das war dann das Umziehlokal und genau

00:27:18: jedenfalls kommt auch in diesen Unterlagen von "Schild"

00:27:22: immer mal wieder sehr klar vor, dass auch eben auf St. Pauli

00:27:26: auch zentrale Orte des Sports waren. Also auch die

00:27:28: Schachspieler haben sich eine Zeit lang im "Café Heinze"

00:27:31: getroffen, das war an der Reeperbahn. Richtig.

00:27:34: Genau das habe ich auch gelesen. Das ist schon interessant.

00:27:39: Also was auch wohl, weil Du hattest die

00:27:43: Wassersport-Abteilung erwähnt und die hat sich im,

00:27:47: Die hatte wohl Möglichkeiten, in das Wellenbad an der Reeperbahn.

00:27:50: Das ist jetzt rechts vom "Schmidt's Tivoli". Jetzt die

00:27:53: Schwimmabteilung war das dann. Genau, die Schwimmabteilung.

00:27:56: Ich glaub die Wassersportler*innen waren eher die, die so

00:27:58: gerudert sind und so. Ich glaube, Rudern gab es nicht.

00:28:01: Aber die Schwimmer konnten dann auch an die Reeperbahn

00:28:04: ins damalig noch existierende Wellenbad, ich glaube es hat

00:28:07: auch noch bis nach dem Krieg noch existiert, kann ich mich

00:28:09: jetzt aber nicht genau dran erinnern bis wann. Wellenbad

00:28:12: heißt so eine Schwimmhalle, wo so künstlich Wellen erzeugt

00:28:15: werden? Gehe ich von aus.

00:28:16: Gab es das damals schon? Das habe ich mich gerade gefragt, Wellenbad.

00:28:19: Ich gehe davon aus, also hier das

00:28:21: Holthusenbad ist ja auch. In den Siebzigern oder so.

00:28:24: Das Holthusenbad war glaube ich auch schon immer als Wellenbad

00:28:26: ausgelegt, wahrscheinlich hat man das früher noch ein bisschen

00:28:28: anders gemacht als heute. Da stand jemand.

00:28:32: Musste ein bisschen pumpen.

00:28:35: Ja, ich meine, Du hast gerade Schach auch erwähnt. Die

00:28:38: Schachabteilung bei "Schild" war tatsächlich glaube ich auch

00:28:41: relativ groß und ich hatte schon relativ früh so um die 100

00:28:44: Mitglieder. Generell haben sich die Mitgliederzahlen bei

00:28:47: "Schild" ja unglaublich schnell

00:28:49: sehr in die Höhe entwickelt. Ich glaub am Anfang kurz nach

00:28:53: Gründung waren es schon irgendwie so um die 240 oder so

00:28:56: und dann bei Eröffnung des Sportplatz waren es schon so 700.

00:28:59: Genau, ich hatte auch gelesen ich glaub Mitte 1934 und das wäre

00:29:02: ja die Zeit der Einweihung des

00:29:05: Platzes an der Kollaustraße,

00:29:08: 750 oder so und dann noch ein bisschen mehr und dann ist es

00:29:11: natürlich ein bisschen weniger geworden. Ne also es gibt,

00:29:15: ich hab irgendwie so ne Zahl gefunden glaub ich von 600 und

00:29:19: etwas Mitgliedern dann 1938 was eben daran lag oder also kurz

00:29:23: vor dem Pogrom.

00:29:26: Was eben daran lag, dass dann doch einige Familien oder vor

00:29:30: allem junge Leute dann ja fliehen mussten, wenn man so

00:29:33: will. Es war also, "Schild" hatte dann

00:29:37: einen Sportplatz, einen eigenen, hatte relativ hohe

00:29:41: Mitgliederzahlen, hatte auch ich glaube teilweise bis zu 5, 6, 7

00:29:45: wettbewerbsfähige Fußballmannschaften. Das

00:29:47: Stichwort dann in dem Zusammenhang ist ja so ein

00:29:51: bisschen auch wettbewerbsfähig, weil mit dem Ausschluss aus den

00:29:55: Verbänden,

00:29:56: aus dem Norddeutschen Fußballverband, Sportverband zum

00:29:58: Beispiel stell ich mir das ja auch relativ schwierig vor, dann

00:30:01: überhaupt sowas wie einen Spielbetrieb aufzubauen. Wie hat

00:30:04: das denn funktioniert?

00:30:06: Es war so, dass die verschiedenen Sportgruppen oder

00:30:09: Sportbünde "Schild", wenn man so will, in den verschiedenen Städten

00:30:15: eine eigene Liga aufgemacht haben.

00:30:19: Und die zionistischen Vereine, also Makkabi-Vereine,

00:30:23: Bar Kochba-Vereine haben

00:30:26: auch eine eigene Liga gehabt. Später hat sich das dann auch ein

00:30:29: bisschen mehr gemischt. Es gab dann immer so Pokale, die auch

00:30:33: ausgeschrieben wurden,

00:30:37: wo Makkabi-Vereine und "Schild"-Vereine gegeneinander

00:30:40: angetreten sind oder so. Aber es gab vor allen Dingen so

00:30:44: Reichsmeisterschaften, tatsächlich vom Reichsbund

00:30:47: jüdischer Frontsoldaten bzw. Sportbund "Schild",

00:30:51: sowohl Leichtathletikwettbewerbe als auch Fußball.

00:30:55: Wobei, wenn ich mich recht erinnere, der Hamburger "Schild",

00:30:58: also der war in Norddeutschland sozusagen sehr gut, aber hatte

00:31:01: dann irgendwie einmal die Reichsmeisterschaft ich glaube,

00:31:04: das war 34/35, dann

00:31:07: leider verpasst, weil sie irgendwie gegen den Berliner

00:31:09: "Schild" verloren haben. Und also es gab dann immer so, ja wie

00:31:12: sagt man so, also norddeutsche und süddeutsche

00:31:15: Meister und so weiter, aber dann eben auch so eine

00:31:18: Reichsmeisterschaft. Das war schwierig, weil eine

00:31:20: Zeitlang war es dann verboten,

00:31:23: gegen paritätische existierende Vereine, sogenannte "arische"

00:31:27: Vereine, in Anführungszeichen zu spielen, aber eine Zeit lang

00:31:31: wurde das dann wieder erlaubt. Ich glaub das war wahrscheinlich

00:31:36: so zu dieser Olympia-Zeit und nach 1936, also nachdem

00:31:39: Olympia vorbei war, wurde dann einfach viel mehr verboten, auch

00:31:44: Austausch zwischen jüdischen und nichtjüdischen Vereinen.

00:31:49: Genau da gab es zum Beispiel ja so Spiele gegen, 1934 findet man

00:31:52: zumindest in den Unterlagen von von Alfred Cossen, dass es dann

00:31:56: Spiele gab, die allerdings, wenn man das mal genau anguckt, zum

00:31:59: Beispiel gegen Paloma wurde gespielt, Vineta, das waren

00:32:02: auch Vereine, die auch eher so aus St. Pauli kamen, Falke aus

00:32:06: dem später der SC Sternschanze geworden ist. Das waren aber oft

00:32:09: so nur die Zweit- oder Drittmannschaften, also das

00:32:12: heißt da war natürlich für die Spieler und das muss man ja auch

00:32:15: dazu sagen, das waren ja etablierte Fußballer bei "Schild"

00:32:18: in der ersten Mannschaft.

00:32:19: Die haben ja in der ersten, teilweise in der ersten Liga

00:32:23: Hamburgs gespielt. Für den HSV oder die Altonaer

00:32:26: Spielvereinigung oder SV Polizei oder wo auch immer jüdische

00:32:30: Menschen eben auch vorher Mitglied waren. Das heißt ja

00:32:34: auch, dass

00:32:35: der Wettbewerb wahrscheinlich erstmal sehr

00:32:38: schwierig war, wenn man quasi gegen paritätische Vereine

00:32:42: gespielt hat, weil es natürlich nicht das war, was man sich

00:32:45: wahrscheinlich erhofft hat als gegnerische Mannschaft. Es

00:32:49: muss ja auch irgendwie beklemmend gewesen sein, auf so die alten

00:32:52: Mannschaftskameraden wiederzutreffen, also vielleicht

00:32:55: hat man sich auch so ein bisschen das vermieden auch.

00:33:00: Also ich glaube auch, dass es für viele dann, genauso wie Du es

00:33:04: beschreibst, so erschreckende Begegnungen gab. Während von

00:33:08: Alfred Cossen ist ja überliefert, dass er also wirklich zeitlebens,

00:33:12: er ist irgendwie 1980 gestorben, nach Australien ausgewandert, im

00:33:17: Januar 1939, also direkt eigentlich kurz nach den

00:33:20: Novemberpogromen.

00:33:23: Und er hatte dann viel Schriftverkehr und ist auch noch

00:33:26: in den 50er- und 60er-Jahren in Hamburg gewesen ab und zu und

00:33:30: hat sich immer mit alten Sportkameraden vom SC Victoria

00:33:33: getroffen und wurde da also hochgefeiert

00:33:36: und,

00:33:38: also er hat einfach weil das so irgendwie sein Leben

00:33:42: gewesen war. Er hat sich zwar dann 1933 natürlich mit demselben

00:33:46: Elan in die Arbeit mit dem Sportbund "Schild" oder

00:33:49: Sportgruppe "Schild" geworfen, wenn man so will, aber

00:33:54: er war einfach immer noch diesem SC Victoria verbunden und mich

00:33:57: wundert das immer so ein bisschen, weil ich mir das

00:34:00: nicht so gut vorstellen kann, wenn man da geschasst wird, kalt

00:34:02: gestellt wird.

00:34:05: Aber vielleicht, er kannte die Leute natürlich persönlich

00:34:08: und wusste, wer da was hintertrieben hatte und wer

00:34:12: nicht, so vielleicht ging das dann. Genau, was dann ja wo

00:34:15: Du sagtest, diese Konkurrenz zwischen den Makkabi-

00:34:19: Vereinen und "Schild", was ja dann so sich auch Richtung 1936 auch

00:34:23: ein bisschen aufgelöst hat, als wahrscheinlich dann einerseits

00:34:27: nicht mehr genug Teams da waren, weil es gab so einen

00:34:30: Mitgliederschwund logischerweise.

00:34:34: Dann ein

00:34:36: Zeichen dafür, dass sozusagen die Fronten nicht mehr

00:34:39: so verhärtet waren zwischen den verschiedenen jüdischen Vereinen

00:34:41: war ja, dass zum Beispiel der auch zionistisch geprägte

00:34:46: Verein Blau-Weiß dann 1936 ebenfalls ein Feld oder einen Platz an

00:34:49: der Kollaustraße gepachtet hat. Was in den Unterlagen von Cossen

00:34:53: auch schon durchkommt ist, dass Blau-Weiß auch schon öfter mal

00:34:57: auf den Plätzen von "Schild" gespielt hat, auch schon vorher.

00:35:00: Kannst Du dazu was sagen, zu Blau-Weiß, was war das für eine

00:35:04: Gruppe?

00:35:07: Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, ist Blau-Weiß,

00:35:11: hat sich auch 1933 gegründet? Und zwar war es so, ich

00:35:15: hatte ja schon den Verein Bar Kochba erwähnt,

00:35:20: den es schon relativ lange gab. Ich glaube 1910 gegründet

00:35:23: oder so in Hamburg.

00:35:26: Und dieser Verein Bar Kochba hatte eine

00:35:30: Fußballabteilung natürlich, wie sich das so für alle modernen

00:35:34: Vereine gehörte und

00:35:37: diese Fußballabteilung wurde aber aus dem Fußballverbund,

00:35:41: also sowohl Norddeutschen Fußballverband als auch dem DFB

00:35:46: ausgeschlossen und

00:35:47: das heißt, Bar Kochba hat dann auch noch bis 1938 weiter

00:35:50: existiert. Die Mitglieder haben Sport getrieben, aber eben nur

00:35:54: alles andere außer Fußball, und das heißt die Leute,

00:35:57: die Fußball gespielt hatten bei Bar Kochba, waren jetzt vereinslos,

00:36:01: wenn man so will 1933.

00:36:03: Und

00:36:05: es gab sogar ein paar, die dann irgendwie kurzfristig beim

00:36:08: "Schild" eingetreten sind und dann aber wieder ausgetreten, weil

00:36:11: sie dann wie ich glaub Ende, also ein bisschen später als

00:36:13: "Schild"

00:36:15: eben diese Akteure, die aus Bar Kochba kamen,

00:36:19: Ende 1933 diesen FC Blau-Weiß gegründet haben,

00:36:22: der dann tatsächlich nur Fußball

00:36:25: spielte. Wenn ich da richtig informiert bin. Ich glaub später

00:36:29: gab es da noch so ne Mitgliederbewegung, weil der FC

00:36:33: Blau-Weiß, auch wenn es FC war, dann die Schachabteilung noch

00:36:36: gegründet hat und dann sehr viele Schachspieler von "Schild",

00:36:40: dann zu Blau-Weiß wieder rüber sind. Also auch da

00:36:44: viel Bewegung drin. Interessant ist nochmal zu Blau-Weiß, dass

00:36:48: sie dann ja 1936 auch einen Platz gebaut haben, der ja auch nicht

00:36:51: nur

00:36:53: an der Kollaustraße war, sondern auch auf dem Gelände selbst. Das

00:36:57: ist jetzt heute das Gelände, wo die Hamburg Stealers, also die

00:37:01: Baseballmannschaft, ihren Platz hat. Da war der Blau-Weiß-Platz

00:37:04: und mit den neuesten Plänen des FC St. Pauli, die Kollaustraße

00:37:08: auszubauen, würde das auch den Platz des Stealers dann auch

00:37:11: betreffen, die dann wiederum umziehen müssen, woraufhin der

00:37:14: FC dort noch sein Nachwuchsleistungszentrum dann

00:37:17: dort an diese Stelle

00:37:19: baut. Das heißt dann, in diesem Moment wäre dann der FC St.

00:37:23: Pauli im Besitz der Plätze, die sowohl die Sportgruppe "Schild"

00:37:28: als auch der FC Blau-Weiß ausgebaut haben.

00:37:31: Das ist interessant. Wäre zusammengeführt.

00:37:35: Also du hattest ja eben schon erwähnt, Alfred Cossen ist aus

00:37:40: dem Deutschen Reich geflohen dann 1938. Januar 1939, also

00:37:45: nach dem Novemberpogrom, Wir hatten jetzt schon öfter mal so

00:37:49: ein paar Formulierungen wie bis 1938 war...

00:37:55: Es ist ja so, dass die Novemberpogrome 1938 massive

00:37:58: Auswirkungen hatten auf Jüdinnen und Juden im ganzen Land

00:38:02: sowieso.

00:38:04: Auf den Sport auch nochmal im Speziellen. Es wurden natürlich

00:38:08: sehr, sehr viele junge Männer, die auch Sportler waren,

00:38:12: verhaftet, deportiert.

00:38:16: Wie hat sich das noch ausgewirkt? Warum waren die

00:38:19: Novemberpogrome für die jüdische Sportbewegung so ein abruptes

00:38:22: Ende?

00:38:25: Ja, warum?

00:38:29: Also zumindestens wurden also direkt danach alle

00:38:33: möglichen jüdischen Organisationen verboten. So kann

00:38:36: man es einfach sagen, also sowohl die Vereine als auch

00:38:40: beispielsweise der Reichsbund Jüdischer Frontsoldaten.

00:38:45: Es war ja so, dass insbesondere die

00:38:49: deutschpatriotischen oder assimilatorischen Verbände und

00:38:52: Vereine,

00:38:54: nicht nur Sport, sondern auch andere Vereine besonders schlecht

00:39:00: angesehen waren bei den Nazis. Ich meine, letztendlich war es

00:39:03: natürlich dann kein Unterschied in der Art der Verfolgung, aber

00:39:07: die

00:39:08: wurden einfach tatsächlich von den Nazis besonders kritisch

00:39:12: beäugt und 1938 brachen dann einfach die antisemitischen

00:39:16: Dämme, so würde ich sagen.

00:39:21: Und dadurch, also die Vereine

00:39:23: wurden verboten.

00:39:24: Auch Sportgruppe "Schild", Blau- Weiß und alle Vereine die es

00:39:28: halt vorher gegeben hatte.

00:39:31: Das Vermögen wurde beschlagnahmt

00:39:35: bekanntermaßen, die männlichen Juden wurden inhaftiert,

00:39:39: meistens nur für wenige Wochen erstmal, dann mit der Auflage,

00:39:43: unbedingt dann danach das Land zu verlassen.

00:39:48: Ja, und in Hamburg ist es dann auch so gewesen, dass

00:39:51: tatsächlich danach nach der Freilassung aus den KZ, wo sie

00:39:55: ein paar Tage, paar Wochen verbringen mussten, dann einfach

00:39:59: so eine Auswanderungsbewegung oder Fluchtbewegung

00:40:03: kann man wohl eher sagen, viel stärker wurde, als es vorher

00:40:06: gewesen ist, gezwungenermaßen dann sozusagen. Dennoch wissen

00:40:10: wir ja, dass es auch nicht alle geschafft haben und oder auch

00:40:13: nicht wollten und nicht konnten.

00:40:16: Der jüdische Sport existierte übrigens, was die "Schild"-Anhänger

00:40:20: betrifft, noch weiter, allerdings unter dem Dach

00:40:24: der jüdischen Gemeinde, also gegründet von dem schon

00:40:27: erwähnten Harry Goldschmidt? Goldstein.

00:40:31: Goldstein, Entschuldigung von dem erwähnten Harry Goldstein. Der

00:40:34: hat da nämlich die jüdische Sportgemeinschaft, glaube ich

00:40:37: hieß das,

00:40:39: es war dann eben kein Verein mehr im offiziellen Sinne, aber

00:40:43: die haben noch bis zum Beginn der Deportationen im Oktober 1941

00:40:47: existiert noch. Es gab noch ein Schauturnen, da gibt es auch

00:40:50: wirklich ein schönes Foto davon, wie in so einem Hinterhof

00:40:54: stehen ganz viele Jugendliche noch aus dem Jahr 1940.

00:40:59: Doch weit nach Beginn des Krieges.

00:41:03: Was schon erstaunlich ist, also das weiß ich noch, als ich diese

00:41:06: Recherchen damals in 2015/16 gemacht hatte, doch erstaunt

00:41:09: war, weil ich dachte, es wäre einfach komplett vorüber

00:41:12: gewesen dann nach den Novemberpogrom. Aber es gab

00:41:15: schon natürlich noch so diesen verzweifelte Versuch nach

00:41:18: Selbstbehauptung.

00:41:21: Es lag ja auch immer ein großer Fokus auf der Jugend und auf der

00:41:24: Jugendarbeit. Man liest das immer ganz viel in

00:41:27: der Kommunikation, die ganz viel wird auch immer

00:41:30: begründet mit "für die Jugend". Es gab unglaublich viele

00:41:34: so Jugend-

00:41:35: Veranstaltungen, Jugend- Leichtathletik-Meisterschaften.

00:41:38: Kannst Du zu dem Stellenwert der Jugend für diese Sportgruppe, für

00:41:43: diese letzten jüdischen Sportvereine in

00:41:46: Deutschland noch mal was sagen?

00:41:50: Das ist vollkommen richtig.

00:41:53: Es war ein sehr großer Stellenwert, ja,

00:41:57: weil auf der Jugend halt immer die Hoffnung liegt sozusagen

00:42:01: und

00:42:03: Alfred Cossen beispielsweise, der war, glaube ich, 40, als er

00:42:08: aus Deutschland vertrieben wurde. Das heißt auch nicht mehr

00:42:12: ganz so blutjung, würde ich mal sagen, und ihm ist es einfach

00:42:16: ungeheuer schwer gefallen und ich stelle mir so vor oder

00:42:20: ich denke, dass ja für Jugendliche das irgendwie eine

00:42:24: ganz andere Situation war, also der Sohn von Harry

00:42:28: Goldstein.

00:42:30: Hans hieß der, glaube ich, Hans

00:42:35: war Jahrgang 1920 und für den war das, also er hat das später

00:42:37: mal so geschildert, für ihn ist das so ein großes Abenteuer

00:42:40: gewesen und der konnte das irgendwie gar nicht verstehen.

00:42:42: Also er hat den Alfred Cossen, weil das sein Fußballtrainer

00:42:45: war, sehr verehrt.

00:42:48: Aber als der dann irgendwie das Land verlassen musste, da sei

00:42:51: der, also es war so ein großer, hagerer Mann, der

00:42:54: sei so zusammengeklappt, so schreibt Goldstein irgendwie.

00:42:57: Und war also in Minuten praktisch gealtert. Das fand ich

00:43:02: irgendwie ganz eindrücklich beschrieben. Und während es für

00:43:05: ihn, den Jungen, den Jugendlichen einfach

00:43:09: wie so ein Abenteuer war,

00:43:12: zu gehen. Aber natürlich ist das auch nur eine Seite der

00:43:16: Geschichte, denn die andere Seite der Geschichte ist, dass

00:43:19: besonders Jugendliche natürlich unter den antisemitischen

00:43:23: Diskriminierungen oder Prügeleien und so weiter einfach

00:43:26: jahrelang gelitten hatten. Sie mussten teilweise ihre Schulen

00:43:30: verlassen, nicht gleich 1933, aber wenn sie in sozusagen

00:43:34: paritätischen, überkonfessionellen Schulen

00:43:36: gewesen waren,

00:43:38: mussten dann irgendwann auf die jüdischen Schulen wechseln, was

00:43:42: einerseits dann gut für sie war, weil sie sich irgendwie

00:43:45: aufgehoben fühlten oder einfach unter ihresgleichen waren. Aber

00:43:49: einfach so dieser Verlust einer Nachbarschaft und

00:43:52: Anerkennung in Schule und Sport und Verlust von

00:43:55: bestimmter Gemeinschaft für die Jugendlichen einfach noch viel

00:43:59: unerträglicher gewesen als das für Erwachsene gewesen ist.

00:44:02: Und ich glaube, das wussten dann sozusagen die Älteren oder haben

00:44:06: sich deswegen dann eben sehr engagiert. Es gab eine

00:44:09: große Jugendabteilung, das ist völlig richtig.

00:44:12: Und mit die größte Abteilung, glaube ich. Wenn man

00:44:16: diese Auflistung da sich ansieht, also gerade auf dem

00:44:19: Sportplatz an der Kollaustraße, also der

00:44:23: Goldstein hat das, glaube ich, auch so beschrieben, dass er

00:44:26: sozusagen seine Jugend zwischen 1933 und 1939, als er selber

00:44:30: auswanderte, eigentlich nur auf dem Sportplatz an der

00:44:33: Kollaustraße

00:44:36: verbracht hat und im

00:44:38: Jugendzentrum sozusagen, also im Gemeindehaus. Aber diese

00:44:41: beiden Orte, er meinte, das hätte ihm einfach diese gesamte

00:44:45: Nazizeit erträglicher gemacht und ich glaub, da liegt

00:44:48: der Grund dafür, warum, warum die sich für Jugendliche

00:44:52: einfach so

00:44:52: engagiert haben. Das heißt, diese Plätze an der Kollaustraße

00:44:56: waren dann auch einfach irgendwie mehr als eine reine

00:44:59: Sportstätte. Das war halt doch einfach ein Schutzraum. Ein

00:45:02: Schutzraum und ein Ort der Selbstbehauptung natürlich.

00:45:06: Wobei der Schutz natürlich auch nicht ganz hundertprozentig war.

00:45:10: Also Alfred Cossen hat später mal so eine Geschichte erzählt,

00:45:14: dass irgendwann SA-Männer auf diesen Sportplatz kamen, denn

00:45:18: das war ja also offen sozusagen, und das war dann in

00:45:22: der Stadt wahrscheinlich auch bekannt, dass das jetzt ein

00:45:26: jüdischer Sportplatz ist, und die haben dann irgendwie so

00:45:29: schreckliche antisemitische Lieder gesungen und

00:45:33: haben sich dann den Cossen ausgesucht, weil sie natürlich

00:45:36: gesehen hatten, dass er da verantwortlich war an dem Tag

00:45:39: und haben dann, einige von den SA-Männern haben versucht ihn zu

00:45:43: verfolgen und es war wirklich nur seiner, weil er eben

00:45:45: Leichtathlet war und sehr schnell rennen konnte, konnte er

00:45:48: dann da aus dieser Situation fliehen.

00:45:52: Das zeigt einfach nur, dass dieser Schutz natürlich auch nur

00:45:56: begrenzt war. Aber dennoch glaube ich für das

00:45:58: Selbstbewusstsein vor allem der jüngeren Generation

00:46:03: ein sehr wichtiger Ort. Ein Mitglied von Blau-Weiß,

00:46:06: Helmuth Perlmann, auch Schachspieler.

00:46:08: Er hat im jüdischen Gemeindeblatt auf die Frage,

00:46:11: warum man überhaupt noch 1936 einen Sportplatz baut, denn auch

00:46:15: damals war natürlich schon vielen Menschen bewusst, in

00:46:18: welche Richtung es geht, und haben es ja am eigenen Leibe

00:46:22: gespürt, hat er gesagt

00:46:23: "Gerade deshalb, weil unsere Jugend fortgehen muss, bauen wir

00:46:27: einen Sportplatz.

00:46:29: Sie soll bei Kampf und Spiel die Schwere und die Sorgen des

00:46:32: Lebens vergessen."

00:46:34: Ja, das trifft es wirklich sehr, sehr gut. Genau, ja. Dieses

00:46:38: dieses Zitat haben wir auch auf die Gedenktafel gebracht

00:46:43: und damit sind wir auch dann wieder zurück bei der

00:46:46: Gedenktafel.

00:46:48: Die wir da auch natürlich irgendwie, es gab...

00:46:51: Dazu muss man vielleicht auch noch mal sagen, es gab schon

00:46:54: länger Bestrebungen, diese Gedenktafel da zu platzieren, da

00:46:57: warst Du ja sogar auch schon mal involviert in einer

00:46:59: Arbeitsgruppe, Frauke Steinhäuser hat sich dafür auch

00:47:02: eingesetzt.

00:47:03: Das ist aus verschiedenen bürokratischen Gründen

00:47:06: vermutlich in der Vergangenheit

00:47:10: dann nicht zur Umsetzung gekommen. Jetzt kommt sie, das

00:47:13: ist auch ganz schön, dass sie jetzt kommt zum 90-jährigen

00:47:16: Jubiläum, quasi fast auf den Tag genau, der Eröffnung dieses

00:47:19: Sportplatzes durch die Sportgruppe "Schild", gerade auch

00:47:22: wenn das NLZ an die Kollaustraße kommt.

00:47:26: Weil da ja auch viel Publikumsverkehr ist, da die

00:47:29: sich Spiele angucken, aber auch die Spieler da trainieren, war

00:47:32: uns das jetzt auch wichtig, dass diese

00:47:35: Gedenktafel da endlich Platz findet. Natürlich ist auf so

00:47:39: einer Gedenktafel auch nicht unbegrenzt Platz, wir haben

00:47:42: natürlich dann noch einiges an Zusatzinformationen

00:47:45: zusammengestellt, die dann online sichtbar sein

00:47:48: werden, den Link packen wir Euch auch in die Shownotes

00:47:52: zum Podcast, das noch einmal dazu. Vielleicht um

00:47:57: das einmal abzuschließen, nach dem Novemberpogrom,

00:48:04: wissen wir, was dann mit dem Sportplatz passiert ist?

00:48:07: Also da ist ja noch eine relativ lange Zeitspanne, bis dann der

00:48:11: FC St. Pauli auf das Gelände gekommen ist, 2001.

00:48:14: Also was wir zumindest

00:48:17: ein wenig nachvollziehen können, nicht vollumfänglich. Soweit

00:48:20: sind wir leider noch nicht in der

00:48:23: Recherche, dass es an eine Art Maklerfirma

00:48:28: übertragen wurde, die dann im 'Hamburger Fremdenblatt'

00:48:34: 1939 Sportplätze angeboten haben zum vermieten und verpachten. Ob

00:48:40: dann diese Firma diese Sportplätze hatte oder nur den

00:48:45: Auftrag bekommen hat, diese weiter quasi als

00:48:51: Makler zu betreuen, das wissen wir leider nicht. Zumindest

00:48:54: Stand jetzt nicht.

00:48:57: Und was wir aber wissen, ist, dass der Sportplatz immer ein

00:49:02: Sportplatz geblieben ist. Denn 1952, Anfang der 50er Jahre war

00:49:06: dann ein Betriebssportplatz für eine Firma namens Betten-Holm.

00:49:11: Also mit Fußball- und Tennisplätzen und einem

00:49:15: Clubhaus. Und aus diesem ganzen Konglomerat, denn diese Sport-

00:49:19: Betriebsmannschaft Betten-Holm war so eine Art Fusion von

00:49:23: anderen Vereinen, Ganz am Ende ist dabei Grün-Weiß

00:49:27: Eimsbüttel rausgekommen, die es heute noch gibt. Und dann

00:49:31: hat diese Firma Betten-Holm dann Konkurs gemacht und musste das

00:49:36: Gelände verlassen und kurz darauf

00:49:39: war irgendwie der Tennisclub Groß Borstel auf

00:49:41: diesen Plätzen. Also es hat einen sehr, sehr regen Verkehr

00:49:44: gegeben auf diesen Sportplätzen, allerdings gab es diese

00:49:47: Sportplätze halt

00:49:49: immer und dann bis in die späten 90er war das dann eine

00:49:53: Betriebssportanlage für die Firma Philips und bereits 1984

00:49:56: wurde dort eine Flutlichtanlage installiert, das heißt also es

00:50:00: wurde auch schon in die Infrastruktur dieses Platzes

00:50:03: investiert. Wie ich dann eingangs erwähnte, der FC St.

00:50:07: Pauli auf der Suche nach Trainingsplätzen Anfang der 2000er

00:50:11: eben auf dieses Gelände gestoßen ist. Was aber eben

00:50:15: einfach seit

00:50:17: mindestens zu dem Zeitpunkt mindestens 80 Jahren

00:50:21: Sportplatzanlage war. Es ist ganz beeindruckend, es gibt so

00:50:24: Luftbilder kurz nach dem Ausbau der Anlage durch "Schild"

00:50:28: und heute, wenn du die nebeneinander hältst, das ist

00:50:32: das selbe Gelände. Und es ist sogar noch, wenn man es in die

00:50:35: 2010er-Jahre guckt, denn auch die Kollaustraße wurde ja

00:50:39: bereits umgebaut. Es gibt natürlich das große

00:50:41: Ausbauprojekt, was immer noch ansteht, aber auch die

00:50:45: Kollaustraße wurde schon bereits

00:50:47: ausgebaut. Aber ich erinnere mich, als ich Kind war und an

00:50:51: der Kollaustraße war, um da mir Autogramme von den Spielern

00:50:54: abzuholen, da war der Platz auch noch genauso gedreht, da war die

00:50:58: Stirnseite des Platzes noch zur Straße hin, zur Kollaustraße hin,

00:51:02: und so war auch der Platz ursprünglich von der Sportgruppe

00:51:06: "Schild" auch angelegt worden.

00:51:09: Falls euch jetzt das Thema Kollaustraße vielleicht das

00:51:12: erste Mal begegnet ist und wie Celina ja auch schon sagte, es

00:51:15: wurde ja auch schon 2016 in der Rathausausstellung auch

00:51:19: schon behandelt. Wir hatten letztes Jahr in der Ausstellung

00:51:22: über Max Kulik ebenfalls Berührungspunkte mit der

00:51:25: Kollaustraße, denn auch er war... Er hat dort auch gespielt. Er

00:51:28: hat dort gespielt und auch relativ erfolgreich, er war auch

00:51:31: Teil der Mannschaft von "Schild", die sich 1937 für die

00:51:34: Reichsmeisterschaften

00:51:37: von "Schild" für die Finalrunde qualifizieren konnte. Genau da

00:51:40: hat Max Kulik dann im stolzen Alter von 39 Jahren noch auf

00:51:43: Rechtsaußen für "Schild" gespielt. Deswegen sind natürlich die

00:51:46: Berührungspunkte zum FC St. Pauli auch gegeben und auf die

00:51:50: Frage, warum das denn ein Thema des FC St. Pauli wäre, warum der

00:51:53: FC St. Pauli das macht, ist natürlich klar. Für uns ist es

00:51:56: klar, dass es der Auftrag ist des FC St. Pauli, dieses

00:51:59: Andenken und auch diese Erinnerung zu bewahren, denn es

00:52:02: ist einer der letzten

00:52:05: verbliebenen Plätze, auf denen jüdische Sportler*innen gewirkt

00:52:08: haben.

00:52:09: Und es ist damit ein wirklich historischer Platz, den es so sehr

00:52:13: selten noch in Deutschland gibt, dass wir wirklich die Geschichte

00:52:16: des jüdischen Sports anhand dieses Platzes auch erzählen

00:52:20: können und eben auch daran erinnern können.

00:52:23: Ja, mich freut es auch wirklich sehr und berührt mich

00:52:26: auch sehr,

00:52:28: dass jetzt diese Tafel dort aufgestellt werden konnte.

00:52:34: Danke für Eure Arbeit. Danke, dass Du heute hier warst und mit

00:52:37: uns über dieses Thema gesprochen hast. Du hast ja gerade schon

00:52:40: gesagt, die Rathausausstellung zum Fußball im

00:52:42: Nationalsozialismus in Hamburg wird jetzt noch mal neu

00:52:45: aufgesetzt. Magst Du noch einmal sagen, wann und wo man sich die

00:52:48: anschauen kann? Ja, ich weiß leider nicht mehr genau, bis

00:52:51: wann, ich glaube noch bis Mitte Juli.

00:52:55: Es ist leider auf zwei Orte verteilt, so ein bisschen

00:52:59: oder nicht ganz so glücklich vielleicht, sagen wir mal so,

00:53:02: das waren eben damals auch sehr, sehr viele Ausstellungstafeln,

00:53:06: die irgendwie untergebracht werden müssen. Die sind zum

00:53:09: einen im Gedenkort Stadthaus ist sozusagen das erste Drittel,

00:53:12: wenn man so will, der Tafeln zu finden und schon fußläufig, es

00:53:16: gibt auch so eine Wegweisung eigentlich, wenn man im

00:53:19: Stadthaus ist in der Ausstellung dann

00:53:21: Im Mahnmal St. Nikolai ist dann der zweite Teil der Ausstellung

00:53:24: beziehungsweise das zweite und dritte Drittel, wenn man so

00:53:27: will.

00:53:29: Wo man dann also in beiden Orten sich auch über jüdischen Sport

00:53:33: und

00:53:34: auch einzelne Aktive aus der Sportgruppe "Schild" zum Beispiel

00:53:39: informieren kann.

00:53:42: Ja, super, gibt's da auch Einstellungskatalog? Geht alle

00:53:46: hin, genau. Ja, es gibt auch einen Ausstellungskatalog, den

00:53:49: wir sozusagen neu aufgelegt haben, der war auch eh

00:53:52: vergriffen, kostet 5 Euro glaube ich und weil es uns aus Zeitgründen,

00:53:56: also mit dem damaligen Ausstellungsteam nicht möglich

00:54:00: war, die Ausstellung jetzt irgendwie zu aktualisieren in

00:54:03: Anführungszeichen,

00:54:06: haben wir einfach ein neues Vorwort geschrieben, wo

00:54:10: wir dann berichtet haben oder wie soll ich sagen, erörtert

00:54:13: haben, die Veränderungen, die es sozusagen in den, also auch von

00:54:17: den verschiedenen Vereinen und Fußballvereinen

00:54:20: ausgehend, die es gegeben hat in der Erinnerungskultur, da hat

00:54:24: sich wirklich seit 2016, seit wir die Ausstellung damals

00:54:27: gemacht haben, einiges getan, und das haben wir da in dieses

00:54:30: Vorwort gepackt, und es ist auch schon

00:54:34: die Gedenktafel sozusagen in die Zukunft gerichtet. Wir haben das

00:54:39: im April 2024, glaube ich,

00:54:42: abgegeben, unseren Text schon auf die Zukunft gerichtet. Da ist

00:54:46: also von der Gedenktafel an der Kollaustraße auch die Rede. Sehr

00:54:50: schön. Sehr gut. Guckt Euch die Ausstellung an, holt

00:54:53: Euch den Ausstellungskatalog, wenn Ihr dann noch tiefer in das

00:54:57: Thema einsteigen wollt, kann ich euch noch sehr das Buch von

00:55:00: Frauke Steinhäuser empfehlen, über jüdische und als jüdisch

00:55:04: verfolgte Sportler*innen in der NS Zeit in Hamburg.

00:55:08: Das gibt es zum Beispiel bei uns im Museumsshop und

00:55:11: überall sonst wahrscheinlich, wo Ihr Eure Bücher kauft, sonst

00:55:15: könnt Ihr es bestellen. Bei der Geschichtswerkstatt Eppendorf

00:55:19: zum Beispiel. Das ist wirklich ganz toll recherchiert, kann ich

00:55:22: sehr empfehlen. Den Link zu unseren Recherchen zur

00:55:26: Kollaustraße mit ein paar Biografien stellen wir euch in

00:55:29: die Shownotes und dann bleibt mir nichts mehr zu sagen, außer

00:55:33: Danke Claudia, dass Du heute hier warst. Sehr gerne, ich

00:55:36: danke Euch für die Einladung.

00:55:39: Bis bald. Tschüss, Tschüss.

00:55:43:

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.