#1 Die wichtigste Mannschaft aller Zeiten
Shownotes
Welche Mannschaft in der Geschichte des FC St. Pauli war die wichtigste? Und: Was bedeutet in diesem Zusammenhang überhaupt „wichtig“? Diesen Fragen widmen sich Celina, Christoph, Christopher und Thomas in der Pilotfolge von “FCSP-Geschichten“ – dem Podcast des FC St. Pauli-Museums.
Welches FCSP-Team hatte den größten Einfluss auf die Entwicklung von Verein und Fanszene? Wer musste die größten Hindernisse überwinden, um am Millerntor Fußball zu spielen? Die Antworten könnten kaum unterschiedlicher sein:
Christoph stellt eine Truppe vor, die zwar den Aufstieg spektakulär knapp verpasst hat, aber trotzdem (oder gerade deshalb) den FC St. Pauli in entscheidender Weise geprägt hat. Celina erzählt von einer Mannschaft, die gar keine Mannschaft war - und darum wie keine andere um Respekt und Anerkennung kämpfen musste. Christopher zeigt, wie ein Amateur-Team und ein ungeliebter Trainer zu einem regelrechten Urknall in der Vereinsentwicklung beitrugen.
Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), NEUSTART KULTUR, der Kulturstiftung der Länder und KULTUR.GEMEINSCHAFTEN – dem Förderprogramm für digitale Content Produktion in Kultureinrichtungen.
Content Notion: Sexismus, Sexistische Sprache
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00:00:27: Hallo und herzlich willkommen zur allerersten Folge von FCSP Geschichte(n) - das n in Klammern - der
00:00:34: offizielle Podcast des FC St. Pauli-Museums. Ich sitze hier mit meinen Kollegen Christopher, Christoph
00:00:40: und Thomas, ich bin Celina. Und ich würde sagen, damit Ihr wisst, wer wir sind, stellen
00:00:46: wir uns jetzt einmal vor. Christoph, möchtest Du anfangen? Vielen Dank, moin und schön, dass Ihr dabei seid. Ja, Podcast
00:00:54: vom FC St. Pauli-Museum wurde Zeit, die Idee haben wir sogar schon seit 2014, darf ich kurz erzählen. Ja,
00:01:01: was mache ich beim Museum? Ich bin Gründungsmitglied von dem Ganzen und bin im Vorstand für
00:01:07: Kuratorium und Kommunikation zuständig. Das heißt natürlich nicht, dass ich das alles alleine mache, sondern wir haben zum Glück ein tolles Team dafür
00:01:13: und sind inzwischen auch so aufgestellt, dass wir eben auch sowas wie so einen Podcast hier machen
00:01:19: können. Der ein oder andere hat vielleicht auch schon mal ein Buch gelesen, was ich mit Michael Pahl zusammen geschrieben habe. "FC St.
00:01:26: Pauli das Buch", die Jubiläumschronik z.B., oder das "FC St. Pauli Album" ist bei uns erschienen.
00:01:32: Die Vereinsgeschichte beschäftigt mich also schon länger und besonders seit dem hundertsten Geburtstag,
00:01:39: seit den Recherchen davor und es gibt immer sehr, sehr viele Geschichten, die man nicht gleich erzählen
00:01:46: kann. Also auch wenn man sich z.B. so eine Museumsausstellung überlegt und dieser Podcast
00:01:52: gibt uns glaube ich sehr viel Gelegenheit eben auch diese Geschichten sichtbar zu machen und ich bin wahnsinnig gespannt, was
00:01:58: eben auch die anderen hier ausgraben und freue mich drauf. Ja hallo, ich bin Thomas. Bin
00:02:04: seit eineinhalb Jahren jetzt hier fest im Museum zugange, vorher schon viel nebenberuflich, ehrenamtlich,
00:02:11: eigentlich auch seit Beginn an seit ja gut zehn Jahren, wir ja seit letztem Jahr wissen. Kümmere
00:02:17: mich da um sehr viele Inhalte, gerade auch im digitalen Bereich des Museums. Bin für die Fakten-Recherche zuständig, auch z.B. für
00:02:23: unsere zahlreichen Social-Media-Beiträge. Bin im Archiv und besonders in der Archiv-Datenbank zugange und mach noch
00:02:29: ganz viele andere Bereiche rund um das Museum und den Museumsverein. Ansonsten bin ich seit
00:02:35: 1991 als Fan am Millerntor, hab also schon so einiges miterlebt hier, habe Fanzines
00:02:42: mitgegründet und bin ein bisschen in der Vereinspolitik unterwegs gewesen. Ja und ansonsten hoffe ich,
00:02:48: dass das alles sehr interessant wird hier und ich bin dafür zuständig hier im Podcast, den Kolleg:innen auf die Finger zu
00:02:54: schauen, ob sie denn auch alles richtig wiedergeben. Ich bin Christopher, ich arbeite seit vier
00:03:01: Jahren fürs Museum, ich bin im Bereich Videos. Alles, was bewegt ist, geht
00:03:08: sozusagen über meinen Rechner. Ich bin im Zeitzeugen-Projekt aktiv, wie drehen
00:03:14: viele Zeitzeugen aus der Geschichte des FC St. Pauli. Ich
00:03:20: weiß jetzt gar nicht aus dem Kopf, wie viele hundert Stunden es sind, aber ein paar. Und
00:03:27: davon werden wir auch heute in der Sendung und paar hören, das ist das Schöne daran, dafür haben wir dieses Projekt auch, dass wir da ein paar Einspieler
00:03:33: haben, Menschen, die dabei waren. Ich gehe seit 1997 ins Stadion, da
00:03:39: war ich glaube ich elf. Seitdem mit meinem Bruder, Grüße an dieser Stelle, stehen
00:03:45: wir noch heute in der Gegengerade. Ich bin Celina, ich bin seit November 2020
00:03:52: im Museum angestellt für Online- und Social-Media-Redaktion. Davor habe ich in Köln
00:03:59: und in Trier Politik und Medienwissenschaften studiert und ans Millerntor gehe ich seit Mitte
00:04:05: der 2000er Jahre ungefähr. Und wir haben ja schon ein bisschen
00:04:11: was auch vorweggenommen, was wir hier machen werden, das Thema des Podcast liegt auf der Hand.
00:04:17: Wir erzählen Geschichten aus der Geschichte des FC St. Pauli und das aber
00:04:23: nicht einfach so frei nach Schnauze, sondern wir haben uns ein Konzept überlegt. Christoph, möchtest Du einmal erklären, wie wir uns das hier vorstellen?
00:04:29: Ja, das Ganze basiert darauf, dass wir ein Hauptthema haben.
00:04:35: Ihr habt ja wahrscheinlich schon gelesen, wie wir es bei dieser Sendung haben, diesmal geht's um die wichtigste Mannschaft aller Zeiten und das beleuchten
00:04:41: wir dann aus drei verschiedenen Perspektiven und diese drei verschiedenen Perspektiven liefern
00:04:47: eben Celina, Christopher und ich. Dabei kann es eben auch durchaus Überraschungen geben, dass
00:04:53: man also Sachen kennenlernt, die die anderen bei den Recherchen ausgegraben haben, die man selber überhaupt noch niemals ahnte. Das
00:05:00: soll eben auch wirklich Grundprinzip von dem Podcast hier sein, so Motto ein Herz für Nerds, sind wir alle glaube ich
00:05:06: so ein bisschen. Dass man eben manchmal auch die Sachen wissen will, die als gängige Hauptsachen
00:05:13: vielleicht nicht irgendwo stehen, denn Nebensachen sind ja manchmal die interessantesten Hauptsachen. Das heißt, das
00:05:19: darf hier auch absolut drankommen und da freuen wir uns auch über Input von Euch. Im
00:05:25: Übrigen fiel mir ein, dass vorhin bei den Fan-Biografien ich glaube als Einziger mich nicht da präsentiert
00:05:31: habe oder noch nicht gesagt habe, seit wenn ich eigentlich ans Millerntor gehe, ist bei mir aber auch nicht so beeindruckend. Ich glaube Thomas, Du bist eh der Einzige von uns, der nicht
00:05:38: Modefan ist, weil wir sind eigentlich relativ kurz dabei sonst. Also ich erst seit Mitte der 90er halt auch, bei mir hing es mit dem Studium
00:05:44: zusammen. Vorher war ich Provinznuss aus Cuxhaven und da war ich noch nicht ganz so firm in Sachen FC
00:05:50: St. Pauli, muss ich zugeben, aber verliebte mich dann. Und so entsprechend hat
00:05:56: Thomas eindeutig den Reichweitenrekord was dabeigewesene Fan-Credibility angeht,
00:06:02: wenn ich das richtig sehe. So ein bisschen, aber die berühmten 'Kiezbeben'-Jahre, die wir ja auch in unserer Ausstellung im Museum beleuchten, die
00:06:08: habe ich nun knapp verpasst. Also ich bin exakt beim ersten Heimspiel nach dem Abstieg '91 da gewesen. Klassischer Modefan
00:06:15: auf jeden Fall. Jetzt kann ich nur mal in die Runde gucken, habe ich das mit den Regeln einigermaßen ok erklärt oder
00:06:21: hatten wir eigentlich einen anderen Podcast im Kopf? Nö, das habe ich mir auch ungefähr so vorgestellt. Man
00:06:28: könnte noch Thomas' Rolle noch einmal kurz beleuchten. Thomas ist quasi der Schiedsrichter und Thomas
00:06:35: wird aber auch ergänzend zur Seite stehen, Live-Factcheck machen, uns vorführen,
00:06:41: wenn wir Quatsch reden. Und Thomas ist auch der Einzige der im Vorfeld weiß, welche Geschichten
00:06:47: wir jeweils mit an den Tisch bringen. Das heißt er ist dafür zuständig zu vermeiden, dass wir alle dieselbe Geschichte erzählen. Und
00:06:53: noch eine kleine Ergänzung, wenn Ihr tolle Ideen habt für Themen mit denen wir
00:07:00: uns hier unbedingt mal beschäftigen sollten im Podcast, dann dürft Ihr uns gerne eine E-Mail schreiben an
00:07:06: info@1910-museum.de, Stichwort Podcast. Hervorragend,
00:07:14: eine Winzigkeit fällt mir auch noch ein, die wir vielleicht nicht vergessen sollten. Es kann ja auch sein, dass Menschen hier reinhören,
00:07:20: die uns noch nicht im Museum besucht haben, die vielleicht nicht genau wissen, was das ist. Das FC
00:07:26: St. Pauli-Museum findet in der Gegengerade des Millerntor-Stadions, es wurde hart erkämpft von vielen aktiven Menschen,
00:07:33: da wäre nämlich beinahe eine riesige Polizeiwache eingezogen. Zum Glück ist das nicht passiert und heute
00:07:39: ist das Museum halt nicht nur die Ausstellung selber, sondern eben noch viel mehr. Es gibt es das digitale Museum, unsere Social-Media-Accounts gehören
00:07:45: dazu, aber auch das digitale Museum vor Ort, für das Thomas auch sehr viel tut
00:07:51: zum Beispiel. Und es gehören dazu BAM! Bildung am Millerntor, ein riesiges Archiv und so weiter und so fort. Also
00:07:57: falls Ihr das Museum unterstützen möchtet, kommt uns besuchen, geht wunderbar. Neuerdings
00:08:04: übrigens auch sonntags, also das wird sich jetzt vielleicht in zehn Jahren anders darstellen, wenn man sich die Folge nochmal anhört, aber Freitag, Samstag, Sonntag
00:08:10: haben wir im Augenblick geöffnet, findet ihr auf fcstpauli-museum.de. Ihr könnt uns als Mitglied unterstützen,
00:08:16: Ihr könnt unser Merch kaufen, Ihr könnt spenden. Wir freuen uns aber natürlich auch über Input oder auch über Leute, die mitmachen,
00:08:22: mithelfen. Das ist auch immer noch so, dass also ganz, ganz viele Menschen uns beim Museum supporten. Thomas guckt auch gerade. Ja, noch dazu
00:08:29: könnt Ihr uns natürlich unterstützen, indem Ihr uns eure Dachbodenschätze sozusagen überlasst.
00:08:36: Sei es jetzt als Schenkung, als Leihgabe oder einfach Sachen, die wir vielleicht einfach 'nur' scannen. Alte
00:08:42: Fotos und ähnliches, darüber freuen wir uns natürlich auch jederzeit. Und Ihr könnt diesen Podcast unterstützen,
00:08:48: indem Ihr positive Bewertungen schreibt und uns folgt auf der Podcast-Plattform Eurer Wahl. Absolut,
00:08:56: soll ja auch weitergehen, das ist die Pilotfolge. Wir werden uns noch viele weitere Themen ausdenken oder vielleicht auch von
00:09:02: Euch vorgeschlagen bekommen und sind tatsächlich gespannt, wo die Reise hingeht. Es soll also nicht einmal hier
00:09:08: abgeschlossen die Vereinsgeschichte erzählt werden, sondern ganz im Gegenteil. Wir wollen immer wieder so die unterschiedlichsten Steine,
00:09:14: aus denen diese Geschichte gebaut ist, auch mal umdrehen und gucken was da drunter ist, was auf der anderen Seite der Mauer ist usw. Ich weiß nicht, ob das Bild wirklich funktioniert,
00:09:20: aber Ihr könnt es Euch ja einfach ausmalen. Dann würde ich sagen, starten wir einfach mal durch. Die
00:09:28: wichtigste Mannschaft aller Zeiten, da haben wir natürlich jetzt vermutlich drei verschiedene Theorien, da haben wir vermutlich auch jeder
00:09:34: unterschiedliche Thesen. Ich fand das auf jeden Fall ein sehr
00:09:40: spannendes Motto, als wir uns darauf geeinigt haben und da überlegst du natürlich erstmal so, was liegt da nahe? Klar, wenn
00:09:46: man an unser 'Kiezbeben' im Museum denkt, die Aufsteiger von 1988, das hat irre viel verändert.
00:09:52: Das hat das Bild des FC St. Pauli in der Fußball-Welt zum Teil sogar erst geschaffen für viele Menschen muss man so sagen.
00:09:58: Das hat sozusagen als Katalysator unheimlich viel beschleunigt
00:10:06: und ausgelöst, was dann eben noch kam von der Fanzine-Gründung bis zur AFM usw.
00:10:12: Man könnte aber auch sagen. Ja, okay, stimmt, Aufsteiger von 1988 schön und gut, die waren
00:10:18: wichtig und man kann auch fragen, was ist eigentlich wichtig? Also wichtig im Sinne von sportlich
00:10:24: erfolgreich, wichtig im Sinne von finanziell wichtig oder wichtig im Sinne von einflussreich. Ich
00:10:31: habe mich jetzt einfach mal für meine Deutung auch auf einflussreich so ein bisschen spezialisiert.
00:10:37: Und gesagt so, gut die Aufsteiger von 1988 waren auch einflussreich, aber man könnte natürlich auch sagen ok fein, ohne
00:10:43: die Drittliga-Mannschaft von 1979/80 beispielsweise hätte es die gar nicht gegeben. Weil manche wissen
00:10:50: oder relativ viele wissen das hier vielleicht schon auch, dass der Verein eigentlich ja abgestürzt war, dass dann die Lizenz entzogen wurde. Dann ging es in
00:10:56: die dritte Liga, man hatte kein Geld. Wenn man dann noch in die vierte Liga oder schlimmer abgestiegen
00:11:02: wäre, wäre vielleicht wirklich einfach wirtschaftlich der Ofen aus gewesen, muss man sagen. Und damals kamen dann junge Spieler, unter ihnen
00:11:08: solche Leute wie Volker Ippig, Jürgen Gronau usw. und die haben es geschafft die Klasse zu halten. Sehr unspektakulär, unfassbar
00:11:15: wichtig, vielleicht waren es also auch die. Habe ich auch weiter überlegt. Na gut, aber du kannst aber auch sagen,
00:11:21: wenn wir das Millerntor-Stadion nicht hätten, wenn wir es nicht da hätten, wo es ist, wär der FC St. Pauli
00:11:27: nicht mehr der FC St. Pauli. Dass wir noch im Millerntor-Stadion Fußballspielen können an der Stelle, wo es ist, liegt
00:11:33: nicht zuletzt daran, dass die Pokalhelden von 2005/06 ganz viel Geld eingespielt haben und dadurch die Rekonstruktion des
00:11:39: Stadions ermöglicht haben, also auch wahnsinnig wichtig. Der Verein hätte nämlich sonst kein Geld gehabt, es gab ordentlich Fernsehgeld
00:11:46: und so weiter, also es gibt wirklich viele wichtige Mannschaften. Da haben viele auch sicherlich ihre eigenen Lieblingsteams,
00:11:52: ob es die Aufsteiger von 2007 sind, die vergessenen Klassenhalter von 2003/04 die Derbysieger
00:11:58: von 2011 oder auch unsere einzige Deutschen Meister, was irgendwie was mit Fußball zu tun hat, nämlich unsere
00:12:04: Blindenfußballer:innen 2017, '21, '22 und trotzdem
00:12:10: habe ich mich für was anderes entschieden. Das war jetzt der lange Vorspann, der die Fallhöhe ankündigt. Ich
00:12:16: habe ja schon gesagt, wer den 'MillernTon' kennt weiß, manchmal ist es schwierig, da die Blutgrätsche reinzusetzen, vielen Dank, dass
00:12:23: Ihr sie nicht angesetzt habt. Aber es gibt ja eben auch eine Gesamtzeit und wenn ich jetzt zu lange laber, dann kommt der Schiedsrichter und sagt,
00:12:29: ok schön und gut, Du hast leider dein Hauptthema überhaupt nicht mehr erreicht. Habe ich die Zeit schon um? Im
00:12:35: Augenblick, darf ich noch, sagt Thomas, wunderbar. Und zwar möchte ich als
00:12:41: wichtigste Mannschaft aller Zeiten das Team Mitte der 60er-Jahre vorstellen.
00:12:48: Und zwar deswegen, weil tatsächlich es die Vereinsgeschichte verändert
00:12:55: hat durch eine Saison, die meiner Ansicht nach vielleicht die st. paulianischste Saison aller Zeiten
00:13:01: ist. Man muss dazu auch wissen, wie wahrscheinlich nicht ganz wenige St. Pauli-Fans habe ich auch ein gewisses Herz für Underdogs
00:13:07: und für mich bedeutet Erfolg nicht unbedingt Gewinnen. Mitte der
00:13:13: 60er-Jahre war eine wahnsinnig spannende Zeit, das ist so ein bisschen auch für mich so eine Fan-Sehnsuchts-Zeit, also so
00:13:19: alt bin ich dann auch wirklich nicht, dass ich die hätte erleben können, da war ich noch nicht auf der Welt. Das Millerntor-Stadion war
00:13:26: neu, muss man sich vorstellen, alle schwärmten von der Haupttribüne, die Aufregung
00:13:32: darüber, dass eine Drainage beim Rasen vergessen wurde, hatte sich langsam gelegt und ab 1963 konnte man tatsächlich
00:13:38: am Millerntor-Stadion am jetzigen Standort auch wirklich Fußball spielen. Und
00:13:45: das war also wirklich neu, das war modern, alle freuten sich über dieses tolle Clubheim, was der FC St. Pauli jetzt hat und
00:13:51: es war dann auch eine Umbruchszeit erfolgreich verlaufen. Es gab früher die sogenannte Wunderelf, die ja um
00:13:57: die Deutsche Meisterschaft mitspielte und jetzt kamen da neue Spieler und das war eine irre spannende und auch sehr charismatische Mannschaft.
00:14:03: Ich durfte ziemlich viele dieser Spieler auch noch treffen, als wir fürs Jubiläumsbuch interviewt
00:14:10: haben oder erinnere mich z.B. immer gerne daran, als einer davon und das war der erfolgreichste Stürmer der Vereinsgeschichte. Damals
00:14:16: wohnte ich in St. Georg, bei mir die Treppe hochstapfte und sich dann erstmal darüber beklagte, dass man ja irgendwie nirgendwo parken könne in St. Georg.
00:14:23: Das war Oschi Osterhoff, ganz wichtige Stütze der
00:14:29: 60er-Jahre, bildete zusammen mit Horst Haecks das Sturmduo, die beiden war das erfolgreichste
00:14:35: Sturmduo der Vereinsgeschichte. Und Horst Haecks war wirklich so das launische Genie, die Diva, wo alle gespannt waren,
00:14:41: hat er Lust oder hat er keine Lust? Das konnte also ganze Spiele entscheiden. Oschi war der Brecher und
00:14:47: Horst Haecks lebte damals leider auch gar nicht mehr. Die unterschieden sich also auch körperlich sehr stark, der eine sehr filigran, der andere die absolute
00:14:53: Ramme sozusagen, die durch die Verteidigung dann auch durchging
00:14:59: sehr erfolgreich. Es gab ein irre gutes Mittelfeld mit Ingo Porges, Nationalspieler, mit Rolf Bergeest,
00:15:06: der angeblich den Übersteiger erfunden hat. Es gab eine auch sehr gute Defensive
00:15:12: mit Leuten wie Gehrke, mit Thoms und Christiansen im Tor, die waren beide sehr gut und
00:15:19: wenn man also von dieser Mannschaft, wenn ich von der erzähle, komme ich geistig ins Schwärmen, weil, ich weiß nicht ob Ihr Euch das vorstellen könnt. Ich stell
00:15:25: die mir spielend vor, ich stell mir mich am Millerntor vor, ich würde vielleicht auch in der Gegengerade gestanden haben, die damals noch keine Tribüne
00:15:31: drüber hatte und hätte mir dann also mit anderen zusammen spannend die Frage gestellt, ob eben Horst Haecks
00:15:37: Lust hat und ob irgendwie Bergeest wieder ein Übersteiger gelingt und so weiter und so fort. Die waren wirklich gut
00:15:43: und die waren wirklich absolute Aufstiegsaspiranten und
00:15:50: eine ganz wichtige Sache, so eine Prise Ungerechtigkeit gehört ja beim FC St. Pauli immer mit dazu, die waren nicht in der Ersten Liga,
00:15:56: die waren nicht in der Bundesliga. In der Ersten Liga waren sie immer gewesen und ab Gründung der Bundesliga 1963 waren sie zweitklassig,
00:16:03: zum ersten Mal seit 1942 übrigens. Das würde ich aber erst später noch mal erzählen, weil sonst komme ich bisschen vom Hundertsten
00:16:09: ins Tausendste. Tatsächlich ist der FC St. Pauli bei der Gründung der Bundesliga meiner Ansicht nach ziemlich über den Tisch gezogen worden, die Kriterien
00:16:15: wurden mehrfach geändert, damit der FC St. Pauli nicht dabei war. Sie waren also in der Zweiten Liga,
00:16:21: die hieß damals Regionalliga Nord und dort hatten sie jetzt zwei große Konkurrenten nicht mehr.
00:16:27: Werder Bremen und der HSV waren ja in der Ersten Bundesliga und damit waren die wirklich hier die heißesten
00:16:34: Aufstiegskandidaten muss man sagen, weil die waren wirklich stark. Aber damals mussten sie immer noch in einer Aufstiegsrunde
00:16:40: antreten und die waren halt wirklich gut genug, dass sie auch 1964
00:16:46: schon Regionalliga-Meister wurden. Ich möchte aber ganz besonders auf die Saison 1965/66 raus, weil
00:16:53: die eben wirklich so unglaublich dramatisch war. Also da waren auch alle mit dabei, eingeschränkt muss
00:17:00: man sagen. Rolf Bergeest, der hat sich nämlich dann schon, und damit ging es schon los, gleich ganz am Anfang einen doppelten Bruch
00:17:06: zugezogen, der war also fast die ganze Saison nicht dabei. Absolut autsch, also
00:17:12: schonmal denkst du, oh verdammt. Also, wir wollten doch eigentlich aufsteigen und dann Spielmacher schon mal abgemeldet.
00:17:19: Trotzdem haben sie dann also echt Fußball gespielt teilweise wie
00:17:26: von einem anderen Stern. Da gab es also auch Spiele wie ein 9:0 gegen Osnabrück, bei dem ich wirklich sehr, sehr gerne
00:17:32: dabei gewesen wäre. Da war es dann so, dass also der Trainer Kurt Krause,
00:17:38: der auch neu gekommen war, zwischendurch sagte "Jetzt reizt meine Burschen die 100-Tore-Grenze" und
00:17:44: die hatten sich richtig in einen Rausch gespielt, als sie plötzlich aufhörten zu gewinnen. Also
00:17:50: alle dachten, wann machen sie den Aufstieg klar, sie brauchten nur noch wirklich ganz, ganz wenige Punkte. Und plötzlich, und
00:17:56: wer kennt das nicht? Wer kennt das nicht das Gefühl, warum machen sie es nicht? Keiner wusste es, sie hörten plötzlich auf zu gewinnen und
00:18:03: es wurde immer dramatischer. Sie machten auch andere Gegner stark, auch etwas in dem der FC St. Pauli immer schon stark gewesen ist. Also
00:18:09: Göttingen 05 z.B. haben eindeutig die St. Paulianer dann selber stark gemacht, indem sie sie auch
00:18:16: gewinnen ließen, es wurde immer enger. Es gab dann auch ganz seltene Intervention, ein Kurztrainingslager
00:18:22: in Barsinghausen kurz vor dem letzten Spiel. Da wurden die also tatsächlich noch mal darauf eingeschworen doch jetzt
00:18:28: bitte, bitte, bitte den entscheidenden letzten Punkt zu holen und sie haben es dann tatsächlich im allerletzten Spiel
00:18:35: auf die allerknappst denkbare Möglichkeit gemacht, den einen Punkt, der ihnen für den ersten
00:18:41: Platz und damit die direkte Teilnahme an der Aufstiegsrunde fehlte, zu machen. Das war gegen Arminia Hannover und sie
00:18:47: haben natürlich 1:0 geführt und dann 1:1 kassiert und alle durften noch richtig schön fiebern, Ihr könnt es Euch vorstellen. Und
00:18:53: das bedeutete aber immerhin, sie konnten nicht noch die Qualifikation zur Aufstiegsrunde verkacken, weil das konntest du
00:18:59: als Zweiter und deswegen wollten alle, dass sie unbedingt Erster werden. Thomas hat gerade dazu was anzumerken. Genau, das ist nämlich
00:19:05: Göttingen als Zweitplatziertem passiert, die sind nämlich dann in diesen Qualifikationsspielen gescheitert gegen Saarbrücken und sind sofort
00:19:11: vor dem eigentlichen Start dieser Aufstiegsrunde rausgeflogen. Was übrigens dem FC St. Pauli ein Jahr vorher auch schon passiert ist gegen Reutlingen.
00:19:17: Zwischendurch, habe ich jetzt ganz übersprungen, haben sie auch noch richtig gut im Pokal performt, die kamen bis ins Viertelfinale.
00:19:23: Dann kann der 1. FC Nürnberg. FC St. Pauli gegen 1. FC Nürnberg, das war damals nicht
00:19:29: nur Erste gegen Zweite Liga, die Nürnberger waren natürlich Erstligisten. Das waren noch weiter
00:19:36: entfernte Fußballwelten, als das jetzt die Erste und Zweite Bundesliga heute sind, muss man sagen. Denn bei
00:19:42: den Nürnbergern war es tatsächlich dann schon die Regel, dass die richtig Spieler hatten, die nur Fußball spielten,
00:19:48: während die St. Paulaner alle neben dem Fußball, den sie als Vertragsspieler
00:19:54: ausübten, noch einen richtigen Beruf hatten. Und da erzählt zum Beispiel aus unserem Zeitzeugen-Archiv hier einmal Oschi Osterhoff,
00:20:01: also unser Wunderstürmer quasi, der ja das Gegenstück zu einem
00:20:07: gewissen Herrn Seeler beim FC St. Pauli. Ja, was hat dir denn sonst so gemacht?
00:20:13: "Ja, wie gesagt, ich war Fliesenleger, um 7 Uhr angefangen, um 4 Uhr Feierabend, um 6 Uhr Training. Und das war viermal die Woche."
00:20:19: Kurze Info am Rande: Die Stimme, die Ihr neben Oschi Osterhoff gehört habt, war die von dem besagten Uwe
00:20:25: Seeler. Wir haben mit den beiden ein Doppelinterview im letzten Winter gemacht, das
00:20:32: nur am Rande. Und ein anderer Spieler des FC St. Pauli, Claus Eppel, hat uns eben auch viel erzählt von seiner
00:20:38: Zeit als Spieler und er kommt auch auf einen ganz wichtigen Punkt, der vielleicht auch, was den Aufstieg angeht, was ist, was man unbedingt
00:20:44: im Hinterkopf behalten muss. Die Spieler hatten nicht nur einen anderen Job, die hatten auch noch ein anderes Leben. "Da
00:20:50: kommen auch dann andere Sachen wieder, wären auf jeden Einzelnen zugekommen. Man
00:20:57: hätte das alles profihafter aufbauen müssen auch und hätte man sicherlich auch. Aber die Spieler hätten auch alle
00:21:03: umdenken müssen berufsmäßig und ich weiß nicht, ob da viele die ja wirklich
00:21:09: schon gut im Beruf waren, dass die denn vielleicht ausgestiegen wären und hätten dann gesagt 'Nee, also das Risiko und das will ich
00:21:15: nicht, geb meinen Beruf nicht auf'." Ok, das wusste ich auch noch nicht, was war denn eigentlich
00:21:21: so ein Spitzengehalt zu der Zeit? Ja, also, wir haben wenige Verträge oder so. Wir wissen aber beispielsweise ja
00:21:27: von Oschi Osterhoff, dass er hier so um die 400 Mark bekommen hat, das war also der FC St. Pauli-Level und da sicherlich auch schon
00:21:33: ziemlich weit oben. Und aus der Zeitschrift 'Sport' haben wir hier z.B. vorliegen einen Bericht
00:21:39: über dieses Pokalspiel und da haben sie verglichen, dass die St. Paulianer anders als die Nürnberger nicht 1.200, 2.000
00:21:47: oder 2.500 Mark im Monat durch Fußball verdienen würden. Und
00:21:53: davon können wir wohl ausgehen, dass das so Beträge waren, die damals wohl durchaus gezahlt oder kolportiert worden und 2.500
00:21:59: Mark im Monat muss damals Mitte der 60er auch wirklich viel Geld gewesen sein. Ja,
00:22:06: wäre mal interessant, wie viel Geld das heute wär. Stimmt, könnte man vielleicht nach dem Podcast oder so ein bisschen was
00:22:12: noch dazu stellen. Ja, das war wirklich eigentlich von der ganzen Fallhöhe hier so ähnlich, wie es dann später zwischen Bayern
00:22:18: München und dem FC St. Pauli kolportiert wurde. Und was passiert ist, als sie gegeneinander spielten: Die Nürnberger gingen
00:22:24: früh in Führung und dann gab es aber nur noch ein Spiel auf ein Tor. Ich stell es mir wirklich ein bisschen vor, wie das Pokal-Halbfinale
00:22:30: gegen den FC Bayern damals, das war ja auch zeitweilig wirklich ein Spiel auf Olli Kahns Bayern-Tor. Eine Angriffswelle
00:22:36: nach der nächsten und das Scheißding ging einfach nicht rein. Und so war es da eben auch, die haben wirklich ein irres Spiel
00:22:42: abgeliefert, dabei eben allen auch noch mal gezeigt, wie gut die waren, was für eine Mannschaft das war,
00:22:48: und wir waren dicht dran. Hat Oschi Osterhoff, den wir eben im Original gehört haben, damals auch der Presse auch gesagt, was
00:22:54: willst du machen, wenn du das Ding nicht reinkriegst. Und der Nürnberger Trainer damals, der hieß Jenö Csaknády,
00:23:01: ich hoffe, ich habe es richtig ausgesprochen, sagte nach diesem Spiel, was also tatsächlich 1:0 für Nürnberg ausging:
00:23:07: "Ihre prachtvolle Elf wird aufsteigen. Mein Gott, was besitzt diese Hamburger
00:23:13: Mannschaft für eine urwüchsige Kraft", sagte der. Wir haben übrigens auch andere Stimmen,
00:23:19: da müsst ihr es nicht nur mir glauben, dass die halt wirklich gut waren. Über die Mannschaft, da haben wir beispielsweise Heinz
00:23:26: Deininger, der uns das erzählt hat. Verteidiger, selber auch in dieser Mannschaft, der hat uns erzählt: "Ich glaube
00:23:33: schon, wie Horst Haecks waren wirklich gute Spieler, Peter Osterhoff, Bergeest und
00:23:39: Porges, das waren schon sehr, sehr gute Spieler, die heute auch in der Bundesliga spielen könnten, unter
00:23:45: den heutigen Bedingungen natürlich, ist klar." Dann hätte ich auch als weiteren Kronzeugen noch Keeper Klaus
00:23:51: Christensen: "Das war ja mit Porges, mit Weidlandt, mit Gehrke, mit Pokropp,
00:23:57: mit Oschi Osterhoff, Rolf Bergeest, Horst Haecks hat noch gespielt. Also, da war schon eine Bombentruppe muss ich
00:24:03: sagen. Also wenn wir aufgestiegen wären, ich glaube, wir hätten uns halten können in der Ersten Bundesliga, das glaube ich bestimmt." Ich möchte noch mal
00:24:09: kurz auf Celinas Frage von eben zurückkommen. Also es gibt ja so Umrechner im Internet, also
00:24:16: wenn man diesem hier glauben darf, waren z.B. 1.000 D-Mark von 1965 wären heute ungefähr 2.360
00:24:22: Euro. Heißt also, wenn man da jetzt gehört hat, dass die Nürnberger vielleicht sogar 2.000
00:24:29: Mark verdient hatten oder noch ein bisschen mehr, da waren das immerhin dann auch schon um die
00:24:35: 5.000 Euro und das ist natürlich im Verhältnis zu dem, was damals Sachen im
00:24:41: weitesten Sinne gekostet haben, natürlich durchaus sehr, sehr viel Geld gewesen, würde ich sagen. Da konntest du wahrscheinlich schon ein Einfamilienhaus und ein Auto von kaufen. Mit ein paar
00:24:50: Gehältern, die du gut anlegst, auf jeden Fall. War mir gar so nicht klar, dass das damals, dass man davon sehr gut leben
00:24:56: konnte schon. Ja, also wirklich Riesen-Unterschied auch, da merkt man auch, es war natürlich dann auch schon eine Schwelle nach oben. Aber vor
00:25:02: dieser Schwelle standen wir jetzt. Wir hatten ja kurz noch mal zurückgeschaut jetzt auf dieses Pokalspiel, da auch noch mal bestätigt
00:25:08: bekommen, die konnten wirklich mit dem 1. FC Nürnberg mithalten. Das war ja ein absoluter Beweis auch noch mal, dass
00:25:15: die sich nicht nur für gut hielten, die waren wirklich auch sehr gut. Und nun haben sie noch diese Nervenprobe dann auch gemacht, nach
00:25:21: diesem Hänger dann gerade noch die Kurve bekommen, haben den letzten Punkt gemacht, sind tatsächlich Regionalliga-Meister
00:25:27: 65/66 geworden. Übrigens kleiner Einschub, eine meiner lieblings-kleinen Museumserinnerungen war, dass
00:25:33: wir 2014 tatsächlich auch eine Autogrammstunde mit denen gemacht haben. Da hatten
00:25:39: wir auch unsere erste große Ausstellung eröffnet und wir hatten auch gleichzeitig noch irgendwie Saisoneröffnung und auf dem Südtribünen-
00:25:45: Vorplatz saßen sie da alle. Und vorher hatten sie alle gesagt, "Das interessiert doch keinen, da kommt doch keiner", und so weiter und
00:25:52: dieses Bild, dass da Leute Schlange standen. Da saßen dann diese Herren, in dem Fall
00:25:58: war es halt nun mal so, das waren dann Leute wie Oschi Osterhoff, Rolf Bergeest und Ingo Porges und so weiter und
00:26:04: haben dann, Klaus Stothfang, haben Autogramme geschrieben. Das war wirklich eine
00:26:10: richtig schöne Sache, weil die sich einfach mal gründlich geirrt haben, es hat die Leute eben sehr interessiert. Da standen wirklich viele Leute und haben sich
00:26:16: Autogramme von den Regionalliga-Meistern geholt. Die haben all das, was ich
00:26:22: jetzt dann so erzähle, dann wirklich erlebt. Jetzt gab es also die Aufstiegsrunde und das war keine schlechte Aufstiegsrunde. Die Aufstiegsrunden
00:26:28: waren dann tatsächlich auch bundesweit zusammengesetzt. Oft hatte man traditionell sehr viel Angst vor den Mannschaften aus dem
00:26:34: Westen. Da gab's natürlich irre viel Konkurrenz, weil es so viele Teams auf so engem Raum gab. Und aus dem Westen kam dann beispielsweise Rot-Weiss
00:26:40: Essen und Ingo Porges, damals Mannschaftskapitän und das war ja auch der Nationalspieler im Team. Ingo
00:26:47: Porges hat dann tatsächlich auch gesagt, das wären wohl die Stärksten. Dann gab es Saarbrücken
00:26:53: und dann gab es Schweinfurt 05. Natürlich alles Mannschaften, wo man heute sagt, naja. Die meisten kennen
00:26:59: vielleicht noch Rot-Weiss Essen, aber das war schon eine recht starke Runde. Und auch irgendwie so ein bisschen typisch,
00:27:05: gegen wen haben sie beide Spiele gewonnen? Natürlich Rot-Weiss Essen, die Stärksten. Wichtige Punkte
00:27:11: wurden eben liegen gelassen, unter anderem gegen Schweinfurt und so weiter und es errechnete sich dann also so, dass
00:27:18: sie in der Aufstiegsrunde wirklich gut dastanden, es aber am Ende wirklich so eine Art Endspiel gab gegen
00:27:24: Essen. Thomas guckt ein wenig skeptisch. Ja, aber das war schon paar
00:27:30: Sekunden vorher, du hattest Herrn Stothfang als Klaus betitelt, der heißt aber Uwe. Das
00:27:37: geht natürlich gar nicht. Ja, also, das geht nicht, Entschuldigung lieber Uwe. Aber
00:27:43: was jetzt die Aufstiegsrunde angeht, muss man sich eben wirklich vorstellen, sie hatten es wirklich gut gemacht. Sie standen so dicht am
00:27:49: Aufstieg wie irgendwie nie wieder zuvor und es wurde dann also vorher ausgerechnet, vor dem Spiel in Essen, dass
00:27:56: sie unbedingt mit zwei Toren Unterschied gewinnen müssten, dann
00:28:03: würde das also wohl klappen. Rolf Bergeest ließ sich also auch wirklich quasi
00:28:09: extra fit spritzen, das geschah damals also so, dass man sich dann auch aus Blutergüssen dann irgendwie Flüssigkeit raus
00:28:15: zog und so weiter und Betäubungsspritze setzen. Das war also für die Aufstiegsrunde
00:28:21: insgesamt, Rolf Bergeest war wieder dabei, er war aber nicht ganz fit und spielte teilweise mit Turnschuhen
00:28:27: statt mit Stollenschuhen und musste dann auch wieder aufhören und musste dann also
00:28:33: tatsächlich vom Bett aus per Rundfunk verfolgen, wie es dann also in das Spiel gegen Essen ging.
00:28:39: Und aufgrund des besseren Torverhältnisses musste St. Pauli mindestens 3:0 oder 4:1 gewinnen, um noch
00:28:46: den Aufstieg zu schaffen. So, 18 Minuten gespielt, 1:0 fällt, man denkt natürlich, verflixt
00:28:52: noch mal. Jetzt aus Sicht vom FC St. Pauli nicht auswärts falschrum gedacht. Ja, so, Ihr habt sie doch und
00:28:58: plötzlich hörten die auf und spielten Sicherheits-Fußball und niemand der Spieler, die damals dabei waren, konnte mir sagen, warum. Sie hatten wirklich
00:29:04: den Aufstieg so dicht dran, sie hätten jetzt noch zwei Tore schießen müssen und hätten es geschafft. War nichts. Also am
00:29:10: Ende lagen Essen und St. Pauli mit je 8:4 Punkten gleichauf, Essen hatte 10:6 Tore, St. Pauli 10:8.
00:29:17: Damals gab es eine Regelung namens Torquotient, da wurde das wirklich ausgerechnet. 10 durch 6
00:29:23: und 10 durch 8 und man hätte jetzt also, selbst bei einem Tor mehr für den FC St. Pauli, hätte Essen mit 10:7
00:29:29: Toren einen besseren Torquotienten gehabt, war also nichts. Man hätte also tatsächlich noch voller auf
00:29:35: Sieg spielen müssen. Sie haben es ganz, ganz knapp mit zwei Toren nicht geschafft, mit dieser Mannschaft oben
00:29:42: in die Bundesliga einzuziehen, wie sie es eigentlich meiner Ansicht nach schon längst
00:29:48: hätten tun dürfen. Das war aber auch noch nicht das Einzige, was diese Saison irgendwie so besonders
00:29:54: gemacht hat. Da gab es z.B. auch noch einen Schwank von Schweinfurt 05, da
00:30:02: hatten nämlich drei der besten Spieler, der Schweinfurter Innensturm, der war damals
00:30:08: wohl irgendwie sehr berühmt. Die waren gegen St. Pauli auch dabei, die waren stark und entsprechend haben die dann auch gewonnen, 2:1
00:30:14: hat Schweinfurt gegen uns gewonnen mit der besten Besetzung. Daraufhin wurde wohl kräftig gefeiert und drei
00:30:20: der besten Schweinfurter haben so über den Strang geschlagen, dass sie dann tatsächlich suspendiert
00:30:26: wurden, die durften dann nicht mehr mitspielen. Als Schweinfurt gegen Essen spielte war das also die Schweinfurter B-Auswahl
00:30:32: und Essen gewann gegen Schweinfurt, während St. Pauli gegen Schweinfurt also verloren hatte. Die ganze Tor-
00:30:38: Geschichte hätte sich so überhaupt gar nicht gestellt, wenn die Schweinfurter abstinent geblieben wären und nicht irgendwie
00:30:44: dieses irre Besäufnis gemacht hätten. Kann also wirklich sein, dass dieses Besäufnis von drei Schweinfurter Spielern die Vereinsgeschichte des
00:30:50: FC St. Pauli stark beeinflusst hätte. Denn das kommt ja quasi auch als meine Conclusio, warum ist denn
00:30:57: das jetzt eigentlich so wichtig? Also, wie gesagt, einmal so diese Saison-Dramaturgie ist finde ich irgendwie von dieser besonderen
00:31:04: Tragik, die irgendwie so ja, Melancholie ist die Zitrone auf dem Schnitzel des Lebens-mäßig den FC St. Pauli
00:31:10: oft prägt. Kalauer auch dabei auf jeden Fall. Und zeitlose
00:31:18: Weisheiten, das muss es hier im Podcast auch mal mit dabei geben. Es ist nämlich so, dass ich
00:31:24: mir wirklich, auch als ich damals das recherchiert habe und kennengelernt habe, das war mir damals neu, ich habe mich immer wieder auch damit
00:31:30: beschäftigt. Und ich meine tatsächlich, die Vereinsgeschichte wäre möglicherweise deutlich anders ausgefallen,
00:31:36: wenn damals die aufgestiegen wären. Und zwar gerade weil diese Mannschaft so gut war,
00:31:42: ich könnte mir gut vorstellen, dass die sich damals tatsächlich auch da hätten festsetzen
00:31:48: können. Dazu habe ich übrigens auch noch ein Zitat von Klaus Christensen, der gegen Rot-Weiss Essen gespielt hat und der hat tatsächlich so gut
00:31:54: gespielt gegen die Essener, dass die ihm sofort ein Angebot gemacht hatten. Also hier noch mal Beweisstück Drei
00:32:01: quasi für meine These, dass die wirklich gut waren. "Als ich da in dieser Aufstiegsrunde sehr gut
00:32:07: gespielt habe, hatte ich also eine Anfrage von Rot-Weiss Essen, die hatten da nen älteren, Roß hieß
00:32:13: der glaube ich, so einen älteren Torwart und die suchten Nachwuchs und haben mich angesprochen auch.
00:32:19: Aber bei mir war es so, ich war hier ziemlich verwurzelt in Hamburg, hatte meine Frau kennengelernt
00:32:25: da und deshalb wollte ich nicht nach Essen eigentlich. Ja, da hätte ich dann Erste Liga gespielt." Genau, ich habe mir nämlich
00:32:31: im Vorwege mal, da ich das Thema ja kannte wie gesagt, mal die Zuschauerzahlen da angeguckt was das angeht, das
00:32:37: Publikum angeht. Also in diesen Jahren '63 bis '66, in den drei Saisons zum Beispiel, war der
00:32:43: Zuschauerschnitt in der Liga zwischen 5.000 und 5.800, also jetzt auch nicht so wahnwitzig voll
00:32:49: war es da am Millerntor. Natürlich gab es mal ein paar bessere Spiele, die dann auch mal mit Mühe fünfstellige
00:32:56: Zahlen ergaben, aber eben auch nicht mehr. Und auch diese Aufstiegsrunden '64 und '66 hatten einen Schnitt von 14.000 und
00:33:02: 15.000. Insofern die Frage wäre, wäre es überhaupt in der Bundesliga, wäre da viel, viel mehr los gewesen?
00:33:09: Einfach wegen der attraktiveren Gegner vielleicht, oder wär das wirklich der kleine Verein neben dem HSV geblieben?
00:33:15: Also ich finde vor allem, wenn man natürlich bedenkt, was wäre wenn, die Frage. Gerade zu einer Zeit der
00:33:21: 60er-Jahre wäre es möglich gewesen, zwei gleichberechtigte Vereine aus einer Stadt, dass
00:33:29: die überhaupt existieren können zu einer Zeit, wo auch Sponsoren, Werbeeinnahmen auch sehr umkämpft waren. Wohl
00:33:35: richtig, aber wir hatten natürlich auch Typen, mit der entsprechenden Vermarktung, wer weiß. Du weißt natürlich nicht genau, was passiert wäre, wenn
00:33:41: sie dann in die Erste Liga aufgestiegen wären. Es hätte auch passieren können, dass sie natürlich auch gleich wieder, plumps, runter sind und dann wäre die Geschichte
00:33:47: eigentlich mehr oder weniger genau so weiter gegangen, wie sie dann weiter gegangen ist. Also immer wieder Versuche aufzusteigen, die
00:33:53: dann nicht gelingen, dann Gründung der Zweiten Bundesliga und so weiter. Dann Ausbruchsversuch, der dann teuer
00:33:59: bezahlt wurde letzten Endes durch Lizenzentzug und Zwangsabsturz in die dritte Liga, aber
00:34:06: hätte auch anders sein können. Danke Christoph schon mal für diesen sehr
00:34:12: ausführlichen Einstieg, aber das funktioniert ja alles ganz gut, wie wir uns das vorgestellt haben. Thomas hat auch schon was gesagt.
00:34:22: Ist ja das erste Mal, man überlegt sich da so ein schönes Konzept und dann muss man ja auch erstmal gucken, ob das alles so hinhaut, wie man sich
00:34:28: das vorgestellt hat, aber ich finde das läuft ganz gut. Vor allem bin ich gespannt was jetzt kommt. Genau. Vor allem wenn jetzt
00:34:34: alle Mannschaften, die ich jetzt genannt habe, jetzt einfach bei Euch vollkommen, ist ja super, ich habe da einfach mal alle genamechecked. Ja vielen Dank, ich wollte die Pokalserie machen. Jetzt bin ich
00:34:43: aber natürlich auch gespannt, was es denn für andere Vorschläge gibt, denn die 65/66er die ich da jetzt aus dem Hut gezogen habe, sind
00:34:49: natürlich lange nicht das einzige Team, was der FC St. Pauli hier so zu bieten hat. Ja, ich bin das Thema ein ganz
00:34:55: klein bisschen anders angegangen. Meine wichtigste Mannschaft ist eine, die gar keine Mannschaft war und
00:35:02: eine, die der FC St. Pauli auch gar nicht wollte. Und zwar das erste Frauenteam am Millerntor
00:35:08: und ich habe mir dieses Team ausgesucht, weil ich der Meinung bin, dass kaum ein anderes Team in der Geschichte des FC
00:35:14: St. Pauli so viele Widerstände überwinden musste, um am Millerntor Fußball zu spielen. Das erste Frauenteam
00:35:20: am Millerntor gründete sich 1970, kurz bevor der DFB das sogenannte Frauenfußballverbot
00:35:27: endgültig aufhob. Und der Begriff Frauenfußballverbot ist ein bisschen irreführend, weil es Frauen in Deutschland natürlich nicht
00:35:33: verboten war, Fußball zu spielen. Aber es war den Vereinen verboten, Frauenfußball-Abteilungen zu
00:35:39: gründen und weiblichen Spielerinnen Plätze zu überlassen. Und den Schieds- und Linienrichtern des
00:35:45: DFB war es untersagt, Damenfußball-Spiele zu leiten. Und dieses Verbot aus
00:35:51: dem Jahr 1955, das dann 1970 aufgehoben wurde, das war eigentlich ein Relikt aus
00:35:57: der NS-Zeit. Der DFB hatte sich ja im 'Dritten Reich' mehr oder weniger selbst gleichgeschaltet und
00:36:04: dann im März 1936 den Frauen in Deutschland das Fußballspielen untersagt. Obwohl oder
00:36:10: vielleicht auch weil zu diesem Zeitpunkt Fußball als Sportart bei den Frauen in Deutschland immer beliebter wurde und das passte natürlich
00:36:16: nicht ins nationalsozialistische Frauenbild. Da galt die Sorge um körperliches Wohlergehen, vor allem der Gebärfähigkeit.
00:36:22: Und Fußball galt eher so als männlicher Kampfsport, als zu gefährlich für zarte
00:36:28: Frauen. Und die Begründung war dann 1955 im Wesentlichen auch immer noch dieselbe wie 1936.
00:36:35: Könnt Ihr Euch vielleicht vorstellen, welche Gründe da so genannt wurden? Vermeintlich ästhetischer Natur vielleicht. Würde
00:36:41: ich auch sagen. Nicht damenhaft vielleicht. Genau, nicht weiblich genug. Ein Kampfspiel,
00:36:47: was sozusagen dem weiblichen Körper nicht entspricht. Sowas in der Richtung. Ja,
00:36:54: ich lese Euch mal ein schönes Zitat aus der Begründung vor und zwar hieß es da: "Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche
00:37:00: Anmut. Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit
00:37:07: und Anstand." Oha. Ja, da war ja alles drin. LOL, kann man das auch zusammenfassen.
00:37:17: Ihr könnt Euch bestimmt schon vorstellen, dass sich die Frauen das Fußballspielen nicht haben verbieten lassen und dass es auch zwischen 1936
00:37:24: und 1970 viele Fußballerinnen und Teams gab, auch in Hamburg. Und es gab auch Vereine wie z.B.
00:37:31: Altona 93, die sich quasi in zivilem Ungehorsam geübt haben und trotzdem Frauenfußball-Abteilungen
00:37:37: unterhalten haben, obwohl der DFB regelmäßig mit Strafen drohte und diese auch umsetzte. Also es gab
00:37:43: tatsächlich auch Spiele, die von der Polizei aufgelöst wurden, weil dann da so Vereinsfunktionäre antanzten
00:37:50: mit Polizisten und diese Unerhörlichkeit quasi zur Anzeige gebracht haben. Also
00:37:57: die Straftat war tatsächlich einfach nur, dass da Frauen Fußball gespielt haben und dann kamen dann
00:38:03: schon die Schutzmänner angelaufen? Nicht von sich aus, das war ja kein Straftatbestand im eigentlichen Sinne, aber da es ja den Frauen
00:38:09: untersagt war, auf den Plätzen zu spielen vom DFB und wenn die Platzinhaber dann
00:38:15: diese Ungeheuerlichkeit nicht dulden wollten, dann konnten sie da die Polizei rufen und ich nehme
00:38:21: an entsprechend Hausrecht das Ganze auflösen. Aber das wurde in den 60er-Jahren dann auch
00:38:27: immer mehr, auch bei den traditionellen Vereinen. Also, dass es entgegen des DFB-Verbots Frauenfußball-Abteilungen
00:38:34: gab. Tatsächlich war es so, dass Ende der 60er-Jahre in Deutschland schon etwa 40.000 bis 60.000 Mädchen und
00:38:40: Frauen Fußball spielten, das ist so belegt. Aber einen richtigen Spielbetrieb
00:38:46: gab es halt eben nicht und das lag an diesem DFB, in Anführungszeichen, Verbot und den Spielbetrieb gab's dann erst,
00:38:52: als der DFB 1970 eingeknickt ist. Und das war auch eher ne Flucht nach vorn, weil die Vereine sich das halt einfach
00:38:58: nicht mehr haben verbieten lassen und der DFB hatte schlicht Angst, dass die Frauen dann ihren eigenen Verband gründen können. Und
00:39:05: das wollten sie natürlich nicht. Gab es denn da entsprechend auch schon Pläne, von denen man heute auch weiß, diesen Verband
00:39:11: zu gründen? Die Überlegungen gab's und das sagen auch ehemalige Spielerinnen aus der Zeit ganz klar, also dass sie
00:39:17: davon ausgehen, dass der DFB einfach Wind davon bekommen hat und dann schnell die Flucht nach vorne angetreten ist.
00:39:23: Und trotzdem gab es einen riesigen Widerwillen des, ich sage mal, Fußball-Patriarchats, den Fußball der Frauen auch
00:39:30: ernst zu nehmen und das hat man auch damals so richtig schön raus gehört in der Berichterstattung. Z.B. bei
00:39:36: Wim Thoelke, der damals das 'Aktuelle Sportstudio' moderierte, wird Euch vielleicht ein Begriff sein, kennt man ja den
00:39:42: Namen. Ich spiele Euch mal einen Ausschnitt vor von 1970, da kommentiert Thoelke ein
00:39:48: Spiel der inoffiziellen deutschen National, in Anführungszeichen, Mannschaft. "Und da sind dann
00:39:54: auch endlich die Damen Fußballerinnen. Ein läuft die deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen, auch ein Fräulein Müller
00:40:00: ist dabei, Fräulein Gerda Müller. Sehr zarte Rempelei. Laufen, Erna! Erna ist die flinke noch.
00:40:10: Junge, Junge, die brauchen sich gar nicht aufzuregen die Zuschauer, die Frauen waschen doch ihre Trikots selber. Wenn die Männer in den Schlamm fallen würden, das wär schlimm, denn dann müssten die Frauen zu
00:40:16: Hause waschen. Decken, decken, nicht Tisch decken, richtig. Mann
00:40:22: decken, so ist recht. Frei von allen kleinlichen Sorgen um Haushalt, Mann und Kinder.
00:40:28: Es wird aber jetzt alles ganz ernst, denn der Deutsche Fußballbund hat ja die Frage des Frauenfußballs sachlich und
00:40:35: positiv geprüft und es gibt sicherlich bald auch in Deutschland eine Entscheidung." Ja, man
00:40:41: schämt sich seines Geschlechts. Wim Thoelke mochte ich noch nie. Herr Thoelke hat es
00:40:48: dann ja schon vorweggenommen, das Frauenfußballverbot, das sogenannte, fiel und es war Frauen dann
00:40:54: von Seiten des DFB erlaubt, Fußball zu spielen. Aber für die Frauen galten andere Regeln
00:41:00: als für die Männer. Die Spielzeit war auf zwei Halbzeiten à 30 Minuten gekürzt. Stollenschuhe
00:41:07: waren verboten und die Frauen mussten eine sechsmonatige Winterpause einhalten. Und Frauenteams
00:41:13: sollten mit einem Jugendball, also einem kleineren und leichteren Ball spielen. Jetzt könnt Ihr Euch ungefähr vorstellen, wie
00:41:19: die Stimmung damals 1970 war und in diesem Klima hat sich dann auch das erste Frauen-Team beim FC St. Pauli gegründet. Und
00:41:27: das muss man ganz deutlich dazu sagen, die Vereinsführung hatte da gar keinen Bock drauf, da war man wirklich nicht
00:41:33: besonders progressiv. Als die Anfrage aus dem Kreis der Handballerinnen kam, eine Frauenfußball-Abteilung gründen
00:41:39: zu wollen, hat man das nicht unterstützt, sondern man hat sich quasi erstmal ein unüberwindbares Hindernis ausgedacht. Dazu
00:41:46: ein Zitat von Monika Assmuteit, damals noch Hoppe, Mitgründerin des ersten Frauenteams beim FC St. Pauli.
00:41:52: "Ja, der Vorstand sagte dann zu uns, wir dürfen anfangen Fußball zu spielen, wenn wir einen Betreuer, einen
00:41:58: Trainer und elf Spielerinnen zusammenbekommen. Wir hatten uns das eigentlich so ein bisschen anders vorgestellt,
00:42:04: ich hatte gehofft, dass wir etwas unterstützt werden, dass ein bisschen Werbung gemacht wird, aber das passierte nicht, also mussten wir uns alleine
00:42:11: darum kümmern. Wir stellten dann beim Training fest, dass wir keine elf Leute mehr hatten und dann bin ich abends nach dem Training noch manches
00:42:17: Mal nach St. Pauli in 'Camelot' gegangen und habe Spielerinnen überredet, morgens
00:42:24: zu kommen, obwohl sie die ganze Nacht arbeiten mussten. Die kamen dann wirklich zum Sportplatz und sind
00:42:30: ohne Schlaf auf den Platz gegangen und haben mit uns gespielt." Das 'Camelot' war eine Kneipe am Hamburger
00:42:36: Berg, die dafür bekannt war, dass sie eine beliebte Begegnungsstätte für lesbische Frauen war. Und
00:42:42: Monika Assmuteit spielte damals außerdem in einer Band namens 'The Kids', das war die erste rein weibliche
00:42:49: Beat-Band Deutschlands und sehr beliebt in Norddeutschland. Ich glaub 1966 hatten die sich gegründet. Ich
00:42:56: spiel Euch jetzt mal einen kleinen Ausschnitt vor, so klang das damals bei 'The Kids': MUSIK.
00:43:11: Am Schlagzeug bei 'The Kids' saß damals Regina Gronenberg und das war eine der besten Fußballerinnen in Hamburg.
00:43:17: Und Monika überzeugte sie, vom SC Sperber ans Millerntor zu kommen. Ja und wie es ihr
00:43:23: dann am Millerntor so ergangen ist und wie ihre Eindrücke waren, das kann sie uns einfach selber erzählen: "Der FC St. Pauli ist natürlich
00:43:30: ein spezieller Club und der Damenfußball war auch damals nicht so sehr gerne geduldet
00:43:36: im Verein, das heißt, wir als Mannschaft mussten praktisch für alles kämpfen. Am Anfang hat
00:43:42: man es ein bisschen abgetan, wie 'Die versuchen jetzt mal Fußball zu spielen, das wird sich schon irgendwie wieder geben' und dann
00:43:48: haben wir schicke neue Trikots gekriegt. Trikots in Übergrößen, die Hosen zu lang, also wir müssen prächtig
00:43:54: ausgesehen haben. Und dann waren eben die Trainingsbedingungen auch sehr, sehr schlecht, wir haben damals trainieren
00:44:01: müssen auf einem Platz der, ja, also Grand war's nicht, er erinnerte so an so einen Bauschuttplatz zu
00:44:07: der Nachkriegszeit." Das erste Testspiel fand dann Mitte September 1970 gegen HT16
00:44:14: statt und endete 0:3. Aber schon wenig später gab es den ersten Sieg, nämlich gegen den
00:44:20: Bostelbeker SV, das war dann schon ein sehr respektables 5:0. Und im März 1971
00:44:27: begann dann in Hamburg endlich der erste offizielle Ligabetrieb in der neugegründeten Frauenliga des Hamburger
00:44:33: Fußball-Verbandes. Die Fußballerinnen vom FC St. Pauli schlugen in ihrem ersten Pflichtspiel ETV, also
00:44:40: den Eimsbütteler Turnverein, mit 4:0. Und sportlich erfolgreich ging es dann in der Debütsaison auch weiter, das
00:44:46: Team sicherte sich den zweiten Platz hinter Rothenburgsort. Relativ viel mediale Aufmerksamkeit gab es auch, vor
00:44:52: allem für Regina und das war meiner Einschätzung nach aber eher auf, ich sag mal, voyeuristische
00:44:58: Neigungen und weniger auf sportliches Interesse zurückzuführen. Die meisten Artikel waren nämlich ziemlich unverhohlen sexistisch.
00:45:05: Da ging es sehr viel um ihr Aussehen und um solche Fragen, wie ob sie sich mit ihren blauen Flecken dann überhaupt noch, in Anführungszeichen,
00:45:11: weiblich fühle. Ich habe da so ein paar Highlights zusammengestellt aus
00:45:17: der Hamburger Sport- und Boulevardpresse und ich würde Euch einfach mal bitten, die abwechselnd vorzulesen. "Den
00:45:23: Herren stockt der Atem, wenn die blonde Regina losstürmt." "Aphrodite stürmt das
00:45:29: Fußballfeld." "Schämt sich die junge Frau nicht, wenn sie sich mit Schürfwunden am Bein im Bikini ins Freibad
00:45:36: legt?" "Nackt vergisst Regina ihre blauen Flecken." "Regina Gronenberg,
00:45:42: das St. Pauli-Mädchen mit Ballgefühl und Bums. Apropos St. Pauli-Mädchen, gemeint sind natürlich die jungen Damen, die am Millerntor
00:45:48: über den Rasen laufen, nicht die, die einen Steinwurf weiter im knapperen Trikot über die Straße trippeln." "Fasziniert
00:45:55: folgen die Augen der Zuschauer der blonden Mähne, denn wo seidige lange Haare im Wind flattern, ist meistens
00:46:01: auch der Ball." Ich finde, man muss sich einfach mal vorstellen über unsere Spieler der ersten
00:46:07: Herrenmannschaft würde heute so berichtet werden, also z.B. "Da wo Jackson Irvines
00:46:13: lange seidige Haare im Wind flattern, ist meistens auch der Ball. Schämt Leart Paqarada sich nicht, wenn er mit blauen
00:46:20: Flecken ins Freibad geht?" Naja, es ist tatsächlich so, wenn man das heute so hört, dann ist einem natürlich auch vollkommen zurecht
00:46:26: beklommen. Ja, beklommen finde ich quasi noch vorsichtig formuliert. Anyway,
00:46:32: ob es jetzt an der medialen Aufmerksamkeit lag oder nicht, die FC St. Pauli-Spielerinnen hatten
00:46:38: Anfang der 70er Jahre wesentlich mehr Zuschauer:innen bei ihren Spielen als die zweiten Herren, weshalb dann unter
00:46:44: anderem der Kassenwart anfing, die Frauen zu unterstützen. Vorsichtig zu unterstützen, aber zu unterstützen. Auch ein bisschen irre, dass
00:46:50: sie unterstützt wurden, weil sie finanziell erfolgreich waren, erfolgreicher als die Herren. Ich habe auch gelesen, dass
00:46:56: die Spielerinnen sogar sogenannte, in Anführungszeichen, Vorspiele bei Auswärtsspielen der ersten Herrenmannschaft bestreiten
00:47:03: durften. Und da bin ich so ein bisschen drüber gestolpert, weil Vorspiele, das war mir bis dato nicht so ein Begriff. Ich stell mir das
00:47:09: jetzt so ein bisschen vor wie so Vorbands bei Konzerten. Ja, also die Faktenlage und
00:47:15: die Datenlage ist natürlich ein bisschen fragwürdig, muss man zugeben, was das Ganze angeht, aber es gibt Aufzeichnungen mit
00:47:21: den Terminen und auch mit Spielorten. Und es gibt auch definitiv zwei Spiele, wo die Frauen vor den ersten
00:47:27: Herren auswärts gespielt haben, nämlich in Göttingen schon im Oktober 1970, also kurz nach der Gründung und in Lübeck
00:47:33: ein Jahr später. Da hat man ein Testspiel gegen Rot-Weiß Moisling ausgetragen,
00:47:40: das war oder ist immer noch ein Stadtteil von Lübeck und danach haben dann halt die Männer des VfB Lübeck
00:47:47: gegen den FC St. Pauli gespielt in der damaligen Regionalliga Nord. Abgesehen von diesen Auswärtsspielen gab es aber
00:47:53: durchaus wohl auch Spiele am Millerntor, wo die Frauen dann vor den Profis gespielt haben oder vor
00:47:59: der ersten Herren. Dazu gibt es auf jeden Fall zwei Daten, die übereinstimmen mit einem Profispiel, es gibt
00:48:05: aber auch Daten, wo am Millerntor gespielt wurde, wo die Profis nachweislich entweder gar nicht oder auswärts gespielt haben. Möglicherweise
00:48:11: aber war das dann damals ein Vorspiel zu den Amateuren, die immerhin nur eine Liga unter
00:48:18: ersten Herren gespielt haben in der damaligen Landesliga Hamburg, die aber immerhin die dritte Liga war und die Herren waren ja in
00:48:24: der zweitklassigen Regionalliga zugange. Das ist wie gesagt alles etwas schwierig nachzuvollziehen, das kann man sich nur anhand der Daten
00:48:30: so ein bisschen eruieren, aber es gab auf jeden Fall hin und wieder scheinbar Spiele am Millerntor der
00:48:36: Frauen, das ist durchaus richtig. Haben die das denn eigentlich jetzt als Abwertung
00:48:43: empfunden? Weil es ist ja schon so ein bisschen, du bist nur die Vorband sozusagen, oder war es dann eher so, dass
00:48:49: es auch als positiv empfunden wurde, dass man mehr Publikum oder anderes Publikum? Es war ja
00:48:55: nicht mehr, weil der Kassenwart war ja mit den Frauen zufriedener. Ja, also das mit dem Kassenwart bezog
00:49:02: sich auf die ersten Frauen, in Anführungszeichen, in Konkurrenz zur Amateurmannschaft. Das war
00:49:08: für die Spielerinnen, die wir im Zeitzeugen-Programm interviewt haben, schon eher ein Highlight. Einfach
00:49:14: diese großen Stadien und diese großen Zuschauerzahlen, weil die Frauen ihren Spielbetrieb ja wie
00:49:21: heute, kleiner Seitenhieb, nicht im Millerntorstadion ausgetragen haben, sondern damals war es
00:49:27: ein Grandplatz an der Feldstraße. Wer sich schon mal so ein bisschen mit der Geschichte des
00:49:33: FC St. Pauli auseinandergesetzt hat, der weiß, dass die größte Ehrung, die einem Team am Millerntor widerfahren
00:49:40: kann, ein eigener Sauna-Tag ist. Und den haben die Frauen tatsächlich auch bekommen. Auf dem
00:49:46: Höhepunkt ihres Erfolges gab es einen Tag in der Woche, in dem die Sauna in den Katakomben des alten Clubheims
00:49:52: für das Frauenteam reserviert war. Und da wurd dann richtig Wache gestanden und aufgepasst, dass sich da kein Mann rein verirrt
00:49:58: und dass da keine gemischte Sauna stattfindet. Das war die größte Angst der Vereinsführung anscheinend,
00:50:05: weil so richtig aufgeklärt ging's damals noch nicht zu auf St. Pauli
00:50:11: oder zumindest nicht am Millerntor. Und die Vereinsführung war auch trotz des sportlichen Erfolgs und
00:50:17: trotz dieser Zugeständnisse nie so richtig glücklich mit dem Frauen-Team und vor allem nicht mit den 'Camelot'-Spielerinnen,
00:50:23: weil lesbische Frauen auf dem Platz damals noch weniger willkommen waren als heterosexuelle Frauen. Und
00:50:30: als sich dann 1972 erste Schwierigkeiten beim Zusammenstellen eines neuen Frauenteams auftaten nutzte
00:50:36: die Vereinsführung des FC St. Pauli tatsächlich die Gelegenheit und meldete die Frauen vom Spielbetrieb ab. Und anstatt die Frauen
00:50:42: dann dabei zu unterstützen, neue Spielerinnen zu rekrutieren, das hätte man ja auch machen können, hat man sich dafür entschieden, das Team im
00:50:48: Dezember 1972 aufzulösen. Dann war eine sehr, sehr lange Zeit
00:50:54: ohne weiblichen Fußball am Millerntor, richtig? 18 Jahre hat es dann gedauert, bis die nächste Truppe mutiger
00:51:02: Frauen sich getraut hat, entgegen der nach wie vor bestehenden Widerstände - nach wie vor bestehend, damit meine
00:51:08: ich, dass sie Anfang der 90er auch noch bestanden - mittlerweile hat sich da gottseidank einiges getan. Genau, aber ich denke, meine
00:51:14: es war, Thomas korrigiere mich, wenn ich falsch liege, 1990, also 18 Jahre nachdem das... 89/90,
00:51:21: so um und bei, ja, definitiv. Sagen wir mal rund 18 Jahre nachdem dieses erste
00:51:27: Frauenteam aufgelöst wurde, zwangsaufgelöst wurde, dass sich dann ein
00:51:33: neues Frauenteam am Millerntor gründete und dieses bestand dann
00:51:39: auch durchgehend bis heute. Also nicht mit denselben Menschen offensichtlich, aber es gibt seitdem eine
00:51:46: Frauenfußball-Abteilung am Millerntor. Auch nicht von Anfang an, aber auf jeden Fall. Zunächst wurden
00:51:52: die, ich nenne es jetzt mal, fußballwilligen Frauen ja der Jugendabteilung zugeteilt, um sie
00:51:58: überhaupt irgendwo unterzubekommen im Verein, was dann zu Trainingszeiten am Nachmittag führte, was dann wiederum zu Problematiken natürlich führte.
00:52:04: Aber diese ganze Geschichte haben wir auch schon mal uns erzählen lassen in mittlerweile sogar zwei
00:52:10: sehr ausführlichen Veranstaltungen jeweils am 8. März der letzten beiden Jahre. Die Ihr Euch auf unserem YouTube-Kanal angucken
00:52:17: könnt. Genau, alles noch vorhanden, insofern da wird das Thema auch sehr ausführlich behandelt, wie es
00:52:23: dann in 89/90 dann weiterging und wieder losging. Ja, schaut unbedingt mal rein. Wie gesagt, das FC St. Pauli-
00:52:29: Museum ist nicht nur der Raum in der Gegengerade, das FC St. Pauli-Museum ist auch ein digitaler Raum und der findet
00:52:35: eben auch auf YouTube, Insta, TikTok und Facebook statt. Es ist uns echt wichtig, auch da unseren
00:52:41: Zweck zu erfüllen und halt eben über Geschichte, Kultur und Werte des FC St. Pauli zu informieren und dabei eben nicht
00:52:47: nur über die Sachen, die toll gelaufen sind, sondern ganz explizit auch die Sachen, die verflixt noch mal überhaupt nicht gut und richtig gelaufen
00:52:53: sind. Und darum glaube ich auch ja, also, wir werden hier sowieso am
00:52:59: Schluss nicht schließen mit "Stimmt, das ist jetzt das wichtigste Team", aber ich finde es auch wirklich sehr,
00:53:06: also die Wichtigkeit erkennt man ja von selbst und es ist leider sabotiert worden muss man ja richtig sagen. Ja, aktiv
00:53:13: sabotiert worden und ich glaube, das war auch einer der großen Unterschiede, wenn man so will, zum zweiten
00:53:19: Start in den 90er-Jahren, dass es da immerhin einige Unterstützer oder zumindest
00:53:25: einen Unterstützer gab in der Vereinsführung. Einen männlichen Unterstützer, nämlich Christian Hinzpeter,
00:53:31: der sich sehr, sehr eingesetzt hat für das Frauenteam. Was wohl auch wichtig war, weil
00:53:37: ich erinnere mich, dass auch damals zum Beispiel Hans Apel, der war auch mal Finanzminister, der war auch mal Vizepräsident beim FC St. Pauli, und von
00:53:43: dem gibt's einen Fernsehausschnitt auch, wo er gefragt wird, wie das denn jetzt mit den Fußballerinnen so laufen solle. Und
00:53:49: der sagt dann, man habe sich dagegen entschieden, denn das sei ja alles viel zu aufwändig, man müsste
00:53:56: ja zusätzliche Kabinen bauen. Da denkt man auch, ey. Ja, so kam es dann zum Glück nicht, also er
00:54:02: konnte sich damit dann nicht durchsetzen. Und so wie ich die Frauen kennengelernt habe, die dann in
00:54:08: den 90er-Jahren das zweite Frauenteam am Millerntor gegründet haben, bin ich mir ziemlich sicher, dass sie es auch ohne die Unterstützung von Christian
00:54:14: Hinzpeter durchgezogen hätten, aber ich glaube mit seiner Unterstützung war es leichter. Grüße
00:54:20: an dieser Stelle natürlich an unsere Museums-Kolleginnen Nico und Hagar, unter anderem, Barbara. Und Christopher hatte es ja vorhin auch angerissen,
00:54:31: der Kampf ist ja auch noch nicht zu Ende gekämpft. Also der Kampf der Fußballerinnen um Gleichberechtigung, Respekt, Anerkennung, Trainingsstätten,
00:54:38: Spielplätze, all das gibt es ja nach wie vor. Genau, aber da kann man ja vielleicht, wenn
00:54:45: ich mal so frei bin, direkt zu meinem Thema rüberswitchen. Sehr gerne. Denn um da so einen kleinen Einstieg zu finden,
00:54:51: wir hatten ja gerade... Entschuldige, ich rausche gerade. Thomas hat sich das Mikrofon abgekratzt. Es rauscht halt.
00:54:57: Ich fang noch mal an. Zum Thema
00:55:03: Errungenschaften, da nutze ich gleich mal die Chance, um zu meiner wichtigsten Mannschaft aller Zeiten
00:55:09: überzugehen. Möchte den Bogen noch ein bisschen spannen, noch ein bisschen zurückgehen auf das Jahr 2022.
00:55:15: Dort wurde wie ihr wisst auf der MV des FC St. Pauli ein neuer Aufsichtsrat
00:55:21: gewählt. Mit vier Frauen. Genau und alleine die Tatsache,
00:55:27: dass wir einen Aufsichtsrat wählen können und dieser auch
00:55:33: fanbesetzt ist, ist schon eine Errungenschaft. Und eine Errungenschaft, die auch wie vieles in diesem Verein
00:55:39: erkämpft wurde und erkämpft werden musste. Davon möchte ich jetzt erzählen, wie es eigentlich dazu
00:55:45: kam und was die Amateure damit zu tun haben und was
00:55:51: ein knurriger alter Trainer damit zu tun hat. Und deswegen möchte ich mich ein bisschen aus dem Fenster lehnen
00:55:58: und sagen: Danke für alles Uli Maslo! Ok, das war jetzt tatsächlich so der Twist, auf den ich gewartet hab,
00:56:04: weil ich dachte, Du sagst jetzt gleich tatsächlich, die wichtigste Mannschaft ist der Aufsichtsrat. Das wäre auch schön. Relativ lange
00:56:10: war das ja eine Mannschaft, wie Du richtig sagst, ist es jetzt ein Team. Genau, es war sehr lange eine sehr weiße, sehr alte
00:56:16: Mannschaft. Nein, darauf möchte ich nicht hinaus, denn ich möchte sagen, die wichtigste Mannschaft
00:56:22: aller Zeiten sind für mich die Amateure des FC St. Pauli Mitte der 90er-Jahre. Ok Mainstream,
00:56:28: totaler Mainstream, man kennt sie. Ausnahmsweise hole ich jetzt mal aus im Gegensatz zu Euch. Endlich, diese
00:56:35: ganzen kurzen Geschichten. Ja, man könnte aber sagen, dass der Fußball am Millerntor zu Beginn der 90er-Jahre unter
00:56:41: einem schlechten Stern stand. Nicht nur dass nach der erfolgreichsten
00:56:47: Zeit der Vereinsgeschichte könnte man sagen, drei Bundesliga-Jahre am Stück, wurde Helmut Schulte
00:56:53: entlassen aufgrund von Erfolglosigkeit. 1991 dann der Tränen-Abstieg in Gelsenkirchen im dritten Relegationsspiel
00:57:00: gegen die Stuttgarter Kickers. Es folgte eine Phase der Ernüchterung und so
00:57:06: das erste große Beben im Verein war vorbei. Es war dann wieder trostloser
00:57:12: Zweitliga-Alltag und man muss tatsächlich sagen, heute kaum zu glauben, teilweise vor 11.000 Zuschauern am
00:57:19: Millerntor. Dafür, dass man aus der Bundesliga abgestiegen ist, dass man eigentlich dachte, man hätte eine
00:57:25: Basis geschaffen, merkte man, das war noch alles gar nicht auf so festem Fundament. Man könnte schon sagen, dass es so eine Art kollektiven
00:57:31: Kater in der Fanszene gab. Vielen fehlte es tatsächlich auch ein bisschen an
00:57:37: Identifikation, aber der sportliche Erfolg fehlte auch. Das war natürlich immer noch Jammern auf hohem Niveau, weil natürlich waren immer noch
00:57:43: Spieler wie Klaus Ottens, Jürgen Gronau, die waren noch da, aber irgendwie fehlte
00:57:50: was. Zur gleichen Zeit Anfang der 90er-Jahre entwickelte sich dafür eine lebendige Fan-Kultur rund um die Amateure
00:57:56: des FC St. Pauli, das hatte viele verschiedene Gründe. Spieler aus dem Viertel, nah an den Fans und
00:58:02: eben auch sportlich erfolgreich. Die Amateure sind relativ oft in Folge aufgestiegen,
00:58:08: bis sie dann 1995 in der damals drittklassigen Regionalliga Nord angekommen sind.
00:58:15: Diese mehrere Aufstiege am Stück, die waren durchaus noch vor 1990, das könnt ich nochmal
00:58:21: genau nachgucken gleich, aber auf jeden Fall haben sie dann ein paar Jahre in der Verbandsliga Hamburg gespielt, das war dann damals die vierte Liga. Da auch durchaus erfolgreich
00:58:27: mitgespielt, Zweiter geworden, Dritter geworden, dann aufgestiegen. Beziehungsweise dann wurde es zur
00:58:34: Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein umgeswitcht der Name, aber es war immer noch die vierte Liga und da wurde man
00:58:40: dann Meister 1995 und ist in die dann drittklassige Regionalliga Nord aufgestiegen und ist da auch gleich Siebter geworden. Also
00:58:46: das war auf jeden Fall sportlich, kann man sagen, die erfolgreichste Zeit. Genau, da stoß ich mal direkt rein, denn Andrew Pfennig,
00:58:52: langjähriger Kapitän der Amateure, seit 1987 am Millerntor, bemerkte auch relativ schnell eine
00:58:58: Veränderung: "Also, ich habe in einem Stadtteilverein gespielt und das ist auch gut so. Und wir haben ganz viel von dem Stadtteil
00:59:05: auch mitgekriegt. Ich sagte das eben, wir haben montags die Plakate aufgehängt, wenn wir Heimspiel hatten überall
00:59:13: in der Schanze, auf St. Pauli, auf dem Kiez. Und sind in die Kneipen rein
00:59:19: und überall sind wir herzlich willkommen gewesen und mussten immer noch irgendwie ein
00:59:25: kleines Getränk nehmen, also manchmal war das schon hart an der Grenze. Das war echt eine tolle Gemeinschaft hier,
00:59:31: das muss man sagen. Also ich kam ja aus Kiel, ich kannte ja so diese linke Szene hier überhaupt gar nicht so richtig.
00:59:37: Die Leute sind wirklich anders hier, die agieren ja auch anders so, als das Publikum
00:59:43: beispielsweise in Kiel und wie gesagt, es wurde immer mehr die Fanszene, dass wir teilweise, 300
00:59:50: Leute, 400 Leute, die freuten sich immer, wenn wir über Land gefahren sind. Wenn St. Pauli kam, dann haben
00:59:57: sie ordentlich da Alarm gehabt auf den Plätzen." Ja, das stimmt, die Auswärtsfahrten mit den Amateuren übers
01:00:03: Land sozusagen, gerade eben durch Schleswig-Holstein noch zu der Zeit, das war durchaus immer ein, da waren
01:00:09: die Busse und die Auswärtsfahrten auch immer relativ schnell und gut ausgebucht. Im Sommer '94 gab
01:00:15: es dann erneute Personalrochaden bei den Profis. Der, ich würde jetzt einfach mal mich aus dem Fenster
01:00:21: lehnen und sagen, der beliebte Seppo Eichkorn wurde durch den knurrigen, autoritär auftretenden Uli
01:00:28: Maslo ersetzt. Eine der ersten Amtshandlungen von Uli Maslo war, sich auch mit Fans und
01:00:34: Mitarbeitern zu überwerfen. Sein Lieblingsfeind war zu der Zeit Jürgen Wähling. Jürgen Wähling
01:00:40: war ab '92 Sportdirektor und Trainer der Amateure in Personalunion, also Doppelfunktion
01:00:46: beim FC St. Pauli, ich würde mal schätzen aus Geldgründen. Also Jürgen Wähling, der Lieblingsfeind
01:00:53: von Uli Maslo, war großer Befürworter der Amateure und hatte auch tatsächlich ein gutes Händchen bei Spielern.
01:00:59: Er hat zum Beispiel Spieler wie Jens Scharping entdeckt. Relativ früh wollte Uli Maslo eine
01:01:05: Neustrukturierung des Vereins, eine Professionalisierung. Dazu gehörte für Uli Maslo, dass er
01:01:12: die Amateure nicht mehr am Millerntor spielen lassen wollte, denn sie machen den Rasen kaputt. "Ich habe ja nichts gegen die Amateur-Abteilung gehabt. Aber wenn
01:01:20: der Rasen dann strapaziert ist und wir im nächsten Spiel Schwierigkeiten haben, weil er
01:01:26: holprig ist und schlecht, das kann nicht gehen. Das geht nicht. So wahrscheinlich habe ich deswegen gesagt,
01:01:32: bitte macht das nicht, spielt woanders, weil auf dem holprigen Rasen, also
01:01:39: zwei Spiele hintereinander im Winter bei uns am Millerntor hat der Rasen nicht verkraftet." Gleichzeitig wurde
01:01:45: er aber auch dafür kritisiert, dass er talentierten Spielern aus der zweiten Mannschaft keine Chance gab, da gab es zum Beispiel Spieler
01:01:51: wie Mike Göbel. Anderen vielleicht auch bekannt durch den 'Smegma'-Song "Göbel und Gesocks".
01:01:57: Kleiner Fun Fact, Bassist bei 'Smegma' war in den Neunzigern auch Lars Lewerenz, heutzutage Chef
01:02:04: des Musiklabels 'Audiolith'. Das Lied ist natürlich auf dem berühmten 'Übersteiger'-Sampler von 1998 zu hören.
01:02:10: Wir könnten es nicht einfach anspielen, weil das irgendwie GEMA-mäßig problematisch ist? Oder musikalisch problematisch?
01:02:16: Oder das. MUSIK.
01:02:29: Wo war ich stehengeblieben? Richtig, keine Spiele der Amateure am Millerntor. Was Maslo nicht ahnte
01:02:36: war, welche Reaktionen er damit auslösen würde. Für die Amateure und ihre treuesten Supporter:innen begann eine Odyssee über
01:02:42: die Hamburger Amateur-Sportplätze. Teilweise wussten Spieler und Trainer erst am Vorabend, wo sie am
01:02:48: nächsten Morgen eigentlich antreten, das war natürlich in Zeiten von nicht mal Handys,
01:02:55: kein Internet relativ kompliziert. Es gab da ja wirklich ne Odyssee, also im Sinne von
01:03:01: dass man die Heimspiele, die sogenannten, dann bei Altona an der Griegstraße,
01:03:07: an der Hoheluft bei Victoria ausgetragen hat, teilweise bei Concordia in Marienthal noch damals. Es gab sogar mal ein
01:03:13: Heimspiel der Amateure am Rothenbaum, als das Stadion, das alte HSV-Stadion noch existierte. Also man ist da wirklich sehr viel rumgekommen, was natürlich
01:03:19: sightseeingmäßig sehr schön war, aber ein eigener Spielort wäre dann doch schöner gewesen.
01:03:25: Kurt Hesse, der damalige Trainer, der dann 1995 Jürgen Wähling abgelöst hat, hatte uns
01:03:31: auch in einem Gespräch erzählt, dass er sehr viele Telefonate tätigen musste immer am Vorabend
01:03:37: eines Spiels und wirklich teilweise Probleme hatte, die Spieler auch zu erreichen. Für viele der aktiven
01:03:43: Amateur-Supporter:innen war eine Grenze überschritten, in einer spontanen Aktion
01:03:50: besetzte man kurzerhand den Platz von Concordia ungefähr eine Viertelstunde vor Anpfiff. Einer
01:03:56: der Platzbesetzer:innen war Holger Scharf. Dieser war dann später
01:04:02: nicht nur AGiM-Mitbegründer und AFM-Vorstand, sondern auch Aufsichtsrats-Mitglied des FC St. Pauli, aber er
01:04:09: erzählt mal selber, wie er diese Aktion gesehen hat: "Wir wurden quer durch Hamburgs Plätze gejagt, damit unsere
01:04:15: Amateure irgendwo spielen konnten und natürlich für uns als Fans war das natürlich auch ätzend. Als wir
01:04:21: merkten, jetzt irgendwie ist die Grenze wirklich erreicht, unter anderem ja auch bei Cordi mal eine Platzbesetzung
01:04:28: machten vor dem Spiel. Alle rauf auf den Platz und
01:04:34: dann da erstmal so 10 Minuten, 15 Minuten uns auf den Mittelkreis gesetzt haben um dann entsprechend
01:04:40: auch medienwirksames Echo zu erzeugen, das hat dann auch funktioniert. Es
01:04:46: gab dann sogar eine Veranstaltung im Wirtschaftsgymnasium, wo Uli Maslo sogar auf der
01:04:52: Bühne stehen musste und seine Entscheidung rechtfertigen musste. Der Laden war voll und es wurde diskutiert,
01:04:58: aber geändert hat sich nichts. Und das war dann halt so der Punkt, wo die
01:05:04: AGiM-Gründung sich drauf berief." Kurt Hesse darauf:
01:05:11: "Da kann ich wirklich sagen, das ist sehr positiv aufgenommen worden. Also das war, diese Unterstützung für die Amateure
01:05:18: von den Fans, das war enorm, das haben sie alle mitbekommen, dass das wirklich grandios war. Und das hat uns
01:05:24: alle sehr, sehr gefreut. Und natürlich hat man jetzt eben auch nicht gewusst,
01:05:30: ob sich da was verändert, aber auf jeden Fall, dass man die Sorgen die wir hatten, dass die öffentlich wurden. Ja, das hat
01:05:36: uns schon sehr gut getan." Dazu möchte ich auch einen ganz kurzen Auszug aus dem 'Übersteiger'
01:05:42: aus dem Mai 1996 vorlesen mit der Überschrift "Der Aufstand der Amateur-Fans oder Heimweh
01:05:48: nach St. Pauli". Der Artikel beginnt mit: "Nachdem wir schon in der Hinrunde dreimal aus
01:05:54: unserem Wohnzimmersessel Millerntor gerissen wurden und Mitte April noch immer keine Aussicht auf Heimspielatmosphäre bestand, platzte
01:06:00: uns der Kragen. Wichtig hinzuzufügen wäre noch, dass es bei unserem Protest nicht nur ausschließlich um den Spielort
01:06:06: ging, sondern allgemein um die Akzeptanz und Einbindung des Amateurteams in den Verein." Eine wichtige
01:06:13: Rolle zu Beginn dieser, ich würde es jetzt mal Proteste nennen, spielte auch der Mannschaftsarzt der Amateure,
01:06:19: Dr. Heinz Brauner, in dessen Garten sich mehrere Akteur:innen der Fanszene
01:06:25: trafen und gemeinsam darüber beraten, wie man nun agieren solle. Dabei
01:06:32: waren unter anderem Holger Schaaf, den wir schon gehört haben und auch Klaus Holm, dessen legendärer Laden
01:06:38: 'Zum letzten Pfennig' auch von Spielern der Amateure gerne und oft genutzt wurde. Unvergessen z.B.
01:06:44: im 'Letzten Pfennig' auch die Fragerunde interessierter Fans an Spieler, die sich dafür auf eine Bierkiste stellen mussten. Auch Leo
01:06:50: Manzi, der in seiner letzten Saison beim FC St. Pauli von Uli Maslo zu den Amateuren abgeschoben wurde, und da übrigens relativ erfolgreich
01:06:56: war. 17 Tore in 25 Spielen, man vergisst es gerne mal, er konnte auch Tore schießen, nicht
01:07:03: nur das eine gegen Hannover. Ja auch Leo Manzi feierte das ein oder andere Mal im 'Letzten Pfennig'. Gerüchten
01:07:09: zufolge soll er auch seine Abschiedsparty im 'Letzten Pfennig' gefeiert haben. Nicht nur Gerüchte, die fand da wirklich
01:07:15: statt. Warst Du dabei? Ich glaube nicht, das ist ja die Frage, wenn man sich nicht daran erinnert, war es wahrscheinlich gut.
01:07:21: Aber nee, ich glaube ich war nicht da, aber ich weiß aber definitiv, dass die da stattgefunden hat. Und er auch sonst sogar
01:07:27: mal auch, so mindestens einmal so einen DJ-Abend da gemacht hat und so. Haben wir schon gesagt,
01:07:33: wo der 'Letzte Pfennig' eigentlich lag? So für Hörer:innen, die das vielleicht nicht wissen. Der 'Letzte Pfennig' war an der Clemens-Schultz-Straße 9. Genau.
01:07:40: Kann man also heute auch noch ganz problemlos vorbeigehen? Den 'Letzten Pfennig' gibt's so heute nicht mehr und das Haus auch nicht
01:07:46: mehr, das ist jetzt ein modernes Wohnhaus. Ja, aber z.B. das 'Miller' gibt's noch, das war so schräg
01:07:52: gegenüber an der Kreuzung Detlev-Bremer, wo dann auch gesagt wurde, dass
01:07:58: öfter mal oberkörperfreie Männer in Polonaise aus dem
01:08:05: 'Letzten Pfennig' ins 'Miller' und zurück getanzt sind. Ja, das ist wohl so passiert. Der übrigens ja
01:08:11: auch seine Optik dann bei einer Supermarktkette geborgt hatte, nämlich Penny, die damals tatsächlich auch noch
01:08:17: so einen Pfennig als Logo hatten. Und der Slogan war dann glaube ich "Prima leben und saufen",
01:08:23: richtig? Ja, richtig. Das Paket stimmte schon. Muss man sagen, von Marketing haben wirklich alle, aber auch alle, die
01:08:30: mit dem FC St. Pauli zu tun haben, immer ... das kann sich keine Marketing ausdenken. Das war 1A, da gab es vermutlich auch T-Shirts. Ja.
01:08:36: Das wäre doch schön, eine Merchandise-Wiederauflage fürs FC St. Pauli-Museum. Man kann aber dazu sagen, es gab vor kurzem
01:08:42: gerade eine Revival-Party im Indra Club, Große Freiheit, jetzt im November war es erst.
01:08:48: War sehr, sehr schön, da haben viele Menschen von damals sich wieder getroffen. Und es gibt dieses Banner, was im Fenster des 'Letzten Pfennig'
01:08:54: hing mit genau diesem Spruch und diesem Design, was Christoph eben gerade meinte, das gab's immer noch, das gibt's immer noch und
01:09:00: das hat mittlerweile das Archiv des Museums erhalten, das ist also sozusagen konserviert. Aber ich
01:09:06: möchte nicht zu sehr ablenken von den Amateuren, weil das große Plädoyer, warum das jetzt die wichtigste Mannschaft aller Zeiten war,
01:09:13: ist ja noch nicht ganz am Ende angelangt. Es kündigt sich langsam an, denn wie Holger Scharf
01:09:19: in seinem Zitat schon sagte, dass sozusagen aus diesem Kampf für bessere Behandlung der Amateure entstand
01:09:26: quasi ein Kampf um Partizipation und Teilhabe der Fans an ihrem Verein. Und man muss sagen, dass
01:09:32: sich wirklich in kürzester Zeit die Ereignisse überschlugen. Nicht nur wurde eine neue Vereinssatzung quasi
01:09:38: im Garten von Dr. Heinz Brauner geschnibbelt. Also, das ging quasi darum, dass es damals eine
01:09:44: Auflage des DFB gab, dass Profivereine einen Aufsichtsrat haben müssten oder
01:09:50: zumindest ein Vorschlagsgremium, das existierte zwar beim FC St. Pauli, hatte aber natürlich weniger Kontrollmöglichkeiten
01:09:57: als ein Aufsichtsrat. Und das gab dann eine Versammlung, eine außerordentliche Mitgliederversammlung, wo dann es aber einen Kompromiss
01:10:03: erstmal gab, dass eine Satzungskommission eingesetzt wird, um das erstmal auszuarbeiten und derweil dieses besagte
01:10:10: Vorschlagsgremium trotzdem erst mal gewählt wurde, was aber dann auch durchaus mit ... die meisten Stimmen hat damals übrigens Sven
01:10:16: Brux gekriegt z.B. für dieses Vorschlagsgremium, in dem dann auch besagter Herr Brauner, Tatjana
01:10:22: Groeteke damals schon und aber auch Harald Stender und Hans Apel Teil waren. Das waren die fünf, die in diesem Vorschlagsgremium waren,
01:10:28: deren einzige Aufgabe hätte sein sollen, mögliche Kandidaten für das Präsidium zu prüfen im Vorwege, das
01:10:35: wäre alles gewesen. Man kann auf jeden Fall sagen, dass die Ereignisse sich überschlugen zwischen
01:10:41: 1995 und 1998 wirklich rasant. Nicht nur dass diese neue Vereinssatzung auf
01:10:47: dem Weg gebracht wurde, sondern auch die Gründung der AGiM, da wurde quasi der Grundstein gelegt. Und was war das, die AGiM? Arbeitsgemeinschaft
01:10:54: interessierter Mitglieder. Auch der Antrag zur Umbenennung des Wilhelm-Koch-Stadions, wie das Millerntor
01:11:00: bis Ende der 90er noch hieß, kam direkt aus der Mitte dieser Gruppe um die Amateur-Supporter:innen. Antragsteller Ronny
01:11:07: Galczynski soll heutzutage ja für das Vereinsmuseum eines bekannten Stadtteil-Clubs arbeiten, Gerüchte,
01:11:14: man munkelt. Wir hören noch mal, was Holger Scharf zu dieser Zeit zu erzählen hat: "Ich glaube, es war notwendig
01:11:20: auch zu polarisieren, weil wir ganz klar Position bezogen haben rund um
01:11:26: den Verein. Damals angefangen wie wir die Behandlung der Amateure im Verein gesehen haben, dann später aber auch ja natürlich über Aufsichtsrat,
01:11:33: AFM-Tätigkeit. Es war Zeit, war polarisieren, man musste auch provozieren, völlig
01:11:39: klar." Kuriosum am Rande, als Holger Scharf 1997 für den neugegründeten Aufsichtsrat kandidierte, landete er
01:11:45: nur auf Platz Acht. Die Fans setzten also die Forderung nach einem Aufsichtsrat durch, doch musste dieser erstmal ohne
01:11:51: ein Mitglied aus der Fanszene an den Start gehen. Aber das war ja dann nicht lange der Fall, hat
01:11:57: sich dann ja über die Zeit auch wirklich verändert. Aber das heißt, deine These ist dann jetzt schon, dass
01:12:04: sozusagen die Amateurmannschaft und das was auch Uli Maslo auslöste, quasi
01:12:10: Uli Maslo wäre so ein bisschen wie auch der 'Sport Dome' etwas früher dann was ausgelöst hat. Genau es war, als
01:12:16: hätte man nur darauf gewartet, dass etwas kommt. Uli Maslo war die perfekte Figur zum Polarisieren. Er hatte ja auch damals
01:12:22: im Sportstudio mal gesagt, er ist stolz Deutscher zu sein, das waren natürlich alles so Sachen, die Uli Maslo einfach zur
01:12:29: Persona non grata in der Fanszene gemacht haben. Das hat natürlich auch, wenn man so will, geholfen, wenn das mal so nennen möchte, dass
01:12:35: auch die Vereinsspitze und besonders der Präsident, der damalige, Heinz Weisener, natürlich auch vom Typus
01:12:41: her als Patriarch, als Alleinherrscher des Vereins auftrat. Die Entscheidungen
01:12:47: des Vereins nicht in der Geschäftsstelle, sondern eher in seinem Büro, seinem Architektenbüro gefällt
01:12:54: wurden. Also es gab auch sozusagen in der Vereinsspitze diese Person, an der man sich gerne abarbeiten konnte
01:13:00: sozusagen. Und wo ist auch überhaupt erstmal, also ich erinnre noch, dass glaube ich
01:13:07: das erste direkte Gespräch mit ihm, also von der AGiM mit ihm, fand also weit
01:13:14: über ein Jahr nach der Gründung der AGiM statt, also irgendwann um 1997 rum muss das dann gewesen sein. Also
01:13:20: dass überhaupt da mal direkt gesprochen wurde, das war überhaupt nicht, das kannte man nicht. Und das hat sich natürlich später,
01:13:26: auch mit den späteren Präsidien ist das natürlich anders geworden. Schon direkt ab Reenald Koch dann, da gab es dann auch einfachere
01:13:32: Kommunikationswege definitiv, das hat sich dann schon geändert. Aber damals Mitte der 90er war das halt,
01:13:38: da oben der Verein und da unten wir Fans. Das war so mehr oder weniger so die Darstellung kann
01:13:44: man sagen. Man erzählt sich ja auch, Christian Hinzpeter war ja damals schon sozusagen quasi der Vermittler
01:13:50: zwischen Präsidium und Fanszene. Und dass Christian Hinzpeter dann ja auch später von
01:13:57: Heinz Weisener gekündigt wurde, weil eben Christian Hinzpeter es nicht geschafft
01:14:04: hat, die aktive Fanszene ruhig zu halten. Das ist sicherlich mit ein Grund gewesen,
01:14:10: vielleicht kein offiziell genannter. Worauf ich jetzt noch mal hinaus will, wie es mit den Amateuren in
01:14:16: den 90ern weiter ging. Der Ruf der Fans, diese Spieler nach oben zu ziehen in die erste Mannschaft,
01:14:22: wurde quasi erhört durch die Entlassung von Uli Maslo und
01:14:28: als KaPe Nemet Interimstrainer wurde. Das war die Saison 96/97 und
01:14:34: wir erinnern uns vielleicht noch an ein paar desolate Spiele zum Ende der Saison. Denn als
01:14:40: klar war, dass wir absteigen, gab es eine überraschende Verletzungswelle bei Spielern komischerweise. Dadurch
01:14:47: durften dann ein paar Amateurspieler auch endlich mal Erstligaluft schnuppern. Sven Tholen, Ahmet
01:14:53: Usman, Mike Göbel, Carsten Wehlmann und eben auch der langjährige Kapitän der Amateure, Andrew Pfennig. Für
01:15:00: Andrew Pfennig besonders tragisch, weil er dann bei dem desolaten 0:6
01:15:06: in Bochum auch direkt ein Eigentor geschossen hat, bitter. Was
01:15:13: besonders bitter war, dass die damals sich im Abstiegskampf befindlichen Amateure in der Regionalliga Nord durch die Schwächung
01:15:20: ihrer Stammspieler, die zur ersten Mannschaft hochgezogen wurden, auch abgestiegen sind. Oh nein. Also doppelter
01:15:27: Abstieg und trotzdem kann man halt ein wichtiges Team für die Vereinsgeschichte sein. Absolut, also, wer erinnert sich
01:15:33: an die erfolgreichsten Mannschaften. Auch die Pokal-Mannschaft ist natürlich eine Mannschaft, die damals
01:15:39: Regionalliga Nord gespielt hat, wir sind nicht aufgestiegen in der Pokal-Saison. Wir haben furchtbare Spiele
01:15:45: gespielt damals, sowas vergisst man manchmal. Ich möchte noch mal auf diese Stadion-Problematik zurückkommen, weil immerhin
01:15:52: das hat ja zu einem guten Ende geführt, weil dieses Herumgetingel über die Hamburger Amateur-Plätze hat sich dann ja,
01:15:58: irgendwann zum Glück ist das beendet worden. Weil man dann einen festen Spielort gefunden hatte, sogar fast am Millerntor,
01:16:04: nämlich an der Sternschanze. Und zwar nicht unten an der Straße sozusagen, wo der SC Sternschanze spielt, sondern oben
01:16:10: im Park, wo der SV oder die SV, ich weiß es gar nicht, Polizei,
01:16:16: Polizei-Sportplatz das Zuhause hat und da hat dann das Amateurteam regelmäßig Heimspiele ausgetragen. Das
01:16:23: hat natürlich wiederum auch ein bisschen zu dieser Zuschauerbindung, kann man sagen, beigetragen, weil man hatte einen festen Ort, der mehr oder
01:16:29: weniger im Viertel war, gut zu erreichen. Da gab's oder gibt's immer noch ein sehr nettes Clubheim, was man da auch einsprechend
01:16:35: frequentieren durfte und konnte. Also das war eigentlich für Heimspielatmosphäre mit ein paar hundert Leuten war das immer ein sehr, sehr
01:16:41: angenehmes Ambiente muss man sagen. Quasi ein bisschen das Ende dieses Amateur-
01:16:48: Supports hat auch was zu tun mit der vom DFB, eine Reform die der DFB angestoßen hat zur Neustrukturierung
01:16:54: der Amateurteams. Das war um 2000 rum, dass es eben keine Amateure mehr sind, sondern eine
01:17:01: U23, was ein reiner Talente-Pool für die erste Mannschaft
01:17:07: sein sollte. Ich glaube es waren drei Spieler über 30 erlaubt und es war natürlich eine sehr hohe
01:17:13: Fluktuation. Natürlich waren das dann auch keine Spieler mehr aus dem Viertel, sondern es waren ja Spieler, die von
01:17:19: weiter weg kamen, die eingekauft wurden, wo man probiert hat, ob man eben die an die erste
01:17:25: Mannschaft ranführen kann. Also, es war sozusagen der Beginn dieser NLZ-Professionalisierung in
01:17:32: Deutschland. So muss man auch sagen, dass Stück für Stück damit auch der aktive Support der Fanszene auch
01:17:38: einschlief, fehlte natürlich einfach so die Identifikation. Auch Andrew Pfennig beendete 1997 seine Karriere. Er erlebte
01:17:45: noch Spieler wie Ivan Klasnić und Zlatan Bajramović, sozusagen die jungen aufstrebenden, die kamen, aber merkte auch
01:17:52: schon schnell, dass er da einfach keinen Draht mehr hat, die große Zeit war vorbei. Wir hören dann
01:17:58: nochmal bei Andrew Pfennig rein, der hat eine schöne Anekdote mit dem damaligen Mittelfeldspieler der Amateure Morten-Fibak
01:18:04: Jensen erlebt, der damals übrigens auch in einer Bäckerei in der Wohlwillstraße gearbeitet hat,
01:18:10: also alle waren irgendwie auch sehr viertelnah und erzählt er uns mal, was er
01:18:16: so als Spieler der Amateure mit eben diesem Morten-Fibak Jansen erlebt hat: "Und dann
01:18:22: ging das nachher so gegen Ende, also mein letztes Jahr, das war dann so, dass dann ganz junge Spieler kamen
01:18:28: und dann kam ne ganz andere Generation Spieler, dann fing das an. Dann saßen wir nach dem Training nicht mehr zusammen
01:18:35: in der größeren Gruppe, dann saßen Morten-Fibak und ich alleine und haben das
01:18:41: noch mal Revue passieren lassen das Training und Morten-Fibak, das ist ja so ein Wahnsinniger, da kann ich auch mal ne schöne
01:18:47: Geschichte erzählen zum Thema Stadtteilverein. Wir waren hier
01:18:53: vor der alten Flora und haben dann auf der anderen Seite immer in die Restaurants die
01:18:59: Plakate gehängt und Morten-Fibak 'Ich gehe da mal rüber, ich häng da drüben auch eins hin'. Ich sag, Morten bist du verrückt,
01:19:05: da gehst Du nicht rein. Wupp, rein, oben weg war er. Ich denk, da kommt er ja nie wieder heil raus. Ich denk,
01:19:12: scheiße, musst du hinterher. Dann hinterher, rein da, Morten schon vorweg. Da kamen schon die
01:19:18: quadratisch, praktisch, gut und ja, St. Pauli und so und dann die Leute gleich 'Ja St. Pauli,
01:19:24: super, kommt rein Jungs'. Das hätte ich auch nie für möglich gehalten, dass ich mal die Flora von innen sehe, aber
01:19:30: das war, Morten hatte den Mut gehabt und ich wollt eigentlich nur hinterher, helfen da heil herauszukommen,
01:19:37: aber die Jungs die waren alle Klasse da und alles St. Paulianer. Also für uns war
01:19:43: das ein schönes Erlebnis." Ich mein heutzutage kann man die zweite Mannschaft des FC St. Pauli natürlich nicht mehr vergleichen mit dem Amateurteam
01:19:49: der 90er-Jahre. Aber was für mich bleibt in dieser Geschichte ist, dass aus einer
01:19:55: kleinen Gruppe an aktiven Supporter:innen ein großes Beben entstand, welches den Verein auch meiner Meinung
01:20:01: nach zu dem gemacht hat, was er heute ist. Und ja, wer weiß was passiert wäre, wenn Uli Maslo den Amateuren
01:20:07: das Kicken am Millerntor nicht verboten hätte. Da waren wir wieder, was wäre wenn? In der Tat. Ich mein, was
01:20:15: wäre, wenn es für die Gegengerade nicht den Plan gegeben hätte,
01:20:21: eine riesige Polizeiwache zu errichten. Hat mit Sicherheit dem Kampf für das Museum auch noch mal einen ordentlichen
01:20:27: Extra-Wumms verpasst, dass man auch zugleich gegen etwas sein konnte. Vieles
01:20:34: hätte tatsächlich auch ganz anders passieren können. Fand ich persönlich jetzt auch sehr interessant, diese Facetten
01:20:40: kennenzulernen. Hatten wir eingangs ja auch versucht darzustellen, dass es eben so ist, dass wir uns natürlich nicht alles schon ausführlich einmal
01:20:47: erzählen und dann setzen wir uns noch mal vors Mikrofon, erzählen uns das noch mal, sondern dass das
01:20:53: dann auch für uns auch immer das Ziel ist, dass wir den anderen auch jeweils Neues mitbringen und das
01:21:01: fand ich jetzt sehr unterschiedliche Seiten auch, die wir so gesehen haben der Geschichte. Ich weiß nicht wie es Euch so geht. Absolut, also
01:21:07: was natürlich, was Du schon erwähnt hast, was natürlich rauskommt, ist dass die Wichtigkeit
01:21:13: eines Teams beim FC St. Pauli nicht gemessen wird an Punkten, an Pokalen
01:21:20: und Titeln und Triumphen, das wussten wir natürlich alle. Aber von dem
01:21:27: was ich jetzt heute so gehört habe, jedes Team hat so einen Grundstein für etwas gelegt
01:21:33: oder auch dieses was wäre wenn Gefühl vermittelt, dass man sagt, wenn das so eingetreten wäre,
01:21:39: wie sähe der Verein heute aus? Also zum Teil ist ja eben auch der richtige Schurke nicht ganz unwichtig, siehe
01:21:45: hier die Sachen mit Maslo. Weil ich dann noch so einen kleinen losen Faden habe vom Anfang, wollte ich vielleicht noch mal
01:21:51: ganz kurz auch der Fußballmafia DFB einen mitgeben. Um es einmal ganz kurz mit Uwe Stothfang
01:21:58: zu sagen, der in den 60ern sehr gut für den FC St. Pauli Fußball gespielt hat: "Der DFB
01:22:04: hatte für St. Pauli glaube nicht damals viel
01:22:10: im Sinn. Ich weiß nicht warum. Ingo Porges hat auch nur ein Länderspiel
01:22:17: gemacht und wurde danach nie wieder eingeladen, obwohl Ingo damals super
01:22:24: drauf war. St. Pauli war nicht beim DFB gut, das
01:22:30: hat zwar keiner gesagt, aber man hat es gemerkt." Ja, Uwe Stothfangs Gefühl
01:22:36: finde ich ist durchaus berechtigt, das möchte noch mal ganz kurz loswerden. Denn dass die ganze Geschichte mit
01:22:42: den Aufstiegsrunden und so weiter überhaupt zu einer großen Geschichte wurde, lag
01:22:48: daran, dass der DFB echt schräge Kriterien hatte, um die Bundesliga, die ja 1963
01:22:54: dann startete, zusammenzusetzen. Nämlich zuerst hatten sie gesagt, alles klar, es gibt eine 12-Jahreswertung,
01:23:01: kann man ja auch irgendwie nachvollziehen. Man guckt über einen längeren Zeitraum, welche Teams erfolgreich gewesen sind
01:23:07: und dann dürfen die dann dabei sein. Das hat man dann aber nur für die ersten neun Plätze
01:23:14: gemacht, also die ersten neuen Kandidaten, so sagte der DFB, seien über eine 12-Jahreswertung ermittelt wurden. Ja,
01:23:21: nach dieser 12-Jahreswertung hätte kein Weg am FC St. Pauli vorbeigeführt, weil der war damals in der
01:23:27: damaligen Ersten Liga, das war ja die Oberliga Nord, so hieß die ja, war der mit Werder und HSV zusammen
01:23:33: einfach, das war so das Trio. Da waren so immer wieder auch andere die gut waren, aber so konstant war der FC St. Pauli da auf
01:23:39: jeden Fall gut. Ja nun, galt aber nicht für alle Plätze, nein, galt nur
01:23:45: für die ersten neun Plätze. Man hatte damals erstmal mit 16 Plätzen dann gerechnet, für die restlichen
01:23:52: sieben Plätze wurde eine 5-Jahreswertung herangezogen. Dummerweise hatte der FC St. Pauli da ein bisschen geschwächelt. Es
01:23:59: hätte dann also der VfL Osnabrück als drittbester Oberliga Nord-Verein rankommen müssen, hätte man nur die
01:24:05: letzten 5 Jahre vor '63 gezählt. Es wurde aber Eintracht Braunschweig
01:24:11: genommen. Warum, fragt man sich händeringend. Tja, der DFB sagte
01:24:18: dann tatsächlich schriftlich, alle vier Clubs sind aufgrund ihrer sportlichen Vergangenheit als gleichwertig anzusehen. Man hatte damals
01:24:24: dann die Frage, wer soll jetzt also mitmachen? St. Pauli, Holstein Kiel, Eintracht
01:24:30: Braunschweig oder VfL Osnabrück und plötzlich galt dann nicht mehr das Sportliche und plötzlich galt auch nicht mehr die 5-Jahreswertung. Nein,
01:24:36: da gibt es viele, die sagen, gleich gut sagte der DFB, deswegen muss der diesjährige Tabellenplatz, also
01:24:42: 62/63, den Ausschlag geben. Pointe der Geschichte: Wer hatte keine vollständige Heimsaison? Natürlich
01:24:49: der FC St. Pauli, weil ein, wir wissen nicht mehr welcher Mensch, jedenfalls bei der Stadt, dummerweise an der
01:24:55: Drainage gespart hatte, musste ja das Millerntor-Stadion nochmal umgebaut werden und der FC St. Pauli tingelte zeitweilig
01:25:01: dann also über die Plätze, spiele sehr oft auf dem Victoriaplatz und auch dazu haben wir Stimmen, z.B. von
01:25:07: Hans Deininger, der sagte, das war halt eigentlich ne Saison größtenteils Auswärtsspiele. Klar, natürlich haben wir da nicht so gut gespielt.
01:25:14: Und in der Vereinszeitung stand dann auch, das Fluidum sei natürlich auf dem anderen Platz ein anderes gewesen. Also, wenn es dann wirklich diese
01:25:20: letzte Saison war, waren wir also dann auch noch aus baulichen Gründen gehandicapt, hätte also eigentlich der DFB
01:25:26: auch sagen können "Ja gut, eigentlich waren sie ja gut, sehen wir ja, lassen wir mal die St. Paulianer ran." Niemals wurde irgendwo einmal
01:25:33: ganz klar das gesagt, wonach, so vermute ich, letzten Endes entschieden wurde, man wollte einfach nicht zwei Teams aus einer Stadt in
01:25:39: der Liga haben. Das wurde nicht offiziell als Kriterium ausgesprochen. man hat sich das dann so zusammengedeichselt. Plötzlich war es
01:25:45: dann also die letzte Saison, die den Ausschlag gegeben hätte und deswegen war dann Eintracht Braunschweig dabei und nicht der FC St. Pauli.
01:25:51: Aber Thomas hat auch noch was dazu. Nur so zum Thema zwei Vereine aus einer Stadt war es ja auch in München ein ähnliches Problem.
01:25:57: Und da ist dann ja tatsächlich der TSV 1860 in der Bundesliga-Gründungssaison dabei gewesen, der FC Bayern erst
01:26:04: zwei Jahre später. Und interessanterweise, wo wir gerade beim Thema Aufstiegsrunden sind: 1964
01:26:10: das erste Spiel des FC St. Pauli in einer Bundesliga-Aufstiegsrunde war gegen den FC Bayern München. Da schließt sich
01:26:16: der Kreis wieder. Da war ja auch unter anderem ein Gastauftritt eines nicht ganz unbekannten Spielers namens
01:26:24: Beckenbauer. Ja, der sein erstes Spiel für die erste Mannschaft des FC Bayern, das erste Pflichtspiel, absolvierte und
01:26:30: zwar in Hamburg müssen wir sagen, weil das Spiel war nicht am Millerntor, sondern im Volksparkstadion, ging 0:4 verloren, Beckenbauer schoss
01:26:36: auch ein Tor, aber am Ende stieg Borussia Neunkirchen auf, Bayern musste noch ein Jahr länger warten. Also
01:26:43: auch da war der FC St. Pauli mal wieder sehr gut darin, andere groß zu machen. Ohne uns wäre Beckenbauer nie das geworden, was er heute
01:26:49: ist. Kann man so stehen lassen würde ich sagen. Er nahm einfach diese Motivation durch seine ganze Karriere mit und
01:26:56: hat das vermutlich dann auch niemals vergessen. Also wäre aber auch wirklich schön, das Spiel weiterzuspielen, weil
01:27:02: es so viele andere Teams und Mannschaften gibt, die sicherlich auch noch Kandidaten wären. Habt Ihr sonst auch noch welche da,
01:27:08: wo Ihr sagen würdet, die hätte ich eigentlich auch ganz gerne nominiert? Also ich war da eigentlich tatsächlich
01:27:14: relativ schnell bei meinem Team, was aber glaube ich auch daran liegt, dass ich so über den Namen gestolpert bin. Den
01:27:20: ich ja auch mit beschlossen habe, da müssen wir ja gar nicht so tun, als wär das nicht passiert. Komplett ins Messer laufen lassen, zu Recht
01:27:26: natürlich. Also die Folge soll dann auch so heißen trotzdem? Wir nennen diese Folge "Die wichtigste Mannschaft des FC St. Pauli".
01:27:33: Aber nur, um nochmal darauf aufmerksam zu machen, wie sehr das auch im Sprachgebrauch verankert ist. Und wie
01:27:40: sehr es dann eben auch nicht zutrifft, wie wir mehrfach auch beim Sprechen festgestellt haben. Das stimmt und wir sind natürlich auch sehr
01:27:46: interessiert daran, was Eure wichtigste Mannschaft gewesen wäre. Das könnt Ihr uns gerne schreiben, kommentieren,
01:27:52: wie auch immer Ihr uns das gerne mitteilen möchtet. Wir freuen uns auch über Postkarten. Ihr könnt uns auch eine Brieftaube
01:27:58: schicken. Ja und an dieser Stelle glaube ich können wir nur vielen Dank sagen auch, dass Ihr dabei
01:28:04: geblieben seid. Falls Ihr das noch nicht tut, folgt uns auf Social Media, da erfahrt Ihr alle wichtigen
01:28:10: Infos rund um diesen Podcast und ein wichtiges
01:28:16: Schlusswort habe ich auf jeden Fall noch. Wenn Ihr eine Sache aus diesem Podcast mitnehmt, dann: Melancholie ist
01:28:22: die Zitrone auf dem Sellerieschnitzel des Lebens. Vielen Dank für diese wichtige Ergänzung. Ja, tschüss bis zum nächsten Mal. Tschüss.
01:28:30: Tschüss. Tschüss.
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