#11 "(Don’t) Look Back in Anger": Jetzt wird's persönlich!

Shownotes

In der elften Folge FCSP-Geschichte(n) teilen Celina, Christoph, Christopher und Thomas besondere Geschichten und Momente, die sie mit dem FC St. Pauli verbinden. Celina spricht über ihren Großonkel Eugen Igel, der von 1966–70 Geschäftsführer beim FC St. Pauli war. Christoph, Christopher und Thomas erinnern sich an ihre erste Saison am Millerntor.

Transkript anzeigen

00:00:00: Jetzt muss ich hier einmal kurz eingreifen.

00:00:02: Ach so, er hat mir gerade das Mikrofon hingeschoben. Die

00:00:05: meisten Leute hätten sicherlich das Gegenteil angenommen.

00:00:09: Genug erzählt, Herr Nagel.

00:00:19:

00:00:22:

00:00:26:

00:00:30:

00:00:35: Ja, herzlich willkommen zum Podcast des FC St. Pauli-

00:00:39: Museums. "FCSP Geschichte(n)", das n wie immer in Klammern.

00:00:44: Ich bin Thomas und ich sitze hier mit Celina. Hi.

00:00:48: Christopher. Hallo. Und Christoph. Moin. Genau, heute soll es gehen

00:00:52: um was Persönliches, um die persönlichen Geschichten,

00:00:56: wie sind wir eigentlich hier zum Verein gekommen zum Beispiel

00:01:00: oder überhaupt persönliche Geschichten rund um den FC St.

00:01:03: Pauli.

00:01:06: Bevor wir das aber machen, haben wir noch Post und

00:01:09: Ähnliches und Informationen zu älteren Podcastfolgen, die wir

00:01:12: hier noch ein bisschen auf- und abarbeiten wollen.

00:01:16: Christopher, möchtest Du unseren Zuhörer*innen beschreiben,

00:01:20: woraus ich meine Mate trinke? Ja, wir haben, soviel zum

00:01:24: Thema Persönliches, denn wir haben in der Folge über die

00:01:27: Derbys, habe ich auch eine sehr persönliche Geschichte meines

00:01:31: persönlichen Lowlights meiner St. Pauli-Karriere erzählt, und

00:01:35: zwar das Derby mit

00:01:38: 0:4 verloren gegen HSV, 2002 muss es gewesen sein, das habe

00:01:42: ich in Trittau geguckt und seitdem sind wir in

00:01:45: freundschaftlichem Austausch mit Oliver Mesch, dem Bürgermeister

00:01:49: von Trittau, der uns natürlich noch mal darauf hingewiesen hat,

00:01:53: dass Trittau kein Rautengebiet ist, wie ich es

00:01:56: fälschlicherweise gesagt habe.

00:01:58: Sondern natürlich braun-weiß ist. Und dass Trittau auch nicht in

00:02:02: Ostdeutschland liegt, sondern eher bei Hamburg. Also Trittau

00:02:06: ist tatsächlich fußballfarbig aufgeräumt und hat auch ein

00:02:10: aufgeräumtes Design auf den Tassen.

00:02:13: Denn wir haben eine Teetasse geschenkt bekommen, also quasi

00:02:16: nicht nur eine Tasse, sondern ein ganzes Paket an Trittau-

00:02:20: Merchandise. Und darüber sind wir sehr froh. Ja, vielen Dank

00:02:24: Oliver Mesch. Dankeschön, sehr schöne Sache. Trittau-Honig, eine

00:02:27: Trittau-Tasse,

00:02:29: Ein Trittauer Schlüsselband und diverse Informationsbroschüren

00:02:34: über Fahrradwege und Attraktionen rund um und in

00:02:37: Trittau. Vielen Dank. Also die braun-weiße Museumsdelegation

00:02:41: wird sich irgendwann mal bestimmt nach Trittau verirren.

00:02:44: Ansonsten gibt es noch News, und zwar aus unserer

00:02:50: Folge über Marketing kam die Frage auf, ob das 'Zecki'-Kostüm

00:02:54: noch existiert und der Verein hat es tatsächlich in den

00:02:58: Untiefen seiner Archivräume gefunden.

00:03:02: Und es dem Museum überlassen. Das vor allen Dingen. In

00:03:05: jeder Hinsicht erfreulich und vorbildlich. Vielen Dank. Das

00:03:08: ist sicherlich auch eine schöne Information für Jörn, der uns ja

00:03:11: bei dieser Folge hier begleitet hat und der ja damals

00:03:14: in diesem Kostüm steckte, also es gibt es wirklich noch, Jörn.

00:03:18: Und wenn du magst, kannst du gerne noch mal wieder

00:03:21: reinschlüpfen. Ja, und ein ganz großes Rätsel aus der

00:03:25: Musikgeschichte können wir auch noch auflösen heute, denn wir

00:03:29: haben auf der 10 Jahre 'MillernTon'-Jubiläumsparty im FC

00:03:33: St. Pauli-Museum.

00:03:35: Thees Uhlmann getroffen.

00:03:37: Und ihm eine Frage gestellt. Richtig, und die Frage war, die

00:03:43: Zeile

00:03:45: "Es ist, als ob es Bier nicht in jedem Supermarkt gibt" und wir

00:03:49: haben Thees mal gefragt, was das eigentlich bedeutet. "Du hast

00:03:53: eine Sache, die genauso beliebt ist wie Bier und es gibt ja

00:03:57: offensichtlich in jedem Edeka wirst du irgendwo Bier finden,

00:04:01: weil Bier halt einfach mega beliebt ist. Die Leute lieben

00:04:05: das Bier zu trinken, auch wenn es komisch schmeckt und dann

00:04:09: habe ich das weiter gesponnen im Sinne von

00:04:13: dass eine Sache beliebt ist. Aber du kriegst sie nicht,

00:04:17: darauf. Ist das so ein bisschen geboren. Es ist, als ob es Bier

00:04:21: nicht in jedem Supermarkt gibt. Wir hatten deutlich

00:04:24: tiefgründigere philosophische Antworten von Fans. Und ich habe

00:04:28: gerade fünf Minuten geredet.

00:04:31: Aber erzähl mal was. Von unserer Stadionsprecherin Anja. Meine

00:04:36: Interpretation zu der Bierzeile

00:04:38: bei Thees ist sehr viel banaler als deine vielleicht, also was ich

00:04:41: ihr damals gesagt hab. Ich denke er baut in der ersten Strophe den

00:04:45: Spannungsbogen auf, alles was als tragisch zu verstehen ist.

00:04:48: Eben auch, dass es sehr tragisch wäre, wenn es in jedem

00:04:51: Supermarkt kein Bier gäbe.

00:04:54: Wow, okay also wir löschen das alles. Sie hat Recht."

00:05:00: Was man diesem

00:05:02: Interview, in Anführungszeichen, auch sehr deutlich anhört ist,

00:05:05: dass wir auch alle relativ viel Bier getrunken haben, nämlich das

00:05:09: leckere 10 Jahre MillernTon- Jubiläumsbier von der 'Kehrwieder

00:05:12: Kreativbrauerei'. Richtig, es war sehr gut und es ist sehr gut.

00:05:17: Endlich mal Product Placement hier. Und deswegen

00:05:20: natürlich auch noch mal alles Gute, 10 Jahre MillernTon. Das

00:05:24: auf jeden Fall. Das wollen wir natürlich auch Euch

00:05:28: noch mitgeben. Dann würde ich sagen, wir gehen

00:05:32: in die Geschichten, und dafür sind wir hier und Thomas wird

00:05:35: jetzt losen, denn heute ist es so, Thomas wird auch eine

00:05:38: persönliche Geschichte erzählen und deshalb haben wir vier Lose. So

00:05:42: ist es. Und Ihr könnt Euch auf eine Mammutfolge "FCSP-

00:05:45: Geschichte(n)" freuen.

00:05:47: Ja, wir haben alle, glaube ich, mindestens eine Stunde Material

00:05:50: vorbereitet, circa würde ich sagen und mal gucken, was daraus

00:05:54: wird. Ja, ich lose jetzt mal einfach blind sozusagen und

00:05:57: nehme diesen einen Zettel und ach du liebe Zeit, das ist

00:06:00: tatsächlich

00:06:02: meiner. Jaja, Zufall. Das hat Thomas schon gesehen, bevor er den

00:06:05: Zettel aufgemacht hat. Ja, weil der, deswegen habe ich ja die Augen

00:06:09: zugemacht, weil der hinten bedruckt ist, deswegen.

00:06:12: Wir hatten ja gesagt, dass wir was

00:06:15: Persönliches erzählen wollen, also hatten wir im Vorwege, haben

00:06:18: wir ja kurz über dieses Oberthema geredet, und bei mir

00:06:21: ist es halt so, dass sich alles oder mehr oder weniger alles,

00:06:25: was sich in den vergangenen gut 30 Jahren bei mir ereignet hat,

00:06:28: sei es nun privat oder auch beruflich, hat mit St. Pauli zu

00:06:31: tun oder hat sich daraus ergeben, dass ich hier

00:06:34: irgendwann mal hergekommen bin.

00:06:36: Und deswegen wollte ich mal ein bisschen aus den Anfängen oder

00:06:39: aus meinen Anfängen hier erzählen. Ich komme ja

00:06:42: ursprünglich aus Lübeck und habe da tatsächlich schon unbewusst

00:06:46: mein erstes St. Pauli Spiel gesehen, nämlich am 7. November

00:06:50: 1982.

00:06:51: VfB Lübeck gegen FC St. Pauli 3:1-Auswärtssieg für St.

00:06:54: Pauli. Da war ich 14 und das zähl ich aber nicht, weil das

00:06:57: kann man seriös eigentlich nicht werten, weil ich hab das nicht

00:07:01: als solches wahrgenommen. Also der Gegner war mir völlig egal

00:07:04: und ich war aber auch kein VfB- Fan im Sinne

00:07:07: wie ich einen Fan heute definieren würde, ich bin da

00:07:10: einfach hingegangen, weil es halt vor der Haustür war. Das

00:07:13: war halt interessant. Die Frage ist ja auch, kann man Spiele gegen VfB Lübeck

00:07:16: überhaupt seriös? Das wäre noch mal die nächste Frage. Also ich

00:07:19: kann mich da an ein 0:6 erinnern, na egal

00:07:22: Aber auf jeden Fall. Also das war

00:07:26: da war ich zwar, aber das ist, das ist eine andere

00:07:29: Welt, ein anderes Leben gewesen, wenn man so will.

00:07:32: Hab halt mir alles angeguckt, mehr oder weniger, was in Lübeck so an

00:07:35: hochklassigem Sport war, sei es jetzt irgendwie VfL Bad

00:07:38: Schwartau, damals noch Handball- Bundesliga oder VfB selber hat

00:07:40: tatsächlich Tischtennis- Bundesliga gespielt zu der Zeit

00:07:43: oder es gab Eishockey in Timmendorf, also das war halt

00:07:45: alles vor der Tür mehr oder weniger.

00:07:48: Genau, aber für Fußball interessiert hab ich mich dann

00:07:50: schon auch weiterhin, aber mir ist St. Pauli irgendwie nie so

00:07:53: richtig untergekommen, also auch sogar ab '88 ab Bundesliga. Da

00:07:56: hab ich zwar wahrgenommen, oh toll, da ist ein weiterer

00:07:59: Nordverein in der Bundesliga, das fand ich dann ganz toll.

00:08:02: Fand aber auch toll, dass irgendwie, weiß ich nicht,

00:08:04: Bremen oder HSV oder Hannover gewonnen haben. Fand ich auch

00:08:07: immer gut. Also das war irgendwie so. Hauptsache Norden.

00:08:09: Genau, ja irgendwie war das so das Ding, aber ich hab auch

00:08:12: dieses Klischee was wir heute ja

00:08:14: auch immer erzählen, so "Freudenhaus der Liga" haha alles

00:08:16: ganz bunt da.

00:08:17: Das ist völlig an mir vorbeigegangen. Also jedenfalls hab ich

00:08:20: das heute nicht mehr bewusst irgendwie drin so und

00:08:23: vielleicht wär es auch weiter so gegangen, wenn nicht

00:08:26: einfach mal zufällig unter der Woche ich einen damals guten

00:08:29: Bekannten getroffen hätte, der mich dann gefragt hat "Was

00:08:32: machst du eigentlich am Sonnabend? Komm doch mal mit, St.

00:08:35: Pauli, ist geil da" ungefähr, also jetzt nicht ganz wörtlich, aber

00:08:38: sinngemäß war das dann so und dann hab ich gesagt, ja warum

00:08:41: nicht, kannst du mal machen und dann bin ich halt hier mit

00:08:44: hergefahren und das war dann der wirkliche Start, das war der 3.

00:08:47: August 1991.

00:08:49: Ein 3:1 Sieg gegen Bayer Uerdingen, damals noch Bayer

00:08:53: Uerdingen. Torschützen Driller, Manzi, Sailer, also gleich das

00:08:57: große Sturmtriumvirat dieser Saison.

00:09:01: Das war halt genau das erste Heimspiel nach diesem Bundesliga-

00:09:04: Abstieg, dem tränenreichen. Das heißt, diesen großen Hype habe

00:09:07: ich jetzt exakt verpasst.

00:09:09: Und war dann auch immerhin schon 23 damals. Also bin in der

00:09:12: Hinsicht eher ein Spätstarter, was jetzt

00:09:16: den St. Pauli-Einstieg angeht.

00:09:18: Und war natürlich noch völlig unbedarft, also hatte keine

00:09:21: Ahnung von nix, von der Vereinsgeschichte oder auch von

00:09:24: dieser Fangeschichte, die es damals ja schon sehr explizit

00:09:27: gab. Aber ich war begeistert und das war gutes Wetter, gewonnen,

00:09:30: das macht natürlich auch was aus.

00:09:32: Aber bin dann aber auch relativ häufig dann auch direkt zu den

00:09:35: ganzen Heimspielen immer hingefahren, immer aus Lübeck

00:09:38: halt noch.

00:09:39: Dann im Dezember des Jahres das erste Auswärtsspiel mitgemacht.

00:09:43: Nach Meppen ging es da.

00:09:47: War ein 0:0 im Nebel.

00:09:49: Auch ne sehr interessante Nummer, weil in Meppen, ich weiß

00:09:52: nicht ob es immer noch so ist, aber wahrscheinlich, die

00:09:54: Gästekurve ist hinter einem Tor und da war das so, dass dann

00:09:57: es scheinbar in der Nachspielzeit oder am Ende des

00:09:59: Spiels einen Platzverweis gab für Driller.

00:10:03: Aber auf der anderen Seite des

00:10:05: Spielfeldes und das haben wir dann irgendwie erst nächsten

00:10:07: Tag in der Zeitung gelesen, dass da noch ein Platzverweis war,

00:10:10: was niemand sehen konnte, weil es so neblig war auf dem

00:10:13: Spielfeld. Also das sind auch so Sachen, die man dann so

00:10:15: irgendwie im Kopf behält.

00:10:18: Dann gab er diese komische Meisterrunde, das

00:10:20: war ja so, das war ein Jahr mit der zweigeteilten Zweiten

00:10:22: Liga noch mal, weil dann auch die DDR-Vereine dann

00:10:25: mitgespielt haben.

00:10:27: Und ja, halt auch dann die Auswärtsfahrten. Dann gab es

00:10:30: dann immer noch, ja, für mich halt immer noch eine Etappe mehr,

00:10:33: eben aus Lübeck erstmal hierher, um dann den Bus oder Zug zu

00:10:35: erreichen. Es gab dann auch so ne Gruppe an Menschen, die

00:10:38: dann immer regelmäßig aus Lübeck hergefahren ist, aber jetzt kein

00:10:41: Fanclub in dem Sinne, es waren einfach Menschen, die

00:10:44: kannten sich eigentlich fast gar nicht, wir sind halt einfach

00:10:47: zusammen zum Fußball gefahren, haben ein paar Gruppenkarten

00:10:49: gekauft und dann am Ende dann "Wir sehen uns dann nach dem

00:10:52: Spiel, nehmen wir den Zug, wer nicht da ist hat Pech gehabt und

00:10:55: ansonsten sehen wir uns in zwei Wochen wieder", das war es dann

00:10:57: aber immerhin, man hatte da einen gewissen Bezug

00:11:00: jedenfalls.

00:11:01: Bin aber auch insgesamt ziemlich schnell irgendwie in das, was

00:11:04: man heute wahrscheinlich aktive Fanszene nennen würde,

00:11:07: reingeraten. Auch in dieses Fanladen-

00:11:10: Umfeld und auch diese ganzen Auswärtsfahrten haben

00:11:12: natürlich auch geholfen, Menschen kennenzulernen, weil da

00:11:15: hat man ja Zeit, dann im Bus oder im Zug. Ich glaub, ich weiß

00:11:17: nicht, ob es in der Saison war oder vielleicht auch eine später

00:11:20: da war doch ne Nummer dabei, da hat sich dann der Sonderzug,

00:11:23: damals hat man ja noch sehr häufig Sonderzüge

00:11:25: gemacht oder der Fanladen hat die dann organisiert. Da gab es

00:11:28: einen Sonderzug nach Oldenburg und da hat sich der

00:11:31: Zug verfahren, also irgendwann. Wie kann sich ein Zug verfahren?

00:11:35: Indem er irgendwann die falsche Weiche nimmt sozusagen.

00:11:39: Nee, aber irgendwann fiel dann Leuten mal auf, "Sag mal, wir

00:11:41: fahren doch jetzt Richtung Hannover, wir müssten doch

00:11:43: Richtung Bremen fahren" und dann irgendwie und irgendwann hat das

00:11:45: offensichtlich auch der der Lokführer gemerkt und dann gab

00:11:48: es dann irgendwie auch ne Durchsage oder irgendwie so

00:11:50: nach dem Motto, ja wir kommen ein bisschen später an, weil wir

00:11:52: müssen irgendwo mal abbiegen und so und ja.

00:11:55: Aber wir sind angekommen. Ach ja, die 90er. Genau.

00:11:58: Haarsträubend. Etwas ja, aber gut, besser als wenn man es

00:12:01: irgendwie kurz vor Frankfurt merkt oder so, das wär ein

00:12:04: bisschen ärgerlicher gewesen. Auch durchaus erfreulich,

00:12:08: dass nicht ein Zug aus der Gegenrichtung gekommen ist. Ja, das hilft

00:12:11: auch dann ja. Aber das war irgendwie schon ziemlich

00:12:14: spannend alles und nach und nach natürlich auch ein bisschen mehr

00:12:18: mitgekriegt alles und dann die nächste Saison 92/93 war

00:12:21: natürlich dann der Hammer, unerreichte 46 Spieltage, weil

00:12:25: es 24 Teams in der Liga gab, natürlich auch ganz viele

00:12:27: Wochenspiele dadurch, damit man den Spielplan überhaupt

00:12:30: irgendwie durchpeitschen konnte. Hatte dann auch gleich schon

00:12:33: meine erste Dauerkarte dann und dann auch, ich glaube meiner

00:12:36: Ansicht nach, auch alle Heimspiele irgendwie mitgemacht,

00:12:39: halt immer noch hergefahren und irgendwie 19 von 23 Auswärtsspiele, so eine Quote

00:12:42: habe ich nie wieder erreicht, glaube ich.

00:12:44: Und auch die anderen, diese vier Spiele, die ich nicht auswärts

00:12:47: gesehen hab, waren auch irgendwie gezwungenermaßen mehr oder

00:12:50: weniger, weil es gab damals ja diesen sogenannten 'Ostboykott',

00:12:53: das heißt, der Fanladen hat keine organisierten Fahrten zu

00:12:56: den Spielen in Chemnitz, Leipzig und Jena angeboten, weil man das

00:12:59: als zu gefährlich angesehen hat, also da eben eher, damals waren

00:13:02: ja insgesamt die Fanmassen, die auswärts fuhren noch gar nicht

00:13:05: so groß wie heute. Also ich kann mich da auch erinnern, das war

00:13:08: Ende 1992, sind wir dann nach Darmstadt, es war ein Freitag im

00:13:11: Dezember mit, ich glaube, 15 Leuten saßen wir da im Zug und

00:13:14: so, da waren natürlich am Ende noch ein paar mehr Leute

00:13:17: vor Ort, aber das war jetzt, das kann man mit heute eigentlich gar nicht

00:13:20: so vergleichen wie da die

00:13:22: Menschenmassen irgendwoher kommen, sei es aus Hamburg oder

00:13:25: auch von anderen Gegenden. Nur nach Rostock ist

00:13:27: dann halt im März '93, da hat der Fanladen eine Fahrt gemacht,

00:13:30: weil dann angenommen wurde, war dann ja auch so, dass da einfach

00:13:33: mehr Leute hinfahren, einfach aufgrund der Entfernung, war

00:13:36: jetzt aber trotzdem nicht so richtig lustig da aber das da.

00:13:38: Und nach Freiburg wollte ich eigentlich, da hatte ich mich

00:13:41: auch schon angemeldet für die Busfahrt des Fanladens, das war

00:13:44: auch irgendwie in der Woche glaube ich, da hat der

00:13:46: Fanladen die Fahrt aber wieder abgesagt, weil es zu wenig

00:13:49: Anmeldungen gegeben hat.

00:13:51: Tja, Pech gehabt.

00:13:54: Ich glaub das war dann ein Jahr später, da wurde

00:13:57: dann nach Chemnitz gefahren, aber das war auch in der Woche,

00:14:00: Dienstag Nachholspiel im, weiß ich nicht, Februar

00:14:03: glaube ich. Da haben es dann immerhin acht Leute geschafft sich

00:14:06: anzumelden. Da sind wir dann mit diesem alten silbernen Fanladen-Bus,

00:14:09: den kennen sicher noch einige, losgefahren, haben dann

00:14:12: irgendwo in Mecklenburg sind wir dann bei

00:14:15: Schnee und Glätte mit dem Auto in der Leitplanke gelandet,

00:14:18: haben irgendeinen Scheinwerfer auch irgendwie

00:14:21: eingebüßt und haben uns dann entschieden, doch lieber wieder

00:14:24: umzukehren.

00:14:25: Und sind dann doch wieder nach Hamburg zurück. Aber gut.

00:14:29: Dann diese Rückrunde, dann eben Anfang '93, so langsam

00:14:32: kristallisierte sich heraus, dass der 'Millerntor Roar!' nicht mehr

00:14:35: erscheinen würde, oder es wurde dann auch angekündigt und dann

00:14:38: hat sich dann, wie gesagt auf diesen Fahrten hatte man viel Zeit, hat sich

00:14:42: sich dann nach und nach so eine Gruppe zusammen

00:14:45: gefunden, da muss was passieren, wir müssen da was

00:14:48: machen und dann hat sich eben Himmelfahrt 1993, gab es das

00:14:51: erste Treffen der dann zukünftigen 'Übersteiger'-

00:14:54: Redaktion im Fanladen.

00:14:55: Und ab Sommer erschien dann ja auch das erste Heft, was es ja

00:14:59: bis heute tut. Aber ich bin dann nur die ersten elf Jahre

00:15:02: dabei gewesen, bis 2004 aber immerhin. Und da, also das war

00:15:05: schon wirklich relativ schnell im Vergleich, doch irgendwie

00:15:08: reingerutscht in dieses Ganze und ich habe auch seit Ostern

00:15:11: 1993 dann schon in Hamburg gewohnt, vorher auch schon hier

00:15:15: in Hamburg gearbeitet, also ich war eh ständig irgendwie hier

00:15:18: und ja, also besonders in Erinnerung geblieben sind mir

00:15:21: noch zwei Spiele zum Saisonende hin, einmal natürlich das letzte

00:15:24: Spiel 6. Juni 1993 gegen Hannover, das hatten wir hier

00:15:27: glaube ich auch schon mal irgendwo kurz eingespielt.

00:15:30: Einer geht noch rein. Genau, ein völlig überfülltes Stadion, also da waren

00:15:33: Hunderte glaube ich ohne Karten drin, das war also viel, viel

00:15:35: voller als es sonst war.

00:15:38: Das erlösende Tor durch Manzi genau, Klassenerhalt, weil bei

00:15:41: diesen 24 Teams gab es immerhin sieben Absteiger. Also da ist man so

00:15:45: mit Mühe dran vorbeigerutscht. Im Nachhinein hätte auch ein Remis

00:15:48: gereicht, aber natürlich der Moment, Jubel, Erleichterung,

00:15:51: geschafft. Noch mehr in Erinnerung ist mir aber ein

00:15:54: Spiel Ende April geblieben, das war gegen Chemnitz, ein Mittwoch,

00:15:57: 11.000

00:15:58: Menschen im Stadion, 0:1 verloren. Es waren noch acht

00:16:01: Spieltage in fünf Wochen zu absolvieren danach, aber das

00:16:04: war für viele Leute irgendwie so, puh, das war das Ende

00:16:07: jetzt, auch wenn da noch nicht mal der Abstiegsplatz

00:16:10: erreicht war, aber irgendwie war das so diese Stimmung nach

00:16:13: Spielende, kein Pfeifen, kein Schimpfen, erstmal nur Stille

00:16:16: und es war dann auch schon dunkel natürlich, und das war

00:16:19: irgendwie so sehr bedrückend das Ganze. Also man hatte das

00:16:22: Gefühl, hier geht gerade irgendwas zu Ende, was so in den

00:16:25: letzten Jahren aufgebaut wurde.

00:16:28: Ist mir bis heute ziemlich präsent, obwohl ich ja diese

00:16:30: prägenden Jahre davor gar nicht erlebt hatte selber, aber das

00:16:33: war irgendwie so ein Gefühl so, das war es jetzt.

00:16:37: Aber wie wir ja wissen, das war es nicht. Und dann ging es ja

00:16:40: auch deutlich bergauf in den Jahren danach, im nächsten Jahr

00:16:43: irgendwie Dritter, nee Vierter geworden und dann Aufstieg noch

00:16:46: ein Jahr später, also es ging deutlich bergauf sportlich und

00:16:49: ich bin dann eben ja auch vor Ort gewesen, habe irgendwie mehr

00:16:52: oder weniger alles mitgemacht, was es so gab, Heimspiele,

00:16:55: Auswärtsspiele, Amateurspiele, Hallenturniere, eben mit

00:16:58: dem 'Übersteiger' ganz

00:16:59: viel gemacht, Veranstaltungen, dies und das, Konzerte, also

00:17:02: irgendwie war auch der Anfang von diesen überregionalen

00:17:04: Zusammenhängen, BAFF und ähnliches, das fing ja auch so

00:17:07: um '93 an, also das war alles so, irgendwie war ständig was. Also

00:17:10: ich glaub ich bin selten, im Gegensatz zu heute, selten mal einen

00:17:13: Abend irgendwie nichts gemacht habe oder ein Wochenende.

00:17:17: Naja, man war halt noch jünger. Und eben durch diese ganzen

00:17:20: vielen Kontakte, die ja zustande kamen, sind teilweise bis

00:17:23: heute bestehende Bekanntschaften und Freundschaften irgendwie

00:17:26: entstanden und eben auch die Grundlagen für das weitere

00:17:29: Berufsleben, weil ich meine nicht nur das, was heute ist,

00:17:32: dieses Münden in diese Arbeit beim Museum, sondern auch

00:17:35: die 20 Jahre davor im Bereich Sportjournalismus haben sich

00:17:38: durch Kontakte hier ergeben. Liebe Grüße an Käpt'n Braunbär.

00:17:43: Ja, liebe Grüße. Keine Klarnamen. Ja, unterm Strich in

00:17:47: in eigentlich keinen fünf Jahren zum Urgestein, was dann ja auch

00:17:51: auf nahezu jeder CD mit FC St. Pauli-Bezug zu hören ist. Wie

00:17:56: man in der vorigen Folge unseres Podcasts ja hören kann. Genau

00:18:00: genommen eine. Und da auch nur sehr, sehr, na egal.

00:18:04: Mister You'll Never Walk Alone wird jetzt für

00:18:08: uns weiter das nächste Los ziehen. So, ein

00:18:12: Zettel

00:18:14: mit einem Namen. Und der lautet

00:18:18: Celina. Wow. Hooray, los geht's. Ich erzähle Euch nichts über meine

00:18:22: erste Saison beim FC St. Pauli oder wie ich zu diesem Verein

00:18:25: gekommen bin. Oh. Dafür verrate ich Euch ein Geheimnis über

00:18:29: mich, nicht direkt über mich. Ich habe einen

00:18:33: Großonkel, der mal Geschäftsführer war beim FC St.

00:18:36: Pauli. So, das war es schon mit persönlich. Ach so.

00:18:40: Also ich vermute Du verrätst den Namen. Ja,

00:18:44: der Name ist Eugen Igel, ein Mann mit einer sehr langen

00:18:47: Karriere im Hamburger Fußball.

00:18:50: Und wenn man auf diese sehr lange Karriere guckt, ist diese

00:18:53: Zeit am Millerntor von 1966 bis 1970 wirklich nur ein sehr, sehr

00:18:57: kleiner Abschnitt in seiner Karriere.

00:19:00: Und viele Leute, auch Leute, die ihn kannten, wissen das oft gar

00:19:04: nicht, dass er mal Geschäftsführer beim FC

00:19:07: St. Pauli war. Ich sage kannten, weil Eugen 2020 leider

00:19:10: gestorben ist. Aber er war eine richtige Legende im Hamburger

00:19:14: Fußball, das soll man ja nicht leichtfertig sagen, aber ich

00:19:17: glaube, bei ihm stimmt das tatsächlich.

00:19:20: Zumindest gibt es kaum einen Nachruf, der dieses Wort nicht

00:19:23: benutzt. Und es gibt sehr viele Nachrufe.

00:19:28: Eugen war von 1963 bis 2015, also mehr als 50 Jahre, fast

00:19:33: durchgängig im Hamburger Amateurfußball beschäftigt.

00:19:38: Meist als Trainer, aber eben auch ab und zu mal in der

00:19:41: sportlichen Leitung von Vereinen wie eben zwischen '66 und '70 beim FC

00:19:45: St. Pauli. Als Trainer hat er zehnmal die Hamburger

00:19:48: Meisterschaft gewonnen, dreimal den Hamburger Pokal und dreimal

00:19:51: war er mit seinen Mannschaften im DFB-Pokal vertreten, außerdem

00:19:55: wurde er sechsmal in Hamburg zum Trainer des Jahres gewählt. Ich

00:19:59: kann hier gar nicht alle Vereine aufzählen, für die er in Hamburg

00:20:03: und Umgebung tätig war, die Liste ist ziemlich lang. Da

00:20:06: stehen zum Beispiel so Namen drauf wie TuS Bendestorf, Horner TV,

00:20:10: Lauenburger SV, VfL Lohbrügge, TuS Holstein Quickborn, SC Urania,

00:20:15: Hummelsbütteler SV, RaSpo Elmshorn, SC V/W Billstedt,

00:20:20: Duvenstedter FC, ne SV, Entschuldigung Duvenstedter SV,

00:20:25: FC Elmshorn, SC Sperber und so weiter. Sind das

00:20:30: Schwergewichte des Hamburger Sports, Sperber. Im Amateurfußball schon.

00:20:34: Hummelsbüttel ist er auch gewesen mal, oder? Ich glaube ja, ja.

00:20:38: Also der Name ist mir durchaus bekannt und ich, also

00:20:41: ich wusste jetzt schon vorher, dass er hier mal Geschäftsführer

00:20:44: war, aber das ist mir jetzt auch wirklich in den letzten,

00:20:47: weiß ich nicht, ein, zwei Jahren vielleicht mal irgendwo

00:20:50: aufgefallen, aber als Amateurfußball, Hamburger

00:20:52: Trainer und ähnliches war mir auf jeden Fall ein Begriff,

00:20:55: definitiv ja. Er war von 1970 bis 2004 außerdem beim Hamburger

00:20:58: Fußballverband angestellt und während er all diese Dinge getan

00:21:01: hat, war er auch immer noch als Sportjournalist tätig, hat zum

00:21:04: Beispiel für das 'Sportmikrofon' geschrieben und er hat

00:21:07: Freundschaften und Kontakte gepflegt, zum Beispiel mit Uwe

00:21:10: Seeler und Walter Frosch.

00:21:12: Also Sportjournalist war der Beruf, den er gelernt hat. Er

00:21:15: hat sein Volontariat beim 'Hamburger Abendecho' gemacht, das

00:21:18: gibt es nicht mehr.

00:21:20: Und er hat selbst Fußball gespielt mit Anfang 20 zumindest

00:21:24: bei Viktoria Harburg als Mittelläufer. Wisst Ihr, was ein

00:21:27: Mittelläufer ist? Thomas weiß das bestimmt. Ja der

00:21:31: mittlere Mann in der damaligen Dreiermittelfeldkette sozusagen.

00:21:35: Genau, ich habe nämlich sogar noch den Wikipedia Artikel dazu

00:21:38: gelesen. Der Mittelläufer oder auch als Centerhalf bekannt,

00:21:42: bezeichnet eine ehemalige Spielerposition im Fußball

00:21:46: gemeinsam mit den anfangs als Außendecker, später im

00:21:49: Mittelfeld agierenden Außenläufern bildet er in der

00:21:52: schottischen Furche

00:21:55: die Läuferreihe.

00:21:57: Bitte?

00:22:00: Ihr seid doch Fußballexperten dachte ich. Die schottische Furche war das

00:22:03: prägende System, was am Anfang des Fußballs gespielt wurde. Bis

00:22:08: in die 1920er und dann wurde es leicht modifiziert.

00:22:12: Aber weil die Schotten das als erstes so gespielt haben. Das

00:22:15: ist anzunehmen, dass es daher kommt, also ziemlich sicher

00:22:18: sogar. Ja so, wie denn wie früher denn so 433 so das Ajax

00:22:20: System genannt wurde, oder?

00:22:23: So was ja, also in dem Fall war es ein 235, soweit ich das weiß.

00:22:26: Ja, es wird heutzutage nur noch selten nachgefragt, muss ich

00:22:29: gerade mal feststellen, wenn man nämlich bei Google anfängt zu

00:22:32: suchen, wird einem nicht etwa die schottische

00:22:35: Furche als das erste Ding nach schottische empfohlen, sondern

00:22:39: die schottische Faltohrkatze. Das fand ich jetzt doch

00:22:42: einigermaßen erstaunlich, selbst die schottische Liga kommt dann

00:22:45: erst auf Platz Vier. Ich habe danach recherchiert, dass aus

00:22:48: dem Mittelläufer später mit leichter Abwandlung der sogenannte

00:22:52: Libero geworden ist.

00:22:54: Dass es aber für Mittelläufer und für Liberos üblich war mit

00:22:57: der Rückennummer 5 zu spielen. Wie es jetzt zum Beispiel

00:23:01: auch Franz Beckenbauer getan hat, als er dann der Libero war

00:23:04: in der deutschen Nationalmannschaft ab 1970.

00:23:08: Ja, ja, und es gibt berühmte deutsche Liberos.

00:23:12: Franz Beckenbauer, Lothar Matthäus, Matthias Sammer, Eugen Igel.

00:23:15: Genau, es gibt auch ein sehr schönes Foto von ihm, wo er

00:23:18: Mittelläufer mit der Rückennummer 5 ist.

00:23:22: Folgt uns auf Social Media.

00:23:25: Genau bei Viktoria Harburg. Kleine Anekdote am Rande Ronny,

00:23:28: der mit Christopher das Zeitzeugenprojekt betreut, wenn

00:23:31: er Zeitzeug*innen ins Knust führt, dann stellt er immer alle Leute

00:23:35: vor, die da gerade so rumhängen, also meistens sitze ich da an

00:23:39: meinem Schreibtisch und dann erzählt er immer, das ist

00:23:42: Celina, die macht hier, er listet alles auf, was ich im

00:23:45: Museum mache, was er weiß, was ich hier mache und sagt dann

00:23:49: immer gerne noch ist die Großnichte von Eugen Igel und

00:23:52: das ist noch nie passiert,

00:23:55: dass ein Zeitzeuge, eine Zeitzeugin gesagt hat, wer ist

00:23:58: das? Die kennen ihn alle oder tun so, weil sie nicht unhöflich

00:24:01: sein wollen. Nimm das Franz Beckenbauer, wer ist das

00:24:04: eigentlich? Also Celina lässt sich gerne mal vom Alten Stamm

00:24:07: jetzt mal einladen und erzählt ein bisschen was über Eugen.

00:24:11: Ja, ich glaub die nehmen keine Frauen. Ach das war das.

00:24:14: Richtig. Also ihr merkt schon, da gibt und gäbe es viel

00:24:17: zu erzählen, aber wir sind ja der Podcast des FC St. Pauli-

00:24:20: Museums und deshalb spreche ich über Eugens Zeit beim FC St.

00:24:24: Pauli und beginne die Geschichte, wie wir traditionell

00:24:27: jede Geschichte über jede Ära des FC St. Pauli beginnen. Es

00:24:30: waren finanziell schwierige Zeiten.

00:24:34: Nanu. Noch ein kleiner Exkurs.

00:24:38: Eugen hatte 2015 als Beifahrer einen schweren Autounfall und

00:24:41: ist danach in eine Pflegeeinrichtung gezogen. Und

00:24:44: wir haben als Familie damals seine Wohnung ausgeräumt und

00:24:48: haben alles, was mit St. Pauli zu tun hatte, dem damals frisch

00:24:52: gegründeten FC St. Pauli-Museum geschenkt. Richtig.

00:24:56: Und dabei war ein Album,

00:25:00: in dem er sehr akribisch seine Zeit am Millerntor dokumentiert

00:25:03: hat und direkt nach der eingeklebten ... ja, Christoph

00:25:05: guckt, es liegt vor mir.

00:25:07: Es ist ein sehr großes Album, ein sehr großes,

00:25:11: ledergebundenes Album mit goldenen Lettern.

00:25:15: Und das Erste, was in diesem Album eingeklebt ist, ist die

00:25:18: Pressemitteilung, dass er als Geschäftsführer verpflichtet

00:25:21: wurde. Und direkt danach kommt ein Foto von ihm,

00:25:25: auf dem er traurig in eine leere Kasse schaut.

00:25:29: Guter Start offensichtlich. Das ist was sie machen mit

00:25:32: Geschäftsführern, mit Spielern, machen sie es ja

00:25:34: immer mit so einem Trikot, dass man das hält und mit den

00:25:36: Geschäftsführern immer die leere Kasse dazwischen, das muss schon

00:25:39: so sein.

00:25:39: Eugen, Du musst das jetzt voll machen war wahrscheinlich die

00:25:42: Ansage. Vielleicht machen wir mal eine

00:25:45: Reihe von Geschäftsführer gucken in leere Kassen-Serie. Das klingt

00:25:48: wirklich gut.

00:25:50: Sonderausstellung. Ja, war ein beliebtes Motiv, ich mein

00:25:53: Fotojournalismus hat ja in dieser Zeit auch noch ein

00:25:56: bisschen anders funktioniert, aber kommen wir später noch mal

00:25:59: drauf zu sprechen, egal, macht die Augen zu.

00:26:02: Stellt Euch vor, es ist Anfang des Jahres 1966, im ZDF-

00:26:06: Sportstudio weiht Bundesliga- Profi Siggi Held die neue

00:26:10: Torwand ein, Chris Andrews, Drafi Deutscher und die Beatles teilen

00:26:14: sich die Spitze der deutschen Charts.

00:26:19: Und Fernsehen ist zumindest in Deutschland noch schwarz-weiß.

00:26:23: Der FC St. Pauli spielt in der Regionalliga Nord und arbeitet

00:26:26: mit Trainer Kurt Krause nicht nur an der Meisterschaft,

00:26:29: sondern dank Legenden wie Horst Haecks und Peter "Oschi" Osterhoff

00:26:32: auch an der Hunderttore-Grenze.

00:26:35: Wilhelm Koch regiert den Verein als Patriarch mit eiserner Hand

00:26:39: und die Zuschauer*innenzahlen sind trotz des sportlichen

00:26:42: Erfolges schlecht. Zu den Spielen am Millerntor kommen im

00:26:45: Durchschnitt zwischen 1.500 und 5.000 Besucher*innen. Schwierige Zeiten

00:26:49: also für einen jungen, unerfahrenen Geschäftsführer.

00:26:52: Ich bin mir auch ehrlich gesagt nicht ganz sicher, wie Eugen

00:26:55: diesen Job bekommen hat mit 25 und ohne Berufserfahrung, als

00:26:58: Sportjournalist. Es waren schwierige Zeiten. Aber er hat ihn bekommen.

00:27:02: Vielleicht wollte das niemand machen.

00:27:05: Vielleicht wollte er einfach nur ein Ticket kaufen. Sie kennen

00:27:09: sich scheinbar mit Geld aus, eben hat das Geld rausgeholt in

00:27:12: dem Moment, allein schon deswegen. Könnten Sie sich ein

00:27:15: Engagement beim FC St. Pauli vorstellen, Herr Igel. Wie auch

00:27:19: immer das passiert ist und ich habe ihn das leider nicht

00:27:22: gefragt, das muss man auch sagen, wir haben es verpasst,

00:27:25: ein Zeitzeugeninterview zu machen mit Eugen vor seinem Tod.

00:27:28: Ich weiß, dass er immer sehr, sehr positiv über und sehr gerne

00:27:32: über diese Zeit beim FC St. Pauli gesprochen hat. Ich

00:27:35: hab mich nur als Teenagerin nicht besonders dafür

00:27:37: interessiert.

00:27:41: Sorry

00:27:43: im Nachhinein. Jedenfalls erscheint am 3. Januar 1966 eine

00:27:48: entsprechende Pressemitteilung.

00:27:52: In der steht "Neuer St. Pauli Geschäftsführer: Eugen Igel.

00:27:55: Eugen Igel ist der Nachfolger Heinz Scheiders beim FC St.

00:27:58: Pauli. Er wird die Geschäftsführung in der Art

00:28:01: eines Managers übernehmen. Zu seinem Aufgabengebiet nämlich

00:28:04: zählen hauptsächlich starke Unterstützung für Trainer

00:28:07: Krause und Organisation für die Regionalliga-Mannschaft.

00:28:10: Präsident Wilhelm Koch äußerte die Bitte, möglichst allen

00:28:14: Spielen der Regionalliga- Mannschaft beizuwohnen. Auch

00:28:17: soll der neue Geschäftsführer unter anderem

00:28:19: die Sportplatz- Lautsprecheransagen durchführen.

00:28:23: Eugen Igel, Sportjournalist von Beruf, arbeitete zuletzt

00:28:26: größtenteils für das bereits eingestellte 'Hamburger

00:28:29: Abendecho'. Er wird sich auch weiterhin, sofern es möglich

00:28:33: ist, journalistisch betätigen". Das wäre, wenn Andreas Bornemann

00:28:36: heute noch Stadionsprecher ist, parallel.

00:28:40: Das war mal ein schlanker Personalschlüssel. Es geht halt,

00:28:43: und er hat die Kabinen auch noch sauber gemacht? Ich

00:28:46: geh davon aus. Möglich. Ich habe in Vorbereitung für

00:28:49: diese Folge dieses ganze besagte ledergebundene goldbeletterte

00:28:53: Album durchgelesen und habe die Herausforderung seiner

00:28:56: Amtszeit mal grob in drei Kategorien unterteilt. Erstens

00:28:59: schlechte Platzbedingungen. In der Presseberichterstattung

00:29:03: wirkt es, als hätte das Millerntor Ende der 60er-Jahre

00:29:06: permanent unter Wasser gestanden und wenn es nicht unter Wasser

00:29:09: stand, war es von einem Eispanzer bedeckt oder unter

00:29:12: Schneemassen begraben. Ich finde das insofern erstaunlich, dass ja

00:29:17: gerade erst 1963 mit der nachträglich eingebauten

00:29:21: Drainage neu eröffnet wurde.

00:29:26: Nur mal so, für den Hinterkopf. Da wurde auch schon wieder gespart.

00:29:29: Das ist gut möglich. Es gibt Fotos von Eugen, wie er mit

00:29:33: einem Eispickel das Spielfeld bearbeitet, es gibt Fotos von

00:29:36: ihm, wie er mit einem Wassersauger der 80 Liter fasst,

00:29:39: mehrere 1000 Liter Wasser vom Platz holt, es gibt Fotos von ihm, wie

00:29:43: er mit einer selbstgebauten Egge und einem Kleinwagen das

00:29:46: Spielfeld von Schneeverwehungen befreit, und es gibt Fotos, auf

00:29:50: denen er mit einem handelsüblichen Besen Wasser vom

00:29:53: Platz schippt, und es gibt Fotos,

00:29:55: auf denen das Millerntor komplett im Schlamm versinkt

00:29:58: oder unter Wasser steht. Klassische Geschäftsführer-

00:30:02: Tätigkeiten. Dieses Foto mit dem Auto und dieser

00:30:05: Schneeegge, das haben wir ja sogar hier hängen. Das stimmt.

00:30:08: Ich habe aber noch ein schöneres Foto aus dieser Reihe gefunden,

00:30:12: wo Oschi Osterhoff auf der Egge steht und für das notwendige

00:30:15: Gewicht sorgt. Oh ja, schön.

00:30:19: Man muss dazu sagen der FC St. Pauli war nicht der einzige Verein,

00:30:22: der dieses Problem hatte. Nicht in Hamburg und nicht

00:30:25: deutschlandweit, zumindest nicht in der Regionalliga. Das zweite

00:30:28: große Problem, und das

00:30:30: hängt vielleicht auch mit dem Ersten zusammen. Die schlechten

00:30:33: Zuschauer*innenzahlen hatte ich ja eingangs schon erwähnt.

00:30:38: Die Folge natürlich dieser fehlenden Zuschauer*innen waren

00:30:42: fehlende Einnahmen und das ist natürlich ein Problem und dieses

00:30:46: Thema war in der Medienberichterstattung

00:30:49: omnipräsent möchte ich mal sagen. Ich möchte da

00:30:52: exemplarisch einen Artikel vom 4. Dezember 1968 vorlesen

00:30:56: lassen. Thomas. Ja, das ist so klein gedruckt, ich muss mal die

00:31:00: Brille abnehmen. Er muss die Brille abnehmen. Es ist aus der

00:31:04: 'Bild' tatsächlich, steht oben. "Hier geht es um leere Taschen".

00:31:09: Bebildert ist das Ganze übrigens, das ist so ähnlich wie

00:31:12: das mit der leeren Kasse. Eugen Igel hat seine Hosentaschen nach

00:31:16: außen gekrempelt und zeigt an, dass sie leer sind, das ist auch

00:31:19: ein sehr schönes Foto.

00:31:22: Genau, "St. Pauli: "Da könnte selbst Real kommen und

00:31:26: die Zuschauerzahlen würden nicht steigen. Von Klaus Stampffuß."

00:31:30: Auch nicht schlecht, das ist der Autor offensichtlich dieses Artikels.

00:31:34: "Sagen wir mal, Sie wären ein großartiger Künstler, Sie würden

00:31:37: also auf der Bühne stehen und den vierfachen Salto machen, Sie

00:31:40: landen sicher auf beiden Beinen, doch dann starren sie völlig

00:31:43: entgeistert in das Publikum.

00:31:45: Denn der verdiente Applaus bleibt aus. Ähnlich ergeht es

00:31:48: dem FC St. Pauli, die Mannschaft liegt auf dem zweiten

00:31:51: Platz der Regionalliga Nord, hat große Chancen, die Bundesliga-

00:31:54: Aufstiegsrunde zu erreichen, aber der verdiente Lohn, der

00:31:57: Zuschauerzuspruch bleibt aus. 7.500

00:32:00: Zuschauer müsste der FC St. Pauli im Durchschnitt schon

00:32:03: haben, um finanziell nicht zu scheitern. In den sieben bisherigen

00:32:06: Heimspielen pilgerten aber nur 5.000 im Durchschnitt zum Millerntor.

00:32:09: Mit traurigen Augen sitzt St. Pauli-Präsident

00:32:12: Wilhelm Koch (70) vor seinem Bier. "Samuel hilf", stöhnt er, "was

00:32:15: sollen wir noch machen, wir können doch

00:32:18: nicht die Beatles in den Pausen aufmarschieren lassen. Hamburgs

00:32:21: Fußballpublikum ist anscheinend satt."

00:32:25: Verteidiger Günter Hoffmann (26), sieht andere Gründe. "In Hamburg

00:32:28: gibt es zu viele HSV-Freunde", Richtig. Das kann ich

00:32:31: bestätigen. Sehr gut erkannt Herr Hoffmann. "Und noch etwas,

00:32:35: wenn ich Zuschauer wäre, würde ich mir zum Beispiel Holstein

00:32:38: Kiel auch nur einmal ansehen, aber dann spielen die Kieler

00:32:41: auch noch gegen BU, Sperber und Concordia. Viermal eine Mannschaft

00:32:45: in Hamburg zu Gast, das ist zu viel."

00:32:48: Das alles betrübt auch den Ehrenvorsitzenden "Vati" Kröger

00:32:52: (79), er murmelt nur, "die Kasse ist immer leer".

00:32:57: Das hat "Vati" ganz korrekt gesehen. "Symbolisch krempelt bei

00:33:00: diesen Worten Geschäftsführer Eugen Igel die leeren

00:33:03: Hosentaschen nach außen", siehe eben das Foto hier. "Igel:

00:33:07: "Man muss den Leuten schon eine Delikatesse bieten, dann kommen

00:33:10: sie auch".

00:33:11: Andere sagen, ach was, Delikatesse, da könnte auch Real

00:33:14: Madrid kommen, es würde nichts ändern. Ändern könnte man

00:33:17: vielleicht etwas mit dem Spielplan, denn gegen Göttingen

00:33:20: spielte St. Pauli an einem verkaufsoffenen Sonnabend", das

00:33:23: waren noch Probleme damals, "die Innenstadt war überfüllt, zum

00:33:27: Heiligengeistfeld aber kamen nur 4.500 Zuschauer. "Und der 14.

00:33:30: Dezember, das Spiel gegen den VfB Lübeck fällt wieder auf einen

00:33:33: verkaufsoffenen Sonnabend", klagt Präsident Koch. Diese Klage

00:33:36: allerdings ist nicht berechtigt, denn schon vor Beginn der Serie

00:33:40: erhielt St. Pauli den Spielplan vom Norddeutschen Fußballverband

00:33:43: zugeschickt, und auch im Juli dürfte man schon wissen, dass am

00:33:46: 30. November und am 14. Dezember die Geschäftstüren geöffnet

00:33:49: bleiben.

00:33:51: "Natürlich kann der Verein gegen den Spielplan protestieren und

00:33:54: St. Paulis Chancen in diesem Fall wären gut gewesen, aber während

00:33:57: der Serie kann nichts mehr geändert werden", erklärt Otto

00:34:00: Hacke, Mitglied des Spielausschusses im NFV."

00:34:04: Soweit dieser Artikel. Neben neben dem Bild von dem

00:34:07: Hosentaschen-Herrn Igel ist noch ein Bild von Wilhelm Koch, der

00:34:10: sehr betrübt auf seinen Schreibtisch schaut. Auf sein Bier guckt. Nee, Bier ist da

00:34:13: nicht zu sehen, aber es sieht so aus wie sein Schreibtisch, wahrscheinlich

00:34:16: guckt er gerade auf die Zahlen oder so.

00:34:19: Ja, also obwohl die sportliche Situation wirklich gar nicht so

00:34:22: schlecht war und sofern ich das jetzt richtig in Erinnerung

00:34:25: habe, hat der FC St. Pauli ja auch in diesem Zeitraum mehrfach

00:34:29: um den Aufstieg mitgespielt und war im DFB-Pokal.

00:34:33: Das könnt ihr noch mal ganz genau in Podcast Folge 1 nachhören,

00:34:36: wo Christoph das alles ausführlich beschrieben hat.

00:34:39: Thomas, ich lieg da richtig, ne, sportlich lief es eigentlich

00:34:42: ganz gut? Ja, also besonders im ersten Jahr von Eugen

00:34:45: Igel also '66 Meisterschaft in der Liga.

00:34:49: So knapp wie nie wieder den Aufstieg

00:34:52: um zwei Tore gegenüber RW Essen verpasst. Wie gesagt, das

00:34:56: erzählt Christoph alles in Podcast 1. Im Pokal auch

00:34:58: Viertelfinale erreicht in der Saison, also das war alles sehr

00:35:02: gut. In den Jahren danach Platz 5, Platz 4, Platz 3, Platz 4,

00:35:05: also immerhin man war oben dabei, teilweise allerdings mit

00:35:08: etwas größeren Abständen zum jeweiligen Meister, aber man hat

00:35:12: auf jeden Fall immer im oberen Bereich der Tabelle mitgespielt.

00:35:17: Also warum waren keine Zuschauer*innen da? Diese

00:35:23: Frage beantwortet ein weiterer Artikel, nämlich von März 1969,

00:35:28: den ich jetzt auch gerne einmal auszugsweise vorlesen lassen

00:35:32: würde, von Christopher gerne. "Beim FC St. Pauli regnete es

00:35:36: Geld.

00:35:38: 80.000 Mark kassiert. Eine US-Invasion in der

00:35:43: Hansestadt." Ich nehme mal an, das wird gleich erklärt, was eine US-

00:35:47: Invasion ist. Orientierungsstufe.

00:35:51: "Schon sehr früh angeheitert, welch ein Tag für den FC St.

00:35:55: Pauli. Auch ohne Sieg hatte er es in sich. "Momirski lass die

00:35:58: Löwen los", hatte ein Osnabrücker Fan auf sein Transparent

00:36:01: geschrieben, doch bevor er die Löwen loslassen konnte, bat der

00:36:05: FC St. Pauli rund 5.000 Osnabrücker Anhänger, das OS auf

00:36:08: den Nummernschildern beherrschte des Heiligengeistfeld, und die

00:36:12: insgesamt 19.200 zahlenden Zuschauer zur Kasse. St. Pauli-

00:36:15: Geschäftsführer Eugen Igel: "So einen Tag erwischen wir nicht noch

00:36:18: einmal". Der HSV spielte nicht, das gesamte

00:36:21: Amateurfußballprogramm war in Hamburg abgesagt worden, morgens

00:36:24: fiel dann auch noch das Concordia-Spiel aus, der warme

00:36:27: Regen

00:36:28: für die St. Pauli-Kasse müsste sich zwangsläufig einstellen.

00:36:32: Was bleibt den Fans in Hamburg schon übrig, wenn sie Fußball

00:36:35: sehen wollten, dann mussten sie zum Millerntor kommen. Rund

00:36:38: 80.000 Mark konnte sich der Club auf den

00:36:41: Tisch zählen", das ist ein sehr seltsamer Satz, er konnte ihn

00:36:45: sich auf den Tisch zählen, den Gewinn.

00:36:49: "Igel: "Das ist natürlich ein Trost." Zu der Einnahme an der

00:36:52: Kasse kam doch die Gebühr,

00:36:54: das das Fernsehen für seine Übertragung entrichten musste.

00:36:57: 10.000 Mark konnten sich der FC St. Pauli und der VfL

00:37:00: Osnabrück im Verhältnis 60:40 teilen. Man muss schon sehr weit

00:37:03: zurückgehen, um sich an eine ähnliche Kulisse an Millerntor

00:37:06: erinnern zu können. 1964 im Pokalspiel gegen den 1. FC

00:37:09: Nürnberg". Sehr weit zurück, sehr weit so also vier Jahre.

00:37:14: "Im Pokalspiel gegen den 1. FC Nürnberg füllten einmal 23.000

00:37:17: Besucher die Ränge, aber damals war das Volk noch leichter auf

00:37:20: den Fußballplatz zu locken. Mit zwei Sonderzügen, mit Bussen und

00:37:23: unzähligen Privatwagen kamen die Osnabrücker Fans nach Hamburg

00:37:26: und überfielen den Millerntor- Sportplatz, sie standen während

00:37:29: des Spiels fast an den Außenlinien, einer hatte sogar

00:37:32: einen Kasten Bier vor sich aufgebaut. Sie kamen schon

00:37:34: morgens angeheitert ins Clubhaus. "Um überhaupt etwas zu

00:37:37: trinken zu erhalten, mussten sie einen Schichtbetrieb einrichten

00:37:40: und abwechselnd den Weg zur Tränke suchen", wusste Eugen Igel

00:37:43: zu berichten."

00:37:45: Was auch immer das bedeutet. "Ein uneingeschränktes Lob verdiente

00:37:48: der FC St. Pauli für seine Platzräumung. Wie schwierig das

00:37:51: gerade in Hamburg war, bewies schließlich, dass nicht einmal das

00:37:55: Bundesligaspiel des HSV

00:37:56: ausgetragen werden konnte." Das war wahrscheinlich wieder Eugen

00:38:00: Igels Verdienst würde ich sagen. Davon gehe ich aus. Da

00:38:03: gibt es tatsächlich auch Fotos von diesem Spiel, wie

00:38:07: Osnabrücker Fans über Schneeberge aufs Spielfeld

00:38:10: rennen, wahrscheinlich nach dem Spiel, nach dem Sieg oder so.

00:38:13: Das ist ein sehr episches Bild, muss man wirklich

00:38:17: sagen, weil so ein Osnabrück-Fan mit Bommelmütze und Fahne so über

00:38:21: den Schneeberg voranstürmt, sehr schönes Bild, ja. Aber das

00:38:24: Platzräumen lohnt sich.

00:38:27: Und weil wirklich alle anderen Spiele ausgefallen sind an dem

00:38:30: Tag und den Leuten wirklich, wenn sie Fußball sehen wollten,

00:38:33: steht da ja auch so, nichts anderes übriggeblieben ist, als

00:38:35: zu St. Pauli zu gehen, und das spricht ja schon dafür, dass wir

00:38:38: uns noch in einer Zeit bewegen,

00:38:40: wo es den Leuten vordringlich darum ging, Fußball zu gucken

00:38:43: und weniger um Vereinsbindung und um Support für einen

00:38:46: bestimmten Club. Und wo natürlich einfach auch in

00:38:49: Hamburg noch sehr viel mehr Mannschaften auf einem ähnlichen

00:38:53: Niveau gespielt haben, was dann wie gesagt zu diesem Kiel-

00:38:56: Problem führt quasi. Das

00:38:58: hat sich ja heute ein bisschen verändert. Es gab noch ein

00:39:01: drittes Problem

00:39:04: was

00:39:06: vordringlich war in Eugen Igels Amtszeit, nämlich das fehlende

00:39:10: Personal. Mit Personal meine ich jetzt Spieler. 1969 ging der FC

00:39:13: St. Pauli in Sachen Scouting deshalb neue, innovative Wege

00:39:16: und veröffentlichte eine Stürmerstellenausschreibung in

00:39:19: der 'Bild-Zeitung'. Ich glaube, im 'Kicker' war sie auch.

00:39:24: Um einen Nachfolger für Oschi Osterhoff zu finden. Erwin Türk

00:39:27: durfte dann alle 60 Bewerber persönlich unter die Lupe

00:39:30: nehmen.

00:39:32: Das Telefon stand nicht still, es haben sehr viele Eltern

00:39:35: angerufen, die gesagt haben, mein Sohn würde sehr gut in

00:39:37: Ihre Mannschaft passen anscheinend.

00:39:41: Eingestellt wurde am Ende niemand. Zumindest habe ich

00:39:45: darüber keinen Bericht gefunden. Die Anzeige lautete

00:39:50: "Wenn Sie ein überdurchschnittlich begabter

00:39:52: Fußballspieler sind, Stürmer mit Regionalliga-Format, würde es

00:39:55: Sie dann nicht reizen, bei einem traditionsreichen Regionalliga-

00:39:58: Spitzenverein in der Weltstadt Hamburg Fußball zu spielen?

00:40:01: Ja.

00:40:03: Spricht mich jetzt an. Ich hätte mich auch beworben.

00:40:06: Ein weiteres eher persönliches Problem für Eugen

00:40:09: waren die alten Vereinsmitglieder, die alte Garde

00:40:12: um Wilhelm Koch, gegen die er sich nur mit Mühe durchsetzen

00:40:15: konnte.

00:40:16: Oder auch gar nicht durchsetzen konnte. Im Juli 1968 ist diese

00:40:19: Situation zwischenzeitlich anscheinend so eskaliert, dass

00:40:22: Eugen seine Kündigung eingereicht hat, warum genau

00:40:25: lässt sich jetzt heute nicht mehr so richtig konstruieren.

00:40:28: Wie gesagt, ich

00:40:29: hab ihn leider nicht gefragt.

00:40:31: In der Presse hieß es damals, eine fruchtbare Zusammenarbeit

00:40:34: zwischen Jung und Alt sei nicht möglich gewesen. Eugen

00:40:37: habe als Geschäftsführer nicht selbständig arbeiten können und

00:40:41: seine Vorstellungen hätten sich nicht mit denen von "alten

00:40:44: Mitgliedern mit großem Einfluss gedeckt".

00:40:47: Ja.

00:40:49: Es gab dann aber anscheinend wenig später eine Aussprache und

00:40:52: Eugen ist doch geblieben, zumindest bis 1970.

00:40:56: Nach Wilhelm Kochs plötzlichem Tod im Dezember 1969 wurde im

00:41:00: März 1970 Ernst Schacht zum neuen Präsidenten gewählt. Auf

00:41:04: derselben Mitgliederversammlung wurde übrigens auch beschlossen,

00:41:08: Millerntor in Wilhelm-Koch- Stadion umzubenennen.

00:41:13: Unter anderem auch deshalb, weil der Verein Wilhelm Koch zum

00:41:15: Zeitpunkt seines Todes eine sechsstellige Summe schuldete.

00:41:20: Daran waren nicht zuletzt die niedrigen Zuschauer*innenzahlen

00:41:22: schuld.

00:41:24: Und um die angeschlagenen Clubfinanzen in den Griff zu

00:41:27: bekommen, wurde unter Schacht Walter Windte zum Geschäftsführer

00:41:30: berufen und Eugen musste gehen.

00:41:33: Er hinterließ seinem Nachfolger zwei volle Ordner mit unbezahlten

00:41:37: Rechnungen.

00:41:39: Die dann

00:41:41: Schacht aus seinem Privatvermögen bezahlt hat wenn

00:41:44: ich das richtig in Erinnerung hab. Sagt Ernst

00:41:48: Schacht. Sagt Ernst Schacht. Ich möchte kurz an dieser Stelle

00:41:51: noch spoilern,

00:41:53: dass Ernst Schacht nicht die finanzielle Situation des

00:41:56: Vereins nachhaltig konsolidiert hat.

00:42:00: Wurde auch übrigens von Zeitzeugen auch über Ernst

00:42:04: Schacht gesagt, man nannte ihn auch Don Ernesto. Ja, Don

00:42:08: Ernesto kommt da als nächstes nie, aber das war ja doch mal

00:42:12: keine einfache Zeit. Wie so oft.

00:42:17: Also dass diese persönliche Beziehung zu dieser

00:42:20: Zeit besteht, ist natürlich auch eine ganz besonders spannende

00:42:23: Facette.

00:42:24: So, wir nehmen links vor rechts Christoph. Ich bin ja nun auch

00:42:28: schon einen kleinen Moment hier, aber eben wie ich schon

00:42:31: verschiedentlich unter Tränen gestanden habe, auch ein

00:42:35: bisschen Modefan, weil so richtig lange bin ich dann ja

00:42:38: auch noch nicht dabei.

00:42:40: Das heißt also richtig lange, das wären dann angesichts meiner

00:42:44: Lebensdauer so ungefähr die 70er- Jahre gewesen, das hab ich

00:42:47: verpasst. Auch in

00:42:48: den 80ern war ich nicht dabei, das hab ich alles

00:42:50: versucht nachzuholen dann bei den Recherchen später für

00:42:53: Jubiläumsbuch und so weiter natürlich auch die Ausstellung

00:42:56: hier, aber nein, ich war beim Aufstieg '88 eben nicht dabei.

00:42:59: Ich bin ein bisschen getröstet, dass Thomas, bei dem ich

00:43:02: eigentlich auch angenommen hätte, dass er

00:43:04: selbstverständlich dabei war, vielleicht sogar als Balljunge

00:43:06: oder irgend sowas cooles,

00:43:09: da noch nicht ganz dabei war, aber eben ab dann auf jedem

00:43:13: Tonträger, jeder 'Übersteiger'- Ausgabe zwischen und in den

00:43:17: Zeilen. Ja, ganz so viel habe ich da nicht zu bieten, bei mir

00:43:20: ging es später los.

00:43:25: Aber meine erste richtige Saison kann ich ja trotzdem ein

00:43:28: bisschen wieder besuchen.

00:43:31: Gar nicht so einfach, wie ich festgestellt habe bei den

00:43:34: Vorbereitungen, weil es einfach so viel Stoff ist. Mal gucken,

00:43:37: wo wir da jetzt landen. Marcel Proust hat es sich ja leicht gemacht,

00:43:39: hat einfach ein bisschen Gebäck gegessen und in so einen Tee

00:43:42: gestippt und fertig waren 30 Bände. So ähnlich lang kann ich

00:43:45: es glaube ich jetzt nicht machen.

00:43:48: Ich stell das ganze unter "A walk on the wild side oder meine

00:43:51: erste richtige Saison" im Sinne von das war die Saison wo ich

00:43:54: mir dann endlich mal ne Dauerkarte gekauft habe.

00:43:58: Meine erste richtige Saison mit dem FC St. Pauli beginnt mit

00:44:02: einer geschlossenen Tür. Ihre Klinke bewegt sich auf und ab,

00:44:06: immer wieder, und das ist in dem Jahr, aus dem die Tür kommt,

00:44:10: State of the Art, denn die Tür gehört zur Bretterbuden-Website

00:44:14: des FC St. Pauli, so wie sie 2000 aussah, und das war eben

00:44:18: so, wie der Verein 2000 aussah. Wer möchte, kann sich das Ganze

00:44:22: in der Wayback Machine des Internetarchivs angucken.

00:44:26: Da ist

00:44:26: leider nur noch diese Tür, weil ansonsten die Website aus

00:44:29: technischen Gründen nicht so richtig archiviert werden

00:44:32: konnte. Aber die kann man sich immerhin angucken. An die

00:44:35: erinnere ich mich auch gut. Ja allerdings. War da nicht

00:44:38: die Kabine dahinter. Dahinter war eben dann ne Kabine, das war

00:44:41: dann an die Kultkabinen angelehnt, das war so ne Zeit wo so

00:44:45: grafische Menüs auch angesagt waren und der Verein war

00:44:47: wirklich voll im Trend. Da saß Markus Lotter übrigens auf dem

00:44:51: Bild. Da saß ein Spieler in der Kabine und auf den konntest du

00:44:54: draufklicken für die Mannschaftsstatistiken.

00:44:56: Und das war Markus Lothar. Na jedenfalls, die Tür passte

00:44:59: natürlich gut, weil es ja schon vorher eine Kampagne gegeben

00:45:03: hatte, die dann auch weiterlief, die sogenannte Star Club

00:45:07: Kampagne, und da waren ja ganz viele lustige Dinge mit eben

00:45:11: Bretterbuden-Design zu sehen.

00:45:14: Wir gewinnen jeden Titel oder so. Da waren dann

00:45:17: Zeitungstitel, St. Pauli kurz vor der Pleite und sowas oder wir

00:45:21: kaufen bei Real. Also weil natürlich Anspielung auf Madrid

00:45:25: und damals gab es auch noch einen Supermarkt

00:45:27: gleichen Namens in den heutigen Rindermarkthallen, all sowas, das

00:45:31: funktionierte gut, das war selbstironisch, das war

00:45:34: tatsächlich auch ziemlich lustig und schon jetzt sei mal

00:45:37: vorausgeschoben. Ich frag mich manchmal auch, wie wirkmächtig

00:45:40: war eigentlich dieses ganze Ding inklusive der Werbung für das

00:45:43: Image des FC St. Pauli noch heute, weil natürlich ohne eine

00:45:46: aktive Fanszene, die das Ganze mit Bedeutung, mit echtem Leben

00:45:50: und so weiter füllt, wäre der FC St. Pauli nur eine leere Hülle,

00:45:53: aber die Frage ist natürlich trotzdem ganz interessant, wie

00:45:56: also so für Vorstellungen vom Verein

00:45:59: dann auch solche Werbung wirkmächtig war. Ich finde es

00:46:02: aber schwer zu beantworten, weil die Werbung hat natürlich auch

00:46:06: deswegen so gut funktioniert, weil wie schon gesagt, das sah

00:46:09: hier wirklich so aus, also das war schäddrig, das war rostig,

00:46:12: es war auch schön auf seine Art und Weise. So auf dieser Tür der

00:46:15: Website dagegen war dann auch noch ein hübsches kleines

00:46:18: Detail, da war noch so ein Zettel aufgetackert auf dem

00:46:21: stand "Wird Zeit, dass dem Fußball bald wieder die

00:46:24: Bedeutung zukommt, die ihm zusteht, nämlich alle.

00:46:27: Aber wo liegt Ahlen, was ist Reutlingen? Ratlos, Euer Zeugwart

00:46:33: Bubke".

00:46:35: Also es gab dann auch immer schöne Botschaften von Bubu. Ich

00:46:39: weiß nicht, ob er die da wirklich selber drauf gepinnt

00:46:42: hat, ich würde sagen mangels html-Skills eher nicht. Die Sache

00:46:45: mit Ahlen und Reutlingen, die wird Bubu relativ bald dann

00:46:49: herausgefunden haben.

00:46:52: Thomas guckt gerade so, also ja, gab es da noch andere

00:46:55: Erinnerungen? Ich bin der Meinung, er hatte eigentlich

00:46:58: sogar auch so eine Art von Kolumne in der Stadionzeitung. Absolut

00:47:01: die Stadionzeitung hieß 'Pauli', hatte ein Bretter-Cover

00:47:04: Ich bin der Meinung, ich hatte mal von jemandem

00:47:07: gehört, der dann irgendwann meinte "Ich habe immer Bubus

00:47:10: Texte geschrieben". Aber ein bisschen frage mich aber auch,

00:47:14: ob nicht vielleicht die Saison vor der Saison für die ganze

00:47:17: Sache nicht mindestens genauso wichtig gewesen wäre wie die

00:47:20: Saison selbst. Weil die meisten Leute haben es jetzt geraten, ich möchte

00:47:24: erzählen von der Saison 2000/ 2001. Das ist schon auch ein

00:47:27: Kunstwerk des Erwartungsmanagements gewesen.

00:47:32: Die Saison vorher war dann ja eigentlich das Erwartungsmanagement.

00:47:35: Denn schon für die Spielzeit 1998/99, um mal was ganz Neues zu

00:47:39: sagen, hatte die Vereinszeitung, die

00:47:42: offizielle Vereinszeitung des FC St. Pauli. 'Blickpunkt' hieß sie

00:47:45: damals dann schon,

00:47:46: die Aufgabe für den damaligen Trainer Willi Reimann wie folgt

00:47:50: zusammengefasst "Mit Leuten, die nichts kosten und so gut wie

00:47:53: überhaupt nichts verdienen wollen, eine Mannschaft auf die

00:47:56: Beine stellen, die den Anforderungen des oberen

00:47:59: Drittels der zweiten Bundesliga gerecht wird."

00:48:02: Das klingt sehr, vor allem Leute, die nichts

00:48:05: verdienen wollen. Genau. Die wirst du locker finden. Ja ganz

00:48:08: einfache Aufgabe, Willi Reimann hat sich das trotzdem dann

00:48:12: zugetraut, er auch einer der der ganz wenigen Trainer, der

00:48:15: zweimal den FC St. Pauli und zweimal den HSV und einmal Altona

00:48:19: 93 trainiert hat, teilte der Presse dann auch gut gelaunt

00:48:22: mit, dass er seine Mission übererfüllt hätte und sogar

00:48:26: 400.000 Mark weniger ausgegeben als er hätte dürfen.

00:48:30: Zu diesem Zeitpunkt betrug der Etat auch noch sage und schreibe

00:48:34: 12,5 Millionen Mark. Das war also eigentlich noch relativ

00:48:37: üppig. Ein Jahr später sollte er dann eben um 5 Millionen weitere

00:48:41: Mark gekürzt werden. Man habe sich spielerisch

00:48:44: verbessert, sagte eben Reimann auch, und er hat immerhin so den

00:48:48: ein oder anderen geholt, den kennt man noch. Henning Bürger

00:48:51: zum Beispiel war dabei, Holger Wehlage, Zlatan Bajramovic

00:48:55: aus der eigenen Jugend. Einige kennt man auch noch, Marek

00:48:58: Trejgis zum Beispiel auch.

00:49:01: Miguel Pereira hat nicht ganz so oft gespielt. Thomas Puschmann fällt mir auch

00:49:05: noch ein. Ich möchte eine Sache dazu sagen, spielerisch

00:49:08: verbessert. Ich erinnere mich an diese Saison 98/99, das kann man

00:49:12: wirklich nicht sagen, also wirklich nicht. Ist Willi Reimann,

00:49:14: eigentlich auch der Trainer, der gesagt hat quasi nur über seine

00:49:18: Leiche würde er zu den Braunen gehen. Ja, hatte er mal gesagt,

00:49:22: deswegen wurde er dann ja auch ausgepfiffen, als zu St. Pauli ging. Als er das erste Mal hier war.

00:49:25: Einfach alles toll, ich finde es alles toll, die PR ist toll, die

00:49:28: Aussagen sind fantastisch und schön war eben auch, dass also

00:49:32: dann so ungefähr einen Monat später tatsächlich das

00:49:35: 'Abendblatt' meldet, von wegen 400.000 Mark übrig.

00:49:38: Der Etat von 12,5 Millionen Mark sei schon vor Saisonbeginn

00:49:42: überzogen gewesen und der FC St. Pauli hätte außerdem finanzielle

00:49:45: Verbindlichkeiten in Höhe von 7,5 Millionen Mark. Und es lief

00:49:49: in der Tat sportlich also mehr als spärlich. Willi

00:49:53: Reimann kritisierte dann auch schon mal, das darf nicht sein,

00:49:56: dass uns die Zuschauer vorwerfen, dass die Trikots

00:49:59: nicht nass geschwitzt wären.

00:50:02: Also es war wirklich ausgesprochen ungünstig. Dann

00:50:05: ging die Mannschaft sich auch noch an die Gurgel. Also es gab

00:50:08: dann also auch ein Rückspiel gegen Gladbach am 10. März, da

00:50:12: war der FC St. Pauli dann tatsächlich nur noch 4 Tore von

00:50:15: der 3. Liga entfernt.

00:50:17: Steffen Karl, Markus Ahlf flogen per roter Karte vom Platz und

00:50:22: dadurch wirkte die 1:2- Niederlage zum Glück eher so wie

00:50:26: höhere Gewalt und nicht so wie individuelles Versagen, weil es

00:50:30: sind ja zwei vom Platz geflogen.

00:50:32: Stephan Hanke schickte seinen

00:50:35: eigenen Keeper Carsten Wehlmann während des Spiels mit einem

00:50:39: Schubser zu Boden, wofür er sich später in der Kabine

00:50:42: entschuldigte. Da war also auf jeden Fall die Freude groß, man

00:50:46: darf sich dann also auch

00:50:47: einen schmurgelnden, also vor Zorn schmurgelnden

00:50:50: Christopher Radke im Publikum vorstellen, nehme ich mal an.

00:50:53: Ich war zu jung für Zorn und für Hass. Ah okay, das

00:50:56: ist gut. Du warst einfach nur enttäuscht. Da komme ich später

00:51:00: zu. Jedenfalls nach diesem Katastrophenkick gaben dann der

00:51:03: FC St. Pauli und Willi Reimann die einvernehmliche Auflösung

00:51:06: seines Vertrages bekannt und.

00:51:10: Das hatte Reimann dann auch quasi schon herbeigefordert in

00:51:13: der Presse, wo er dann sich geäußert hatte, dass also mit

00:51:16: kommenden 7 Millionen Mark Etat mal überhaupt gar nichts

00:51:19: anzufangen wäre. Holger Stanislawski war auch nicht

00:51:22: zufrieden: "Hier ist alles konfus, Stadion hin und her und

00:51:25: jetzt ist auch noch der Trainer weg", Schlangen-Franz Gerber

00:51:28: wurde als Nachfolger ins Spiel gebracht, wollte dann aber doch

00:51:31: nicht, er hätte ein anderes Projekt und so stieg Gerbers

00:51:35: einstiger Mannschaftskamerad Dietmar

00:51:37: Demuth vom Co-Trainer zum Cheftrainer aus auf, unterstützt

00:51:41: von Joachim Philipkowski. Und wir haben ja gehört, wie es

00:51:45: vorhin lief mit den Spielen. Jetzt schrieb das Abendblatt das

00:51:49: folgende: "Schlecht, grottenschlecht, grausam

00:51:52: schlecht, anfängerhaft, dilettantisch, alles wäre

00:51:55: treffend, aber alles würde diese 90 Minuten noch verschönern." Es

00:51:59: ging um ein 0:0 beim KSC am 5. Mai 2000.

00:52:04: Trotzdem hatte der FC St. Pauli bis zuletzt bekanntlich die

00:52:07: Chance, die Klasse zu erhalten. Es gab aber auch noch Krisen,

00:52:11: die tatsächlich auch was mit der folgenden Geschichte zu tun

00:52:14: haben. Bei mir ist die Vorgeschichte ja sowieso gern

00:52:17: länger als die eigentliche Geschichte, ist irgendwie

00:52:20: manchmal auch ganz schön, ich hatte das tatsächlich ganz

00:52:23: vergessen, dass das war die Zeit des Vollbierstreits, ich

00:52:27: glaube, irgendwann hatten wir es ja auch mal kurz erwähnt, es gab

00:52:31: in Hamburg einen Vollbierstreit, der nicht nur die beiden

00:52:34: Profi-Fußballvereine HSV und FC St. Pauli, sondern

00:52:37: auch die Hamburger Politik, monatelang beschäftigte, und zwar

00:52:42: hatte Innensenator Wrocklage dem HSV geschrieben "Die Fans

00:52:46: des FC St. Pauli neigen nicht zu Gewalttätigkeiten, zu denen

00:52:51: sie durch Alkohol enthemmt greifen würden" und damit hat er

00:52:55: begründet, warum es am Millerntor sogenanntes Vollbier

00:52:59: mit allen Umdrehungen zu kaufen gab, im HSV-Stadion aber maximal

00:53:03: 4% meine ich oder irgendwie, was ja eigentlich auch schon

00:53:08: relativ viel ist. Ja, also das war aber wirklich ganz, ganz

00:53:12: dicht mit dem Fußballgeschehen auch verwoben, weil der letzte

00:53:16: Artikel zum Vollbierstreit in der 'taz', erschien am 25.02.

00:53:20: 2000 und was am 26. Mai 2000 war, das wissen wir glaube ich alle

00:53:24: noch. "Ivan Klasnic, Seitfallrückzieher, Schuss, der Ball ist im Tor 1:1.

00:53:30: 1:1 am Millerntor, meine Damen und Herren". Ich saß zu

00:53:33: Hause in einer Einzimmerwohnung in Eppendorf vorm Videotext.

00:53:38: Es gab irgendwie noch keinen kostenlosen Stream. Nüchtern. Ja, ich

00:53:42: glaube sogar das.

00:53:45: Das ist Punkrock. Denn es war halt tatsächlich so. Ich war

00:53:49: dem FC St. Pauli zu diesem Zeitpunkt schon durchaus

00:53:52: zugeneigt, von der ganzen Grundhaltung her, also war ich schon

00:53:57: durch Aufkleber wie "Asylrecht ja, Asylkompromiss nein".

00:54:02: Der klebte in so einem Türrahmen bei uns zu Hause, also

00:54:05: schon vorgeprägt. Als ich dann in Hamburg war und dann auch

00:54:08: über Michael Pahl, den ich dann in meinem ersten Proseminar

00:54:11: traf, dann tatsächlich irgendwie auch einfach dahingeführt

00:54:14: wurde, weil er gleich nach einer Weile sagte, hey, komm mal mit, bin

00:54:17: ich immer mal wieder da gewesen, aber eben immer nur immer mal

00:54:20: wieder und deswegen, selbst wenn ich es gewollt hätte, glaube

00:54:23: ich, das Spiel dürfte ziemlich ausverkauft gewesen sein, war

00:54:28: ich ohne Ticket und saß also vor dem Videotext und hab dann also

00:54:31: immer geguckt, ob das noch mal umspringt und selbst das hat

00:54:35: funktioniert. Das find ich irgendwie schon ziemlich

00:54:37: spannend. Du kannst tatsächlich vor so dürren Zahlen

00:54:40: mitfiebern und dich ganz doll freuen, dass es plötzlich

00:54:43: bling, dann also trotzdem dann also ein Tor mehr für den FC St.

00:54:47: Pauli angezeigt wird und das ist also 1:1 ausgegangen ist,

00:54:50: dass dieser furchtbare Rückstand dann also endlich aufgeholt

00:54:53: worden war. Wie habe ich mir dann später nochmal

00:54:56: angucken können.

00:54:58: Erst später stellte sich bekanntlich heraus, dass das

00:55:01: Endspiel ja gar keines war. Denn der FC St. Pauli hätte sowieso

00:55:05: die Klasse gehalten, weil TeBe Berlin die Lizenz entzogen

00:55:08: worden war.

00:55:11: Alles halb so wild, aber ich glaube, das ist trotzdem als

00:55:15: Spiel des Lebens so ungefähr also, wo es wirklich um alles

00:55:18: ging. Auf jeden Fall. Ich würde auch sagen, wenn es da in die in die Regionalliga

00:55:21: gegangen wäre, dann hätte sich der Verein davon nicht mehr

00:55:25: erholt. Das wurde auch vorher relativ offen

00:55:28: jetzt durchaus gesagt, dass das die Existenz des, also des

00:55:31: Profifußballs, sagen mal so und vielleicht auch sogar des ganzen

00:55:34: Vereins, man weiß es nicht, sehr gefährdet hätte definitiv, ja.

00:55:38: Es war ja auch gar kein Druck, ich stelle es mir jetzt auch mal

00:55:41: entspannt vor, so als Spieler dann auf dem Platz. Es war vor

00:55:44: allem so viel Druck,

00:55:46: dass laut auch von Zeitzeugen, dass mehrere Oberhausener

00:55:50: Spieler am Abend vorher, ich glaube damals war es schon das

00:55:53: 'Jolly Roger',

00:55:56: sich dort noch das eine oder andere Bier noch reingestellt

00:55:59: hat und gesagt hat, "Leute, macht Euch keine Sorgen wegen morgen"

00:56:02: und die gleichen Spieler dann zu den Spielern des FC St. Pauli auf dem

00:56:05: Feld gesagt haben, "Wollt Ihr absteigen oder warum spielt Ihr

00:56:08: kein Fußball?"

00:56:11: Ja, in der Tat. Daniel Scheinhardt hat aber zumindest hat sich auch

00:56:14: sehr gefreut, dass es dann geklappt hat, weil der dann

00:56:16: mitfeiern konnte. Der wollte zu St. Pauli wechseln, aber er

00:56:20: hatte eben tatsächlich mit der finalen Unterschrift gewartet,

00:56:23: wie das Ganze denn ausging und hat dann also am nächsten Morgen

00:56:26: nach dem Spiel, nach drei Stunden Schlaf seinen Vertrag

00:56:28: unterschrieben. Gut, also es wurde ordentlich gefeiert, als

00:56:31: würde es kein Morgen geben und natürlich in der Presse stand,

00:56:35: es würde auch kein Morgen geben, so war die Stimmung da ja noch,

00:56:38: wir sind jetzt Anfang Saison 2000/2001. "Kein Stadion,

00:56:40: kein Geld, keine Fans", schrieb die 'taz' am 2. August. Die

00:56:43: Finanzierung für den Neubau stand mal wieder in den Sternen

00:56:47: wie immer. Selbst für ein Sparmodell mit nur einer neuen

00:56:50: Tribüne, was zeitweilig mal ins Spiel gebracht worden war. Der

00:56:53: Saisonetat war mit 6,5 Millionen Mark also tatsächlich sogar

00:56:57: 6 Millionen weniger als das, was Willi Reimann noch ausgeben

00:57:00: durfte, der niedrigste der Liga, und statt 14.200 Dauerkarten wie

00:57:04: vor dem Start 1995/96 allerdings in der 1. Bundesliga, hatte

00:57:08: der Verein nicht einmal 5.000 Dauerkarten verkauft.

00:57:11: So war das damals. An mich hat er auch keine verkauft, wieso

00:57:15: sollte ich sowas kaufen? Erstmal gucken, also bin ja dann

00:57:18: immer noch sporadisch hingegangen und zwischen Analyse

00:57:21: und Klagelied verabschiedeten Hamburgs Journalisten Abgänge

00:57:25: wie Marcus Marin und Dietmar Demuths Schnauzbart.

00:57:27: Teammitglieder also, die nicht über Kritik erhaben waren, bei

00:57:31: denen man aber wenigstens wusste, woran man war. Wobei

00:57:34: Demuths Bart sang- und klanglos verschwand und nicht wieder

00:57:37: gesichtet wurde, anders als Ex- St. Pauli-Keeper Carsten

00:57:40: Wehlmann, der zum Leidwesen vieler Fans schon im April beim

00:57:43: HSV unterschrieben hatte.

00:57:46: Das also auch noch. Aber wie ging es denn da mal

00:57:50: los? Daran erinnert sich Dietmar Demuth auch heute noch, er

00:57:54: durfte dann ja dann diesen Plan, diesen Etat mit

00:57:58: Profimanager Stephan Beutel in eine Mannschaft ummünzen und

00:58:02: Sandra Schwedler erinnert sich auch. Hören wir mal kurz. "Das

00:58:06: war natürlich auch Katastrophe, so dass man ja eigentlich gesagt

00:58:11: hat, mit dem Etat,

00:58:13: da hat jeder Drittligist oder oder weiß ich was mehr". "Wir

00:58:16: hatten alle Angst, dachten halt nur so, wenn letzte Saison so

00:58:19: scheiße lief und da jetzt eigentlich Voraussetzungen und

00:58:22: Rahmenbedingungen noch beschissener sind, was soll denn

00:58:24: das werden?" Ja die neuen fasste die Presse mit Formen wie

00:58:27: "Fußballspieler XY unerkannt", 'taz', oder "Aufgalopp der No names",

00:58:31: 'Hamburger Morgenpost', zusammen, denn auf dem Platz hatten sie

00:58:34: sich keinen Namen machen können. Da waren uns tatsächlich

00:58:37: die Oberhausener Zlatko Basic und Daniel Scheinhardt noch die

00:58:40: erfolgreichsten als Teil der zweitsichersten Abwehr der

00:58:43: Vorsaison, da konnte man also so ein bisschen was zu sagen. Didi

00:58:46: Demuth sah das auch ähnlich, hier noch mal er im O-Ton aus

00:58:49: unserem Zeitzeugenarchiv.

00:58:52: "Dementsprechend so die Spieler verpflichtet, die vom Charakter

00:58:56: her, die es kennen, paar erfahrene, Rath, Patschinski, die

00:58:59: nicht einfach sind. Aber ich mochte immer solche Spieler, die

00:59:03: dann aber auch Verantwortung übernommen haben

00:59:06: auf dem Platz". Wer dann natürlich in der ganzen

00:59:09: Darstellung noch fehlte, das war natürlich Markus Lotter, der mir

00:59:13: persönlich

00:59:13: auch sehr früh schon sehr ans Herz gewachsen ist. Zu Lotter

00:59:17: habe ich dann festgestellt, kann man auch immer noch ganz

00:59:20: wunderbare Porträts aus der Zeit im Internet finden.

00:59:24: Aus dem Jahr 2000 gibt es hier ein schönes Porträt aus der

00:59:27: 'Welt', das glaube ich fasst...

00:59:29: Ach wisst Ihr was, hört Ihr mal eine andere Stimme, geb es

00:59:31: einfach mal an Christopher rüber. Ich muss dazu sagen, ich

00:59:33: habe ja mal Markus Lotter für die Schülerzeitung interviewt. Aha.

00:59:37: Im Eiscafé Adda in der Osterstraße. Jetzt denken wir

00:59:40: alle, wir hätten das hier tatsächlich vorher abgesprochen

00:59:42: haben, aber Christopher wusste nicht, dass er jetzt gleich

00:59:45: dieses Porträt vorliest. Weil seine Frau mit der Frau meines Kunstlehrers

00:59:48: gut befreundet war. Ach so. Gesamtschule Stellingen, Grüße

00:59:51: gehen raus.

00:59:53: "Markus Lotter! Kein Zweifel, er fällt schon von der Kleidung her

00:59:57: aus dem Rahmen. Bordeauxfarbener Wollpullover, die dunkelblaue

01:00:00: Pudelmütze tief ins Gesicht gezogen, so betritt der Mann das

01:00:04: Restaurant in der Hamburger City.

01:00:06: Sein Outfit ist nicht nur modisch und farblich

01:00:08: geschmackvoll, es ist auch zweckmäßig, denn draußen haben

01:00:11: wir die 0 Grad und es dominiert ein tristes Grau in Grau.

01:00:15: "Dieses Wetter schlägt mir schon sehr aufs Gemüt", beginnt

01:00:18: Markus Lauter das Gespräch und schaut leicht angewidert durch

01:00:22: das Fenster auf die Straße. Als wäre das noch nicht genug, das

01:00:25: Porträt Gemütsmensch zwischen Bewegungsdrang und Träumerei in

01:00:28: der Welt geht nicht nur auf den Styler, sondern auch auf den

01:00:31: Musiker Markus Lotter ein, Sport und Kunst, Kampf und

01:00:34: Sinnlichkeit, Markus Lotter, der sensible Individualist,

01:00:37: verkörpert beides, sollte ihn die Musik von Keith Jarrett und Wim

01:00:41: Mertens derart inspiriert, dass er Lust verspürte, das

01:00:44: Klavierspiel zu lernen. Dass er

01:00:45: öfter nach dem Training zu Hause ans Piano setzt, um zu üben, was

01:00:49: ihm der Klavierlehrer vorspielte, ist eigentlich

01:00:51: nichts Besonderes, schlägt aber aus der Art.

01:00:55: Ein Fußballspieler, der nicht nur Sportberichte liest, sondern

01:00:59: auch psychoanalytische Romane wie "Arzt und Mörder" von Georg

01:01:02: Letham erweitert den Horizont, passt

01:01:06: aber wohl nicht ins Klischee."

01:01:10: Wim Mertens. Wer kennt

01:01:13: ihn nicht? Also ein ganz hervorragendes... Wim Thoelke kenn

01:01:17: ich. Wim Mertens, der berühmte Klavierspieler. Ich

01:01:20: bin mir auch nicht ganz sicher, wer Wim Mertens ist. Das mit dem

01:01:24: Buch ist übrigens kompletter Quatsch, habe ich festgestellt,

01:01:28: das Buch heißt "Georg Letham, Arzt und Mörder".

01:01:32: Es wurde von dem österreichischen Schriftsteller

01:01:35: und Arzt Ernst Weiß geschrieben. Ja, das kann man ja mal

01:01:37: durcheinanderbringen. Dieser hervorragend recherchierte

01:01:40: Artikel, jetzt kann man es ja sagen, da wir gesagt haben,

01:01:43: was das für ein Quatsch ist, erschien in der Tageszeitung 'Die

01:01:46: Welt', die sich aktuell auch nicht gerade durch Qualität

01:01:48: auszeichnet.

01:01:51: Bitte nicht verklagen. Dann war es ja eben auch noch so, dass

01:01:54: diese lustige Truppe also hauptsächlich trainierte,

01:01:57: indem sie kochte, also man veranstaltete Kochabende mit

01:01:59: irgendwie mehrgängigen Menüs, die da gekocht werden, weil sich

01:02:02: wirklich alle so hervorragend verstanden dann, und ich glaube,

01:02:05: das muss dann wohl, ich habe es nicht mehr genau herausgefunden,

01:02:09: in welchem Monat, das muss wohl in der Winterpause gewesen sein,

01:02:12: brachte man sogar noch eine CD raus, die mit Studio Braun

01:02:16: aufgenommen wurde. Die waren damals besonders bekannt für

01:02:21: Telefonstreiche, also eben um Rocko Schamoni, Heinz

01:02:25: Strunk und Jacques Palminger.

01:02:27: Genau, auch zu meiner Jugend gehört das dazu. Ich hab die CD

01:02:30: auch irgendwo noch. "110 am Millerntor". Absolut. Toralf Konetzke

01:02:33: auf dem Cover glaub ich. Richtig, Toralf Konetzke war in der

01:02:36: Tat auf dem Cover drauf. Der kam erst im Winter, das ist

01:02:39: wahrscheinlich, dann muss das danach. Ja muss danach gewesen

01:02:42: sein, stimmt.

01:02:43: Vielleicht können wir trotzdem auch schon mal vorausschauend da

01:02:46: einen kleinen Ausschnitt draus bringen. Und zwar deshalb, weil

01:02:50: wir gerade über Stephan Beutel, den Manager, gesprochen haben.

01:02:53: Der machte nämlich auch mit und hat da erstaunlich große

01:02:56: Schwierigkeiten damit, in der Rolle zu bleiben, würde ich

01:02:59: sagen. Er hat sich als Opfer Stürmer Marcel "Harry" Rath

01:03:02: ausgesucht und unterbreitet ihm das folgende sehr lukrative

01:03:05: finanzielle Angebot.

01:03:07: "Wir haben den Etat neu ausgeschüttet und wollen jetzt,

01:03:11: dass einzelne Spieler für 40.000 Mark im Teletubby-Kostüm

01:03:16: auflaufen. Ja, das würd ich machen". Und diese lustige

01:03:19: Mischung Menschen hat dann zusammen auf dem Rasen Fußball

01:03:24: gespielt, also wenn man das alles mal so zusammenzieht. Das

01:03:28: auch noch. Aber es war dann schon ein Ausrufezeichen, dass also diese gerade

01:03:32: erst in der Presse in Grund und Boden geschriebene Truppe dann

01:03:37: anfing zu spielen auswärts in Ahlen und es ging dann so los.

01:03:42: "Trulsen und drin ist er, 3:3. Auf die roten Statisten und

01:03:46: schießt ein. Trulsen hatte Spaß am 5:3. Pauli Gnadenlos, Basic,

01:03:50: Krohm fälscht ab, 6:3". 6:3-Auswärtssieg gegen Ahlen. Zuhause machten die

01:03:54: dann so weiter, nachdem Didi Demuth in der Presse verkündet

01:03:58: hatte, man wolle den Gegner durch permanentes Toreschießen

01:04:02: zermürben. Damals dachte ich auch noch, Didi hätte sich das

01:04:06: selber ausgedacht, er hatte es natürlich von Trainer Legende

01:04:10: Edu Preuß geklaut.

01:04:11: Den Didi tatsächlich auch selber als Spieler noch

01:04:14: kennengelernt hatte. Aber muss man sagen, besser gut

01:04:17: geklaut als schlecht erfunden. Das Zitat machte natürlich die

01:04:19: Runde und wenn du dann allen Ernstes auch noch 5:0 gegen

01:04:22: Mannheim gewinnst zu Hause, dann ist das einfach schon mal ein

01:04:25: ziemlich guter Anfang.

01:04:26: Im DFB-Pokal lief es sogar auch, 2:1 gegen Leverkusen II. Ja gut,

01:04:29: es war dann aber auch nicht so diese Saison, wenn man nur

01:04:32: gewinnt, das wäre ja vielleicht auch komisch gewesen, also

01:04:35: wenn man so guckt, dann haben sie in Reutlingen verloren, da

01:04:38: wusste Claus Bubke dann jetzt also wo Reutlingen liegt, weil

01:04:41: er ja hingefahren ist und ich überlege tatsächlich immer noch,

01:04:44: was war das erste Spiel wo ich bei dieser Saison war, ich

01:04:47: wollte eigentlich noch in den Keller steigen, weil ich all

01:04:50: diese Tickets natürlich aufbewahrt habe und ich bin mir

01:04:53: ziemlich sicher, es muss das 2:0 gegen Bielefeld gewesen sein.

01:04:56: Ich glaube ernster genommen habe ich die Sache und da kann ich

01:04:59: mich noch wirklich an einen Moment erinnern, den glaube ich auch

01:05:02: noch viele andere

01:05:04: erinnern. Ich war allerdings mal wieder nicht im Stadion.

01:05:07: Seltsamerweise erinnere ich mich daran, dass ich diesen Moment

01:05:10: unter der Dusche wahrgenommen habe. Ja, es war Sonntag, der

01:05:13: 15.10.2000, dem späten Duschzeitpunkt entnehme ich,

01:05:16: dass der Abend etwas länger gewesen sein muss davor, mag

01:05:18: auch ein Grund dafür gewesen sein, dass ich den Hintern nicht

01:05:21: hochgekriegt habe, um mir verflixt noch mal St. Pauli

01:05:24: gegen Fürth im Stadion anzugucken.

01:05:27: Ich hatte irgendwie vorher im Dämmer schon wahrgenommen, dass

01:05:30: es ganz gut lief bei dem Spiel und dann war eben tatsächlich so

01:05:34: die Meldung, wie es dann aber dann ausgegangen war, weil das

01:05:37: war eben das legendäre Spiel, woran ich ehrlich gesagt heute

01:05:40: immer noch denke, wenn es 3:0 steht

01:05:42: zur Halbzeitpause, was dann 3:3 ausging und da ging eben

01:05:46: wirklich so, Junge, du musst was an deinem Leben ändern. Also

01:05:49: ich erinnere das auch immer noch, ich war echt

01:05:52: angefressen, das heißt also ich war inzwischen schon doch

01:05:55: ziemlich dicht an der Saison dran.

01:05:57: Man hat auch total schräge Fehlerinnerungen wie zum

01:06:00: Beispiel den lässigen Freistoß gegen Reutlingen dann in der

01:06:04: Rückrunde, den Markus Lotter in meiner Erinnerung also quasi

01:06:08: pfeifend ins Netz gelegt hat.

01:06:10: War aber gar nicht so. Markus Lotter hat gegen Reutlingen an

01:06:13: diesem Donnerstag kein Tor geschossen oder die Daten

01:06:17: stimmen hier nicht, das war Marcel Rath, der gegen

01:06:19: Reutlingen geschossen hat und Lotter hat gegen Nürnberg das Tor

01:06:23: geschossen, aber hoffentlich immerhin

01:06:25: per Freistoß und Pfeifen, erinnert sich jemand noch hier

01:06:28: dran? Nee.

01:06:30: Bei Lotter erinnere mich eher, hat er nicht mal ne

01:06:33: Ecke verwandelt direkt, kann das sein oder ist das auch ne Fehlerinnerung?

01:06:36: Das hatten wir in der letzten Folge "FCSP Geschichten", das n in

01:06:39: Klammern, dass Markus Lotte eine direkte Ecke gegen den MSV

01:06:42: Duisburg verwandelt hat. Dann habe ich das da gehört. Und das war das erste Tor was mit "Song 2"

01:06:46: gefeiert wurde. Ach daher kam das. Dieser leicht passiv aggressive

01:06:49: Unterton. Ich weiß ja nicht, ob Ihr diesen

01:06:52: Podcast hört, aber

01:06:55: es hat stattgefunden. Die sind manchmal so lang, die Folgen.

01:06:59: Da kann man sich nicht alles merken. Und als dann also Heinz

01:07:03: Weber am 13. Mai 2001 zu seinem legendären Solo am Fünfmeterraum

01:07:07: ansetzte, stand ich ungefähr Luftlinie zehn Meter dahinter in

01:07:11: der Nordkurve und war not amused. Ach Heinz, es macht nichts,

01:07:14: ich hab es Dir längst verziehen, das ist ja auch gut ausgegangen.

01:07:20: Da muss man zum Thema Erwartungsmanagement muss man

01:07:22: sagen, also die Stimmung war im Keller auf jeden Fall, man

01:07:25: hat dann schon erwartet,

01:07:26: dass die Mannschaft jetzt den beknackten Sack auch zumacht, und

01:07:30: das haben sie nicht geschafft. Ja, eben die Mannschaft stand

01:07:33: dann ja auf dem, das war alles, auch die Ausgabe

01:07:36: der 'Pauli'-Stadionzeitung, die hieß wirklich so, noch mal so

01:07:40: für jüngere Hörer*innen.

01:07:42: Das war alles schon so vorbereitet, dass die wieder auf

01:07:45: dem 'Docks'-Balkon stehen wie irgendwie 1995 und man hätte ja

01:07:48: wirklich auch nur gewinnen müssen und die Sache wäre

01:07:51: rechnerisch safe gewesen. Gegen Hannover war das, genau. Das

01:07:54: war gegen Hannover und es ist heute gar nicht mehr so leicht

01:07:57: auszumachen, ob dieser eine Punkt, den sie dann doch

01:08:00: gewonnen haben, nun so wichtig war oder nicht, weil sie hätten

01:08:03: mit etwas schlechterem Torverhältnis dann tatsächlich das

01:08:07: Ganze nochmal versemmeln können, aber es war dann eben

01:08:09: tatsächlich so, sie lagen zur Halbzeit 0:2 zurück, man hatte

01:08:13: gedacht,

01:08:14: Aufstiegsspiel. Und tatsächlich bekommst du das. Ja, das war

01:08:18: wirklich auch noch mal ganz was anderes. Holger Stanislawski und

01:08:22: Ivan Klasnic haben das Ganze dann eben noch mal zum 2:2

01:08:26: gerettet, und ja, so war die Stimmung dann entschieden

01:08:30: merkwürdig fand ich nach dem Spiel. Da musste man eben

01:08:34: auch auswärts dann das Ding gewinnen.

01:08:39: Das wisst ihr ja alle auch, das hat geklappt gegen Nürnberg und

01:08:42: deswegen erzähle ich den Teil, obwohl es eigentlich der

01:08:45: wichtigste Teil der Geschichte ist, ganz kurz. Da stand ich

01:08:48: dann tatsächlich auch auf dem Heiligengeistfeld und hab mir

01:08:51: das dann angeguckt mit vielen anderen Leuten zusammen

01:08:54: auf dieser Leinwand. Und es war ja auch wirklich ein Spiel, wo

01:08:58: man auch sehr hin und her schwankte und wo insbesondere

01:09:01: die letzten 14 Minuten, als dann nämlich endlich der FC St.

01:09:06: Pauli dank Deniz Baris und Dubravko Kolinger zuvor,

01:09:09: der hatte ja das 1:1 geschossen,

01:09:13: dann tatsächlich 2:1 vorne lag. Dann drehte ein Andy Köpke noch

01:09:17: irgendwie seine Ehrenrunden. Und irgendwie

01:09:22: ich glaube Stani und so weiter fragten den Schiri auf dem

01:09:25: Rasen wann er endlich abpfeifen würde. So jedenfalls wurde es

01:09:28: dann erzählt, ja gefühlt machte er das dann irgendwie erst drei

01:09:31: Stunden später.

01:09:34: Das war schon sehr merkwürdig, weil eben genau, Andy Köpke,

01:09:36: war sein letztes Spiel und dann wurde er halt ausgewechselt.

01:09:39: Irgendwann dann so zehn Minuten vor Ende oder irgendwie

01:09:42: so halt wegen Applaus und Ehrenrunde, aber dann hatte man

01:09:44: schon das Gefühl, also ich war halt in Nürnberg da, also

01:09:47: nehmen die das überhaupt noch ernst? Also ich meine so,

01:09:49: also Nürnberg war ja schon aufgestiegen und wir waren da

01:09:52: knapp dran und dann machen die da so ein Showding mit Köpke

01:09:55: wird jetzt verabschiedet

01:09:56: während des Spiels, das war dann irgendwie schon so. Also

01:09:59: Zeitzeugen auf dem Feld und an der Seitenlinie haben berichtet,

01:10:03: dass in dem Moment, als Andy Köpke ausgewechselt wurde, hätte

01:10:06: er zur St. Pauli-Bank genickt und alle hätten gewusst, dass

01:10:10: heute nichts mehr passiert.

01:10:11: Für mich persönlich war die Geschichte da noch nicht

01:10:14: ganz zu Ende. Den Montag nach dem Spiel verbrachte ich relativ

01:10:17: verkatert auf der Couch, ich glaub, ich hab es noch zum Kiosk

01:10:20: geschafft, um die Zeitungsausgaben alle zu kaufen

01:10:23: und dann sofort wieder in die Horizontale zu gehen.

01:10:26: Am Dienstagmorgen schaltete ich den Fernseher an, um mir noch

01:10:30: einmal die Ausgabe vom Vortag des Hamburg Journals

01:10:34: anzugucken und musste dann das folgende hören.

01:10:39: "Erst weit nach Mitternacht verlagerte sich die Feier auf

01:10:42: den Kiez und die Hymne der Fans hallte noch bis in den frühen

01:10:45: Morgen durchs Viertel. Walk on, walk on, with hope in your hearts"

01:10:51: Ganz genau die Stimme, die Ihr da eben gehört

01:10:55: habt und die so wunderbar "You'll Never Walk Alone" inszenierte,

01:10:59: das war in der Tat ich. Man kann das Ganze auch immer noch mit

01:11:03: ein wenig

01:11:04: Anstrengung im Internet finden und zumindest das kann ich

01:11:08: beweisen. Ich hab zwar ne Menge Vereinsgeschichte verpasst, aber

01:11:11: diesen verflixten Moment, den hab ich mitgenommen. Es gibt

01:11:15: Beweise.

01:11:16: Ja, genau, ich

01:11:19: gehe eigentlich quasi in der Zeitlinie ungefähr dahin, wo

01:11:22: Christoph auch angefangen hat, ein bisschen früher.

01:11:27: Und zwar meine Story würd ich mal betiteln als "Mein erstes

01:11:31: Jahr am Millerntor oder Daniel Franco ist schuld, dass ich so

01:11:34: bin".

01:11:37: Scharbeutz. Sommerurlaub '97 in der Ferienwohnung meiner

01:11:40: Großeltern wie jedes Jahr. Als Zehnjähriger eher zäh und erlebnisarm

01:11:45: und an der Strandpromenade konnte man sich maximal ein

01:11:48: Nickituch bemalen oder im Hansa Park in die Schiffschaukel

01:11:52: steigen.

01:11:54: Aber kein Nickituch und keine Schiffsschaukel im Hansa Park

01:11:57: konnten mir meine quälende Langeweile nehmen. Ich brauchte

01:12:01: irgendwie was anderes und im Zeitungskiosk neben dem

01:12:04: Restaurant Salentino an der Strandpromenade war es dann

01:12:07: so weit. Ich kaufte mir einfach so aus dem Nichts mein

01:12:10: allererstes 'Kicker'-Sonderheft, Ihr wisst Bescheid. Da ging's

01:12:14: los. Meine 'Kicker'-Sonderheft- Affinität zumindest bis ich 16

01:12:18: war, war ungebrochen seit dem Tag, ich hatte bis dato noch

01:12:21: kein Stadion von innen gesehen, maximal mit meinem Vater das

01:12:25: Champions League-Finale '97 geschaut als Marcel Reif einfach

01:12:28: nur schrie

01:12:31: "Ricken Jaaaa".

01:12:31: Ja, aber noch ein bisschen EM '96 geguckt, aber auch irgendwie nur

01:12:35: so beiläufig. Komischerweise hat sich nur so ein Tor eingebrannt

01:12:39: und das war Karel Poborsky als er ich glaube

01:12:42: es war das Halbfinale Tschechien gegen Portugal als er den Torhüter von

01:12:45: Portugal mit einem 30 Meter Lupfer

01:12:49: austrickste. Aber mein Bruder ging schon länger ans

01:12:52: Millerntor, also damals noch Wilhelm-Koch-Stadion. Ja, ich war

01:12:56: also präpariert, der FC St. Pauli war mal wieder aus der

01:12:59: Bundesliga abgestiegen, komisch, das kommt bei mir irgendwie

01:13:02: immer vor und es war meine erste Saison als Fan, die Zweitliga-

01:13:06: Saison 1997/98. Was war das für eine Saison muss man sich auch

01:13:10: fragen. Auf den ersten Blick

01:13:12: eine Saison zum Vergessen.

01:13:15: Sportlich, aber auch im Vereinsumfeld, also gerade

01:13:18: frisch abgestiegen, trübe Weisener-Jahre, Risse

01:13:21: zwischen Verein und Fanszene, aber in der Rückschau betrachtet

01:13:25: war in dieser Saison alles drin. Spielermeuterei, Transferflops,

01:13:28: Spieler ohne Spielberechtigung, Trainer tritt zurück,

01:13:31: Vizepräsident tritt zurück, historische

01:13:34: Jahreshauptversammlung, Beginn einer neuen Form des

01:13:37: organisierten Supports auf der Gegengerade und irgendwo

01:13:40: dazwischen die AGiM und ein neuer Aufsichtsrat, der erste

01:13:43: Aufsichtsrat.

01:13:45: Ich konzentriere mich hier jetzt mal auf die Monate Juni bis

01:13:48: Dezember '97.

01:13:50: Aber erstmal zurück nach Scharbeutz. Da saß ich also an

01:13:54: der Ostsee, gepackt vom Fußballfieber. Es dauerte keine

01:13:57: zwei Tage und ich kannte alle Spieler und alle Neuzugänge des

01:14:00: FC St. Pauli auswendig, klangvolle Namen, die mir bis

01:14:03: heute noch Gänsehaut verursachen. Michael Mason, Cem

01:14:06: Karaca, Marcus Marin, Carlo Werner, Gänsehaut. Dazu mit

01:14:10: Eckhard Krautzun ein neuer Trainer, der sich in Sachen

01:14:13: Grantigkeit nicht hinter Uli Maslo verstecken brauchte und

01:14:16: ein junger Mann, der im Zuge des Sommers '97 auch seinen Weg ans

01:14:20: Millerntor fand.

01:14:21: Ein Spieler vom Bayernligisten FC Starnberg, Thomas Meggle. Er

01:14:26: erinnert sich an seine ersten Tage im Verein: "So kam es dann,

01:14:30: dass ich 1997 damals bei St. Pauli meinen ersten Vertrag

01:14:34: unterschrieben habe, ohne zu wissen, wer eigentlich der

01:14:37: Trainer ist, weil ja Uli Maslo dann entlassen wurde und ich

01:14:41: kann mich noch ganz gut erinnern, ich war '97 in der

01:14:45: Türkei im Urlaub und kam vom Flughafen zurück, fuhr mit der S-

01:14:49: Bahn nach Hause und

01:14:51: las dann in der S-Bahn, dass Eckhard Krautzun neuer Trainer

01:14:55: beim FC St. Pauli wird und

01:14:58: nach einer Woche holte mich dann

01:15:01: Eckhard Krautzun zu sich im Bus nach vorne und meinte dann

01:15:05: nur zu mir "Sag mal, eine Frage, wie heißt denn Du

01:15:09: eigentlich, auf welcher Position spielst Du und wo kommst denn Du

01:15:13: eigentlich her?" Und das war dann meine erste Woche beim

01:15:17: FC St. Pauli". Aber schon in der ersten Woche gefragt.

01:15:20: Immerhin nicht erst nach einem halben Jahr.

01:15:23: Ja, aber Thomas Meggle, der dann später einer meiner

01:15:27: Lieblingsspieler sein sollte, war nicht sofort mein

01:15:31: Lieblingsspieler der Herzen, sondern ein brasilianischer

01:15:35: Testspieler.

01:15:37: Daniel da Costa Franco. Im Sommer- Testkick gegen Schalke 04 soll

01:15:41: sich folgendes zugetragen haben. Der Testspieler Daniel Franco

01:15:45: zeigte alles was er konnte, alle seine Tricks, spielte groß auf

01:15:49: und setzte als Kirsche on Top akrobatisch einen Seitfallzieher

01:15:52: gegen die Latte.

01:15:55: "Kaufen, kaufen, kaufen", schallte es von den Zuschauern und

01:15:58: Manager Helmut Schulte schien diese Handlungsempfehlung ernst

01:16:01: zu nehmen. Doch auch der VfB Stuttgart war vermeintlich am

01:16:05: Edeltechniker interessiert und so kam es zu einem langen

01:16:08: Transfer hin und her, welches ich in Scharbeutz mit absoluter

01:16:11: Hochspannung verfolgte. Anfang Juli war es dann so weit, die

01:16:15: 'MoPo' titelte "FC Sao Pauli statt VfB Stuttgart, der

01:16:18: Edeltechniker Daniel Franco wechselt zum FC St. Pauli, der

01:16:21: Brasilianer: "FC St. Pauli klingt wie mein Heimatverein FC Sao

01:16:24: Paulo, da habe ich gleich eine Verbundenheit gespürt".

01:16:28: Ja, das klingt äußerst nachvollziehbar und logisch.

01:16:31: Zwar spielte Daniel Franco niemals für den FC Sao Paulo und

01:16:34: ist auch nicht in Sao Paulo geboren, sondern in Porto

01:16:37: Alegre, egal, da kann man ja mal ein Auge zudrücken.

01:16:40: Das klingt besser. Das heißt das Zitat ist auch noch erfunden, das passte ja so

01:16:43: schön, das ist ja wirklich. Nach dem Wechsel wurde

01:16:46: klar, warum es nur der FC St. Pauli wurde, der Knöchel des

01:16:48: Mittelfeldspielers war bereits vor Vertragsunterschrift

01:16:51: komplett hinüber, gebannt las ich alle Presseberichte, die ich

01:16:54: finden konnte

01:16:55: rund um den FC St. Pauli und auch ein weiterer Stürmer fiel

01:16:59: mir ins Auge, Jacques Goumai.

01:17:02: Dieser wollte im Sommer '96 von Homburg ans Millerntor. Doch die

01:17:05: Saarländer verweigerten den Wechsel und zogen eine

01:17:08: einseitige Option auf Vertragsverlängerung. Von der

01:17:10: hatte Goumai allerdings noch nie etwas gehört.

01:17:13: Daraufhin trat der Spieler in den Streik. Laut Homburg angestiftet

01:17:17: vom FC St. Pauli. Helmut Schulte: "Wir haben nichts damit zu tun".

01:17:21: Ein Jahr später und 600.000 Mark ärmer,

01:17:24: der Verein, der FC 600.000 Mark ärmer,

01:17:28: durfte Goumai endlich ab Sommer '97 für den FC St. Pauli

01:17:31: auflaufen. Der Präsident vom FC Homburg sagte übrigens damals

01:17:35: über Goumai, er ist das größte deutsche Fußballtalent.

01:17:39: Ja, Goumai machte drei Spiele und wurde im Winter zum FSV Mainz

01:17:43: transferiert.

01:17:46: Ja, aber was natürlich noch zu meinem Glück fehlte, war mein

01:17:49: erstes Mal am Millerntor. Die ersten Spiele der Saison ließ

01:17:52: ich aufgrund hochgradig ausgeprägter

01:17:55: Menschenscheu dann noch passieren und an meinem 11.

01:17:58: Geburtstag.

01:18:00: Ich war 11 Jahre alt. Ich bin quasi jetzt sozusagen hier, der

01:18:03: als jüngstes am Millerntor war so preisverdächtig.

01:18:09: Aber an meinem 11. Geburtstag schenkte mir mein Bruder was

01:18:12: Besonderes. Er nimmt mich mit ans Millerntor zu einem

01:18:14: Heimspiel gegen Fortuna Köln.

01:18:17: Wow. Ein Sticker zu der Zeit sagt immer die Bundesliga

01:18:21: ohne St. Pauli ist wie Hamburg ohne Hafenstraße. Und ja, was

01:18:25: gehört natürlich auch zum FC St. Pauli wie die Hafenstraße

01:18:28: zu Hamburg. Richtig, die Enttäuschung.

01:18:31: Enttäuschung Nummer 1.

01:18:34: Daniel Franco war nicht auf dem offiziellen Mannschaftsposter

01:18:38: des FC St. Pauli zu finden. Dafür mehr taxofit-Koffer als

01:18:42: Spieler.

01:18:44: Enttäuschung Nummer 2. Mein Bruder hatte unsere Verabredung

01:18:48: vergessen.

01:18:50: Das ist traurig. Immerhin ein Kindergartenfreund und seine

01:18:54: Eltern nahmen mich spontan mit ins Stadion. Irgendwann

01:18:57: meinte mein Kumpel, ich will lieber sitzen.

01:19:01: Also kletterten wir im Umlauf am Südende der

01:19:04: Gegengeradenkonstruktion auf die Sitzplätze.

01:19:08: Damals war gefühlt jeder zweite Platz frei, denn zu diesem Spiel

01:19:13: wollten nur 15.457 Zuschauer gehen. Enttäuschung Nummer 3

01:19:16: Daniel Franco hat nicht gespielt.

01:19:20: Aufgrund einer Verletztenmisere musste Trainer Krautzun auf

01:19:24: insgesamt sieben Spieler verzichten. Ein katastrophal schlechtes

01:19:28: Spiel und wir hören mal rein.

01:19:33: "Na, was glauben Sie, was jetzt kommt? Richtig, ein

01:19:36: Abspielfehler und jetzt schauen Sie mal genau hin. Akonnor mit

01:19:39: dem Pass auf den eingewechselten Edgar Schmitt, Carlo Werner hält

01:19:43: ihn, reißt ihn um und Schiedsrichter Frey bleibt da

01:19:46: nur eine Möglichkeit, Notbremse, das heißt die Rote Karte. Dann

01:19:49: kann man im Moment nicht mehr verlangen, die Mannschaft steht

01:19:53: enorm unter Druck und ist offensichtlich nicht fertig oder

01:19:56: nicht geistig bereit diesen Druck aufzunehmen". Ja das war

01:19:59: Eckhard Krautzun, der der Mannschaft bescheinigte, emotional kopflich

01:20:03: nicht bereit

01:20:04: zu sein. Die nächsten Spiele stand ich unten am Zaun an der

01:20:07: Gegengerade auf Höhe des Strafraums zur Südkurve. In der

01:20:11: Südkurve hielten sich damals noch die Auswärtsfans auf.

01:20:14: Und ich erinnere mich gut an ein Spiel am 5. Oktober 1997, bei

01:20:19: dem ich anwesend war. Erstmals war Energie Cottbus am Millerntor

01:20:24: zu Gast.

01:20:25: Ich wusste zwar schon früh, wie Neonazis aussehen und wofür sie

01:20:28: stehen, doch als Elfjähriger habe ich noch nie welche so nahe

01:20:31: gesehen und schon gar nicht am Millerntor. Dies änderte sich an

01:20:34: diesem Tag.

01:20:36: St. Pauli spielte 2:2 und Daniel Franco verschuldete mit

01:20:39: einem katastrophalen Ball das Gegentor zum 1:1. "Und dann sahen

01:20:43: sie einen Trainer, der ganz schön unter Druck steht. Eckhard

01:20:47: Krautzun, noch keine 100 Tage im Amt, hatte seinem Team ins

01:20:51: Gewissen geredet und umgestellt, Meggle mit Muskelzerrung

01:20:54: draußen, Hanke auf der Bank, über die Flügel sollten Springer

01:20:58: und Trulsen die Stürmer mit Bällen versorgen. Igor Lazic lässt

01:21:02: durch für Konetzke und dann das kuriose 1:1.

01:21:06: Wird hier von Daniel Franco am Rücken getroffen. Klaus

01:21:10: Thomforde haut sowas aus den Socken".

01:21:13: Ja, Daniel Franco schoss im eigenen Strafraum Toralf

01:21:17: Konetzke, der später für den FC St. Pauli spielen sollte, an den

01:21:20: Rücken und der Ball landete hinter dem verdutzten Klaus

01:21:24: Thomforde im Tor.

01:21:26: Matthias Scherz Schoß in der letzten Minute das 2:2 gegen den

01:21:30: Aufsteiger Energie Cottbus.

01:21:32: Gegen die wir übrigens ein Jahr zuvor im DFB-Pokal Viertelfinale

01:21:36: ausgeschieden sind. Im Elfmeterschießen. Im

01:21:38: Elfmeterschießen. Matthias Scherz auch da wieder. Und

01:21:42: knapp einen Monat später nach diesem Spiel gegen Energie Cottbus

01:21:45: sollte sich im Block 1 der Gegengerade unterm Dach eine

01:21:49: Gruppe gesangsfreudiger Fans versammeln, die diesen Bereich

01:21:52: offiziell zur Singing Area deklarierten. Am 7. November

01:21:55: muss es an der neuen Form des organisierten Supports gelegen

01:21:59: haben, dass St. Pauli in den letzten Minuten gegen Carl Zeiss

01:22:02: Jena aus einem 0:1 noch ein 2:1 machen konnte.

01:22:06: Ich hatte enormen Respekt vor diesen Leuten und eigentlich

01:22:09: weniger Respekt und mehr Angst.

01:22:13: Zu Recht. Das war ja der erste Test tatsächlich

01:22:16: das zu machen und dann, also im 'Kicker' steht online irgendwie

01:22:20: die 90. und 90. die beiden Tore, also da gab es wohl noch keine

01:22:23: Plusminuten so richtig, aber Trulsen und Savitchev und dann

01:22:26: wurde das tatsächlich einen Monat später nochmal getestet

01:22:29: gegen Unterhaching in Block 6 das gleiche Prozedere.

01:22:33: Dann war es aber doch für uns irgendwie besser zu sagen, nee,

01:22:36: dann doch lieber links, Block 1, der ist näher an den Gästefans,

01:22:40: was Du ja schon sagtest, Südkurve noch und dann zur

01:22:42: Rückrunde gab es tatsächlich Dauerkarten für den Block 1, so

01:22:45: knallrote, die im Fanladen verkauft wurden.

01:22:48: Da ging es dann offiziell los sozusagen.

01:22:52: Ja, für mich auf jeden Fall alles neu. Für mich als

01:22:56: Elfjährigen ein kompletter Wahnsinn quasi. Wahnsinn war

01:22:59: auch, was ich nicht wusste, im Verein brodelte es an allen

01:23:03: Ecken und Enden. Ein uns bekannter ehemaliger 'Übersteiger'-

01:23:07: Redakteur fasste dies in der Dezember-Ausgabe '97

01:23:10: folgendermaßen zusammen: "Jetzt bricht zusammen, was

01:23:14: zusammengehört", ein Mehrseitiger Rant zur JHV im Oktober '97 und

01:23:18: für St. Pauli Katastrophen- Touristen ist diese Dezember-

01:23:21: Ausgabe des 'Übersteiger' wirklich der Heilige Gral.

01:23:26: Es war quasi eine Sammelausgabe an diversen wütenden Texten der

01:23:29: Redaktion, die sich über Monate angestaut haben und die Themen

01:23:33: überschlugen sich. Im Juni 1997, das ist wirklich alles ein

01:23:36: halbes Jahr, in dem das jetzt alles, was ich erzähle, passiert

01:23:40: ist. Im Juni 1997 wurde auf einer außerordentlichen MV erstmals

01:23:44: ein Aufsichtsrat beim FC St. Pauli gewählt, unter anderem

01:23:47: initiiert von der AGiM.

01:23:49: Blöd nur, dass Holger Scharf von der AGiM dann von der Mehrheit

01:23:52: der Vereinsmitglieder gar nicht in den Aufsichtsrat gewählt

01:23:55: wurde. Das hatte man sich anders gedacht.

01:23:57: Auf jeden Fall, ja. Auf der dann vom 'Übersteiger' besagten JHV im

01:24:01: Oktober '97 wurde neben den üblichen Querelen auch hitzige

01:24:04: Debatten über die Umbenennung des Stadions zu Millerntor

01:24:07: gestritten und abgestimmt. Auslöser war das Buch "You'll Never

01:24:11: Walk Alone" von René Martens, in dem er erstmals die NSDAP-

01:24:14: Mitgliedschaft von Ex Präsident und Namensgeber des Stadions

01:24:18: Wilhelm Koch thematisierte. Der 'Übersteiger'-Autor endete seinen

01:24:21: Artikel mit "Spätestens an diesem Abend ist deutlich geworden,

01:24:25: dass sich ein Graben durch den Verein zieht".

01:24:28: Gezeichnet: Thomas.

01:24:31: Ja, das stimmt.

01:24:34: Das lässt sich nicht leugnen. Es ist so gedruckt.

01:24:38: Es lässt sich nicht leugnen. Thomas hat übrigens dann auch, Du

01:24:41: als 'Übersteiger'-Redakteur damals. Ich find diesen Nickname

01:24:44: ja auch total abgefahren, wer ist das denn jetzt eigentlich

01:24:47: gewesen? Thomas? Ja ist ja schon gut, ist ja schon gut,

01:24:51: ich wollt ja nur einmal. Er wollte noch mal kurz so tun, als

01:24:54: hätte ich es nicht. Andere waren da einfallsreicher.

01:24:57: Unser geschätzter Kollege Thomas hat übrigens auch noch

01:25:00: Anmerkungen des Autors dahinter, da dieser Artikel von der JHV im

01:25:04: Oktober erst im Dezember erschienen ist und relativ, ich

01:25:07: sag mal viel Kloake im Verein noch nach oben gesprudelt ist

01:25:10: zwischen diesen zwei Monaten,

01:25:13: hat der Autor sich noch dazu hinreißen lassen, noch eine

01:25:16: kurze Anmerkung hinterzuschreiben. "Anmerkung des

01:25:18: Autors: Dieser Artikel wurde bereits vor den letzten

01:25:21: Ereignissen im Verein verfasst, wäre ansonsten mit Sicherheit

01:25:24: schärfer und emotionaler ausgefallen".

01:25:29: Ja, da ging das, erzählst Du im Zweifel noch, was da noch alles

01:25:31: so passiert ist?

01:25:32: Schärfer und emotionaler, denn

01:25:36: der braun-weiße Gute-Laune- Dampfer nahm jetzt erst volle

01:25:39: Fahrt auf. In der gleichen 'Übersteiger'-Ausgabe unter dem

01:25:42: Titel "Reclaim Your Club" wurde der erzwungene Rücktritt von

01:25:46: Vizepräsident Christian Hinzpeter massiv kritisiert. Dieser

01:25:49: trat am 2. Dezember 1997 zurück, da er es laut Präsidium verpasst

01:25:53: haben soll, Weisener und Co. über seinen Austausch mit der

01:25:56: AGiM zur Umstrukturierung der passiven Mitgliedschaft zu

01:25:59: informieren. Boah, Skandal. Doch Weisener soll Hinzpeter, der

01:26:03: lange Zeit als Präsidiumsmitglied quasi sein

01:26:05: Ohr am Puls der Fanszene hatte, übel genommen haben, dass er die

01:26:09: Gründung der AGiM und der Einmischung der Fans in die

01:26:12: Vereinspolitik nicht verhindert haben soll.

01:26:15: So gab es im 'Übersteiger' sowohl eine Abrechnung mit dem

01:26:18: Präsidium als auch mit Christian Hinzpeter, denn dieser soll

01:26:22: sich durch die Gründung der AGiM persönlich angegriffen gefühlt

01:26:25: haben. Ja, es war viel los, auf einigen Seiten später heißt es

01:26:28: dann "Fußball ist ein Schweinegeschäft".

01:26:32: Trainer Eckhard Krautzun musste zurücktreten. Noch im November,

01:26:35: nachdem sich der Spielerrat des FC St. Pauli vermeintlich

01:26:38: einstimmig gegen den Trainer ausgesprochen hatte. So wurde es

01:26:41: zumindest Heinz Weisener verkauft. Wir hören mal rein.

01:26:45: "Chaostage bei St. Pauli, mit seinem Rücktritt kam Eckhard

01:26:48: Krautzun dem Rausschmiss zuvor. Nichts ging mehr, der Spielerrat

01:26:51: hatte ihm das Vertrauen entzogen, sprach sich bei

01:26:54: Präsident Weisener gegen den Trainer aus, sein System und

01:26:57: ständige Umstellungen seien der Hauptgrund für die sportliche

01:27:01: Misere. Wir waren einfach der Meinung, wenn wir auf diese

01:27:04: Weise weitermachen oder in dieser Weise weitermachen,

01:27:07: würden wir zu Weihnachten auf dem Abstiegsplatz überwintern.

01:27:10: Das dachten zwei Drittel der Mannschaft, aber lange nicht

01:27:13: alle, vor allem wussten sie nichts von der Aktion. Zoff im

01:27:16: Team, eigenmächtiges Handeln des Spielerrats, getäuscht auch der

01:27:20: Präsident, er dachte, das Votum gegen den Trainer wäre

01:27:23: repräsentativ."

01:27:25: Ja, viel los bei St. Pauli. Die Stimme, die Ihr gehört habt, das

01:27:29: Interview war Marcus Marin, Mitglied des Spielerrats, der,

01:27:32: und das kann man leider nicht sehen, weil es ein Podcast ist

01:27:35: und kein Video-Podcast, in dem Moment, als er dieses Interview

01:27:39: gibt, geht Eckhard Krautzun hinter ihm am Parkplatz an der

01:27:42: Kollaustraße vorbei und wirft ihm einen toxisch vergifteten

01:27:46: Blick zu, und Marcus Marin senkt den Blick.

01:27:49: Ich glaub, das war noch nicht Kollaustraße, aber das ist auch

01:27:52: nebensächlich. Stimmt, es war gar nicht die Kollaustraße, das

01:27:55: Trainingsgelände irgendwo am Stiefmütterchenweg oder wo auch

01:27:58: immer es damals war.

01:28:00: Ja und Mitglied des Spielerrats war auch das Tier im Tor, Klaus

01:28:04: Thomforde: "Mit Eckhard versucht oben mitzuspielen und das ist

01:28:08: uns dann irgendwann nicht ganz so gelungen und wir als

01:28:12: Spielerrat

01:28:13: haben uns dann natürlich da nicht die Augen vor

01:28:16: verschlossen, weil der Ecki dann auch öfter nach dem Spiel

01:28:19: hingekommen ist und so "Ja warum hat das denn jetzt wieder nicht

01:28:22: geklappt und so weiter, was ist denn los?" und so weiter und dann

01:28:25: haben wir uns dann zusammengesetzt im Spielerrat.

01:28:28: Das liegt daran, weil wir zu hart trainieren, also jeden Tag

01:28:31: zweieinhalb Stunden, zwei Stunden, egal ob 30 Grad oder 10 Grad

01:28:34: minus. Und der Sache entsprechend haben wir das dann beim

01:28:36: Präsidium vorgetragen, dass dann das Präsidium daraufhin den

01:28:40: Trainer entlässt, war überhaupt nicht in unserer Absicht,

01:28:42: letztendlich hat er sich dann verabschiedet.

01:28:46: Von jedem mit Händedruck, auch von mir mit Händedruck,

01:28:50: aber von Marcus Marin und von Werner nicht. Und das habe ich

01:28:54: dann nicht verstanden. Das ist dann nicht intern geblieben. Ja,

01:28:58: und dann waren wir dann nachher "Spielerrat, Hochverrat" so und

01:29:02: das wurde dann halt so dann im Stadion auch so ausgelebt".

01:29:06: Ja Klaus Thomforde

01:29:09: hatte noch quasi die Hand an Eckhard Krautzun dran, an Ecki

01:29:14: aber

01:29:16: es wurde ungemütlich im Club, denn auch hier im

01:29:20: 'Übersteiger' möchte ich einmal dazu sagen. Auf dem Titelblatt

01:29:24: des 'Übersteiger' stand "Kampfbuch rund um den FC St. Spielerrat"

01:29:28: und in der Rubrik Sport des 'Übersteiger' titelte man "A Look

01:29:32: Back in Anger". Der Mannschaftskader wird von

01:29:35: Redaktionsmitglied Käpt'n Braunbär liebevoll als FC St.

01:29:38: Spielerrat betitelt und unten sieht man ein Foto von Krautzuns

01:29:42: Nachfolger Kleppinger an der Seitenlinie mit dem Titel

01:29:46: "Spielerrat is watching you".

01:29:49: Weiter schreibt der Übersteiger zur sportlichen Lage, ich

01:29:52: zitiere mal aus dieser wunderbaren Ausgabe von Käpt n

01:29:55: Braunbär geschrieben, der ja schon erwähnt wurde.

01:30:00: "Kennt Ihr dieses Gefühl, das sich so anfühlt, als wenn sich zwei große

01:30:04: Klauen um Euren Hals legen und dann langsam anfangen

01:30:07: zuzudrücken, so lange, bis Ihr keine Luft mehr bekommt und blau

01:30:10: anläuft? Wisst Ihr, wie schön es ist, wenn dieses Gefühl

01:30:13: nachlässt? Wenn Ihr das wisst, seid ihr Fans des FC St. Pauli

01:30:17: und wartet sehnsüchtig auf den erlösenden Schlusspfiff, der die

01:30:21: Kehle zuschnürenden unerträglichen 90 Minuten

01:30:23: endlich beendet und die Sauerstoffzufuhr wieder

01:30:26: gewährleistet".

01:30:30: Ja, ich mag das Understatement. Die Stimmung

01:30:34: war extrem gut. Ich möchte dazu auch noch mal Celina, wenn Du

01:30:38: vielleicht das gelb markierte lesen magst. Dein ganzer Zettel

01:30:42: ist gelb markiert. Nur diesen Part hier, denn die 'taz'

01:30:45: hat sich auch noch eingemischt. "Präsident Heinz Weisener, der

01:30:49: den Trainer mit den blumigen Worten "Schönen Dank, Herr

01:30:52: Krautzun" verabschiedete, war bereits am Mittwochabend mit

01:30:56: seinem ehemaligen Angestellten in Klausur gegangen. Zuvor

01:31:00: hatte der sechsköpfige Kicker- Betriebsrat unter Leitung von

01:31:03: Kapitän Carsten Pröpper dem Vereinsboss sein Leid geklagt.

01:31:06: Dabei sei es, so Weisener, um wechselnde Aufstellungen und

01:31:10: andere Unannehmlichkeiten im Alltag eines Berufsfußballers

01:31:13: gegangen. Verwundert reagierte Weisener darauf, dass der

01:31:16: Mannschaftsrat seine Aktivitäten zuvor nicht mit dem Gros der

01:31:19: restlichen Spieler abgesprochen hatte. Beim Gespräch am

01:31:22: Mittwochmittag sei Weisener aber davon ausgegangen, dass die

01:31:25: Delegation für die gesamte Mannschaft spricht.

01:31:28: Arbeitsrechtliche Schritte gegen das eigenmächtige Sextett wollte

01:31:31: Weisener nicht ausschließen, es wird noch einiges zu bereden

01:31:34: geben.

01:31:36: Weniger galant formulierte es der überraschte und enttäuschte

01:31:40: Krautzun: "Einige Halbmillionäre verpissen sich, anstatt den Mut

01:31:44: zu besitzen, zum Trainer zu kommen. Wieder etwas gelernt",

01:31:48: gestand der alte Trainerfuchs, "in dieser Branche

01:31:52: kann man niemandem trauen". Ja, die Stimmung scheint auf dem

01:31:55: Höhepunkt gewesen zu sein. Genau, in dieser Branche kann man

01:31:59: niemandem trauen.

01:32:01: Beim nächsten Spiel, dem ersten Spiel nach dem Rücktritt von

01:32:05: Eckhard Krautzun, fand sich ein Banner auf der Gegengerade. Auf

01:32:09: diesem Banner stand "Trainiert Euch doch selbst, Ihr Wichser".

01:32:15: Ja, prägnant. Das war jetzt aber nicht auch vom mysteriösen ÜS-

01:32:19: Autor Thomas. Nee, also Transparente gemalt hab ich

01:32:22: glaub ich noch nie irgendwie so ernsthaft nee, also ich weiß

01:32:25: jetzt ernsthaft nicht wer das jetzt wirklich initiiert hat,

01:32:29: weiß ich nicht. Das ist ein Gerücht, das sich

01:32:32: hartnäckig hält, dass Thomas Transparente gemalt hat. Hat

01:32:35: nicht auch in dem offiziellen FC St. Pauli-Podcast irgendjemand

01:32:39: von einer großen Fangruppe auf der Süd gesagt, man müsste

01:32:42: dafür, dass es politische Transparente am Millerntor gibt,

01:32:46: jetzt auch so Leuten danken wie Thomas Glöy und Raphael

01:32:49: Kansky?

01:32:50: Ich hab das gehört und war überrascht, weil wie gesagt, wie auch immer,

01:32:54: aber das Transparent, das gab es definitiv ja klar, ist ja

01:32:58: auch dokumentiert, aber ich weiß tatsächlich, wer das jetzt

01:33:01: wirklich

01:33:03: effektiv gemacht hat, weiß ich nicht. Ja, und als wäre das

01:33:07: alles noch nicht genug, gab es im 'Übersteiger' noch einen

01:33:10: Gastartikel von einem Schreiber namens Geronimo, der mit dem

01:33:13: Titel "Inszenierte Leidenschaft oder die in Druckerschwärze

01:33:16: gehauene Sonntagspredigt" mit allem und jedem im Verein

01:33:19: abrechnete. Daraus lese ich jetzt auch noch mal kurz vor,

01:33:22: das ist eine Top-Ausgabe. "Feuer unterm Dach, der Mythos

01:33:25: bröckelt, Grabenkrieg, ein Riss geht durch den FC, diese Art von

01:33:28: Öffentlichkeitsarbeit, die unser Lieblingsverein in den Medien

01:33:32: produziert, ließ sich leider nach den Abgängen von Eckhard

01:33:35: Krautzun und Christian Hinzpeter ohne Mühe

01:33:39: lang und schmutzig fortsetzen. Das Motto piep, piep, piep, wir

01:33:42: haben uns alle lieb, gilt nicht mehr. Vorwürfe werden laut, dass

01:33:46: es beim FC St. Pauli eine fatale Liaison aus beschränktem

01:33:49: Expertentum und unbeschränkter Ahnungslosigkeit herrscht." Und das

01:33:53: ist nur der Anfang des Textes. Ich habe da noch ein gutes

01:33:56: Zitat, und zwar

01:33:58: "Präsident Heinz Weisener erkennt Trümmererscheinung im Club, weil

01:34:02: es ihm nicht gelungen ist, den FC St. Pauli aus politischen

01:34:05: Dingen rauszuhalten".

01:34:11: Ja, das war ja ein Gastartikel, steht da ja auch. Ich weiß

01:34:14: nicht, wie sich hinter diesem Pseudonym verbirgt oder wer uns

01:34:17: den eingesandt hat, ist mir auch irgendwie entfallen nach so

01:34:20: vielen Jahren. Der FC St. Pauli beendete also ein

01:34:23: turbulentes Jahr '97 auf dem siebten Tabellenplatz, also

01:34:26: nicht, wie Marcus Marin sagte, auf dem Abstiegsplatz, aber auf

01:34:29: dem siebten Tabellenplatz der 2. Bundesliga mit Gerhard

01:34:32: Kleppinger als neuem Trainer ohne Christian Hinzpeter, mit einem

01:34:35: erstmals gewählten Aufsichtsrat, einer rissigen

01:34:38: Fanszene und mehr Support unter dem Dach und die 'MoPo' titelte

01:34:42: "Gurkenjahr"

01:34:45: Und Christopher steht heute bei jedem Heimspiel neben seinem

01:34:49: Bruder auf der Gegengerade.

01:34:51: Ja, nach 27 Jahren

01:34:56: hat sich das so eingespielt. Wenn Du jedes Mal vorm Spiel

01:34:58: extra hingehst, um zu gucken, dass Du das Spiel nicht

01:35:01: verpasst, richtig? Nee, also er muss mich jedes Spiel

01:35:03: natürlich einladen, sonst.

01:35:05: Es bleiben aber eigentlich nur noch zwei Sachen offen für diese

01:35:08: Geschichte. Für mich als in meinem

01:35:12: elfjährigen ich, wenn ich da noch mal in den Austausch

01:35:15: gehe, meine erste Saison.

01:35:17: Erstens.

01:35:19: Was war eigentlich mit Daniel Franco?

01:35:23: Ja, er brachte es auf insgesamt neun Einsätze in braun-weiß. Sein

01:35:26: letzter Einsatz war am letzten Spieltag in Unterhaching, die

01:35:29: 'Hamburger Morgenpost' errechnete im Frühjahr '98, dass Franco, den der

01:35:33: FC St. Pauli

01:35:35: für 700.000 Mark Leihgebühr

01:35:38: von einem brasilianischen Club auslieh. 700.000

01:35:41: Mark, muss man sich mir vorstellen. Pro Einsatz hätte er

01:35:44: den FC St. Pauli 85.589

01:35:48: Mark gekostet. Da er bei einer kolportierten Ablösesumme von

01:35:51: 700.000 Mark Leihgebühr nur auf acht Liga-

01:35:54: Einsätze und 508 Spielminuten kam. Ja, Daniel Franco muss

01:35:57: ich noch dazu sagen, der gar nicht mal ein sportliches

01:36:00: Leichtgewicht war, der Daniel Franco. So weit habe ich mich schon

01:36:03: als Elfjähriger informiert, hat für brasilianische Top Clubs wie

01:36:07: International Porto Alegre und Corinthians Sao Paulo gespielt,

01:36:10: die Corinthians Sao Paulo, vielleicht bekannt durch

01:36:13: Socrates, den berühmten brasilianischen Fußballspieler

01:36:16: und die

01:36:16: Democracia Corinthiana glaub ich, hieß es. Daniel Franco war sogar im

01:36:20: Blickfeld für die WM '94 der brasilianischen

01:36:23: Nationalmannschaft, doch dann hat der Knöchel schlapp gemacht und

01:36:27: Bei uns hat es dann nicht mehr so geklappt und zweitens, mein

01:36:32: Bruder schuldet mir nach 27 Jahren immer noch ein Spiel

01:36:36: gegen Fortuna Köln.

01:36:39: Dann muss man ja fast sagen, hoffentlich spielen wir nicht

01:36:42: irgendwann wieder gegen die. Ja, also nicht wegen der Schulden,

01:36:46: sondern wegen der sportlichen. Ich nehme auch ein Spiel

01:36:49: ohne FC St. Pauli. Ja, das waren auf jeden Fall unsere

01:36:52: persönlichen Geschichten rund um den FC St. Pauli, da gibt es

01:36:55: bestimmt noch Hunderte mehr, die wir noch erzählen können, ich

01:36:59: hoffe, Ihr seid dran geblieben an dieser Mammutfolge.

01:37:03: Auf der MillernTon- Jubiläumsfeier haben wir sehr

01:37:06: viel positiven Zuspruch für diesen Podcast bekommen und es

01:37:10: gab aber auch eine massive Kritik, eine Kritik, die

01:37:13: wirklich sehr verstärkt an uns herangetragen wurde. Der Podcast

01:37:17: kommt zu selten. Oh.

01:37:20: Ihr merkt ja, was hier für eine Arbeit drin steckt.

01:37:25: Es ist im Moment, derzeit sind wir nicht in der Lage, den

01:37:27: Podcast öfter zu senden als einmal im Monat. Im Vergleich zu

01:37:30: braun-weißen Aufstiegen finde ich uns häufig. Es gab schon

01:37:33: mehr Podcastfolgen als Aufstiege. Das ist richtig. Seht es

01:37:36: doch einfach mal positiv. Genau wir würden auch gerne mehr machen,

01:37:39: macht uns nämlich tatsächlich, wie

01:37:40: man vielleicht auch merkt, Spaß. Die Recherche dauert tatsächlich

01:37:44: auch immer ne ganze Weile, das war dann schneller nicht zu

01:37:47: leisten.

01:37:49: Danke fürs Dranbleiben. Tschüss.

01:37:52:

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.